Schattenblick →INFOPOOL →GESELLSCHAFTEN → STIFTUNGEN

HEINRICH BÖLL STIFTUNG/264: Iran-Report Nr. 12 - Dezember 2011


Iran-Report der Heinrich-Böll-Stiftung - Nr. 12 - Dezember 2011
Eine Zusammenfassung aktueller Ereignisse im Iran

von Bahman Nirumand


Der von der Heinrich-Böll-Stiftung seit 2002 publizierte, monatlich erscheinende Iran-Report bietet einen Überblick über die innenpolitische, wirtschaftliche und soziale Entwicklung im Iran und die iranische Außenpolitik. Der Konflikt um das iranische Atomprogramm, die Wahlfälschung vom Juni 2009, die Verfolgung der Opposition und die Verletzung der Menschenrechte sind einige der wiederkehrenden Themen des Iran-Reports. Er wertet Nachrichten verschiedener Quellen aus, auch um die von den Mächtigen in Iran verfügten Behinderungen und Einschränkungen der journalistischen Arbeit auszugleichen. Der Iran-Report produziert keine Schlagzeilen sondern er erhellt die Meldungen, das Nichtgesagte dahinter.

Der Iran-Report wird einem breiten Interessentenkreis aus Politik, Wissenschaft und Medien zur Verfügung gestellt.


Inhalt

Innenpolitik
- Ahmadinedschad: "Wir nähern uns dem Endkampf"
- Antrag zur Vorladung von Ahmadinedschad scheitert im Parlament
- Opposition gegen militärischen Angriff
- Studenten schützen Atomanlage
- Zwei Filmemacher gegen Kaution freigelassen
- Jahrestag der Besetzung der US-Botschaft gefeiert
- Raketenexperte bei Explosion getötet
- Zwölf mutmaßlichen CIA-Agenten festgenommen
- Verbot von Wasserpfeifen in Teehäusern aufgehoben

Wirtschaft
- Der Atomkonflikt
- Iran mit ausländischer Hilfe an der Schwelle zur Atommacht
- Der neue IAEA-Bericht
- Iran weist den IAEA-Bericht zurück
- IAEA-Resolution
- Westen verhängt härtere Sanktionen gegen Iran
- Israelischer Angriff simuliert
- Türkei lehnt Atomkooperation mit Iran ab
- Sanktionen sorgen für weniger deutsche Iran-Exporte
- Schweiz beschließt härtere Sanktionen gegen Iran
- Iran boykottiert Nahost-Atomforum
- Öllieferung an Griechenland
- Europas Ölversorgung auch bei iranischem Ausfuhrverbot sicher

Außenpolitik
- Britische Botschaft in Teheran gestürmt
- Verstärkung der US-Streitkräfte am Persischen Golf
- Kriegsdrohungen aus Israel
- Guardian: Briten bereiten sich auf Militärschlag gegen Iran vor
- Berlin und Paris lehnen militärischen Angriff ab
- Peres droht mit Angriff
- Warnungen vor einem neuen Krieg
- Israel fordert lähmende Sanktionen
- China ruft Iran zu Kooperationsbereitschaft auf
- Nach der Veröffentlichung des IAEA-Berichts
- US-Republikaner fordern hartes Vorgehen gegen Iran
- 83 Prozent der Deutschen fordern Neutralität Deutschlands in möglichem Iran-Krieg
- Zentralrat der Juden: Irans Drohungen ernst nehmen
- Militär in Israel und Iran
- Saudi-Arabien beantragt UN-Resolution zu Anschlagsplanung auf Botschafter
- Iran droht Türkei mit Angriff
- Scharfe Kritik des EU-Parlaments an Menschenrechtsverletzungen in Iran
- Ausschluss Syriens aus Arabischer Liga kritisiert
- Fünf Iraner in den Emiraten zum Tode verurteilt


*


Innenpolitik

Ahmadinedschad: "Wir nähern uns dem Endkampf"

Die Auseinandersetzungen zwischen den Fraktionen im islamischen Lager spitzen sich von Woche zu Woche mehr zu. Inzwischen scheinen nahezu alle bisherigen Hemmschwellen überschritten zu sein. "Wir nähern uns dem Endkampf", sagte Ahmadinedschad in einer Runde mit Vertrauten am 4. November. Diese Äußerung, die in iranischen Medien unterschiedlich gedeutet und kommentiert wurde, ist doppeldeutig. Damit kann die Auseinandersetzung mit dem Westen um das iranische Atomprogramm gemeint sein, aber auch der innere Machtkampf. Die meisten Kommentatoren äußern die Meinung, dass damit der Kampf zwischen den feindlich gesinnten Fraktionen gemeint ist und die Äußerung als eine letzte Warnung an die Gegner der Regierung gerichtet ist.

"Der Westen hat nun seine ganze Kraft mobilisiert, um Iran einen Schlag zu versetzen und die Angelegenheit zu Ende zu bringen. Es ist so klar wie der helle Tag, dass die NATO nach einem Angriff auf Iran durstet. Allerdings muss der Angriff nicht unbedingt militärisch sein, er kann auch politisch ... sein", sagte der Regierungschef. Nach dieser Lagebeschreibung fährt Ahmadinedschad fort: "Die Regierung hat bisher zu allen Intrigen gegen sie geschwiegen. Aber dieses Schweigen wird nicht unendlich lang dauern. Und wenn wir feststellen sollten, dass die Ideale der Revolution gefährdet sind, werden wir unsere Verantwortung ganz anderes wahrnehmen."

Dann drohte der Regierungschef mit der Preisgabe von Geheimnissen und mit Tabubrüchen. In seiner Position könne er nur zehn Prozent von dem ausplaudern, was er wisse, später vielleicht 25 Prozent. Doch 40 Prozent davon werde er niemals preisgeben können, denn es gebe "höhere Werte", auf die er Rücksicht nehmen müsse.

Ahmadinedschad bestritt jegliche Verwicklung seiner Regierungsmitglieder in den großen Finanzbetrug von drei Milliarden Dollar. Keiner von denen, die bösartig die "hässlichsten" Worte gegen die Regierung gebraucht hätten, sei in der Lage gewesen, auch nur einen einzigen Fall von Missbrauch vor Gericht zu beweisen, sagte er. "Dutzende Gruppen" hätten einen Terroranschlag auf ihn geplant, sie wurden aber rechtzeitig festgenommen. Ihm sei bewusst, dass seine häufigen Reisen in die Provinz gefährlich seien. "Doch es lohnt sich, dass zehn Staatspräsidenten in die Luft gesprengt werden, aber die Volksnähe der Regierung gewahrt bleibt", ergänzte der Präsident.


Antrag zur Vorladung von Ahmadinedschad scheitert im Parlament

Ein Antrag zu einem Amtsenthebungsverfahren des Präsidenten scheiterte am 2. November im Parlament. Einige Abgeordnete zogen in letzter Minute ihre Unterstützung für den Antrag zurück, berichteten iranische Medien. Ahmadinedschad ist in den vergangenen Monaten immer mehr in die Kritik geraten. Unter den Kritikern befinden sich auch solche, die ihn einst an die Macht brachten. Ahmadinedschad sollte zu einer Reihe von Vorwürfen befragt werden, unter anderem zu seiner Weigerung, zahlreiche Beschlüsse des Parlaments umzusetzen sowie zu dem großen Finanzskandal von drei Milliarden Dollar, in den sowohl einige Banken als auch Mitglieder der Regierung verwickelt sind.

Wirtschaftsminister Schamsoddin Hosseini, der ebenfalls mit dem Fall in Zusammenhang gebracht wurde, überstand am 1. November ein Misstrauensvotum. 143 Abgeordnete stimmten für den Verbleib des Ministers im Amt, 93 dagegen. Präsident Ahmadinedschad hatte vor der Abstimmung gefordert, die Regierung "intakt" zu halten. Hosseinis Abwahl würde einen Rückschlag im Kampf gegen internationale Sanktionen wegen des iranischen Atomprogramms bedeuten, sagte er.


Opposition gegen militärischen Angriff

Mit Ausnahme kleinerer Gruppen im Ausland hat sich die iranische Opposition einmütig gegen einen militärischen Angriff ausgesprochen. Im Falle eines Angriffs stehe die Opposition fest hinter der Regierung, schrieb Ex-Präsident Mohammad Chatami am 14. November auf seiner Internetseite. Sollte es zu einer Militäraktion gegen Iran kommen, würden sich "alle Fraktionen, egal ob Reformer oder Konservative, gemeinsam gegen den Angriff stellen", schrieb Chatami.


Studenten schützen Atomanlage

Einige Hundert Studenten, zumeist Mitglieder der Basidsch-Milizen, haben am 15. November eine Menschenkette um die iranische Atomanlage in Isfahan gebildet. Damit wollten sie einem Bericht der staatlichen Nachrichtenagentur Fars zufolge ihre Unterstützung für eine militärische Antwort auf jeden Angriff von Seiten Israels zusichern. "Falls eine Kugel in Richtung Iran abgeschossen wird, werden wir Tel Aviv innerhalb von drei Tagen zerstören", zitierte die Nachrichtenagentur einen Studentenführer. Die Demonstranten riefen demnach "Tod Amerika" und "Tod Israel".


Zwei Filmemacher gegen Kaution freigelassen

Zwei seit September inhaftierte Filmemacher wurden am 9. November gegen Kaution freigelassen. Die Dokumentarfilmerin Katajun Schahabi und der Filmemacher Mehran Sinatbachsch, die wegen ihrer Zusammenarbeit mit dem britischen Rundfunksender BBC festgenommen worden waren, seien nach Zahlung einer Kaution entlassen worden, meldete die Nachrichtenagentur ISNA. Der ebenfalls inhaftierte Filmemacher Hadi Afarideh sei bereits "vor einigen Wochen" freigelassen worden.

Mitte September waren sechs unabhängige Dokumentarfilmer unter dem Vorwurf festgenommen worden, für den persischen Dienst der BBC gearbeitet und Filme mit dem Ziel produziert zu haben, "dem Ruf Irans zu schaden". Die Festnahme von Sinatbachsch war damals nicht bekannt gegeben worden. Der iranische Geheimdienstminister Haidar Moslehi hatte Ende September aber mitgeteilt, dass die Justiz weitere Filmemacher wegen ihrer Kooperation mit der BBC vorgeladen habe. Zwei der Festgenommenen wurden bereits wieder freigelassen.

Die BBC hatte nach der Festnahme der Filmemacher erklärt, sie habe die Rechte an ihren Filmen gekauft, nicht aber ihre Produktion in Auftrag gegeben. Der Sender bezeichnete die Vorwürfe als weiteren Versuch der Regierung, Druck auf die Filmemacher auszuüben "wegen ihrer unparteiischen und ausgeglichenen Berichterstattung". In Iran ist die Zusammenarbeit mit ausländischen Radio- und Fernsehsendern verboten. Die Regierung wirft insbesondere der BBC und der Voice of America vor, an einem "Komplott" zur Destabilisierung der Regierung mitzuwirken.


Jahrestag der Besetzung der US-Botschaft gefeiert

Tausende überwiegend junge Demonstranten feierten am 4. November den 32. Jahrestag der Besetzung der US-Botschaft in Teheran. Wie jedes Jahr zu diesem Anlass versammelte sich eine Menschenmenge vor dem früheren Botschaftsgebäude im Zentrum der Hauptstadt, das als "Nest der Spionage" bezeichnet wird. Die Teilnehmer riefen "Tod Amerika" und verbrannten amerikanische und israelische Flaggen. Der Sekretär des Nationalen Sicherheitsrats, Said Dschalili, nutzte die Gelegenheit, um erneut den Vorwurf eines iranischen Mordkomplotts gegen den saudischen Botschafter in Washington zurückzuweisen.

Er habe "unwiderlegbare Beweise", sagte Dschalili, dass die US-Regierung "Terroristen" gegen Iran ausbilde. Er zeigte der Menge ein Bündel Papiere, das seinen Angaben nach Beweise für seine Vorwürfe enthielt. Er werde sie UN-Generalsekretär Ban Ki Moon übergeben, damit die "notwendigen Maßnahmen" getroffen werden könnten, sagte Dschalili. Zudem kündigte er an, die Schweizer Botschafterin Livia Leu Agosti einbestellen zu wollen, welche die US-Interessen in Iran vertritt, um die "Terrorakte" der USA zu verurteilen.

Die USA unterhalten seit der Besetzung ihrer Botschaft am 4. November 1979 durch Anhänger des iranischen Revolutionsführer Ayatollah Chomeini keine diplomatischen Beziehungen mehr zu Iran. Radikale Studenten hatten 52 US-Diplomaten und US-Sicherheitskräfte 444 Tage als Geiseln gehalten. Ein US-Befreiungsversuch scheiterte, mehrere Soldaten starben. Kurz nach dem Amtsantritt von US-Präsident Ronald Reagan im Januar 1981 wurden die Geiseln im Zuge eines geheimen Deals schließlich freigelassen.

Am 2. November hatte Revolutionsführer Ali Chamenei bereits erklärt, Iran sei im Besitz von "mehr als hundert Dokumente, die eindeutig beweisen, dass die USA in Iran und der Region Terrorakte lenken und Terroristen ausbilden". Mit der Veröffentlichung dieser Dokumente "werden die USA und die angeblichen Verteidiger der Menschenrechte und so genannte Gegner des Terrorismus endgültig vor der Weltöffentlichkeit entlarvet" werden.

Bezug nehmend auf die Vorwürfe der USA gegen Iran sagte Chamenei, Washington versuche, die "besten und ehrbarsten Söhne" Irans als Terroristen darzustellen. "Der größte Terrorist der Welt" seien aber die USA.


Raketenexperte bei Explosion getötet

Bei einer Explosion in einer Kaserne der Revolutionsgarden nahe Teheran wurde auch ein ranghoher Raketenexperte getötet. Die Garden teilten am 14. November mit, General Hassan Moghaddam, Leiter der logistischen Forschungseinheit, sei unter den 17 Toten. Die Explosion hatte sich am 10. November ereignet. Der Ort liegt rund 35 Kilometer von der Hauptstadt Teheran entfernt. Nach den ersten offiziellen Angaben handelte es sich um einen Unfall. Es sei bei Umladen von Munition passiert, sagte der Sprecher des Revolutionsgarden Ramesan Scharif.

Die israelische Zeitung "Jediot Achronot" schrieb am 12. November, Moghaddam sei unter anderem für die Entwicklung der iranischen Raketensysteme des Typs "Schahab" und "Silsal" zuständig gewesen. Er habe auch enge Verbindungen zu Mahmud al-Mabhuh unterhalten, einem ranghohen Funktionär der islamischen Hamas, der im Januar vergangenen Jahres in Dubai ermordet worden war. Ermittler in Dubai gingen damals davon aus, dass der israelische Geheimdienst Mossad hinter der Tat steckte. Al-Mabhuh soll für den Schmuggel von Raketen in den Gazastreifen verantwortlich gewesen sein.

Moghaddam sei auch für die Entwicklung von Raketen mit kurzer und mittlerer Reichweite zuständig gewesen, die von Hamas sowie der libanesischen Hisbollah eingesetzt würden, schrieb das Blatt. Ein Sprecher des israelischen Verteidigungsministeriums wollte sich zu den Berichten nicht äußern. Verteidigungsminister Ehud Barak hatte am Vorabend zu dem tödlichen Vorfall gesagt: "Je mehr, desto besser."

Im Iran lieferte der Vorfall Anlass für Spekulationen. Kaum jemand glaubt, dass es sich um einen Unfall gehandelt hat. Viele vermuten einen Terroranschlag, der von Israel oder den USA initiiert sein könnte.

Ende Oktober hatten US-Militärexperten erklärt, dass die USA geheime Aktionen zur Ermordung von Kommandeuren der iranischen Revolutionsgarden vornehmen würden. Das US-Magazin "Time" berichtete am 12. November, dass es sich bei der Explosion möglicherweise um einen Anschlag des israelischen Geheimdienstes Mossad gehandelt haben könnte. Iran dürfe nicht geglaubt werden, wenn von einem Unfall die Rede sei, sagte eine anonyme Quelle eines "westlichen Geheimdienstes" der Zeitschrift. Zudem seien weitere Sabotageaktionen gegen iranische Atomanlagen geplant. Ehud Barak sagte dem Armeefunk, es sei durchaus "wünschenswert", dass sich derlei Explosionen wiederholten.

Am 14. November meldete die Agentur Fars, dass eine Person im Zusammenhang mit der Explosion festgenommen worden sei. Der Mann sei abgeführt worden, nachdem er als Augenzeuge live der BBC ein Interview gegeben habe.

Die Trauerfeier für die 17 Opfer fand am 14. November im Beisein des Revolutionsführers Ali Chamenei in Teheran statt. Über die Zahl der tatsächlichen Opfer herrscht noch immer keine Klarheit. Bereits nach wenigen Tagen wurde bekannt, dass es wesentlich mehr Tote gegeben habe. Die Agentur Mehr veröffentlichte am 14. November die Namen von 21 Personen. Der Sprecher der Revolutionsgarde, General Ramesan Scharif, sprach von 27 Toten. Vergleicht man die unterschiedlichen Listen, die von verschiedenen Agenturen veröffentlicht wurden, kommt man auf 36 Namen.


Zwölf mutmaßlichen CIA-Agenten festgenommen

Iran hat nach Angaben eines einflussreichen Abgeordneten zwölf Agenten des US-Geheimdienstes festgenommen. Die Agenten hätten in Absprache mit den israelischen Geheimdienst Mossad und anderen Geheimdiensten der Region gehandelt, erklärte Parvis Soruri, der im Ausschuss für Auswärtige Angelegenheiten und Nationale Sicherheit sitz. Ziel der Operationen seien die iranischen Streitkräfte und das Atomprogramm gewesen.

Dank einer raschen Reaktion des iranischen Geheimdienstes sei Schaden von Iran abgewendet worden, erklärte Soruri weiter. Einzelheiten zur Nationalität der mutmaßlichen Agenten und zu Zeitpunkt und Ort ihrer Festnahme nannte er nicht.


Verbot von Wasserpfeifen in Teehäusern aufgehoben

Das Verbot vom traditionell üblichen Rauchen von Wasserpfeifen in iranischen Teehäusern, das 2005 verhängt wurde, ist seit dem 17. November wieder aufgehoben. Ausschließlich Teehäuser dürfen nun wieder Wasserpfeifen anbieten. Das Rauchverbot in Restaurants, Parks und anderen öffentlichen Orten bleibt dagegen bestehen. Von den 75 Millionen Iranern gelten 15 Millionen als Raucher.

Die Entscheidung der Regierung Ahmadinedschad, das Rauchen von Wasserpfeifen wieder zuzulassen, wird als Teil der Bemühungen betrachtet, bei der Parlamentswahl im März mehr Stimmen zu gewinnen. Ahmadinedschad und seine Mitarbeiter versuchen, sich entgegen der bisherigen Politik der Islamischen Republik wieder der alten iranischen Kultur zu nähern.


*


Wirtschaft

Der Atomkonflikt

Der Streit über das iranische Atomprogramm gehörte im Monat November zu den wichtigsten Themen, mit denen sich international die Medien beschäftigten. Ein neuer Bericht der Internationalen Atombehörde (IAEA) und die darauf erfolgten Strafmaßnahmen gegen Iran lassen die Befürchtung zu, der Streit könnte letztendlich doch in einen Krieg mit unabsehbaren Folgen münden. Wir dokumentieren im Folgenden die wichtigsten Etappen.


Iran mit ausländischer Hilfe an der Schwelle zur Atommacht

Kurz vor der Veröffentlichung des IAEA-Bericht über das iranische Atomprogramm veröffentlichte die Washington Post am 7. November unter Berufung auf namentlich nicht genannte Diplomaten und Atomexperten einen Bericht, in dem es hieß, der frühere sowjetische Atomwissenschaftler Wjatscheslaw Danilenko habe Iran mindestens fünf Jahre lang bei dem Aufbau seines Atomprogramms geholfen. Zudem habe Iran von technischem Know-how aus Pakistan und Nordkorea profitiert. Entsprechende Geheimdienstinformationen würden den Mitgliedern der IAEA in Wien vorliegen. Offenbar habe sich das iranische Nuklearprogramm weitaus erfolgreicher entwickelt als bislang angenommen.

Iran wies mögliche neue Beweise der IAEA für die Existenz eines Atomwaffenprogramms als frei erfunden zurückgewiesen. Anschuldigungen, die sich in der Vergangenheit als falsch erwiesen hätten, würden nun wieder hervorgeholt, erklärte Außenminister Ali Akbar Salehi am 5. November in Teheran. Er warf der IAEA vor, gegen ihre politische Unabhängigkeit zu verstoßen und unter Druck der USA Vorwürfe gegen Teheran zu erheben.

Am 10. November dementierte Danilenko seine Beteiligung am iranischen Atomprogramm. "Ich bin kein Atomwissenschaftler und ich bin nicht der Gründer des iranischen Programms", sagte Danilenko der russischen Zeitung "Kommersant".


Der neue IAEA-Bericht

Der am 9. November veröffentlichte Bericht der IAEA ist wesentlich ausführlicher als die vergangenen Berichte. Er zählt Indizien auf und stellt Vermutungen an, enthält jedoch keine Informationen, aus denen eindeutig hervorgeht, dass Iran ernsthaft am Bau einer Atombombe arbeitet. Die dpa hat in einer Meldung vom 9. November die wichtigsten Aussagen des IAEA-Berichts wie folgt aufgelistet:

• Die geheimen Arbeiten begannen in den späten 1980er Jahren. Wegen des Irak-Kriegs ruhten sie ab 2003, wurden aber später wieder aufgenommen.
• Iran soll in einem fortgeschrittenen Stadium an der Herstellung von Uran-Halbkugeln arbeiten, die in Waffen verwendet werden.
• Iran hat gestanden, spezielle Sprengkapseln entwickelt zu haben, gab aber an, sie für zivile und nicht militärische Zwecke einsetzen zu wollen. Die Sprengkapseln sollen in einem tiefen Schacht getestet worden sein. Das sieht die IAEA als Vorbereitung für den Test einer Atombombe.
• Ingenieure solle verschiedene Bomben-Bestandteile entweder tatsächlich gebaut oder in Computern entworfen haben, um sie zu testen. Eine dieser Testeinrichtungen war ein großer Metallbehälter in der Militärzone Parchin, 30 Kilometer südlich von Teheran, in dem Sprengstoff getestet worden sein soll.
• Ingenieure sollen fortschreitend daran gearbeitet haben, konventionelle Schahab-3-Raketen in Atomwaffenträger umzubauen.

In einem Anhang fassen die Nuklearwächter alle ihnen vorliegenden Informationen zu Tests, Projekten und der Organisation eines möglichen geheimen iranischen Atomprogramms zusammen. Dieses Programm könnte noch andauern, hieß es. "Die Informationen weisen darauf hin, dass Iran Arbeiten zur Entwicklung eines nuklearen Sprengkörpers durchgeführt hat", schreibt IAEA-Chef Amano.

Unter anderem schlussfolgert die IAEA, dass Wissenschaftler unter der Führung des Verteidigungsministeriums Komponenten für einen atomaren Sprengstoff entwickelt und getestet hätten. Dazu gehörten auch Arbeiten an Komponenten ("Neutron Initiators"), die nukleare Kettenreaktionen auslösen. Zudem gebe es Hinweise auf die Vorbereitung von Atomtests, für die Iran spezielle Zünder unterirdisch ausprobierte.

Nach der Analyse des Berichts erhielt die Regierung in Teheran die Konstruktionspläne für Atomwaffen von einem Schmuggel-Netzwerk um den pakistanischen Atomwissenschaftler Abdul Kadir Khan. Er habe Libyens geheimes Atomprogramm beliefert, schreibt die IAEA.

Im Vorfeld der Sitzung des IAEA-Gouverneursrats am 18. November erhöhte die Atombehörde noch einmal den Druck auf Teheran. Amano sagte am 17. November in Wien, es sei seine Aufgabe, "die Welt zu alarmieren", dass Iran unter Verdacht stehe, eine Atombombe zu entwickeln. Der jüngste IAEA-Bericht weise darauf hin, "dass Iran relevante Aktivitäten unternommen hat, um eine Atombombe zu bauen". Nie zuvor hat ein IAEA-Generalsekretär so scharfe Worte im Konflikt mit Iran gewählt.


Iran weist den IAEA-Bericht zurück

Präsident Ahmadinedschad übte scharfe Kritik an UN-Generalsekretär Amano. Am 8. November erklärte der Regierungschef, bedauerlicherweise stehe ein Mann an der Spitze der Internationalen Atombehörde, der "nicht nur keinen eigenen Willen" habe, er missachte auch die Regeln der IAEA und rede nur den Amerikanern nach dem Mund. Er warf Amano vor, "unwahre Berichte" vorgelegt zu haben. Um die USA in die Knie zu zwingen, benötige Iran keine Atombombe, betonte Ahmadinedschad. "Sollten die USA Iran angreifen, werden sie es bitter bereuen." Iran werde um keinen Deut von seinem Ziel abweichen.

Irans Vertreter bei der IAEA, Ali Asghar Soltanieh, warf Amano ebenfalls die Missachtung der IAEA-Satzung vor. Er werde die Folgen "dieses historischen Fehlers zu spüren bekommen", sagte Soltanieh. Er bezeichnete den Bericht als "unausgewogen, unprofessionell und politisch motiviert". Der Bericht sei unter dem Druck der USA entstanden, sagte Soltanieh, er sprenge den Rahmen, der der Behörde gesetzt sei. "Im Anhang des Berichts begegnen wir Stellungnahmen über Raketen und Sprengstoffe, die nicht in einen IAEA-Bericht passen." Die Inspektoren der Atombehörde hätten fast 4.000 mal die iranischen Atomanlagen inspiziert und dabei kein einziges Mal etwas finden können, was den Beweis für eine Militarisierung des iranischen Atomprogramms erbracht hätte.

Zudem kritisierte Soltanieh die Veröffentlichung einiger Namen iranischer Atomwissenschaftler. Diese Preisgabe geheimer Informationen sei für die betroffenen Personen äußerst gefährlich, sagte er. Damit würden sie der Gefahr eines Terroranschlags ausgesetzt. Tatsächlich wurden einige iranische Atomwissenschaftler in den vergangenen Jahren Opfer eines Terroranschlags.

Dennoch bekundete Soltanieh abermals Irans Willen zur Zusammenarbeit mit der IAEA. Der Chef der iranischen Atombehörde, Fereidun Abbasi, habe vor einigen Tagen in einem Schreiben an die Atombehörde den Vizegeneralsekretär der Behörde zu einem Besuch nach Teheran eingeladen, um alle Probleme zu erörtern und offene Fragen zu beantworten. Doch dieser "wertvolle Schritt" sei einfach ignoriert worden.

Der Generalsekretär habe die Atomsphäre unter den Mitgliedern der IAEA "vergiftet". Für die Folgen werde er die Verantwortung tragen müssen, sagte Soltanieh. Er betonte, Iran werde bei der Verteidigung seiner verbrieften Rechte keine Kompromisse machen, werde sich aber strikt an die Grundsätze des Atomwaffensperrvertrags halten. Zugleich werde sein Land koordiniert mit gleich gesinnten Staaten den Fehlern des Generalsekretärs eine gebührende Antwort erteilen. Die Islamische Republik werde nicht zulassen, dass die Internationale Atombehörde instrumentalisiert werde und als Unterabteilung des UN-Sicherheitsrats arbeite.

Auch Moskau übte scharfe Kritik an der Veröffentlichung des Berichts. Die Veröffentlichung zum jetzigen Zeitpunkt sei destruktiv, weil damit die Chancen auf einen Dialog zwischen den internationalen Vermittlern und der Führung in Teheran noch geringer würden, teilte das Außenministerium am 8. November nach Angaben der Agentur Interfax mit. Russland sei von dem Schritt enttäuscht und befremdet. Den Bericht selbst wollte Moskau nicht kommentieren. "Wir müssen das Dokument, das wir bisher nicht vollständig erhalten haben, erst sorgfältig studieren", hieß es.

Erst eine Analyse werde zeigen, ob die Vorwürfe gegen Iran glaubwürdig seien oder nur Emotionen gegen Teheran schüren sollen. Berichte über eine angebliche Mitwirkung russischer Wissenschaftler am iranischen Atomprogramm seien weder neu noch sensationell, teilte das Ministerium mit. Die vielen Spekulationen um den Bericht in den vergangenen Tagen seien ein Fehler gewesen. "Das Rätselraten hat die Situation um das Atomprogramm nur noch zugespitzt. Diese Gerüchte haben der IAEA keine Ehre gemacht", hieß es in der Stellungnahme aus Moskau.

Außenminister Sergej Lawrow konnte nach eigenen Angaben keine neuen Beweise im IAEA-Bericht entdecken. Bei seiner Rückreise vom Gipfel der Asiatisch-pazifischen wirtschaftlichen Zusammenarbeit (APEC) auf Hawaii sagte er am 14. November, mit dem IAEA-Bericht scheine die Absicht verfolgt zu werden, "die öffentliche Meinung anzuheizen und den Boden für irgendwelche einseitigen Sanktionen" gegen Iran zu bereiten, meldeten die russischen Agenturen. Der Bericht lege den Eindruck nahe, Iran habe sein ziviles Atomprogramm als Tarnung zur Entwicklung von Atomwaffen benutzt, sagte Lawrow. Der Bericht "enthält nichts Neues."

Das Außenministerium in Moskau teilte mit, dass sich China und Russland gemeinsam für eine Verhandlungslösung im Atomstreit aussprechen würden. Das hätten Diplomaten beider Länder beschlossen.

Inmitten dieser Diskussion erklärte sich Russland bereit, weitere Kernkraftreaktoren für Iran zu bauen. "Wir prüfen mögliche Aufträge", sagte der Chef der Atombehörde Rosatom, Sergej Kirijenko, am 10. November nach Angaben der Agentur Interfax. Das von Russland vor kurzem in Buschehr fertig gestellte erste iranische Atomkraftwerk habe "keine Fragen bei der internationalen Gemeinschaft ausgelöst".


IAEA-Resolution

Um die überwiegende Mehrheit der Ratsmitglieder, allen voran Russland und China, zur Unterzeichnung bewegen zu können, fiel die Resolution weit milder aus als von westlichen Staaten gewünscht. Daher enthält sie kein Ultimatum und keine Sanktionsdrohungen.

Der IAEA-Gouverneursrat äußerte lediglich seine "tiefe und wachsende Besorgnis" über das iranische Atomprogramm. Iran müsse seine "Verpflichtungen aus den entsprechenden Resolutionen des UN-Sicherheitsrat erfüllen". Für die Resolution stimmten 32 der 35 Teilnehmer, mit Nein stimmten lediglich Kuba und Ecuador. Allein Indonesien enthielt sich.

US-Außenministerin Hillary Clinton begrüßte die Resolution wenige Stunden nach der Verabschiedung. Die Welt habe vereint eine klare Botschaft an Iran geschickt und damit gezeigt, dass der IAEA-Bericht den Ländern tiefe Sorge bereitet habe. Der Bericht habe das klar bestätigt, was die USA vor langer Zeit bereits erfahren hätten: dass Iran eine Technologie und den Besitz von Geräten anstrebe, die nur für Atomwaffen benutzt werden können.

Das russische Außenministerium erklärte, an der Erstellung der Resolution mitgewirkt und demzufolge auch dafür gestimmt habe. Es hoffe, dass diese Resolution zur Beilegung des Konflikts um das iranische Atomprogramm führen werde. Ziel der Resolution sei nicht gewesen, jemanden zu beleidigen, sondern die Absicht, die Notwendigkeit der Fortsetzung der Verhandlungen zu betonen und die "künstlichen Frontenbildungen der jüngsten Zeit" zu beenden.

Iran erklärte am 20. November seine Bereitschaft, mehr mit der Internationalen Atombehörde zusammenzuarbeiten, wenn diese "eine ausgeglichenere Haltung" zur Islamischen Republik einnehme. Wie die iranische Nachrichtenagentur Islamic Republic News Agency (IRNA) meldete, erklärte Außenminister Ali Akbar Salehi: "Wenn dies der Fall ist, sind wir bereit wie früher oder sogar noch mehr mit der Behörde zusammenzuarbeiten".


Westen verhängt härtere Sanktionen gegen Iran

Die USA, Großbritannien, Kanada und Frankreich verhängten am 21. November harte Sanktionen gegen Iran. US-Präsident Barack Obama erklärte, Iran habe "den Weg der internationalen Isolation gewählt".

Die von US-Außenministerin Hillary Clinton vorgestellten Sanktionen richten sich erstmals direkt gegen den iranischen Energiesektor. Betroffen sind bestimmte Güter, Dienstleistungen und Technologien für die Erdölindustrie. Energieexporte sind ein entscheidender Wirtschaftsfaktor für Iran.

Solange Iran seinen "gefährlichen Weg" fortsetze, würden die USA Wege finden, allein oder in Abstimmung mit ihren Partnern den Druck auf die iranische Regierung weiter zu verstärken, warnte Obama. Iran habe die Wahl, seine internationalen Verpflichtungen zu erfüllen oder sich seiner Verantwortung zu entziehen und deshalb zusätzlichen Druck und Isolation zu erleiden. Zugleich bezichtigte die US-Regierung Iran der Geldwäsche. Finanzinstitutionen in aller Welt sollten die Risiken von Geschäften mit Teheran genauestens prüfen, sagte Finanzminister Timothy Geithner.

Großbritannien stellte sämtliche Verbindungen zwischen dem britischen und dem iranischen Banksystem ein. Finanzminister George Osborne sagte, es sei das erste Mal, dass die britische Regierung die Kontakte mit dem gesamten Banksystem eines Landes unterbreche. Auch Kanada verhängte umfassende Sanktionen gegen den iranischen Banksektor.

Frankreich rief dazu auf, "ab sofort" die Guthaben der iranischen Zentralbank einzufrieren und den Ölhandel mit Teheran einzustellen. In einem Brief an die europäischen Partner sowie die USA und Japan sprach sich Paris für "noch nie dagewesene Sanktionen" aus.

Russland hat die neuen US-Sanktionen verurteilt. Die Kappung aller Verbindungen zum iranischen Finanzsystem sei inakzeptabel und verstoße gegen das Völkerrecht, erklärte das Außenministerium der Nachrichtenagentur Interfax am 22. November zufolge.


Israelischer Angriff simuliert

Am 18. November kündigten die Revolutionsgarden ein Manöver der Luftwaffe an, mit dem sie sich auf einen möglichen Angriff Israels auf iranische Atomanlagen vorbereiten wollen, meldete die staatliche Agentur IRNA. Dieser Mitteilung zufolge wollen die Garden einen israelischen Angriff auf Atomanlagen oder andere strategische Ziele in Land simulieren und sicherstellen, dagegen gewappnet zu sein.

Die Ankündigung erfolgte kurz nach der Verabschiedung der IAEA-Resolution, in der Iran aufgefordert wird, spätestens bis zum März kommenden Jahres alle offenen Punkte zu seinem Atomprogramm zu beantworten.

Das Manöver, an dem die Revolutionsgarden und die regulären Streitkräfte beteiligt waren, begann am 20. November, berichtete IRNA. Ziel der Luftabwehrübungen, die im Osten des Landes durchgeführt werden, sei es, den Schutz des iranischen Luftraums und der Atomanlagen im Falle eines Angriffs zu verbessern.


Türkei lehnt Atomkooperation mit Iran ab

Die Türkei lehnt eine Atomkooperation mit Iran ab. Iran hatte sich am 16. November bereiterklärt, seine Atomtechnologie mit anderen Staaten wie der Türkei und Brasilien zu teilen. Der hochrangige Regierungsvertreter Daschwad Laridschani, der unter anderem Vorsitzender des iranischen Rats für Menschenrechte und Leiter eines Mathematik- und Physikinstituts ist, sagte in New York, die Türkei versuche seit Jahren, ein ziviles Atomprogramm aufzubauen. Allerdings sei niemand im Westen bereit, ein Kernkraftwerk für sie zu errichten. Jede Zusammenarbeit würde im Rahmen des Atomwaffensperrvertrags erfolgen. Auch mit Brasilien sei eine Kooperation denkbar, da die jeweiligen Programme sich ergänzten.

Die Türkei führt Gespräche mit Russland und Japan über ihre Pläne zum Aufbau eines zivilen Atomprogramms. Im vergangenen Jahr erhielt das russische Unternehmen Atomstroiexport den Zuschlag zum Bau des ersten Kraftwerks des Landes nahe Akkuyu an der Mittelmeerküste.

Das Angebot Irans zur Kooperation lehnte die Türkei am gleichen Tag ab. Der türkische Energieminister Taner Yildiz sagte am 16. November in Ankara, beim Bau von Kraftwerksanlagen stehe keine Kooperation mit Iran auf der Agenda. Ferner gab Yildiz bekannt, dass die Türkei in der letzten Novemberwoche einen Vertrag zur Erschließung von Erdölvorkommen schließen werde. Dazu würden Gespräche mit dem Ölriesen Shell geführt.


Sanktionen sorgen für weniger deutsche Iran-Exporte

Die Sanktionen gegen Iran zeigen Wirkung beim deutschen Außenhandel. Das deutsche Exportvolumen ging von 4,3 Milliarden Euro im Jahr 2005 auf 3,8 Milliarden Euro im Jahr 2010 zurück. Dabei hätten die weltweite Konjunkturentwicklung und die durch Öleinnahmen hohe iranische Kaufkraft nach Angaben des Bundeswirtschaftsministeriums vom 14. November eher eine Zunahme erwarten lassen. Und der Trend geht weiter: Im ersten Halbjahr 2011 fiel der Export knapp 20 Prozent geringer aus als im Vorjahreszeitraum.


Schweiz beschließt härtere Sanktionen gegen Iran

Die Schweiz hat ihre Sanktionen gegen Iran verschärft und weitere sechzehn Personen, darunter den iranischen Außenminister Ali Akbar Salehi, auf die Liste jener Personen gesetzt, die ein Einreiseverbot erhielten und deren Konten in der Schweiz eingefroren wurden. Demnach wird der iranische Chefdiplomat künftig keine Reiseerlaubnis in die Schweiz erhalten.

Bei den 116 Personen, die nun auf der Liste stehen, handelt es sich laut Angaben des Staatssekretariats für Wirtschaft in Bern vom 18. November um 111 Vertreter von Firmen und fünf Politiker, die direkt für das iranische Atomprogramm verantwortlich sind. Salehi war bis vor kurzem Chef der iranischen Atombehörde.

Die Sanktionen betreffen insgesamt 250 Firmen und Personen. Bereits im Januar hatte die Schweiz finanzielle Sanktionen gegen die iranische Öl- und Gasindustrie verhängt. Einem Beschluss der Schweizerischen Regierung vom vergangenen Jahr zufolge ist den Unternehmern des Landes untersagt, Waren, die für militärische Zwecke verwenden werden können, an Iran zu verkaufen. Zudem muss die Regierung über jedes Geschäft mit Iran, dessen Volumen 10.000 Franken (rund 8.000 Euro) übersteigt, informiert werden.


Iran boykottiert Nahost-Atomforum

Iran hat seine Teilnahme an einem Atomforum im Vorfeld abgesagt und für den Schritt den Direktor der Internationalen Atombehörde, Yukia Amano, verantwortlich gemacht. Sein Land werde das für Ende November geplante Treffen boykottieren, da Amano mit zweierlei Maß messe und bei der Einberufung der Konferenz "das atomare Potential Israels nicht einmal erwähnt" habe, sagte der iranische IAEA-Gesandte Ali Asghar Soltanieh am 19. November in Wien. Bei dem Treffen am 21. und 22. November wurden Vorgespräche über Chancen für einen atomwaffenfreien Nahen Osten geführt.

Die Idee einer "Sperrzone" für Atomwaffen im Nahen Osten entstand bereits vor elf Jahren. Bevor das Treffen einberufen werden konnte, mussten IAEA-Chef Yukia Amano zufolge zunächst anhaltende Meinungsverschiedenheiten zwischen den betroffenen Ländern ausgeräumt werden. Ähnliche Sperrzonen gibt es bereits in nahezu allen Erdteilen. Das Forum ging einer für kommendes Jahr in Finnland geplanten Konferenz voraus.

Soltanieh bezeichnete am 21. November die Zusammenkunft als "Show". Solange Israel nicht dem Atomwaffensperrvertrag beitrete und mit der IAEA zusammenarbeite, seien derartige Treffen "nutzlos". Israel gehört im Gegensatz zu Iran nicht zu den Unterzeichnern des Atomwaffensperrvertrags von 1970. Daher untersteht sein Atomprogramm auch nicht der Kontrolle der IAEA - im Gegensatz zum iranischen Atomprogramm.


Öllieferung an Griechenland

Wie die Agentur Reuters am 11. November meldete, bezieht das von der Pleite bedrohte Griechenland sein Öl zunehmend aus Iran. Unter Berufung auf Handelskreise berichtete die Agentur, dass Griechenland mittlerweile einen Großteil seines Ölbedarfs aus der Islamischen Republik importiere. Dutzende Händler in Europa hätten gesagt, wegen der prekären Finanzlage sei Griechenland in den vergangenen Monaten praktisch von Öllieferungen aus Russland, Aserbaidschan und Kasachstan abgeschnitten worden.

Wegen seines umstrittenen Atomprogramms darf Iran kein Öl in die USA liefern. In Europa sind die Einfuhren zwar legal, die EU erwägt jedoch ein Embargo gegen Iran, das bereits in wenigen Wochen greifen könnte. Sollte der große Öllieferant ausfallen, könnte Griechenland in eine prekäre Lage geraten: "Die Griechen machen kein Geheimnis daraus, dass sie sich mit iranischen Lieferungen über Wasser halten. Die anderen Länder verkaufen ihnen in der jetzigen Lage einfach nichts mehr", sagte ein Händler im Mittelmeerraum, der seinen Namen in der Zeitung nicht lesen wollte. Anderenorts hieß es, es finde sich bereits keine Bank mehr, die ein Ölgeschäft mit Griechenland finanzieren wolle. Zwar sei an der Zahlungsmoral der Griechen bislang nichts auszusetzen gewesen, doch mittlerweile regiere wegen der unsicheren Zukunft Griechenlands die Vorsicht.

Die insgesamt vier Raffinerien in Griechenland können insgesamt rund 400.000 Barrel Öl pro Tag verarbeiten. In den vergangenen Monaten ist dieses Volumen im Zug von Reparaturarbeiten jedoch auf 330.000 Barrel gesunken. Für die Betreibergesellschaft spielt das Herkunftsland des bezogenen Öls keine Rolle: "Unsere Liefervereinbarungen gründen ausschließlich auf geschäftlichen Erwägungen", ließ ein Sprecher wissen.


Europas Ölversorgung auch bei iranischem Ausfuhrverbot sicher

Die EU sieht die Versorgung Europas auch im Falle eines Ölembargos gegen Iran gesichert. EU-Energiekommissar Günther Oettinger sagte am 23. November der Nachrichtenagentur Reuters: "Das ist kein Problem. Das kann von der Organisation erdölexportierender Länder (OPEC) und anderen ersetzt werden." Während die USA seit den neunziger Jahren kein iranisches Öl mehr kaufen, zeigen in Europa hauptsächlich die Franzosen Interesse an einer Einbeziehung dieser Importe in ein Embargo.


*


Außenpolitik

Britische Botschaft in Teheran gestürmt

Die Spannungen zwischen dem Iran und Großbritannien sind in offene Gewalt umgeschlagen. Aus Protest gegen Sanktionen und den Tod eines Atomwissenschaftlers haben iranische Studenten am 29. November die britische Botschaft in Teheran gestürmt und etwa zwei Stunden lang besetzt. Die Regierung Großbritanniens kündigte Konsequenzen an. Heftige Kritik kam auch von US-Präsident Barack Obama: Dass Randalierer die Botschaft stürmen konnten, seit ein Zeichen, dass die iranische Regierung ihre Verpflichtungen nicht ernst nehme, meldete die Deutsche Presse-Agentur (dpa) am selben Tag.


Verstärkung der US-Streitkräfte am Persischen Golf

Seit Anfang November eskaliert der Streit um das iranische Atomprogramm. Sanktions- und Kriegsdrohungen gegen Iran machten bereits im Vorfeld der Veröffentlichung des neuen Berichts der IAEA Schlagzeilen. Im Folgenden dokumentieren wir chronologisch die Ereignisse und Stellungnahmen:

Die USA wollen nach dem Abzug ihrer Truppen aus dem Irak bis zum 31. Dezember dieses Jahres ihre Truppen am Persischen Golf verstärken. Presseberichten zufolge plant US-Präsident Barack Obama eine erhebliche Verstärkung der Militärpräsenz am Persischen Golf. Dieser Schritt könne zusätzliche Kampftruppen in Kuwait einschließen, um etwa auf eine Konfrontation mit Iran oder ein Sicherheitschaos im Irak vorbereitet zu sein, berichtete die New York Times am 30. Oktober.

Obama hatte unlängst angekündigt, nach gut acht Jahren Krieg alle Soldaten bis Jahresende aus dem Irak heimzuholen. Allerdings wird eine Instabilität in der Region als Folge des Abzugs befürchtet. Das Verteidigungsministerium habe die neuen Pläne ins Auge gefasst, nachdem Forderungen der US-Militärs nach einem Verbleib von bis zu 20.000 US-Soldaten im Irak über 2011 hinaus bei der Regierung in Bagdad auf taube Ohren gestoßen seien.

Tatsächlich hatte die irakische Regierung diesen Wunsch Washingtons nach dem weiteren Verbleib eines Teils der US-Streitkräfte im Irak über den 31. Dezember hinaus abgelehnt. Yussef al-Matlabi, Berater des irakischen Ministerpräsidenten Nuri al-Maliki, sagte am 15. November der BBC, bei dieser Entscheidung der irakischen Regierung habe Iran "mitgemischt". Die irakische Regierung hatte nach monatelanger Verzögerung im Oktober den USA ihre Entscheidung mitgeteilt, was in Washington auf Unverständnis stieß. Obwohl die Entscheidung von der irakischen Regierung gefällt worden sei, sei sie nicht ohne iranischen Einfluss gewesen, sagte Matlabi. "Wir wollten nicht, dass die Präsenz der US-Streitkräfte Iran weiterhin als Vorwand dient, sich in irakische Angelegenheiten einzumischen."

Die USA waren offensichtlich über die irakische Entscheidung brüskiert. Der weitere Verbleib der US-Streitkräfte sollte einerseits für die Sicherheit im Irak sorgen und andererseits verhindern, dass Iran noch größeren Einfluss im Nachbarstaat bekommt. Nun planen die USA, weitere Kriegsschiffe in den Persischen Golf zu entsenden, schrieb die New York Times unter Berufung auf Militärs und Diplomaten. Washington wolle auch die militärische Zusammenarbeit mit den im Golfkooperationsrat zusammengeschlossenen Ölstaaten Saudi-Arabien, den Vereinigten Arabischen Emiraten, Bahrain, Katar, Kuwait und Oman stärken. Über den Umfang der Truppen in Kuwait werde derzeit noch verhandelt.

Washington strebe an, die schon bestehende enge Zusammenarbeit noch weiter zu einer neuen "Sicherheitsarchitektur" für den Persischen Golf auszubauen, schrieb die Zeitung. Dazu zähle eine Abstimmung von Luft- und Seepatrouillen sowie der Raketenabwehr.

Nachdem Obama die Abzugspläne aus dem Irak verkündet hatte, unterstrich Außenministerin Hillary Clinton, dass die USA weiterhin eine "robuste Präsenz" in der Region sicherstellen wollten. "Das ist Zeugnis unserer weiterhin bestehenden Verpflichtung dem Irak und der Zukunft der Region gegenüber", sagte Clinton. Es gelte, die Weltgegend von Einflussnahme von außen zu befreien, damit sie sich weiter in Richtung Demokratie entwickeln könne.

Für den Stabschef des für die Region zuständigen US-Zentralkommandos, Generalmajor Karl Horst, ist die angestrebte Neuaufstellung des US-Militärs am Golf ein Schritt "zurück in die Zukunft". Die Pläne ähnelten der Strategie aus der Zeit, bevor Washington auf massive Truppenpräsenz setzte. Sie umfasse die Entsendung kleinerer, aber schlagkräftiger Kontingente und Kooperationen mit den Militärs in der Region. "Ich denke, das ist gesund. Ich denke, es ist effizient. Ich denke, es ist praktikabel", sagte Horst der New York Times.


Kriegsdrohungen aus Israel

Am 31. Oktober dementierte Israels Verteidigungsminister Ehud Barak Medienberichte über einen angeblich von ihm und Regierungschef Benjamin Netanjahu beschlossenen Angriff auf Iran. Es sei offensichtlich, dass so etwas nicht im Alleingang entschieden werden könne, sagte Barak im Armeerundfunk. Allerdings seien Teherans "Fortschritte bei der Entwicklung von Atomwaffen die Hauptdrohung für die Sicherheit der Region". Darauf müsse "mit allen notwendigen Mitteln" reagiert werden. "Keine Option" sei auszuschließen, fügte Barak hinzu.

Die auflagenstärkste israelische Zeitung "Jedi'ot Acharonot" hatte in einem Leitartikel geschrieben, Netanjahu und Barak schienen zur Aktion gegen iranische Atomanlagen zu drängen. Die Armeekorrespondenten der großen Fernsehsender äußerten sich ähnlich. Medienberichten zufolge seien die Chefs des Militär-, des Auslands- und des Inlandsgeheimdiensts jedoch ebenso wie Generalstabschef Benny Gantz gegen einen solchen Angriff.

Am 2. November berichtete die israelische Zeitung Haaretz, Netanjahu suche eine Mehrheit für einen Militärschlag gegen iranische Nuklearanlagen. Er bemühe sich gemeinsam mit Barak um Unterstützung in der Regierung für ein solches Vorhaben. Dazu sagte ein Sprecher Netanjahus, Mark Regev: "Wir kommentieren nicht jede Spekulation in der Zeitung."

Die israelischen Medien hatten in den Tagen davor immer wieder in großer Aufmachung über das Thema Iran und einen möglichen Angriff berichtet. Haaretz schrieb, es gebe innerhalb des engen Kreises von acht Ministern eine knappe Mehrheit für die Gegner eines israelischen Angriffs. Neben Netanjahu und Barak sei bislang nur Außenminister Avigdor Lieberman für ein solches Vorgehen. Das Blatt schrieb unter Berufung auf einen ranghohen Minister innerhalb des engen Kreises, eine Entscheidung sei noch nicht gefallen. Die Zeitung vermutete, ein zu erwartender neuer Bericht der IAEA könne starke Auswirkungen auf den Entscheidungsprozess in Israel haben.

Auch die Nachrichtenagentur Associated Press (AP) meldete unter Berufung auf Regierungskreise am 3. November, Netanjahu wolle sein Kabinett zur Genehmigung eines Militärschlags gegen Iran bewegen. Die Aktion werde derzeit auf höchster Ebene diskutiert.

Haaretz verwies auch auf eine Umfrage, wonach die israelische Bevölkerung mit einer knappen Mehrheit für einen Angriff auf die Nuklearanlagen Irans votiert habe. Demnach hätten 41 Prozent der Befragten sich für und 39 Prozent gegen den riskanten Angriff ausgesprochen. Die übrigen 20 Prozent seien unentschieden gewesen. Auf die Frage, ob sie bei dem Thema Iran-Angriff Vertrauen zu Ministerpräsident Netanjahu und Verteidigungsminister Barak hätten, antworteten 52 Prozent mit Ja. Kein Vertrauen bekundeten 37 Prozent und 11 Prozent äußerten keine Meinung. Befragt worden seien sowohl jüdische als auch arabische Israelis, schrieb die Zeitung.

Am Vortag hatten die Medien berichtet, Israel habe eine erfolgreiche atomwaffenfähige Rakete getestet, die Iran erreichen könne. Der als Militärübung ausgeführte Test eines "Raketenantriebssystems" sei lange geplant gewesen, sagte ein Sprecher des Verteidigungsministeriums der Nachrichtenagentur AP. Nähere Einzelheiten nannte er nicht.

Iran hat eine entschiedene Reaktion für den Fall eines israelischen Angriffs angekündigt. Sein Land sei "bereit und in der Lage, mit adäquaten Mitteln jeden Fehler zu bestrafen", sagte Armeechef Hassan Firusabadi am 3. November laut der amtlichen Nachrichtenagentur Fars. Jede Bedrohung werde ernst genommen, auch wenn ihre Wahrscheinlichkeit noch so gering sei. Zugleich drohte Firusabadi auch den USA Vergeltung für einen möglichen israelischen Angriff.

Am selben Tag stimmte der außenpolitische Ausschuss des US-Repräsentantenhauses schärferen Sanktionen gegen Iran zu. Die Strafen richten sich gegen Firmen, die mit Iran und dessen Zentralbank Geschäfte machen. Der Ausschuss nahm zwei Vorlagen an, mit denen das vermutete Atomwaffenprogramm Irans bekämpft werden soll. Der Vorsitzende des Ausschusses, Ileana Ros-Lehtinen, sagte, die Öleinnahmen Irans und dessen Wirtschaft kämen indirekt einem Regime zugute, das den Terrorismus unterstütze.

Damit die Vorlagen zum Gesetz werden, müsste die Obama-Regierung innerhalb von 30 Tagen dem Kongress berichten, ob die iranische Zentralbank mit dem iranischen Atomprogramm oder mit der Organisation der Revolutionsgarden direkt in Verbindung steht. Sollte die Antwort positiv sein, müsste über die Bank ein Boykott verhängt werden.


Guardian: Briten bereiten sich auf Militärschlag gegen Iran vor

Am 3. November berichtete die linksliberale Zeitung The Guardian, Großbritannien bereite sich auf einen Militärangriff gegen Ziele in Iran vor. Es gehe um die Unterstützung eines möglichen US-Angriffs. Britische Militärstrategen untersuchten demnach, wo Schiffe und U-Boote der Royal Navy stationiert werden könnten, um Tomahawk-Marschflugkörper auf Ziele in Iran abzuschießen.

Wenn sich die USA für einen Angriff entschieden, würden sie um militärische Hilfe nachsuchen und sie auch erhalten, berichtete The Guardian unter Berufung auf Quellen im Londoner Verteidigungsministerium. Dort gehe man weiter davon aus, dass die Amerikaner unter anderem um die Nutzung der britischen Militärbasis Diego Garcia im Indischen Ozean bitten werden.

Grundsätzlich habe US-Präsident Barack Obama kein Interesse, vor den Wahlen im November nächsten Jahres in ein Militärabenteuer hineingezogen zu werden. Die Einstellung Washingtons könne sich aber ändern, wenn sich Erkenntnisse westlicher Geheimdienste über neue Nuklearpläne Teherans verdichten sollten. Iran habe sich überraschend widerstandsfähig gegen Sanktionen des Westens gezeigt, zitierte der Guardian eine Quelle aus dem Umfeld der britischen Regierung. Versuche des Westens, das Urananreicherungsprogramm Irans zu unterminieren, seien weniger erfolgreich gewesen, als zunächst gedacht. "Iran scheint eine neue Aggressivität an den Tag zu legen, und wir wissen nicht genau warum", sagte die Quelle der Zeitung.

Die USA und Israel hatten im vergangenen Jahr Berichten zufolge versucht, mit dem Computerwurm "Stuxnet" die Nuklearanlagen Irans zu manipulieren. Der Schaden sei inzwischen wieder behoben, schrieb Guardian weiter. Westliche Diplomaten gingen sogar davon aus, dass in der "Atomstadt" Ghom inzwischen noch leistungsfähigere Anlagen installiert worden sind. Innerhalb der nächste zwölf Monate könne das Material zur Herstellung einer Atombombe so gut versteckt sein, dass es für Flugkörper nicht mehr erreichbar sei, zitierte die Zeitung eine weitere Quelle.


Berlin und Paris lehnen militärischen Angriff ab

Die Bundesregierung setzt laut Medienberichten im iranischen Atomkonflikt weiterhin auf eine diplomatische Lösung. Berichte über Planungen für einen Militärschlag könne man nicht kommentieren, sagte der Sprecher des Außenministeriums, Andreas Peschke, am 4. November in Berlin.

Allerdings gebe es nicht nur in Israel, sondern auch bei der internationalen Gemeinschaft erhebliche Zweifel am zivilen Charakter des iranischen Atomprogramms, sagte Peschke. Sollte der angekündigte neue Bericht der Internationalen Atombehörde diese Zweifel weiter verstärken, müsse der diplomatische Druck auf Teheran erhöht werden.

Auch Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy sprach sich am 4. November gegen einen Präventivschlag aus. Auf einer Pressekonferenz in Cannes sagte er, die Weltgemeinschaft solle sich auf Sanktionen gegen Iran konzentrieren. Falls jedoch Israels Existenz auf dem Spiel stehe, "werden wir nicht untätig zusehen", sagte Sarkozy.

Wie die beiden Regierungen in Berlin und Paris, äußerte sich auch die NATO gegen einen militärischen Angriff. Das Militärbündnis habe "keinerlei Absicht" einen solchen Schritt zu unternehmen, sagte NATO-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen inmitten von Spekulationen über mögliche Angriffspläne Israels und anderer Staaten am 3. November. Die NATO unterstütze die diplomatischen Bemühungen zur Lösung der Auseinandersetzung um das iranische Atomprogramm, sagte Rasmussen weiter. Gleichzeitig rief er Iran auf, sich den UN-Resolutionen zu fügen.


Peres droht mit Angriff

Nach Einschätzung des israelischen Staatspräsidenten Schimon Peres wird ein Militärschlag Israels und anderer Staaten gegen das iranische Atomprogramm immer wahrscheinlicher. "Die Geheimdienste aller Länder wissen, dass die Zeit abläuft", zitierte die Zeitung Haaretz am 5. November aus einem Fernsehinterview mit dem Staatschef. Iran könne schon in sechs Monaten eine Atombombe haben, warnte der Friedensnobelpreisträger von 1994.

Peres betonte, die Welt sei gegenüber Israel in der Pflicht, die iranischen Atomanlagen notfalls auch militärisch zu stoppen. "In der noch verbleibenden Zeit müssen wir die anderen Staaten der Welt zum Handeln drängen und ihnen sagen, dass es nun Zeit ist, die uns gegebenen Versprechen einzulösen, ihre Pflicht entweder durch harsche Sanktionen oder durch militärisches Handeln zu erfüllen", betonte der 88-jährige Peres. Auf die Frage, ob die Situation sich eher in Richtung auf eine militärische Konfrontation statt auf eine diplomatische Lösung zu bewege, antwortete Peres: "Ich glaube, ja. Die Geheimdienste vieler Länder sehen die Uhr ticken und warnen ihre Regierungen, dass es nicht mehr viel Zeit gibt", sagte das israelische Staatsoberhaupt, das sich bislang in der Debatte zurückgehalten hatte.


Warnungen vor einem neuen Krieg

Russland warnte vor einem Krieg gegen Iran. "Ein Angriff wäre ein sehr ernster Fehler, dessen Folgen unabsehbar wären", sagte Außenminister Sergej Lawrow am 7. November nach Angaben der Agentur Interfax in Moskau. "Militärschläge bringen keine Lösungen, sondern nur viele Opfer", sagte Lawrow.

Russland hatte vor kurzem ein Nachgeben von allen Seiten gefordert, um die stockenden Verhandlungen zu erneuern. Dazu hatte Lawrow vorgeschlagen, dass Iran zunächst einen "vertrauensvollen Schritt" unternehmen müsse. Im Gegenzug könne die "Sechsergruppe" aus Russland, China, USA, Deutschland, Frankreich und Großbritannien dann die gegen Teheran verhängten Sanktionen lockern.

In scharfen Worten hat auch Russlands Präsident Dmitri Medwedew vor einem Angriff auf Iran gewarnt. "Die militärischen Äußerungen, wonach Israel oder andere Länder Gewalt gegen Iran oder andere Länder im Nahen Osten einsetzen könnten, sind sehr gefährliche Rhetorik", sagte Medwedew auf einer Pressekonferenz mit Bundespräsident Christian Wulff am 11. November in Berlin. Dabei spielte er offensichtlich auch auf die Debatte über ein Eingreifen der Staatengemeinschaft in Syrien an, wo Präsident Baschar Al-Assad weiter mit Härte gegen die Opposition vorgeht. Sein Land wolle helfen, aber militärische Drohungen könnten auch einen Krieg auslösen.

"Wir sind besorgt über die Lage in der Region", betonte Russlands Präsident. Die Entwicklungen in Nordafrika hätten die Atmosphäre im Nahen Osten verändert. Medwedew rief Iran auf, nachzuweisen, dass sein Atomprogramm nur friedlichen Zwecken diene. Obwohl es solche Zusagen gegeben habe, habe Iran bisher leider keine Fortschritte gezeigt.

Auch der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland, Nikolaus Schneider, hat die israelischen Kriegsdrohungen gegen Iran heftig kritisiert. Die Art und Weise, wie die Regierung auf Gewalt als alleiniges Mittel zur Lösung von Problemen setze, sei inakzeptabel, sagte Schneider am 6. November in Magdeburg. "Das ist ein Irrweg, das müssen wir zurückweisen." Die Kirche und ihre Identität basierten auf dem Judentum, betonte Schneider. Das bedeute aber nicht, dass die Kirche Unrecht der israelischen Regierung zudecken oder gutheißen müsse.


Israel fordert lähmende Sanktionen

Israels Außenminister Avigdor Lieberman forderte von internationaler Seite scharfe Sanktionen gegen Iran. Die internationale Gemeinschaft müsse wegen des umstrittenen iranischen Atomprogramms "strenge und lähmende" Sanktionen gegen Teheran verhängen, zitierte die Zeitung Maariv den Minister am 8. November. Demnach äußerte sich Lieberman vor der Parlamentskommission zur Verteidigungs- und Außenpolitik.

Die Sanktionen müssten die iranische Zentralbank sowie die Erdölexporte des Landes betreffen, sagte Lieberman laut der Zeitung weiter. Sollten die USA keine Schritte in diese Richtung unternehmen, "bedeutet das, dass sich die Amerikaner und der Westen mit einem nuklear bewaffneten Iran abfinden", sagte der Außenminister.

Indes zeigte sich Israels Verteidigungsminister bemüht, Sorgen vor einem unmittelbar bevorstehenden Krieg mit Iran zu zerstreuen. "Ein Krieg ist kein Picknick, und wir wollen keinen Krieg", sagte Barak am 8. November dem israelischen Rundfunk. "Israel hat sich noch nicht für einen militärischen Einsatz entschieden."

Zu dem angekündigten IAEA-Bericht sagte Barak: "Ich denke, dass es ein sehr schlimmer Bericht wird, und uns überrascht das nicht, wir kennen die Fakten". "Iran strebt auf raffinierte Weise weiter nach nuklearen Waffen und führt die Welt an der Nase herum, dies ist die Quintessenz des Berichts", sagte Barak. Wie ihm bereits vor der Veröffentlichung der Inhalt des Berichts bekannt wurde, sagte er nicht.

Dies sei eine Gelegenheit, "tödliche internationale Sanktionen" gegen Iran zu verhängen. Er meine damit etwa, dass man die Verbindungen zur iranischen Zentralbank abbricht und die Ein- und Ausfuhr von Erdöl unterbindet. Er habe jedoch ernsthafte Zweifel daran, dass die internationale Gemeinschaft solche harte Sanktionen verhängen werde. "Ich bin nicht optimistisch, aber ich hoffe trotzdem, dass es geschehen wird."

Barak kritisierte die Medienberichte über mögliche israelische Angriffspläne auf die Atomanlagen in Iran als "Panikmache". Es sei auch weit übertrieben, im Fall eines Krieges mit tausenden von Toten in Israel zu rechnen. "Angenommen, es käme zum Krieg - was wir nicht wollen - dann wird es keine tausend Toten geben und der Staat Israel wird nicht zerstört werden", sagte Barak. "Wenn alle Menschen zu Hause bleiben, auch keine 500." Die Existenz Israels sei durch Raketen aus Iran oder der libanesischen Hisbollah-Milizen nicht gefährdet. "Israel ist der stärkste Staat im Nahen Osten."

Ebenfalls am 8. November warnte der deutsche Außenminister Guido Westerwelle Iran vor einer atomaren Aufrüstung. "Für den Fall, dass sich die Dinge weiter zuspitzen sollten, dass der (IAEA-)Bericht wiedergibt, dass Iran erneut an diesem Programm arbeitet, werden wir in Europa auch eine nächste Sanktionsrunde vorbereiten", sagte Westerwelle im ARD-Morgenmagazin. Zugleich warnte er vor einem Militärschlag. "Ich warne davor, militärische Optionen in den Raum zu stellen. Das sind jenseits aller gefährlichen Weiterungen für die Region Debatten, die die iranische Führung eher stärken als schwächen, sagte der Außenminister dem Hamburger Abendblatt.

Sollten Staaten wie Russland und China bei neuen Sanktionen nicht mitziehen, schloss Westerwelle auch einen möglichen Alleingang der Europäer nicht aus: "Am liebsten mit den anderen, am liebsten gemeinsam mit der internationalen Gemeinschaft, aber wenn es nicht anderes geht, dann auch mit unseren Verbündeten alleine", sagte er im Morgenmagazin.


China ruft Iran zu Kooperationsbereitschaft auf

China hat Iran zu mehr Kooperationsbereitschaft aufgerufen. Die Iraner sollen jetzt "Flexibilität und Aufrichtigkeit" zeigen, sagte ein Sprecher des chinesischen Außenministeriums am 8. November. China halte daran fest, dass der Atomkonflikt nur durch Dialog und Kooperation gelöst werden könne. Den Einsatz von jeglicher Art von Gewalt gegen Iran lehne Peking dagegen weiterhin entschieden ab.


Nach der Veröffentlichung des IAEA-Berichts

Nach der Veröffentlichung des IAEA-Berichts am 9. November verschärften sich die Drohungen gegen Iran. Frankreich forderte Sanktionen "von nie gekanntem Ausmaß". Ähnlich reagierten die USA und einige Staaten der EU.

Der diplomatische Druck müsse eine neue Stufe erreichen, erklärte der französische Außenminister Alain Juppé am 9. November. Dazu solle auch der UN-Sicherheitsrat eingeschaltet werden, sagte Juppé im Radiosender RFI. Auch der Gouverneursrat der IAEA müsse das iranische Atomprogramm scharf verurteilen. "Wir sind entschlossen zu reagieren", fügte der Minister hinzu.

Frankreichs Verteidigungsminister Gérard Longuet forderte ebenfalls schärfere Sanktionen, ohne dass es gleich zu militärischen Schritten kommen müsse. "Auf wirtschaftlicher, technologischer, industrieller Ebene können wir noch viel weiter gehen, ohne gleich auf eine Gewaltlösung zurückzugreifen", sagte Longuet im Fernsehsender Canal+. Insbesondere die UN-Vetomächte China und Russland müssten davon überzeugt werden, dass Druck auf Iran "absolut unerlässlich" sei.

Demgegenüber lehnte Russland weiterhin zusätzliche Sanktionen gegen Iran ab. "Jegliche zusätzliche Sanktionen gegen Iran würden von der internationalen Gemeinschaft als Instrument für einen Regimewechsel in Teheran angesehen", sagte der stellvertretende russische Außenminister Gennadi Gatilov am 9. November der Nachrichtenagentur Interfax. Neue Sanktionen seien inakzeptabel und Moskau beabsichtige nicht, solche Vorschläge zu erwägen, sagte Gatilov weiter. Der einzige Weg nach vorn sei der Dialog mit Iran.

Auch China erklärte, der Streit um das iranische Programm ließe sich durch Sanktionen nicht lösen. Diese seien keine "fundamentale" Lösung des Problems, sagte ein Sprecher des Außenministeriums in Peking am 10. November.

Israel rief nach der Veröffentlichung des IAEA-Berichts erneut die internationale Gemeinschaft zum Handeln auf. Die internationale Gemeinschaft müsse das Streben Irans nach Atomwaffen verhindern, erklärte Netanjahu. Der Bericht bestätige den Verdacht, dass Iran Atomwaffen herstelle.

Demgegenüber warnten die USA vor den Folgen eines Angriffs auf Iran. US-Verteidigungsminister Leon Panetta warnte vor den "unbeabsichtigten Konsequenzen" eines Angriffs auf die iranischen Atomanlagen. Er sagte am 11. November vor Journalisten in Washington, ein militärisches Vorgehen könne gravierende Auswirkungen auf die Region und auf die in dem Gebiet stationierten US-Soldaten haben. Eine Bombardierung der iranischen Atomanlagen würde das Nuklearprogramm Teherans höchstens um drei Jahre verzögern, meinte Panetta. Ein militärisches Vorgehen gegen Teheran sollte nur der letzte Ausweg sein.

Der Pentagonchef forderte einen stärkeren wirtschaftlichen und diplomatischen Druck auf Iran. Die USA diskutierten mit ihren Verbündeten wegen des jüngsten Iran-Berichts der Internationalen Atombehörde zusätzliche Sanktionen. Immer wieder hätten die USA klargemacht, dass es für sie "unannehmbar" sei, dass Iran Atomwaffen entwickle.

Bei einem EU-Außenministertreffen in Brüssel am 14. November brach ein Streit über einen schärferen Kurs gegen Teheran aus. Der niederländische Außenminister Uri Rosenthal stimmte in das Säbelrassen einiger US-Republikaner und Israelis ein, die eine Drohkulisse gegen Iran aufbauen. "Ich schließe keine Option aus", betonte er. "Wir reden heute über verschärfte Sanktionen, und ich denke, wir sollten derzeit keine andere Option ausschließen."

Bundesaußenminister Guido Westerwelle reagierte erbost auf Rosenthal. Eine Debatte über eine militärische Intervention oder Operation sei "kontraproduktiv", sagte er und warnte vor weiteren derartigen Wortmeldungen. Luxemburgs Außenminister Jean Asselborn wandte sich scharf gegen einen Angriff. "Damit würde das Ziel nicht erreicht, die Konsequenzen wären verheerend und die Debatte würde Teheran helfen." Frankreichs Chefdiplomat Alain Juppé forderte eine geschlossene Position, die Sanktionen zu verschärfen. Damit müsse ein "irreparables" Eingreifen, also ein Militärschlag, noch verhindert werden.

Über eine Einigung, neue Sanktionen vorzubereiten, kamen die Außenminister aber nicht hinaus. Ein Beschluss sei im Dezember "denkbar", sagte Westerwelle. Neue Strafmaßnahmen sollten möglichst breit sein und möglichst breit getragen werden. "Die Finanzströme sollten ausgetrocknet werden", so der Minister. Allerdings könnte Teheran dem noch durch "vollständige Kooperation und Transparenz" zu seinem Atomprogramm entgehen. Damit die Sorge aus der Welt geschafft werde, dass Teheran "auf die Bombe hinarbeitet".

Die Diskussion um die angemessene Reaktion auf den IAEA-Bericht ist problematisch, weil der Bericht zwar Indizien aufzählt, die auf militärische Ziele des iranischen Atomprogramms hindeuten. Es sind jedoch keine Beweise, so dass die Behauptung, Iran arbeite an einer Atombombe, nach wie vor eine Vermutung bleibt. Die Frage ist nun, wie man den Bericht liest und interpretiert. Während zum Beispiel Frankreichs Außenminister Juppé die Sorge bestätigt sieht, dass das Regime in Teheran seine Bemühungen um eine Atombombe "beschleunigt", sieht der russische Außenminister Lawrow keinen substanziellen Unterschied zwischen dem letzten Bericht und den früheren Berichten der IAEA. Der IAEA-Befund "enthält nichts Neues" sagte Lawrow am 14. November. Russischen Nachrichtenagenturen zufolge bekräftigte der Außenminister Moskaus Widerstand gegen neue Iran-Sanktionen.

Dessen ungeachtet zeigten sich die USA zuversichtlich, dass China und Russland die Gefahr eines nuklear bewaffneten Iran erkennen. Moskau und Peking seien sich einig, dass Iran keine Atomwaffen besitzen und so ein atomares Wettrüsten in der Region auslösen dürfe, sagte US-Präsident Barack Obama zum Abschluss des Gipfeltreffens der Asiatisch-Pazifischen Wirtschaftsgemeinschaft (APEC) am 12. November auf Hawaii. Die Regierung in Teheran sei international "isoliert". Und Russland und China teilten seiner Meinung nach die Ziele der USA. Es würden alle Wege ausgelotet, um zu sehen, ob das Problem diplomatisch zu lösen sei. China und Russland hätten dieselben Ziele "und ich glaube, wir werden in dieser Frage zusammenarbeiten", sagte Obama weiter. Washington werde Moskau und Peking in den kommenden Wochen konsultieren, um zu sehen, welche anderen Optionen sich anböten. Obama hatte mit dem russischen Präsidenten Dmitri Medwedew und dem chinesischen Präsidenten Hu Jintao am Rande des APEC-Gipfels konferiert.

Demgegenüber sieht Irans Außenminister Ali Akbar Salehi keinen weiteren Spielraum für einen konstruktiven Dialog. "Ich glaube, es hat keinen Zweck mehr, zusätzliche Konzessionen zu machen", sagte er in einem Gespräch mit dem am 14. November erschienenen Nachrichtenmagazin "Spiegel". Die Atomfrage sei nur ein Vorwand, um sein Land mit allen Mitteln zu schwächen.


US-Republikaner fordern hartes Vorgehen gegen Iran

Die Präsidentschaftsbewerber der US-Republikaner haben eine härtere Linie Washingtons gegenüber Teheran gefordert und Präsident Obama scharf kritisiert. "Wenn wir Obama wieder wählen, wird Iran Atombomben haben", sagte Mitt Romney, der ehemalige Gouverneur von Massachusetts am 12. November bei der im Fernsehen übertragenen ersten außenpolitischen Debatte der Präsidentschaftsanwärter in Spartanburg im Bundesstaat South Carolina. "Wenn ihr mich als nächsten Präsidenten wählt, werden sie (die Iraner) keine haben."

Der frühere Präsident des Repräsentantenhauses, Newt Gingrich, schloss sogar Entführungen iranischer Wissenschaftler und Sabotageakte nicht aus. Ex-Senator Rick Santorum erklärte, die USA sollten gemeinsam mit Israel handeln, wie sie es in Syrien und Irak getan hätten - "die nukleare Fähigkeit ausschalten, bevor die nächste Explosion in Iran eine atomare Explosion ist". Vorsichtiger äußerte sich Mitbewerber Herman Cain: er plädierte für weitere Sanktionen gegen Teheran. Zudem forderte er mehr Unterstützung für oppositionelle Gruppen in Iran. Präsidentschaftsanwärter Ron Paul warnte, ein Krieg würde sich nicht lohnen. Er verglich die aktuelle Debatte mit der Situation vor dem Irak-Krieg 2003.

83 Prozent der Deutschen fordern Neutralität Deutschlands in möglichem Iran-Krieg

Einer N24-Emnid-Umfrage zufolge fordern 83 Prozent der Deutschen, Deutschland solle bei einem möglichen Krieg gegen Iran neutral bleiben. Zugleich stufen 70 Prozent der Deutschen die atomare Aufrüstung Irans als "ernsthafte Gefahr" ein. Nur ein Viertel hält das Risiko für überschätzt.


Zentralrat der Juden: Irans Drohungen ernst nehmen

Der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Dieter Graumann, hat das Verhalten der IAEA scharf kritisiert. "Es wurde Jahre lang verdrängt, ja sogar zu oft verantwortungslos ignoriert, dass Iran an einer Atombombe bastelt", sagte Graumann in einem Gespräch mit der Neuen Osnabrücker Zeitung am 12. November. Für jeden, der sich mit Iran beschäftige, sei die jetzige Anklage der IAEA keine Sensation.

Die Gefahr, die von iranischen Atomplänen ausgehe, sei für Israel buchstäblich lebensgefährlich, sagte Graumann. "Iran hat mehr als ein Mal offen gedroht, Israel von der Landkarte tilgen zu wollen." Der Zentralratspräsident hob hervor, die Geschichte habe die Juden gelehrt, dass sie solche Drohungen ernst nehmen müssten.

Graumann, der Ende November ein Jahr im Amt ist, forderte Härte gegenüber dem iranischen Regime. "Wichtig ist, dass sich die Staatengemeinschaft endlich geschlossen und entschlossen den iranischen Täuschungen und nuklearen Ambitionen entgegenstellt", betonte er.


Militär in Israel und Iran

Die dpa veröffentlichte am 9. November zur militärischen Stärke der beiden Länder Iran und Israel einen Hintergrundbericht. Demnach unterhält die Islamische Republik mit 523 000 Mann bei regulärer Armee und Revolutionsgarden die zahlenmäßig größte Streitmacht der Region. Zudem kann Iran im Kriegsfall bis zu eine Million Kämpfer der Volksmiliz mobilisieren.

Das Land baut seit Jahren ein strategisches Raketenarsenal auf. Auf Basis der hauptsächlich von Nordkorea gelieferten Scud-Raketen wurden bis zu 600 Schahab-1 und Schahab-2-Kurzstreckenraketen mit einer Reichweite von mehreren Hundert Kilometern gebaut. Von der Schahab-3, die angeblich 2000 Kilometer weit bis nach Israel fliegen kann, soll es bereits etwa 50 geben. Zum Schutz von Irans strategischen Waffen und Atomanlagen liefert Russland etwa 30 modernste Kurzstrecken-Luftabwehrraketen.

In der iranischen Luftwaffe dienen 30 000 Soldaten, davon 12 000 bei der Luftabwehr. Von etwa 330 Kampfjets sind bis zu 70 russischer Herkunft, 180 stammen aus früheren US-Lieferungen. Das 350 000 Mann starke Heer verfügt über mehr als 1600 Kampfpanzer. Die Marine hat 18 000 Mann.

Die gut ausgerüstete israelische Armee gilt weltweit als eine der schlagkräftigsten. Ihre besondere Stärke beruht auf modernen High-Tech-Waffen, die vor allem aus den USA geliefert werden. Zudem gilt als sicher, das Israel über selbstgebaute Atombomben verfügt, die mit "Jericho"-Raketen bis zu 1 500 Kilometer weit ans Ziel gebracht werden können.

In den israelischen Streitkräften dienen insgesamt 176 500 Männer und Frauen. Das Heer zählt 133 000, die Luftwaffe 34 000 und die Marine 9 500 Soldaten. Im Ernstfall können 565 000 Reservisten einberufen werden. Rückgrat des Heeres sind etwa 3 500 Kampfpanzer. Hinzu kommen noch rund 10 500 gepanzerte Fahrzeuge. Die Luftwaffe verfügt über 460 Kampfflugzeuge sowie etwa 80 Kampf- und 200 Transporthubschrauber. Die Marine hat je drei mit Raketen bestückte U-Boote und Korvetten sowie mehrere Dutzend Patrouillen- und Schnellboote für den Einsatz in Küstennähe.

Als Quelle gibt die Agentur das International Institute for Strategie Studies (IISS, London) an.


Saudi-Arabien beantragt UN-Resolution zu Anschlagsplanung auf Botschafter

Saudi-Arabien reichte am 16. November wegen eines angeblich geplanten Anschlags auf ihren Botschafter in den USA bei der UNO einen Entschließungsentwurf ein, in dem eine Verurteilung des Anschlagsversuchs gefordert wird. In dem Dokument wurde Iran zwar nicht direkt für das angebliche Komplott verantwortlich gemacht, das Land wird aber aufgerufen, sich an internationales Recht zu halten und dazu beizutragen, dass die Drahtzieher zur Rechenschaft gezogen werden.

Die US-Behörden hatten im Oktober mitgeteilt, zwei Männer mit Verbindungen zu iranischen Sicherheitskräften hätten einen Bombenanschlag auf den saudischen Botschafter in Washington geplant. Iran hatte sich empört gezeigt und die Vorwürfe zurückgewiesen.

Über den Entwurf wurde am 18. November in der UN-Vollversammlung abgestimmt. 106 Mitgliedstaaten stimmten dafür, neun dagegen und vierzig nahmen an der Abstimmung nicht teil. Abgelehnt wurde die Resolution unter anderem von Armenien, Nordkorea, Bolivien, Kuba, Ecuador, Venezuela und Sambia. Dazu bemerkte die US-Botschafterin, unter diesen Staaten befinde sich kein Land mit mehrheitlich islamischer Bevölkerung und auch kein arabisches Land. Dies zeige vor allem, wie weit Iran in der Region und in den islamischen Staaten isoliert sei.

Der saudische Botschafter bemerkte, die Resolution richte sich gegen kein bestimmtes Land. Iran sei nur erwähnt worden, weil der Hauptbeschuldigte, der die Tat gestanden habe, iranischer Staatsbürger sei. Demgegenüber sagte der iranische UN-Botschafter Mohammad Chasai, die Resolution verdächtige Iran, das Attentat geplant zu haben, was auf Behauptungen eines Staates basiere, der Iran gegenüber feindlich gesinnt sei. "Diese Vorverurteilung verurteilen wir entschieden", sagte Chasai.


Iran droht Türkei mit Angriff

Iran drohte mit einem Angriff auf die Türkei, sollte ein NATO-Raketenschutzschirm in der Türkei errichtet werden. "Wir sind bereit, den NATO-Raketenschutzschirm in der Türkei anzugreifen, wenn wir einer Bedrohung ausgesetzt sind, und dann werden wir anderen Zielen nachgehen", zitierte die halbamtliche Nachrichtenagentur Mehr am 26. November Amir Ali Hadschisadeh, der bei den Revolutionsgarden für Luft- und Raumfahrt zuständig ist.

Die Türkei hatte im September zugestimmt, dass auf ihrem Territorium Teile eines Raketenfrühwarnsystems der NATO errichtet werden können. Dagegen hatte Teheran scharf protestiert.


Scharfe Kritik des EU-Parlaments an Menschenrechtsverletzungen in Iran

Das Europaparlament hat Iran wegen permanenter Menschenrechtsverletzungen scharf verurteilt. Besonders besorgt äußerten sich Parlamentarier am 17. November über die wachsende Zahl politischer Häftlinge, die zahlreichen Hinrichtungen - auch Jugendlicher - und die gängige Folterpraxis im Land. In einer Entschließung plädierte das Parlament für zusätzliche Sanktionen gegen Einzelpersonen, die für die Menschenrechtsverletzungen in Iran verantwortlich sind.

Zugleich forderten die Abgeordneten die Freilassung des vom Islam zum Christentum übergetretenen evangelischen Pastors Jussef Naderchani, der 2009 festgenommen und wegen "Abfallens vom Glauben" zum Tode verurteilt wurde. Mehrere westliche Länder hatten Iran bereits aufgefordert, den konvertierten Christen freizulassen.

Im UN-Sicherheitsrat müsste ermittelt werden, ob die von iranischen Staatsorganen begangenen Menschenrechtsverletzungen als Verbrechen gegen die Menschlichkeit einzustufen seien, heißt es in der Entschließung weiter. Die Abgeordneten übten zugleich Kritik an Unternehmen in der EU, die Iran Technologien für Zensur, das Filtern von Informationen und Überwachung liefern. Diese Technologien würden genutzt, um Kommunikationsströme zu kontrollieren und Bürger, vor allem Menschenrechtsaktivisten, aufzuspüren.

Besorgt äußerten sich die Parlamentarier auch über die Ankündigung der iranischen Regierung, ein "reines" Internet einzuführen, das den Grundsätzen des Islam entsprechen soll. Ein solches "Halal"-Internet würde dem iranischen Staat de facto eine vollständige Kontrolle über den gesamten Internet-Verkehr ermöglichen.


Ausschluss Syriens aus Arabischer Liga kritisiert

Der prominente Abgeordnete und Vorsitzende des Ausschusses für Sicherheit und Außenpolitik, Alaeddin Borudscherdi, bezeichnete den Ausschluss Syriens aus der Arabischen Liga als historischen Fehler. Die Entscheidung der Liga werde weiteres Chaos in Syrien auslösen und könnte zu einem Bürgerkrieg in der gesamten Region führen, sagte er am 18. November in Ankara, wo er sich zu Gesprächen mit der türkischen Regierung aufhielt. "Die beste Lösung sind Reformen, die Baschir Assad begonnen hat".


Fünf Iraner in den Emiraten zum Tode verurteilt

Fünf iranische und fünf pakistanische Staatsbürger, die beschuldigt werden, mit Drogen gehandelt zu haben, wurden von der Justiz in den Arabischen Emiraten zum Tode verurteilt, meldete IRNA am 16. November. Außerdem wurden drei Personen des Landes verwiesen und eine Person zu zehn Jahren Haft verurteilt.

Der Staatsanwalt erklärte, dass die Hafenpolizei im Januar in einem Schiff mehr als zweieinhalb Tonnen Drogen entdeckt habe. Dabei seien vierzehn Iraner und Pakistanis festgenommen worden.

In den vergangenen Monaten wurden mehrere Iraner an den Flughäfen Südostasiens wegen Drogenschmuggels festgenommen. Ein Gericht in Malaysia verurteilte im vergangenen Monat drei Iraner zum Tode. Ihnen wurde Drogenschmuggel vorgeworfen.


Der Iran-Report kann kostenfrei auf der Website der Heinrich Böll Stiftung abonniert werden unter
www.boell.de

Impressum:
Hrsg.: Heinrich-Böll-Stiftung
Autor: Bahman Nirumand
Redaktion: Vera Lorenz
V.i.S.d.P.: Annette Maennel
10. Jahrgang


*


Quelle:
Iran-Report Nr. 12/2011 - Dezember 2011 / 10. Jahrgang
Hrsg.: Heinrich-Böll-Stiftung
Schumannstr. 8, 10117 Berlin
Telefon: 030-285 34 - 0, Fax: 030-285 34 - 109
Email: info@boell.de
Internet: www.boell.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 3. Dezember 2011