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MEMORIAL/114: 31. August 1864 - Der klägliche Tod des Ferdinand Lassalle (Gerhard Feldbauer)


Der klägliche Tod des Ferdinand Lassalle

von Gerhard Feldbauer, 31. August 2014



Ferdinand Lassalle verstarb am 31. August 1864 nach drei Tagen qualvoller Schmerzen an den Folgen eines Duells. Am 28. des Monats war er auf einer Lichtung im Wald der Genfer Vorstadt Carouge mit seinem Gegner, einem rumänischen Bojaren, dem er die Verlobte ausgespannt hatte, aufeinander getroffen. Der gehörnte Adlige zielte und traf genau die Körperteile, mit denen Lassalle seine "Ehre" verletzt hatte.


Ein erfolgreicher Frauenverführer

Dieser Tod erscheint als eine fast logische Konsequenz einschneidender charakterlicher wie auch politischer Auffassungen, die Lassalles Leben und Handeln bestimmten. 1825 als Sohn eines reichen jüdischen Kaufmanns in Breslau geboren, hieß er eigentlich Lassal, hatte aber seinen Namen in Paris in die französische Form Lassalle umschreiben lassen. Er galt nicht nur als ein brillanter Redner, man sagte ihm auch überzogenen Ehrgeiz, Besessenheit und maßlose Eitelkeit nach. Vor allem aber stand der mit einer ausgesprochen schönen Männergestalt ausgestattete Politiker im Ruf eines erfolgreichen Frauenverführers. Wie dem biografischen Roman "Lassalle" von Stefan Heym (Bechtle Verlag 1969) zu entnehmen ist, zählten zu seinen Eroberungen Damen der besten Gesellschaft, ebenso wie Töchter des Proletariats und Mädchen aus der Halbwelt.


Ein Doppelleben

Man könnte meinen, der Gründer des Allgemeinen Deutschen Arbeiterbildungsvereins habe ein Doppelleben geführt. Lassalle förderte die selbständige politische Organisation des deutschen Proletariats, blieb aber Zeit seines Lebens ein Kleinbürger, der Zugang zu den Herrschenden suchte, vornehmlich ihrer adligen Kreise, der selbst in Bismarck "eine Force sympathique" sah, von der eine "sonderbare Anziehungskraft ausging". 1846 lernte er die 20 Jahre ältere Gräfin Sophie von Hatzfeldt kennen. Während er als Demokrat an der Revolution 1848/49 teilnahm, führte er für sie, die für Bismarck zur "Oberschicht der preußischen Aristokratie" gehörte, von 1846 bis 1854 als Rechtsbeistand und Generalbevollmächtigter ihren Scheidungs- und Vermögensprozess, den er gewann. Die Gräfin gewährte ihm dafür eine Jahresrente von 5000 Talern, was damals ein kleines Vermögen darstellte und ihm ein recht sorgenloses Leben sicherte. Die Gräfin verblieb immer in seinem Umfeld und es blieb, wie Heym wiedergibt, nicht "bei der zigarrenrauchenden Mutterfigur". Lassalle sei nicht nur "für geleistete Anwaltshilfe", sondern auch "für Leistungen anderer Art" bezahlt worden.


Dem Bojaren die Verlobte ausgespannt

Wie es zu dem für Lassalle tödlichen Duell kam, könnte einem Roman von Courths-Mahler entnommen sein, wenn es nicht historisch belegt wäre. Als der 39jährige Lassalle im Frühjahr 1864 während eines Kuraufenthalts in der Schweiz die 20 Jahre jüngere bildschöne Helene von Dönniges kennenlernte, hatte er schon unzählige Liaisons hinter sich und war einige Male bereits dem Risiko eines Duells ausgesetzt gewesen. Die Tochter des Schweizer Diplomaten in bayerischen Diensten verliebte sich unsterblich in den "feurigen Revolutionär", der von ihr nicht weniger angetan war und sie heiraten wollte. Zum Pech für Lassalle war die Geliebte bereits mit dem rumänischen Bojaren Yanko von Racowitja verlobt. Nicht nur deshalb, sondern auch weil die Eltern Helenes den Bewerber "aus dem Volk" nicht in ihre Kreise passend sahen, wurde sein Antrag um die Hand der Tochter schroff zurückgewiesen.

Helene floh zu ihrem Angebeteten und wollte von ihm nach Frankreich entführt werden, um die Eltern vor vollendete Tatsachen zu stellen. Ein solches Abenteuer schien Lassalle nun doch nicht aristokratengemäß und er brachte sie zu ihrer Mutter zurück. Zutiefst enttäuscht wandte sich Helene von ihm ab, ließ ihren Bojaren wieder zu sich ins Bett und schrieb Lassalle, dass sie dem Verlobten "ewige Treue und Liebe" schwöre. Lassalle war öffentlich der Lächerlichkeit, Hohn und Spott ausgesetzt. Zutiefst beleidigt und in seiner Eitelkeit getroffen, forderte er vom Vater der einstigen Geliebten Satisfaktion. Um dem Nachdruck zu verleihen, beschimpfte er Helene nun "eine verworfene Dirne". Die nach Genf geeilte Gräfin Hatzfeldt versuchte vergeblich, ihren "großen, wunderbaren, geliebten Jungen" zu einer gütlichen Beilegung der verworrenen Angelegenheit zu überreden, zu der selbst der davon in Kenntnis gesetzte bayerische Außenminister und oberste Vorgesetzte von Dönniges riet.


Der war mit Pulver und Blei aufgewachsen

Von Dönniges war froh, nun mit Racowitja "einen Mann in der Familie zu haben, der praktisch mit Pulver und Blei aufgezogen wurde" und übertrug die Vertretung der Familienehre dem künftigen Schwiegersohn, mit dem Lassalle dann am 28. August in besagtem Wald von Carouge zum Pistolenduell zusammentraf. Sein Erster Sekundant war Oberst Wilhelm Rüstow, der 1860 Stabschef in der Befreiungsarmee des italienischen Revolutionsgenerals Giuseppe Garibaldi war. Der Ausgang wurde bereits geschildert. Selbst die Sekundanten von Racowitja waren über dessen bestialischen Schuss entsetzt und verließen sofort den Kampfplatz. Gräfin Hatzfeldt harrte Zigarren rauchend bis zum Ende an Lassalles Totenbett aus.

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Quelle:
© 2014 by Gerhard Feldbauer
Mit freundlicher Genehmigung des Autors


veröffentlicht im Schattenblick zum 1. September 2014