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MEMORIAL/151: Italien - Schon vor 95 Jahren paktierte die Demokratische Partei mit Faschisten (Gerhard Feldbauer)


Es begann vor 95 Jahren:

Das gegenwärtige Paktieren der Führer der italienischen Demokratischen Partei (PD) mit sozialdemokratischem Aushängeschild mit Faschisten reicht bis ins Jahr 1921 zurück

Von Gerhard Feldbauer, 1. August 2016


In seinem Beitrag "Unter fremder Flagge" entlarvte Lenin 1915 die Rolle der Opportunisten in den Parteien der II. Internationale, die im "Bündnis" oder durch "Vereinbarung, Blockbildung usw." zwischen "der Bourgeoisie und ihren Antipoden" Teile der Arbeiterklasse politisch-ideologisch in das kapitalistische System zu dessen Aufrechterhaltung einzubinden suchten (Werke, Bd. 21, S. 143). Als in den revolutionären Kämpfen nach dem Ersten Weltkrieg der Sturz des kapitalistischen Systems drohte, ließen sich sozialdemokratische/sozialistische Führer, wie sich in Italien zeigte, selbst auf Vereinbarungen mit den Faschisten ein.

So schloss die Führung der Sozialistischen Partei (PSI) während der erbitterten Auseinandersetzungen mit den Mussolini-Faschisten, die mit blutigem Terror ihre Machtergreifung vorbereiteten, am 1. August 1921 mit dem "Duce" einen "Versöhnungspakt", der die von den Sturmabteilungen (SA) angezettelten Bürgerkriegsauseinandersetzungen beenden sollte. Die PSI löste danach ihre Kampfgruppen Ardidi del Popolo (Tapfere des Volkes) auf, in denen sich Sozialisten, Kommunisten, Anarchisten und bürgerliche Antifaschisten zum Widerstand gegen den faschistischen Terror zusammengeschlossen hatten, während Mussolini die Auflösung seiner SA verweigerte. Die vom VI. Kongress der Komintern 1928 gebilligte Sozialfaschismus-These war eine grundsätzlich falsche Einschätzung, wurde jedoch durch solche Haltungen beeinflusst.

Nach dem "Marsch auf Rom", Mussolinis Machtantritt im Oktober 1922, sagte sich die PSI von diesem Paktieren mit den Faschisten los und stand dem Zusammenwirken mit der im Januar 1921 gegründeten Italienischen Kommunistischen Partei (PCI) im antifaschistischen Kampf zunehmend offen gegenüber. Da die PCI die Sozialfaschismus-These nicht übernahm gelang es, ein Aktionseinheitsabkommen vorzubereiten, das Luigi Longo (PCI) und Pietro Nenni (PSI) 1934 unterzeichneten. Es wurde zur entscheidenden Grundlage der im September 1943 gebildeten breiten antifaschistischen Einheitsfront und ihrer Regierung, die einen maßgeblichen Beitrag zum Sieg über den Hitlerfaschismus und seine Mussolini-Vasallen im April 1945 leistete.


Unter dem Druck der Sozialistischen Internationale leitete die PSI auf ihrem Parteitag im März 1955 den Bruch des Aktionseinheitsabkommens ein, das offiziell im Oktober 1956 gekündigt wurde. 1963 trat die PSI in die von der großbürgerlichen Democrazia Cristiana (DC) geführte Regierung ein und entsagte ihren grundsätzlichen antimonopolistischen Forderungen nach Vergesellschaftung der wichtigsten Produktionsmittel und anerkannte Italiens NATO-Mitgliedschaft.

Ein Markstein neuer, wenn auch verdeckter, Kollaboration mit dem Faschismus wurde der Eintritt des PSI-Führers Bettino Craxi in die faschistische Putschloge Propaganda due (P2), in der er neben dem faschistoiden Mediendiktator und späteren Regierungschef Silvio Berlusconi Mitglied des Dreierdirektoriums wurde. Im Juli 1976 half die P2 Craxi, der seit 1972 stellvertretender PSI-Sekretär war, in der sogenannten Midas-Verschwörung (benannt nach dem luxuriösen Hotel in Rom, in dem der Vorstand tagte), den linken Francesco De Martino zu stürzen und sich selbst an die Parteispitze zu putschen. Nach dem Vorbild des aus der PSI hervorgegangenen Mussolini wollte die P2 Craxi als einen neuen "Duce" aufbauen. Wie die Publizisten Giovanni Ruggeri und Mario Guarino in ihrem Buch "Silvio Berlusconi. Inchiesa sul Signor TV" (Mailand 1994) nachwiesen, war der Einfluss der P2 auf die PSI "für die Führerschaft Craxis von grundlegender Bedeutung". Das habe sich "besonders an den riesigen Geldsummen" gezeigt, die sie der Partei zukommen ließ. In den 1992 einsetzenden Korruptionsprozessen wurde Craxi in insgesamt 41 Fällen angeklagt und bis 1996 zu insgesamt 26 Jahren Gefängnis verurteilt. Er floh nach Tunesien, wo er im Januar 2000 in dem mondänen Badeort Hammamat verstarb.

Die Führer der heutigen Partito Democratico (PD), ein Gebilde, das 2007 aus einer Fusion der Linksdemokraten, die ihrerseits aus der 1991 liquidierten PCI hervorgingen, mit der katholischen Zentrumspartei Margherita entstand, setzen diese die unheilvolle Kollaboration mit den Faschisten verschiedenster Couleur fort. Nach dem im November 2011 der faschistoide Premier Berlusconi zurücktreten musste, verhinderte der Ex-Kommunist, der 1991 maßgebliche Liquidator der PCI und dafür als Dank ins Amt des Staatspräsidenten gehievte Giorgio Napolitano, nunmehr PD, Parlamentsneuwahlen, die diesen ins endgültige "Aus" befördert hätten. Stattdessen beauftrage er den früheren EU-Kommissar Mario Monti, eine Übergangsregierung der sogenannten "nationalen Einheit" zu bilden, in die Berlusconi mit seiner Partei "Volk der Freiheit" (PdL), später wieder "Forza Italia" (FI) benannt, einbezogen wurde. Damit entstand erstmals in der italienischen Nachkriegsgeschichte eine Regierungskoalition der unter sozialdemokratischem Aushängeschild agierenden PD mit einer ihrem Charakter nach faschistischen Partei. Der frühere rechte Christdemokrat, Matteo Renzi, der 2013 PD- und 2014 Regierungschef wurde, setzt diese Kollaboration derzeit mit einer von dem früheren Stellvertreter in Berlusconis Partei, Angelino Alfano gegründeten "moderaten" Partei "Neues Rechtes Zentrum" (NCD) fort. Alfano ist in der Renzi-Regierung Innenminister.

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Quelle:
© 2016 by Gerhard Feldbauer
Mit freundlicher Genehmigung des Autors


veröffentlicht im Schattenblick zum 2. August 2016

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