Schattenblick →INFOPOOL →GESELLSCHAFTEN → STIFTUNGEN

HEINRICH BÖLL STIFTUNG/302: Iran-Report Nr. 11 - November 2013


Iran-Report der Heinrich-Böll-Stiftung - Nr. 11 - November 2013
Eine Zusammenfassung aktueller Ereignisse im Iran

von Bahman Nirumand



Der Konflikt um das iranische Atomprogramm, die Wahlfälschung vom Juni 2009, die Verfolgung der Opposition und die Verletzung der Menschenrechte sind einige der wiederkehrenden Themen des Iran-Reports. Er wertet Nachrichten verschiedener Quellen aus, auch um die von den Mächtigen in Iran verfügten Behinderungen und Einschränkungen der journalistischen Arbeit auszugleichen. Der Iran-Report produziert keine Schlagzeilen sondern er erhellt die Meldungen, das Nichtgesagte dahinter. Der Iran-Report wird einem breiten Interessentenkreis aus Politik, Wissenschaft und Medien zur Verfügung gestellt.


INNENPOLITIK

• Kritik Chameneis an Rohani
• Bilanz der New-York-Reise Rohanis
• Rafsandschani plädiert für Öffnung nach außen
• Chatami: Ich hatte nach den Unruhen 2009 Ausreiseverbot
• Informationsministerium soll den Universitäten vertrauen
• Zugang zu sozialen Netzwerken in Aussicht gestellt
• Aufruf zur Aufhebung der Zensur
• Justizchef: Freilassung der Gefangenen hat nichts mit der neuen Regierung zu tun
• Vier Nuklearsaboteure verhaftet
• Trotz Hinrichtung am Leben geblieben


KRITIK CHAMENEIS AN ROHANI

Revolutionsführer Ali Chamenei erklärte am 5. Oktober bei einer Feier für die Einführung von Rekruten, er unterstütze zwar generell die diplomatischen Bemühungen der Regierung, doch manche Handlungen bei dem Besuch in New York seien "nicht angemessen" gewesen.

Schon bei der Ankunft Rohanis in Teheran zeigte sich auf dem Flughafen, dass die Gegner einer Normalisierung der Beziehungen zwischen Iran und den USA nicht bereit sind, die Politik der Versöhnung der Rohani-Regierung schweigend hinzunehmen. Neben einer Gruppe, die Rohani willkommen hieß, protestierte eine Gruppe mit dem Slogan "Tod Amerika" gegen den diplomatischen Kurs Rohanis. "Keine Kompromisse mit den USA, sondern nur Kampf", skandierte die Gruppe. Einer warf einen Schuh auf Rohani, traf aber nicht. Als die Präsidentenkarosse sich in Bewegung setzte, wurde sie mit Eiern und Tomaten beworfen.

Auch die rechte Presse schlug Alarm. Zwar konnte man gegen die Rede Rohanis auf der UN-Vollversammlung schwer etwas einwenden. Umso mehr wurde vor allem das Telefonat mit Obama sowie das Treffen der beiden Außenminister scharf kritisiert. Dass sich auch der Revolutionsführer dieser Kritik anschloss, ist bemerkenswert.

"Wir sind bei dem, was das Diplomatenteam unserer geschätzten Regierung unternimmt, optimistisch, aber gegenüber den USA misstrauisch. Wir trauen den Amerikanern nicht. Die amerikanische Regierung ist nicht zuverlässig, sie ist arrogant, unlogisch, sie bricht ihr Versprechen. Es ist eine Regierung, die vom internationalen, zionistischen Netzwerk beherrscht wird und daher den Zionisten zuliebe mit dem Besatzerregime Kompromisse eingehen und Flexibilität zeigen muss", sagte Chamenei.

Kritik kam auch vom Oberkommandierenden der Revolutionsgarden, General Mohammad Ali Dschafari. Zwar seien die Äußerungen Rohanis in New York richtig, aber das Telefonat mit Obama sei ein "taktischer Fehler" gewesen.

Die rechtskonservative Internetseite Redja News fragte den Außenminister: "Herr Sarif, man hat die Taktik der USA voraussehen können, was für Erfolge haben Sie bei Ihrem Gespräch mit Kerry erzielt?" Und an den Präsidenten gerichtet schrieb sie: "Mit einem Lächeln kann man nicht die Feindschaft der USA aus der Welt schaffen."

Und die ultrarechte Tageszeitung Kayhan titelte: "Die USA haben das Ziel, Iran zur Kapitulation zu zwingen." Oder: "Die Liste der Forderungen der USA und ein enttäuschter Präsident."

Die Tageszeitung Resalat brachte die Schlagzeile: "Die USA haben etwas mehr Zuckerbrot und etwas weniger Peitschenhiebe angeboten." Die Zeitung Schahrwand schrieb: "Man kann nicht Gott danken, bevor man gegessen hat." Die Webseite Djahan News warnte vor zuviel Optimismus und schrieb: "Die Freude kann sich bald in Trauer verwandeln." Die Seite kommentierte: "Eine Reise ohne Nutzen. Was für ein erstaunlich undiplomatisches Vorgehen des Präsidenten beim Handel über das revolutionäre Iran. Es ist völlig unverständlich, völlig umsonst, den Trumpf direkter Beziehungen, die die USA seit langem anstreben, für nichts und wieder nichts aus der Hand zu geben."

Es gab aber auch positive Meinungen und Schlagzeilen. Die liberale Zeitung Schargh zählte die Punkte, die Rohani erreicht habe, auf: "Das verzerrte Bild Irans im Ausland ist wieder zurecht gerückt. Rohani hat dem Land großes Ansehen verschafft. Die ersten Schritte zur Vertrauensbildung sind getan und der Wille Irans zur Vertrauensbildung ist unzweideutig vermittelt worden. Die Verhandlungen sind durch die Teilnahme der Außenminister aufgewertet worden. Dem rauen, undiplomatischen Ton der Vorgängerregierung wurde eine Absage erteilt. Der Regierung ist es gelungen, bei der iranischen Bevölkerung wieder Hoffnungen auf bessere Zeiten zu wecken. Dem Präsidenten und dem Außenminister ist es gelungen, eine vernünftige Mischung aus Utopie und Realität zu praktizieren. Die geschlossene Tür zum Westen ist wieder geöffnet." Die Zeitung Ghanun titelte: "Die ersten Schritte von Iran und den USA aufeinander zu sind getan." Die Zeitung Ebtekar: "Iran konnte wieder das Vertrauen der internationalen Gemeinschaft gewinnen."

Wenige Tage vor der Stellungnahme des Revolutionsführers hatte Parlamentspräsident Ali Laridschani bei einer gemeinsamen Sitzung des Parlamentes mit Präsident Rohani dem Präsidenten im Namen des Parlaments gedankt. Offenbar hatte er sich zuvor nicht mit dem Revolutionsführer abgesprochen. Rohani habe mit seiner Rede auf der UN-Vollversammlung und bei seinen Gesprächen mit Politikern die Interessen Irans "kämpferisch und selbstbewusst" vertreten, sagte Laridschani am 1. Oktober. Rohani hatte dem Parlament über seine Reise berichtet. Auch einige Abgeordneten begrüßten die diplomatische Initiative der Regierung.


BILANZ DER NEW-YORK-REISE ROHANIS

Irans Präsident Hassan Rohani zog kurz vor seiner Abreise aus New York auf einer internationalen Pressekonferenz am 27. September eine Bilanz seiner Reise. Er sei mit den Ergebnissen sehr zufrieden, sagte Rohani. Er habe zahlreiche Staatsoberhäupter wie die Präsidenten Frankreichs, Österreichs, der Türkei und Libanons, Regierungschefs wie den Pakistans, Spaniens, Italiens sowie den UN-Generalsekretär und den deutschen Außenminister getroffen, mit einigen Fernsendern und Zeitungen Interviews geführt und mit zahlreichen Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens diskutiert.

Rohani begrüßte den Ton der Rede Präsident Obamas und einiger Europäer auf der UN-Vollversammlung. Dies sei ein positiver Schritt zur Verbesserung der Beziehungen zwischen Iran und westlicher Staaten gewesen, sagte er. Auf die Frage eines Journalisten, warum er dann ein Treffen mit Obama abgelehnt habe, sagte er, ein solches Treffen sei zwar vorbereitet gewesen, die Amerikaner hätten den Wunsch zu einer Begegnung geäußert, "auch wir hatten grundsätzlich keine Probleme damit". Doch die Zeit sei zu kurz gewesen. So hätten beide Seiten vorläufig auf ein Treffen verzichtet. "Für uns sind die Ergebnisse solcher Begegnungen wichtig. In Anbetracht der seit 35 Jahren andauernden Konflikte zwischen den USA und Iran ist ein erstes Treffen mit Problemen verbunden. Wir aber wollten ein Treffen haben, bei dem handfeste Erfolge erzielt werden sollten." Dafür hätte jedoch die Zeit nicht ausgereicht.

Positiv sei es gewesen, dass die Atomverhandlungen auf der Ebene der Außenminister wieder aufgenommen wurden, sagte Rohani. Er hoffe, dass beide Seiten einander genügend Vertrauen entgegenbringen und den Atomkonflikt kurzfristig beigelegt werde. Dann könnte man sich der Intensivierungen der wirtschaftlichen und kulturellen Beziehungen zuwenden. Rohani betonte, dass seine Regierung alle Befugnisse besitze, um mit dem Westen Gespräche zu führen, Vorschläge vorzulegen und Ergebnisse zu erzielen. Dabei werde sie von allen Kräften im Iran sowie vom iranischen Volk unterstützt.

Zum Bürgerkrieg in Syrien sagte Rohani: "Wir müssen alle helfen, um diesen Krieg zu beenden, dem Land die nötige Ruhe zu verschaffen, damit das syrische Volk über das Schicksal des Landes selbst entscheiden kann." Seine Regierung sei gerade dabei mit der Türkei, dem Libanon und dem Irak gemeinsam nach Lösungen zu suchen. Zudem sei Teheran bereit, an der nächsten Genfer Konferenz sowie an sonstigen internationalen Aktivitäten für einen Frieden in Syrien teilzunehmen. "Wir sind der Überzeugung, dass die Probleme in Syrien sich nur politisch lösen lassen, wir verurteilen auf das Schärfste den Einsatz von Chemiewaffen und begrüßen, dass die syrische Regierung sich dazu bereit erklärt hat, der internationalen Konvention gegen den Einsatz von Massenvernichtungswaffen beizutreten." Rohani forderte alle Staaten auf, ihre Waffenlieferungen an terroristische Gruppen in Syrien einzustellen. "Wir müssen dafür sorgen, dass alle Terroristen Syrien verlassen. Terroristen sind wie Bakterien, die von einem Land ins andere Land wandern. Wir müssen alle unsere Kraft dafür einsetzen, um diese gefährlichen Bakterien zu entfernen." Die syrische Opposition sollte sich mit Vertretern der Regierung an einen Tisch setzen und über eine friedliche Lösung der Konflikte verhandeln. Schließlich sollten freie Wahlen über die Zukunft des Landes entscheiden.

Zu den Plänen Irans für seine Rolle als Vorsitzender der Blockfreien Staaten in den nächsten zwei Jahren sagte Rohani, Iran werde sich mit aller Kraft dafür einsetzen, dass der Nahe Osten zu einer Zone frei von Massenvernichtungswaffen erklärt werde. Der Nahe Osten sei eine höchst sensible Region und jede Anwendung von Massenvernichtungswaffen könne die gesamte Region in Mitleidenschaft ziehen und den Weltfrieden gefährden. Es seien in dieser Region bereits zweimal solche Waffen eingesetzt worden. Einmal im iranisch-irakischen Krieg und nun in Syrien. "Seit Jahren treten wir für die Vernichtung aller Massenvernichtungswaffen in der Region ein", sagte Rohani. Es sei ihm bei den Gesprächen mit einigen europäischen Staaten gelungen, sie von dieser Idee zu überzeugen.

Zur Lage in Afghanistan meinte Rohani, die Verhandlungen zwischen der afghanischen Regierung und den Taliban befänden sich noch im Anfangsstadium. Voraussetzung für den Frieden in dem Land sei, dass die Taliban ihre Waffen niederlegen und sich zu demokratischen Grundsätzen bekennen. In ihrer Regierungszeit hätten die Taliban mit ihren radikal-konservativen Ansichten schweren Druck auf die Bevölkerung ausgeübt. "Aber ich denke, die Afghanen werden heute diese Ansichten nicht mehr dulden. Sie werden zum Beispiel nicht dulden, dass Frauen aus der Gesellschaft ausgeschlossen werden. Frauen müssen gleiche Rechte haben wie Männer", sagte Rohani. Man könne kulturelle Freiheiten nicht einschränken und das freie Denken nicht verbieten. "Ic h hoffe, dass die Taliban mit einer neuen Denkweise im Rahmen einer demokratischen Verfassung am Aufbau Afghanistans teilnehmen werden."

Auch Außenminister Mohammad Dschawad Sarif zog nach der Rückkehr nach Iran eine positive Bilanz der iranischen Diplomatie in New York. "Ich halte die Reise nach New York für einen großen Erfolg der Regierung", sagte Sarif laut Agentur "Mehr" nach einer Kabinettssitzung am 9. Oktober. Sarif hatte während seines Aufenthalts in New York am Rande der UN-Vollversammlung auch ein Gespräch unter vier Augen mit seinem Amtskollegen John Kerry geführt.

Der Außenminister zeigte sich auch empört über die unbegründete Kritik einiger konservativer Blätter in Iran, insbesondere über die ultrakonservative Tageszeitung Kayhan, die behauptete, Sarif sei mit seiner Reise unzufrieden gewesen und habe das Vorgehen der iranischen Delegation bedauert. Die Zeitung habe eine "eineinhalbstündige ehrliche, ernsthafte und interne Unterredung" im Parlament in ein paar Sätzen zusammengefasst, "deren Inhalt dem widerspricht, was ich geäußert habe", sagte Sarif. Er sei nach der Lektüre des Artikels krank geworden und in die Klinik gefahren.

Kayhan hatte behauptet, Sarif habe sein Treffen mit Kerry als "unangebracht" bezeichnet. Die Zeitung gilt als Sprachrohr des Revolutionsführers. Ihr Chefredakteur Hossein Schariatmadari, ist zugleich Beauftragter Chameneis für die ideologische Führung der Zeitung.

Am 3. Oktober sendete das iranische Fernsehen ein Interview mit Sarif, der bekannt gab, Umfragen in den USA hätten ergeben, dass 75 Prozent der Befragten von einer diplomatischen Lösung des Atomkonflikts überzeugt seien. Dies sei unvergleichlich höher als noch vor wenigen Monaten gewesen.

Sarif reagierte auch abermals auf die Äußerungen des israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu, der Iran unterstellte, getarnt unter einem friedlichen Atomprogramm Nuklearwaffen bauen zu wollen, und daher eine Verschärfung der Sanktionen verlange. Netanjahus Ziel sei, eine Verständigung Irans mit der 5+1-Gruppe zu verhindern, sagte Sarif. "Wir werden aber nicht zulassen, dass er sein Ziel erreicht. Dabei werden wir selbstverständlich unsere Rechte verteidigen und niemandem erlauben, diese anzutasten."


RAFSANDSCHANI PLÄDIERT FÜR ÖFFNUNG NACH AUßEN

"Wenn die Radikalen zulassen, dass wir unsere Beziehungen zur Außenwelt aufbauen, werden wir viele Probleme lösen können. Andernfalls werden wir nichts erreichen", sagte Ex-Staatspräsident Haschemi Rafsandschani der Agentur "Mehr" zufolge bei einem Vortrag in der Provinz Kermanschah am 16. Oktober. Manche Leute seien der Meinung, die Probleme in der Wirtschaft seien Folge der harten Sanktionen, andere hingegen vertreten die Ansicht, dass die Probleme hausgemacht seien, sagte Rafsandschani. Beide Meinungen seien richtig. "Wir können mit einem guten Management und einer richtigen Außenpolitik unsere Probleme bewältigen."

Rafsandschani, der vor einer Versammlung von Kaufleuten, Grundbesitzern, Bankiers und Unternehmern sprach, stimmte den Teilnehmern zu, die sich über die wirtschaftliche Lage beklagten. "Ich weiß, dass ihr große Probleme habt, dass ihr schwer Ersatzteile bekommt und vieles nicht importieren und exportieren könnt. Ihr habt zwar den Markt im Nachbarstaat Irak, aber das reicht bei weitem nicht. Wir müssen zu allen Ländern Beziehungen haben."

Die neue Regierung sei mit großen Problemen konfrontiert, sowohl in der Innen- als auch in der Außenpolitik. "Wir dürfen nicht zu viel erwarten", sagte Rafsandschani. "Mit unserem Atomprogramm müssen wir so verfahren, dass wir damit unsere friedlichen Ziele erreichen. Die Atomenergie muss uns Sicherheit geben. Wir können viel erreichen, wenn die Radikalen es zulassen würden, dass wir zu allen Staaten Beziehungen aufnehmen. Die Radikalen sind schuld an der Misere in Afghanistan. Die Revolution in Ägypten ist wegen der Radikalen gescheitert. Dasselbe gilt für Syrien und den Irak. In Libyen hat die Revolution zwar gesiegt, aber die Radikalen haben sie auf Abwege gebracht."

Bei einem Gespräch, das er vor kurzem mit dem Revolutionsführer hatte, habe auch Chamenei gemeint, die Radikalen seien das Hauptproblem der islamischen Welt, sowohl bei den Sunniten als auch bei den Schiiten, sagte Rafsandschani.

Rafsandschanis Rede wurde mehrmals von einer Gruppe gestört. Die Proteste richteten sich gegen eine Äußerung Rafsandschanis, mit der er in der Woche davor bei den Radikalen für Empörung gesorgt hatte. Er hatte in seinen Memoiren, die er auf seiner Webseite veröffentlichte, geschrieben, Ayatollah Chomeini sei damit einverstanden gewesen, dass die Parole "Tod den USA" bei öffentlichen Veranstaltung nicht mehr gerufen werde. Das Archiv von Chomeinis Schriften bestätigte Rafsandschanis Äußerung.

Das hielt jedoch u. a. den Freitagsprediger von Teheran, Ahmad Chatami, nicht davon ab, Rafsandschani scharf zu kritisieren. Ayatollah Chomeini habe die USA gleich zu Beginn der Revolution als "großen Satan" bezeichnet, sagte Chatami und fragte: "Ist dieser Satan in den vergangenen 35 Jahren etwa kleiner geworden? Unsere Diplomaten sollen ihren Pflichten nachgehen. Diese Parole stärkt die Fäuste der Verantwortlichen. Sie können selbstbewusster auftreten. Diese Parole ist sogar für unsere Außenpolitik sehr nützlich." Jene, die diese Parole verbieten wollten, sollten wissen, dass gerade "dies e Parole die Grundlage unseres Widerstands bildet". "Selbst wenn wir Beziehungen zu den USA aufnehmen sollten, wird unser Hass gegen sie nicht aufhören", sagte Chatami.

Der Freitagsprediger Chatami kritisierte ebenso wie Revolutionsführer Chamenei Präsident Rohani wegen seines Telefonats mit Präsident Obama und forderte Rohani auf, die Kritiker nicht als Fundamentalisten zu denunzieren. Man könne der US-Regierung nicht trauen, sagte Chatami. Es seien die USA gewesen, die die Unruhen von 2009 in Iran "mit aller Kraft" unterstützt hätten.

Der Oberkommandierende der Revolutionsgarden (Pasdaran), General Mohammad Ali Dschafari, kritisierte Rafsandschanis Äußerung und sagte, jene, die behaupten, Ayatollah Chomeini sei einverstanden gewesen, die Parole "Tod den USA" nicht mehr zu rufen, sollten wissen, dass "die Menschen in unserem Land sich von ihren listigen Machenschaften nicht täuschen lassen und nicht auf die List jener hereinfallen, die die Stimmung zugunsten unserer Feinde zu wenden versuchen". Laut der Agentur "Mehr" sagte Dschafari bei einer Rede vor Mitgliedern der Milizenorganisation Basidsch am 13. Oktober, "nach der Verschwörung von 2009 steht unser revolutionäres Volk besser als je zuvor hinter den Werten und Grundsätzen der Revolution ...".

Präsident Rohani wollte zur Klärung dieser kontroversen Frage das Volk befragen und beauftragte zwei Meinungsforschungsinstitute mit der Durchführung einer Umfrage. Die vorläufigen Ergebnisse liegen vor. Demnach befürworten 80 bis 90 Prozent einen Wandel der Beziehungen zu den USA, 10 bis 20 Prozent sind dagegen. Selbst diese Minderheit ist mehrheitlich für eine Abschaffung der Parole "Tod den USA".

Der Freitagsprediger der im Nordosten gelegenen Stadt Maschad, Ahmad Elmolhadi, sagte am 16. Oktober, einige, die die Dominanz des Islam in der Gesellschaft nicht wünschten, wollten nun über die Beziehungen zu den USA eine Umfrage durchführen. "Man kann doch nicht die Grundsätze der islamischen Revolution in Frage stellen! Alle unsere Märtyrer haben gegen die Unterdrücker Widerstand geleistet, der Widerstand gegen Unterdrücker ist ein Grundsatz unserer Revolution." Es sei eine "große Lüge", wenn behauptet werde, Ayatollah Chomeini habe der Einstellung der Parole "Tode den USA" zugestimmt.


CHATAMI: ICH HATTE NACH DEN UNRUHEN 2009 AUSREISEVERBOT

Ex-Staatspräsident Mohammad Chatami sagte in einem Interview mit der Zeitschrift Puya am 30. September, er habe nach den Protesten gegen die Wiederwahl Ahmadinedschads 2009 das Land nicht verlassen dürfen. Er habe im Rahmen des von ihm initiierten Dialogs der Kulturen an Kongressen in Washington, Rom, Kairo und danach Teheran unter Teilnahme hochrangiger Vertreter verschiedener Religion teilnehmen wollen. Der Dialog zwischen den Religionen und zwischen Ost und West sei wichtig und könnte möglicherweise auch einen Einfluss auf die Politik und die Beziehungen zwischen den Staaten haben, sagte Chatami.

In einem Vortrag vor Kriegsveteranen am 1. Oktober nahm Chatami auch Bezug auf die Ereignisse bei der Rückkehr Rohanis auf dem Teheraner Flughafen. Er sagte, die beleidigenden Proteste gegen den Präsidenten seien organisiert gewesen und nicht spontan. "Wenn wir solchen verderblichen Machenschaften nicht Einhalt gebieten, wird sich genau das wiederholen, was wir in der Regierungszeit der Reformer (in der Zeit seiner eigenen Präsidentschaft) erlebt haben. Wir haben gesehen, wie solche organisierten Proteste schließlich in Terror mündeten."

Die wichtigste Aufgabe der Reformregierung sei es gewesen, im In- und im Ausland das tolerante Gesicht des Islam zu präsentieren, sagte Chatami. Auch jetzt müsse derselbe Weg beschritten werden. "Ich bin davon überzeugt, dass die ganzen Auseinandersetzungen, die in der Region unter zahlreichen Opfern stattfinden, auf einer konservativen, zurückgebliebenen und irrigen Auslegung des Islam zurückzuführen sind. Aggressionen, Terror, Folter, Gefängnis bringen nichts als Hass und Terror hervor. Wir aber sollten Botschafter des Friedens sein."

Chatami begrüßte, dass Rohani auf der UN-Vollversammlung für den Frieden geworben habe. Der Auftritt sei keine Schwäche, sondern ein Zeichen der Stärke gewesen, sagte er. "Wir verteidigen selbstverständlich unsere Interessen, aber können wir diese durchsetzen, wenn wir die ganze Welt als Feind betrachten, Konflikte schüren und gegen Iran und Islam Angst verbreiten?" Es sei zu begrüßen, dass heute das Bemühen, die Rechte und Freiheiten der Menschen zu achten, die außenpolitischen Konflikte zu lösen und für den Frieden zu werben Oberhand gewonnen habe.

Chatami betonte, dass man nicht alle Konflikte über Nacht lösen könne, wichtig sei die von der neuen Regierung eingeschlagene Richtung. Es sei richtig, "wenn wir sagen, dass niemand aus politischen Gründen eingesperrt werden soll. Und nun sehen wir, dass dies schrittweise geschieht. Wir müssen uns gegen Unruhestifter und Verderber wehren und die Rechte des Volkes verteidigen. Diese aggressiven Gruppen sind klein, aber stark. Sie haben Macht. Wir sagen nicht, dass sie verschwinden sollen, wir wollen nur, dass sie entmachtet werden. Sie sollen keine Privilegien haben und gegen eine Verfolgung durch die Justiz immun sein. Die haben doch ihre Zeitungen und Internetseiten und können dort frei ihre Meinung äußern, aber nicht Lügen verbreiten und ihre Gegner denunzieren."

Solche "talibanistischen und aggressiven Gruppen" passten nicht zu einem Land, in dem es Freiheit gebe, diese Gruppen richteten sich gegen das Votum des Volkes, sie zerstörten das Erreichte und verbreiteten das Verderben, sagte Chatami. Er hoffe, dass solche Leute endlich begreifen, dass die Zeit für derartige Machenschaften vorbei ist.


INFORMATIONSMINISTERIUM SOLL DEN UNIVERSITÄTEN VERTRAUEN

Präsident Hassan Rohani sagte zu Beginn des neuen Semesters, das Informationsministerium (der Geheimdienst) sollte den Lehrkräften und Studenten vertrauen und ihnen den Weg zu den Wissenschaftseinrichtungen der Welt öffnen. Wie die Webseite des Präsidenten am 13. Oktober berichtete, sagte Rohani, wir brauchen auch eine "Diplomatie der Wissenschaften".

In den vergangenen Jahren waren zahlreiche Hochschullehrkräfte sowie Studenten, die im Ausland wissenschaftliche Einrichtungen besucht hatten, Verhören unterzogen worden, manche wurden sogar nach ihrer Rückkehr verhaftet.

Auch Außenminister Sarif hat nach seiner Amerikareise in einem Parlamentsausschuss direkte Kontakte zwischen amerikanischen und iranischen Wissenschaftlern in Aussicht gestellt, meldete die Agentur IRNA am 6. Oktober. Während seines Aufenthalts in New York hätten Wissenschaftler sowie Abgeordnete ihm gegenüber den Wunsch nach direkten Kontakten zu ihren Kollegen in Iran geäußert. Die Kontakte könnten aber erst hergestellt werden, wenn Revolutionsführer Chamenei seine Zustimmung erteile.

Rohani warnte vor Eingriffe der Sicherheitsorgane in Angelegenheiten der Universitäten, was zu Unruhen und großen Konflikten führen würde. "Es ist für eine Regierung beschämend, wenn Hochschullehrer und Studenten sich nicht trauen, den Mund aufzumachen, nur weil es einigen Elementen nicht passt. Die Universität ist der Ort für freie Meinungsäußerung in wissenschaftlicher, logischer und vernünftiger Sprache." Rohani kritisierte, dass unangepasste Lehrkräfte frühzeitig pensioniert wurden, dass Professoren sich nicht frei äußern durften.


ZUGANG ZU SOZIALEN NETZWERKEN IN AUSSICHT GESTELLT

Die Nutzung der sozialen Netzwerke wie Facebook und Twitter ist, nachdem sie Mitte September für 24 Stunden freigegeben und danach wieder blockiert wurde, zu einem heiß diskutierten Thema in Iran geworden. Viele rätseln darüber, wie die Freigabe zustanden gekommen war und warum nach einem Tag wieder die Blockierung erfolgte. Offiziell wird diese "Panne" als technischer Fehler bezeichnet, der bald behoben werden konnte. Doch Gerüchte besagen, möglicherweise sei die Blockade von Mitarbeitern absichtlich aufgehoben worden.

Bekannt ist, dass viele Mitglieder der Regierung Rohani, einschließlich des Präsidenten persönlich, diese Dienste benutzen. Der iranische Außenminister Mohammad Dschawad Sarif berichtete auf Facebook täglich über seine Gespräche bei der UN-Vollversammlung in New York. Selbst Revolutionsführer Chamenei kommunizierte über diese Netzwerke. Angesichts dieses Umstands erscheint die Blockierung der Netzwerke für "normale Nutzer" absurd. Noch absurder wird die Angelegenheit, wenn man weiß, dass schätzungsweise 20 Millionen Iraner Mitglied von Facebook und Twitter sind. Sie benutzen Virtual Private Network (VPN), einen Datentunnel, um die Blockade auszuhebeln.

Rohani hat nun die Lockerung der Blockade in Aussicht gestellt. Er betonte, dass das Volk das Recht auf Information und Zugang zu den sozialen Netzwerken habe. Für die Akzeptierung dieses Rechts werde er sich einsetzen, schrieb er in einer Kurzmitteilung auf Twitter. Mit dieser Stellungnahme reagierte er auf eine Frage des Twitter-Mitbegründers Jack Dorsey. "Können die Bürger Irans Ihre Tweets lesen?", hatte Dorsey gefragt.

Am 8. Oktober gab nun das Telekommunikationsministerium bekannt, dass Arbeitsgruppen aus verschiedenen Ämtern dabei seien, die Aufhebung der Blockade von Twitter und Facebook zu überprüfen.


AUFRUF ZUR AUFHEBUNG DER ZENSUR

214 Schriftsteller, Lyriker und Übersetzer forderten in einem offenen Brief an den Minister für Kultur und islamische Führung die Aufhebung der Zensur. Künftig solle jeder persönlich für seine Schriften gegenüber der Justiz verantwortlich sein.

"Wir, Schriftsteller, Dichter und Übersetzer, die die Schäden, welche in den letzten Jahren unserer Kultur zugefügt wurden, am eigenen Leib gespürt haben, begrüßen, dass der gewählte Staatspräsident im Wahlkampf die Aufhebung der Zensur der Bücher und der Presse in Aussicht gestellt hatte und dass Sie, Herr Minister, die Zensur vor der Veröffentlichung aufzuheben angekündigt haben", heißt es in dem Brief. "Diese Ankündigungen zeigen, dass auch Sie und der Staatspräsident über die Schäden informiert sind, die die Zensur Schriftstellern und Verlegern sowie unserer Kultur insgesamt zugefügt hat. Aus eben diesem Grund scheinen Sie entschlossen zu sein, die Probleme zu lösen. Auch wir, als Menschen, die am meisten mit der Zensur zu tun hatten und die meisten materiellen, geistigen und kulturellen Schäden tragen mussten, wollen Sie mit diesem Schreiben bei Ihrem Vorhaben unterstützen."

Die Unterzeichner weisen auf das Gesetz zum Schutz der Verleger und Autoren hin, das besagt, dass das Werk eines jeden Schriftstellers als sein Eigentum gilt und niemand befugt sei, die Texte zu zensieren. "Auch wir sind der Meinung, dass jeder Schriftsteller allein für sein Werk verantwortlich ist. Sollte die Zensur aufgehoben werden, sind wir bereit unsere Texte gegenüber der Justiz zu verantworten", schreiben die Autoren.

"Unserer Ansicht nach kann außer einem Gericht mit Geschworenen, die aus dem Kulturbereich kommen, keine andere Instanz mögliche Klagen prüfen, die Texte beurteilen, sie zensieren oder ihre Veröffentlichung verbieten. Das sagt auch die Verfassung."

"Die stark verbreitete Zensur in den letzten Jahren, die nach Gutdünken einzelner Zensoren vorgenommen wurde, hat eine Atmosphäre der Angst und des Zweifels unter den Autoren und Verlegern erzeugt."

Die Autoren beenden den Brief mit der Hoffnung, dass eines Tages das Kulturministerium als Unterstützer der schreibenden Zunft und Pfleger der Kultur arbeitet und nicht mehr als Gegner willkürliche Befehle und Vorschriften erteilt.


JUSTIZCHEF: FREILASSUNG DER GEFANGENEN HAT NICHTS MIT DER NEUEN REGIERUNG ZU TUN

Justizchef Sadegh Laridschani sagte am 2. Oktober vor einer Versammlung von Richtern und Anwälten, die neuerliche Freilassung von politischen Gefangenen hätte nichts mit der Wahl des neuen Präsidenten zu tun. "Das Votum der Wähler für eine Änderung der politischen Lage ist eine Reaktion auf die radikalen Positionen und auf manche Ungezogenheiten der alten Regierung gewesen." Die Freilassung der politischen Gefangenen sei bereits vor der Wahl geplant gewesen.

Laridschani übte scharfe Kritik an jenen, die 2009 bei der Wiederwahl Ahmadinedschads Unruhen gestiftet hätten. Diese werden von den Konservativen als "Verschwörer" bezeichnet. Der Justizchef betonte, die Justiz werde nach wie vor mit Entschlossenheit gegen die "Verschwörer" vorgehen und ihnen keine politischen und gesellschaftlichen Aktivitäten erlauben. Sie hätten das iranische Volk und die islamische Revolution verraten. Sie seien "große Lügner", die mit der Behauptung, die Wahlen seien manipuliert gewesen, Unruhe stiften wollten. Sie sollten sich nicht irren und glauben, mit der Änderung der politischen Atmosphäre würden sich nun der Staat und das Volk ihnen zuwenden.


VIER NUKLEARSABOTEURE VERHAFTET

Der Chef der iranischen Atombehörde, Ali Akbar Salehi, sagte laut der Agentur "Mehr" am 6. Oktober, vier Personen, die einen Sabotageakt in einer Atomanlage geplant hätten, seien festgenommen worden. Die Ermittlungen gegen sie seien im Gange. Man sei über ihre Aktivitäten informiert gewesen, habe sie jedoch gewähren lassen, um ausreichend Informationen über ihren Auftrag zu erhalten. Aus Sicherheitsgründen wollte Salehi keine weiteren Details bekannt geben.

Da manche Staaten gegen iranische Atomanlagen arbeiteten, habe man zur Kontrolle neben den Sicherheitsdiensten Sondereinheiten zum Schutz der Anlagen gebildet. Diese seien in mehr als zehn Provinzen aktiv. Zu ihren Aufgaben gehöre unter anderem der Schutz der Einrichtungen, der Lieferung vom benötigten Material sowie die Überwachung von Präsentationen.

Auch für den Schutz der Computernetze sei eine Sondereinheit gebildet worden. Ihre Aufgabe bestehe in der Abwehr von Zerstörungsviren, sagte Salehi.

Iranische Atomanlagen waren in den vergangenen Jahren mehrfach von zerstörenden Viren angegriffen worden, die Teile des Computernetzes lahm legten. Bekannt wurde vor allem der Angriff mit dem Virus Stuxnet, das laut New York Times von den USA und Israel gegen iranische Atomanlagen eingesetzt wurde.


TROTZ HINRICHTUNG AM LEBEN GEBLIEBEN

Ein 37-jähriger Iraner wurde wegen Drogenschmuggels zum Tode durch Strang verurteilt und am 10. Oktober in der Stadt Bodschnurd hingerichtet. 12 Minuten lang hing er am Galgen. Danach bestätigte der Gerichtsmediziner seinen Tod. Dann wurde er ins Leichenhaus gebracht. Als am nächsten Tag der Wärter das Leichenhaus die Leiche den Verwandten zur Bestattung übergeben wollte, stellte er fest, dass der Mann noch am Leben war. Zurzeit befindet er sich im Krankenhaus.

Der zuständige Richter, Behruz Mohadscheri, erklärte laut der Zeitung "Dschame Dscham": "Ein Todesurteil bedeutet dem Gesetz nach die Auslöschung des Lebens. Da jedoch die Hinrichtung nicht zum Tode geführt hat, muss sie wiederholt werden."

Die Äußerung des Richters löste im In- und Ausland Proteste aus. Eine Gruppe von iranischen Anwälten und Juristen hat in einem offenen Brief an die höchsten Instanzen der Justiz diese aufgefordert, eine Wiederholung der Hinrichtung zu unterlassen. Selbst dem Gesetz nach sei das Urteil korrekt vollstreckt worden und der Gerichtmediziner habe den Tod des Verurteilten bestätigt. Eine Wiederholung sei daher illegal, schrieben die Unterzeichner.

Auch die Menschenrechtsorganisation Amnesty International forderte die sofortige Einstellung des Verfahrens. "Die iranischen Behörden müssen sofort die Hinrichtung stoppen und ein Moratorium über alle anderen verhängen." Natürlich muss Iran einen harten Kampf gegen Drogenschmuggel und Drogenkonsum führen. Doch die Todesstrafe stehe im Widerspruch zu der internationalen Konvention der Menschenrechte, erklärte Amnesty. Zwar wünschten die Menschen, dass sie gegen Verbrechen geschützt werden, aber die Todesstrafe mache eine Gesellschaft nicht sicherer.

*

WIRTSCHAFT

• Atomkonflikt
• Bilanz der ersten Verhandlungsrunde und die Perspektiven
• Wiederaufnahme der Flüge nach USA angestrebt
• Ölministerium: Auch USA-Investoren sind willkommen
• Inflationsrate klettert über vierzig Prozent
• Streik der Arbeiter in der petrochemischen Industrie


ATOMKONFLIKT

Nach mehr als zehn Jahren Verhandlungen im Konflikt über das iranische Atomprogramm scheinen die Kontrahenten endlich eine Basis erreicht zu haben, auf der eine Einigkeit erreicht werden könnte. Zwar sind noch zahlreiche Hürden zu überwinden und insbesondere die iranischen sowie die amerikanischen Verhandlungsdelegationen haben neben dem zähen Ringen mit der Gegenseite auch noch gegen einen beachtlichen Widerstand in ihren eigenen Ländern zu kämpfen, aber der erste Schritt, der mit den zweitägigen Gesprächen in Genf am 15. und 16. Oktober unternommen wurde, erlaubt trotz aller Skepsis die Hoffnung auf eine Lösung.

Sieht man von den Details ab geht es um folgende Probleme:

Der Westen verdächtigt Iran, sich nuklear bewaffnen zu wollen und verlangt, dass Teheran sein Atomprogramm vollständig offen legt und die Urananreicherung prozentual so niedrig hält, dass sie nicht für den Bau einer Atombombe taugt. Manche Republikaner in den USA sowie Israel verlangen, um ganz sicher zu sein, solle Iran die Urananreicherung völlig einstellen und seine Atomanlagen schließen.

Demgegenüber beteuert Iran, niemals Nuklearwaffen geplant zu haben. Zudem besteht Iran als Unterzeichner des Atomwaffensperrvertrags auf sein international verankertes Recht, Uran im eigenen Land anzureichern und den Brennstoff für die friedliche Nutzung der Atomenergie herzustellen.

Fast exakt vor zehn Jahren ging es genau um dieselben Fragen. Am 21. Oktober 2003 waren die Außenminister Frankreichs, Deutschlands und Großbritanniens nach Teheran gereist, um mit denselben Forderungen wie jetzt am 15. und 16. Oktober mit Iran zu verhandeln. Ihr Verhandlungspartner auf iranischer Seite war Hassan Rohani, inzwischen iranischer Staatspräsident. Regierungschef war damals Mohammad Chatami und der heutige Außenminister Mohammad Dschawad Sarif war iranischer Botschafter bei der UNO.

Iran erklärte sich damals bereit, um guten Willen zu zeigen, die Urananreicherung für die Zeit der Verhandlungen einzustellen und zudem das Zusatzprotokoll zum Atomwaffensperrvertrag zu unterzeichnen und damit der Internationalen Atombehörde (IAEA) zu jeder Zeit und an jedem Ort unangemeldete Kontrollen der Atomanlagen zu erlauben. Allerdings musste das Protokoll vom iranischen Parlament ratifiziert werden. Dazu kam es aber nicht, weil der Westen seine Forderungen höher schraubte: Washington verlangte plötzlich, Iran müsse sein Atomprogramm gänzlich einstellen. Das bedeutete, dass Iran auf sein international anerkanntes Recht zur friedlichen Nutzung der Atomenergie verzichten sollte. Selbstverständlich war Iran dazu nicht bereit.

Von nun an wurde der Atomkonflikt zu einem schier unlösbaren Problem, dessen Eskalierung nicht mehr aufgehalten werden konnte. Die Regierung Chatami wurde wegen ihrer Kompromissbereitschaft zum Gespött der Radikalen, die das Atomprogramm zur nationalen Ehre hochstilisierten, die gegen den Westen, vor allem gegen die USA, die inzwischen auch noch gegen zwei Länder in der Region, Afghanistan und Irak, Krieg führten, die Emotionen schürten und damit die Massen gegen die Reformer mobilisierten. 2005 übernahmen die Radikalen mit Mahmud Ahmadinedschad an der Spitze die Macht.

Auch der Westen, allen voran die Neokonservativen in den USA, erklärten Iran zum gefährlichsten Feind, zum Schurkenstaat und reihten das Land neben Nordkorea und dem Irak in die "Achse des Bösen" ein. Die Akte Irans wurde an den UN-Sicherheitsrat weitergeleitet, der in mehreren Resolutionen Sanktionen gegen die Islamische Republik beschloss. Später verhängten die USA und die EU gegen das Land weitere Sanktionen und drohten mit einem militärischen Angriff. Auch Israel schürte das Feuer und erklärte nötigenfalls ohne die USA iranische Atomanlagen zu bombardieren. Eine Mauer des gegenseitigen Misstrauens rückte eine Lösung des Konflikts in weite Ferne.

Nun zeigt sich die neue iranische Regierung zu einer radikalen Kehrtwende bereit. Trotz des enormen Widerstands der Radikalen im Iran und der von ihnen indoktrinierten unaufgeklärten Massen wollen Präsident Rohani und sein Außenminister Sarif das große Wagnis versuchen, das Blatt zu wenden. Viel Zeit haben sie nicht. Schon ein erster Rückschlag würde den Radikalen, die selbstverständlich noch sehr präsent sind, einen willkommenen Vorwand liefern, Rohanis Regierung dasselbe Los zu bescheren wie damals der Regierung Chatami.

Teheran hat sich zu höchst möglicher Transparenz bereit erklärt und abermals beteuert, dass Iran nicht die Absicht habe, Nuklearwaffen zu bauen. Ein Treffen der Außenminister der 5+1-Gruppe (Die Vetomächte im UN-Sicherheitsrat plus Deutschland) mit dem iranischen Außenminister und ein Vieraugengespräch zwischen Sarif und dem amerikanischen Außenminister John Kerry bildeten den für alle Seiten Hoffnung versprechenden Auftakt zu den Verhandlungen in Genf.

In Genf legte Sarif, der wegen starker Rückenschmerzen im Rollstuhl saß, unter dem Titel "Ein Ende der unnötigen Krise und ein Anfang für neue Horizonte" einen Dreistufenplan vor, dessen Inhalt, wie alle Seiten betonten, geheim bleiben soll, und der allen Teilnehmern überzeugend schien. Der erste der drei Schritte könne innerhalb von ein oder zwei Monaten "oder schneller" abgeschlossen werden, sagte der Minister. Die Realisierung des ganzen Plans soll höchstens ein Jahr dauern. "Wir wollen nicht länger im Dunkeln tappen", sagte Sarifs Stellvertreter, Abbas Araghtschi, der bei weiteren Verhandlungen die iranische Delegation führen soll. "Wir glauben, unser Vorschlag hat das Potenzial für einen Durchbruch." Nach der Sitzung am ersten Tag sagte er: "Die Atmosphäre war sehr gut und positiv und beide Seiten sind ernsthaft an einer Lösung interessiert." Catherine Ashton, die die Verhandlung führte, erklärte: "Erstmals wurden am Nachmittag sehr detailliert technische Diskussionen geführt." Auch die US -Außenamtssprecherin Jen Psaki sagte nach der Verhandlung am ersten Tag der Presse in Washington: "Zum ersten Mal hat unser Team Diskussionen über Einzelheiten geführt." Der russische Vizeaußenminister Sergej Rjabkow nannte den iranischen Vorschlag "konkret und logisch". Das sei aber nicht automatisch eine Garantie für weitere Fortschritte. Die schwerste Frage sei die Aufhebung von Sanktionen gegen Teheran.

Sarif betonte auf seiner Pressekonferenz, Iran habe ein Recht auf die Urananreicherung und werde nicht darauf verzichten, werde aber die internationale Gemeinschaft vom friedlichen Charakter seines Atomprogramms überzeugen. Selbstverständlich erwarte Iran auch von der Gegenseite vertrauensbildende Schritte. "Ich denke, wir sollten den Rückblick beenden und in die Zukunft schauen", sagte Sarif. "Was Iran von der Gegenseite als Gegenleistung erwartet, ist der rasche Abbau von Sanktionen."

Michael Mann, Sprecher der EU-Außenbeauftragten Catherine Ashton, äußerte sich zufrieden mit der Präsentation des iranischen Dreistufenplans. Es sei wichtig, dass Iran die Initiative ergriffen und neue Vorschläge vorgelegt habe, welche den Bedenken der Gegenseite Rechnung trügen. Erleichternd für die Verhandlungen war, dass sie in englischer Sprache geführt wurden. Auch die Schweizer Gastgeber hatten für einen reibungslosen Ablauf der Verhandlungen gesorgt, indem sie Beispiel wie die Zeitung "Tribune Genève" berichtete, das Marmorrelief eines nackten Mannes mit gut sichtbarem Penis vor dem Eingang des Verhandlungssaals im UN-Gebäude in Genf mit einem weißen Vorhang verdeckten. Damit sei ein "neutraler" Hintergrund geschaffen worden, erklärte die Schweizer Regierung auf Nachfrage der CHE AFP.

Zum Abschluss der zweitägigen Gespräche wurde eine Abschlusserklärung veröffentlicht, in der das Datum 7. und 8. November für die Fortsetzung der Verhandlungen bekannt gegeben wurde. In der Zwischenzeit sollen Nuklearexperten, Wissenschaftler und Fachleute bestimmte Details klären. Ashton, die die gemeinsame Erklärung vorlas, betonte noch einmal, dass das Treffen in Genf "sehr intensiv und wichtig" gewesen sei. Und Sarif sagte: "Wir hoffen, dass dies der Beginn einer neuen Phase in unseren Beziehungen ist." Die USA begrüßten ihrerseits die "ernsthaften und gehaltvollen" Vorschläge Irans. Jay Carney, Sprecher des Weißen Hauses fügte jedoch hinzu, ein Durchbruch stehe nicht unmittelbar bevor. Bundesaußenminister Guido Westerwelle sagte: "Der Auftakt ernsthafter, substanzieller Gespräche ist gelungen."


BILANZ DER ERSTEN VERHANDLUNGSRUNDE UND DIE PERSPEKTIVEN

Die erste Verhandlungsrunde war nicht mehr aber auch nicht weniger als ein erster Schritt zur Vertrauensbildung. Teheran konnte die Verhandlungspartner von der Ernsthaftigkeit seines Willens überzeugen, so rasch wie möglich den Konflikt zu lösen. Trotz der Geheimhaltung sind inzwischen einige Details durchgesickert. Demnach signalisierte Iran die Bereitschaft, die Urananreicherung auf höchsten fünf Prozent zu beschränken, das bereits auf 20 Prozent angereicherte Uran in Brennstoff zu verwandeln und der Internationalen Atombehörde mehr Kontrolle zu gestatten. Ob Iran auch das Zusatzprotokoll zum Atomwaffensperrvertrag unterzeichnen wird, bleibt ungewiss.

Im Gegenzug erwartet Iran, dass die andere Seite das Recht Irans auf Urananreicherung und Herstellung des Brennstoffs im eigenen Land akzeptiert und die verhängten Sanktionen schrittweise abbaut.

Auf den ersten Blick könnte man zu dem Schluss gelangen, beide Seiten können mit dem Ergebnis zufrieden sein, denn es ist ein Win-Win-Geschäft. Doch die Ankündigungen beider Seiten sind lediglich Willensbekundungen der Delegationen. Fraglich ist, ob insbesondere die iranische und die amerikanische Delegation ihre in Aussicht gestellten Kompromissangebote auch tatsächlich in ihren eigenen Ländern durchsetzen können.

Fest steht, dass der Widerstand in den USA gegen den Abbau von Sanktionen groß sein wird. Bereits einen Tag nach der Genfer Verhandlung meldeten sich republikanische US-Senatoren zu Wort, die sogar eine Verschärfung der Sanktionen gegen Iran forderten. Senator Mark Kirk erklärte einer AP-Meldung vom 17. Oktober zufolge, eine Verschärfung der Sanktionen sei nötig, weil Iran sich weigere, seine Nuklear- und Raketenprogramme zu stoppen. Der Senat müsse alle iranischen Guthaben kontrollieren. Senator Marco Rubio sagte, man könne Iran nicht vertrauen und forderte ebenfalls zusätzliche Sanktionen. Der Vorsitzende des Senats-Ausschusses für Auswärtige Beziehungen, Robert Menedez, forderte, Iran müsse auch die für die Stromerzeugung nötige schwache Anreicherung von Uran stoppen, bevor er mit Erleichterungen rechnen könne, meldete Reuters am 16. Oktober.

Solche Äußerungen, die in diesen Tagen aus den USA häufig zu vernehmen sind, werden in Teheran vor allem von den Radikalen dankbar registriert und als Bestätigung dafür genommen, dass man den USA nicht trauen könne, dass Kompromissbereitschaft als Schwäche gedeutet werde und dass nur ein harter Kurs zum Erfolg führen werde. Einige Abgeordnete im Parlament erklärten, die Frage, ob Iran das Zusatzprotokoll zum Atomwaffensperrvertrag unterzeichnen werde, müsse im Parlament entschieden werden. Der Vorsitzende des Ausschusses für Nationale Sicherheit und Außenpolitik Alaeddin Borudscherdi sagte, solange die iranische Verhandlungsdelegation von den Grundsätzen des Atomprogramms nicht abweiche, sei es positiv. Doch die Entscheidung über wichtige Fragen wie das Zusatzprotokoll liege beim Parlament und dem Revolutionsführer. Ähnlich äußerte sich auch das Kommissionsmitglied Ahmad Bachschajesch. Der Westen müsse die Sanktionen zurücknehmen, sagte er. Über das Zusatzprotokoll entscheide das Parlament.


WIEDERAUFNAHME DER FLÜGE NACH USA ANGESTREBT

Präsident Rohani hat die Luftfahrtbehörde angewiesen, die Wiederaufnahme des Flugverkehrs zwischen Iran und den USA zu prüfen. Dies gab laut der Tageszeitung Schargh Akbar Torkan, Leiter der Behörde für die Angelegenheiten der Iraner im Ausland, am 30. September bekannt. Rohani habe bei einem Treffen mit Iranern in New York erklärt, die Regierung fühle sich in Bezug auf Dienstleistungen für iranische Landsleute im Ausland unter anderem verpflichtet, die Reisemöglichkeiten für Iraner, die sich in den USA aufhielten, zu erleichtern. Daher habe er die zuständige Behörde mit der Überprüfung einer möglichen Wiederaufnahme des direkten Flugverkehrs zwischen Iran und den USA beauftragt.

Bereits vor drei Monaten hatte Rohanis Vorgänger Mahmud Ahmadinedschad Washington die Wiederaufnahme der Flugverbindung vorgeschlagen. Washington hatte abgelehnt. Der letzte Direktflug von Teheran nach New York fand im November 1979 statt. Grund der Einstellung der Flugverbindung war die Geiselnahme amerikanischer Botschaftsangehöriger in Teheran. Dies war auch der Beginn der Sanktionen, die gegen Iran seitens der USA verhängt wurden. Hierzu zählte das Verbot der Lieferung von Ersatzteilen für iranische Flugzeuge, die zumeist in den USA gebaut worden waren. 16 verschiedene iranische Fluggesellschaften waren von den Sanktionen betroffen. Der Mangel an Ersatzteilen bildet bis heute ein großes Problem für den gesamten Flugverkehr Irans.

Manche politischen Beobachter sind der Meinung, dass die Wiederaufnahme der Direktflüge konsularische Vereinbarungen zwischen den beiden Ländern voraussetzt. Dazu sei nicht unbedingt die Wiedereröffnung der US-Botschaft in Teheran erforderlich. Zurzeit müssen die Iraner für eine Reise in die USA ein Visum bei einem US-Konsulat in einem anderen Land beantragen, was Direktflüge unbenutzbar machen würde. Sie könnten dann nur von Iranern benutzt werden, die sich in den USA aufhalten.


ÖLMINISTERIUM: AUCH USA-INVESTOREN SIND WILLKOMMEN

Der Staatssekretär im Ölministerium, Mansur Moassami, sagte in einem Interview mit der Agentur "Mehr": "Iran begrüßt jede Beteiligung an Projekten der Ölindustrie mit Win-Win-Verträgen, auch die Beteiligung von US-Unternehmen."

In den letzten Wochen hätten einige Unternehmen mit Blick auf die Kursänderung der iranischen Außenpolitik wieder Interesse an gemeinsamen Ölprojekten in Iran bekundet, sagte Moassami. "Aus unserer Sicht gibt es keine Einschränkungen und Tabus, nur müssen die Beteiligungen nach iranischen Gesetzen und Bestimmungen erfolgen. Wir sind zu bilateraler Zusammenarbeit mit allen Ländern, Israel ausgenommen, bereit.

Wie ein Kommentator der BBC, Amir Paywar, auf der Web-Seite des Senders schrieb, hatte der neue Ölminister Bijan Sangeneh bereits bei seiner Vereidigung im Parlament klargemacht, dass er westliche Unternehmen den asiatischen vorzieht. Der neue Minister kritisierte das Vorgehen der asiatischen Unternehmen und deren inländischer Partner und annullierte gleich nach seiner Amtsübernahme zwei Verträge für Gas- und Ölprojekte mit Indien. Zugleich versucht Teheran mit verlockenden Angeboten, westliche Firmen zu Investitionen in Iran zu ermuntern. Allerdings wird der Weg für ausländische Unternehmen nach Iran erst dann frei, wenn die Sanktionen aufgehoben werden.

Die beiden europäischen Firmen Total und Shell haben kürzlich erklärt, dass der Ausbau der iranischen Gas- und Ölindustrie zur Deckung des Weltenergiebedarfs von großer Bedeutung sei. Beide Unternehmen bekundeten die Absicht, nach Iran zurückzukehren, sobald die Sanktionen aufgehoben seien. Diese beiden Firmen hatten neben anderen Großunternehmen aufgrund von Sanktionen ihre Verträge mit Iran gekündigt.


INFLATIONSRATE KLETTERT ÜBER VIERZIG PROZENT

Die iranische Zentralbank gab in ihrem monatlichen Bericht bekannt, dass die Preise der Waren und Dienstleistungen in Städten im Durchschnitt um 41,6 Prozent höher liegen als im gleichen Monat vor einem Jahr. Die höchsten Preiserhöhungen betreffen der Reihe nach Tabakwaren, Haushaltsgeräte, Kleidung, Schuhe, Lebensmittel und Getränke. Dies ist der höchste Preisanstieg, den Iran seit 1995 zu verzeichnen hatte. Damals hatte die Privatisierung der Wirtschaft in der Ära Rafsandschani die Preise sprunghaft in die Höhe getrieben, so dass die Inflation auf mehr als 50 Prozent anstieg und die Regierung zwang, einige Pläne rückgängig zu machen.

Die hohe Inflationsrate gehört zu den chronischen Krankheiten der iranischen Wirtschaft. Doch in den letzten Jahren beschleunigte sich der Anstieg. Der Grund liegt im Abbau staatlicher Subventionen sowie im rapiden Anstieg der Importwaren. Hinzu kommen die über Iran verhängten Wirtschaftssanktionen, die vor allem den Handel und die Industrie, insbesondere die Öl- und Gasindustrie, schwer belastet haben.

Die Regierung Rohani hat angekündigt, in den ersten hundert Tagen die wichtigsten Probleme zu lösen, sein Wirtschaftsminister bezeichnete diesen Zeitraum als zu kurz.


STREIK DER ARBEITER IN DER PETROCHEMISCHEN INDUSTRIE

Die Arbeiter der petrochemischen Fabrik Fadschr in Bandar Chomeini am Persischen Golf haben am 21. Oktober aus Protest gegen die Arbeitsbedingungen die Arbeit niedergelegt. Abbas Resai, Stellvertreter des Betriebsrats, sagte der Agentur ILNA, 180 Arbeiter der petrochemischen Fabrik Fadschr hätten von ihrem Recht auf Protest Gebrauch gemacht und die Produktion vorübergehend lahmgelegt. Als Grund für den Streik nannte er die Kurzzeitverträge von fünf Monaten, niedrige Löhne, Monate langen Lohnausfall und den Mangel an Sicherheitsvorkehrungen am Arbeitsplatz.

Die petrochemische Industrie in Iran gehört zu den Industriezweigen, die am meisten von den über Iran verhängten Sanktionen betroffen sind. Die USA haben über acht petrochemische Fabriken Sanktionen verhängt. Auch der Boykott des iranischen Öls durch die Europäische Union hat die Produktion in der petrochemischen Industrie stark beeinträchtigt. Die Ölproduktion ist laut offiziellen Angaben von 2,3 Millionen Barrel 2011 auf höchstens eine Million Barrel 2013 gesunken. Viele Unternehmen sind nicht mehr in der Lage ihre Belegschaft zu bezahlen. Eine weitere Folge sind die kurzfristigen Verträge und niedrige Löhne.

*

AUSSENPOLITIK

• Netanjahu steuert weiterhin harten Kurs gegen Iran
• Irans Reaktion auf das Treffen von Obama mit Netanjahu
• Ashton warnt die USA
• Spionageverdächtiger Iraner vor israelischem Gericht
• Untersuchung von Anschlag in Buenos Aires zugelassen
• Iran und Großbritannien wollen Geschäftsträger ernennen
• Washington Post: Türkei informierte Iran über Spionagenetz
• Beziehung zwischen Iran und Saudi-Arabien
• Gestohlenes Kunstwerk zurückgegeben
• Fußball: Länderspiel Iran-USA


NETANJAHU STEUERT WEITERHIN HARTEN KURS GEGEN IRAN

Die mit Spannung erwartete Rede des israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu auf der UN-Vollversammlung am 1. Oktober brachte keine Kursänderung der unversöhnlichen israelischen Iran-Politik. In seiner Rede, in der sich Netanjahu zu einem großen Teil mit Iran auseinandersetzte, betonte er zunächst die traditionelle Freundschaft zwischen Juden und Iranern, um unmittelbar danach seine Angriffe auf die Islamische Republik starten zu können. Seit der islamischen Revolution pflege Iran seine Feindschaft zu Israel, sagte er.

Netanjahu versuchte die von Rohani erweckten Hoffnungen der internationalen Gemeinschaft, den Atomkonflikt mit Iran zu lösen, zu dämpfen. Die Entscheidungen über wichtige Fragen würden vom Revolutionsführer Chamenei gefällt, die Staatspräsidenten würden lediglich seine Befehle ausführen, sagte der Ministerpräsident. Er griff Rohani persönlich an und sagte, Rohani sei als Generalsekretär des iranischen Nationalrats über alle Untaten Irans, die zum Tode von zahlreichen Juden und Westlern geführt hätten, informiert gewesen.

Netanjahu verurteilte die Islamische Republik als ein Regime, das die eigene Bevölkerung unterdrücke und in allen Ländern der Region Unruhen stifte. Man könne sich nicht auf die versöhnlichen Worte Rohanis verlassen, diese seien der Realität in Iran entgegengesetzt. "Ich wünschte, ich könnte Rohani glauben, aber ich tue es nicht." Iran habe mindestens zweimal versucht, Nuklearwaffen herzustellen und sei dabei entlarvt worden, sagte Netanjahu und stellte die Frage: "Warum diese Heimlichtuerei, wenn das iranische Atomprogramm friedlich ist?" Iran müsse die Anreicherung vollständig aufgeben, forderte der Ministerpräsident. Nur so werde glaubwürdig, dass Iran nicht den Bau von Nuklearwaffen plane. Ein anderes Indiz für das Streben nach Atomwaffen seien die Langstreckenraketen, die Iran gebaut habe.

Vor einem Jahr habe er auf der UN-Vollversammlung eine "rote Linie" für Irans Atomprogramm festgelegt, sagte Netanjahu. Die militärische Drohung und die Sanktionen, die unter der Führung der USA gegen Iran verhängt worden seien, zeigten Wirkung. Rohani wolle die Sanktionen aufheben, aber nicht das Atomprogramm stoppen. Er wolle nur Zeit gewinnen.

Netanjahu sagte, das iranische Atomprogramm sei genauso wenig friedlich wie das nordkoreanische. Eine Atommacht Iran würde in der gesamten Region ein atomares Wettrüsten in Gang setzen, mit dem Ergebnis, dass kein Land ohne Atomwaffen mehr übrig bliebe. Ein atomar bewaffneter Iran wäre wie fünfzig Mal Nordkorea.

Iran müsse die Urananreicherung einstellen, wiederholte Netanjahu. Das bereits angereicherte Uran müsse ins Ausland exportiert und die unterirdischen Atomanlagen geschlossen werden. Dies gelte auch für die Schwerwasseranlage in Arak, forderte der Ministerpräsident und rief die westlichen Staaten auf, während der Verhandlungen die Sanktionen zu verstärken. Israel werde niemals die atomare Bewaffnung eines Landes, das Israel vernichten wolle, dulden. Er warnte: "Wenn es nötig sein sollte, wird Israel allein gegen das iranische Atomprogramm vorgehen."

Bei einem Treffen mit US-Präsident Barack Obama am 30. September wiederholte Netanjahu seine Forderung nach Verstärkung der Sanktionen gegen Iran. "Das militärische Atomprogramm" Irans müsse demontiert werden, sagte er. "Iran ist bereit, Israel zu zerstören." "Wenn Iran bei seinem Atomprogramm während der Verhandlungen weiter Fortschritte macht, müssen die Sanktionen verschärft werden."

Obama erklärte, die USA hätten die Wahl getroffen, den Weg der Diplomatie fortzusetzen. "Wir werden mit offenen Augen in die Verhandlungen gehen. Wir müssen zunächst feststellen, wie weit sie (die Iraner) es ernst meinen, die internationalen Regeln und Maßstäbe zu achten. Es ist absolut klar, dass Worte allein nicht ausreichen werden. Wir nehmen keine Option vom Tisch, auch nicht die militärische Option."

Eine absurde Äußerung Netanjahus in einem Interview mit der BBC sorgte in Iran für viel Spott. Der israelische Präsident hatte gesagt, wenn die Führung in der Islamischen Republik die Zügel etwas lockern würde, könnten Iraner auch Jeans tragen und westliche Musik hören. Die Iraner reagierten mit der Veröffentlichung von hunderten von Fotos von Männern und Frauen in Iran, die Jeans trugen, darunter das Foto eines kleinen Jungen, der Revolutionsführer Chamenei etwas ins Ohr flüstert.


IRANS REAKTION AUF DAS TREFFEN VON OBAMA MIT NETANJAHU

Der iranische Außenminister Mohammad Dschawad Sarif bezeichnete die Äußerungen Netanjahus als "Lüge". Er verurteilte scharf die Rede Netanjahus auf der UN-Vollversammlung. Seit 22 Jahren erkläre Israel, Iran werde in sechs Monaten Nuklearwaffen bauen. Er wolle mit "Lügen und Intrigen" das Feuer die Konflikte schüren und Angst verbreiten. Die Weltgemeinschaft müsse auf die Realitäten achten und nicht erlauben, dass dieses Regime (das israelische) das Denken und die Meinung der Menschen beeinflusse und lächerlich mache.

Sarif kritisierte auch die Äußerungen Obamas. Diese seien eine "Beleidigung" des iranischen Volkes, sagte er und forderte den US-Präsidenten auf, standhaft zu bleiben, um das gegenseitige Vertrauen aufzubauen. "Die Meinungsschwankungen zerstören das Vertrauen und zerstören die Glaubwürdigkeit der USA." Sarif schrieb auf seiner Facebook -Seite (https://www. Facebook.com/Zarif): "Letzte Woche begann ein schwerer Weg voller Windungen und Hürden. Weder darf man sich nach einer Wandlung übermäßig freuen noch die Verfolgung der Interessen des Landes aufgeben. Netanjahu und die Ultras in den USA sind stark besorgt, dass sie isoliert werden könnten. 75 Prozent der Amerikaner wünschen, dass der Atomkonflikt durch Verhandlungen gelöst wird. Noch vor wenigen Monaten war die überwiegende Mehrheit der Amerikaner für eine militärische Lösung. Kein Wunder, dass die Kriegstreiber Rohani fürchten." Netanjahu sei "Hals über Kopf" nach Washington geeilt, um jeden Fortschritt bei den Atomverhandlungen zu verhindern. Das einzige Ziel Netanjahus und der Lobbyisten der Zionisten bestehe darin, die Verhandlungen zu torpedieren.

Obamas Äußerungen bei dem Treffen mit Netanjahu seien "unakzeptabel" gewesen. Man habe darin keine Anzeichen für die Rolle des Präsidenten der USA gesehen, die er beim Atomkonflikt spielen müsste, um statt den Ultras nachzulaufen, die Führung bei der Lösung dieses wichtigen Konflikts zu übernehmen. Aber diese Äußerungen seien nicht überraschend gekommen. Es sei offensichtlich gewesen, dass Obama Netanjahu und einige arabische Staaten beruhigen wollte, die leider mit den Zionisten gleichzögen, um eine Lösung des Atomkonflikts zu verhindern.

Der Sprecher der iranischen UN-Vertretung, Chodad Sejfi, sagte: Netanjahu wolle "wieder Stimmung gegen Iran machen, nur klappt das dieses Mal nicht. Mehr gibt es zu seinen absurden und grundlosen Äußerungen auch nicht zu sagen." Absurd sei es, wenn ein Land, das nicht einmal den Atomwaffensperrvertrag unterschrieben habe, anderen Ländern, die das getan hätten, Vorschriften machen wolle.

Die Sprecherin des Außenministeriums, Marsieh Afkham, forderte die USA auf, sich von den Positionen Israels zu distanzieren. "Je mehr Distanz, desto besser die Perspektiven für eine Verbesserung der bilateralen Beziehungen", sagte sie. "Wir hören eine neue Rhetorik aus Washington und hoffen, dass diese Rhetorik auch politisch umgesetzt wird." Es sei mit dem Telefonat zwischen den Präsidenten und der Festlegung des Termins für die Atomverhandlungen für Mitte Oktober ein Anfang gemacht worden. Zukünftige bilaterale Kontakte zwischen Teheran und Washington hingen von dem Verlauf der Verhandlungen ab.


ASHTON WARNT DIE USA

Die Außenbeauftragte der Europäischen Union, Catherine Ashton, sagte am 30. September, sie wolle die Atomverhandlungen mit Iran Mitte Oktober in Genf in einer positiven Atmosphäre führen. Dieselben Erwartungen habe sie an die Gegenseite. Auch die amerikanischen Gesetzgeber sowie Politiker, die über Maßnahmen zu entscheiden haben, sollten für gute Atmosphäre sorgen.

Ashton vermied es, direkt jene amerikanischen Abgeordneten anzusprechen, die schärfere Sanktionen gegen Iran fordern. Sie habe nicht das Recht, dem US-Kongress Vorschriften zu machen. Der Westen sollte guten Willen zeigen und dasselbe von der Gegenseite erwarten, sagte Ashton. "Ich werde die Verhandlungen führen." Die Gespräche in New York bezeichnete sie als "sehr wichtig". Iran dränge auf eine Festlegung des Verhandlungsrahmens und habe zuletzt von einer zeitlichen Begrenzung von zwölf Monaten gesprochen. Man müsse feststellen, was Iran mit diesem Vorschlag erreichen wolle. Die Schließung der Atomlager oder die Änderung und Einschränkungen der Produktion benötigten technische Operationen, die zeitraubend seien, sagte Ashton.


SPIONAGEVERDÄCHTIGER IRANER VOR ISRAELISCHEM GERICHT

Am 1. Oktober wurde der iranische Staatsbürger, Ali Mansuri, mit Handschellen und in brauner Gefängniskleidung einem israelischen Richter vorgeführt. Am Vortag hatte der israelische Sicherheitsdienst Shin Bet bekannt gegeben, dass der 58-jährige Iraner Mansuri, der auch die belgische Staatsbürgerschaft besitzt, am 11. September auf dem Flughafen Ben Gurion in Tel Aviv verhaftet worden sei. Er werde beschuldigt, das Gebäude der amerikanischen Botschaft fotografiert zu haben. Zudem habe er beim Verhör gestanden, dass er die Absicht gehabt habe, als Geschäftsmann getarnt, Scheinfirmen zu gründen, für Iran zu spionieren und damit den israelischen und westlichen Interessen Schaden zuzufügen. Als Lohn sei ihm ein Million Dollar in Aussicht gestellt worden. In der Mitteilung heißt es, die iranische Revolutionsgarde (Pasdaran) habe Mansuri rekrutiert, um in Israel zu spionieren. Masuri habe seinen Namen in Belgien geändert und sei mit einem Pass, der auf den Namen Alex Mans ausgestellt ist, bereits zweimal in Israel gewesen.

Der Anwalt von Mansuri hält die Vorwürfe für unbegründet. Er bezeichnete den Fall in einem Gespräch mit AP als "kompliziert" und die Vorwürfe als "weit von der Realität entfernt". Aus Sicherheitsgründen könne er keine weiteren Erklärungen abgeben, sagte er.

Die Nachricht von der Verhaftung Mansuris wurde am Vortag der Reise von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu nach Amerika veröffentlicht. Bei seinem Besuch wolle er, "die schönen Worte und das freundliche Gesicht Rohanis entlarven", sagte der Ministerpräsident. Ein Polizeioffizier erklärte vor Gericht, die Aufhebung der Nachrichtensperre für diesen Fall sei "von höchster Regierungsstelle" verordnet worden.

Iran dementierte die Berichte. "Das sind wieder diese abgenutzten Versuche des zionistischen Regimes, Stimmung gegen Iran zu machen", sagte die Sprecherin des Außenministeriums Marsieh Afkham am 1. Oktober. Iran beschäftige sich nicht mehr mit solchen "grundlosen und abgenutzten Szenarien".


UNTERSUCHUNG VON ANSCHLAG IN BUENOS AIRES ZUGELASSEN

Einer Meldung der AFP vom 28. Oktober zufolge hat Iran seine Bereitschaft bekundet, bei der Untersuchung des blutigen Anschlags auf ein jüdisches Zentrum in Buenos Aires im Jahre 1994 mit den argentinischen Behörden zu kooperieren. Eine argentinische Diplomatin habe der Agentur am Rande der UN-Vollversammlung in New York mitgeteilt, dass iranische Vertreter ihre Bereitschaft zur Zusammenarbeit signalisiert hätten. Ein entsprechendes Abkommen würde nach dem Austausch von Dokumenten in Kraft treten, berichtete die Nachrichtenagentur.

Dem Anschlag vom 18. Juli 1994 waren 85 Menschen zum Opfer gefallen. Sowohl Israel als auch die argentinische Justiz behaupten, der Anschlag sei von der libanesischen Hisbollah auf Anweisung Teherans ausgeführt worden. Diesen Vorwurf haben sowohl Iran als auch die Hisbollah stets zurückgewiesen. Die argentinische Justiz hatte 2006 vergeblich die Auslieferung von sieben Iranern, darunter des Ex-Präsidenten Haschemi Rafsandschani und des früheren Verteidigungsministers Ahmad Wahidi, beantragt.

Nun soll eine unabhängige Untersuchungskommission gebildet werden, in der weder ein Iraner noch ein Argentinier Mitglied sein darf. Wenn diese Kommission ihre Arbeit aufgenommen hat, werden argentinische Ermittler nach Iran reisen. Wann all dies geschehen soll, ist zeitlich nicht festgelegt.


IRAN UND GROßBRITANNIEN WOLLEN GESCHÄFTSTRÄGER ERNENNEN

Am Rande der Atomverhandlungen in Genf am 16. Oktober haben Teheran und London vereinbart, zur Wiederaufnahme ihrer diplomatischen Beziehungen Geschäftsträger zu ernennen. Die Vereinbarung wurde laut IRNA bei einem Treffen des stellvertretenden iranischen Außenministers Mohammad Tacht Ravantschi mit dem Beauftragten der britischen Regierung Simon Gass getroffen.

Der britische Außenminister William Hague hatte in der Woche davor vor dem Parlament in London die Absicht seiner Regierung bekannt gegeben, die Beziehungen zu Teheran zu reaktivieren. Der außenpolitische Kurs der neuen iranischen Regierung und deren bekundete Absicht, die Konflikte zwischen Iran und dem Westen zu lösen, müsse getestet werden, sagte Hague. Dafür sei es notwendig, einen diplomatischen Kanal nach Teheran zu öffnen. Zur gleichen Zeit bestätigte die Sprecherin des Teheraner Außenministeriums Afkham, dass Hague dem iranischen Außenminister die Absicht seiner Regierung mitgeteilt habe.

Am 21. Oktober gab Ravantschi laut IRNA bekannt, dass die Geschäftsträger zwar im eigenen Land bleiben, jedoch so oft wie erforderlich ins andere Land reisen und sich dort für ein, zwei Wochen aufhalten würden. Die Vereinbarung bedeute praktisch die Wiedereröffnung der Botschaften, sagte Ravatschi. Er habe im Gespräch mit den Briten den Wunsch geäußert, dass die Voraussetzungen für die Erledigung konsularischer Angelegenheiten der Iraner in Großbritannien so bald wie möglich geschaffen werden.

Die Botschaften der beiden Länder wurden geschlossen, nachdem am 9. November 2011 Demonstranten gegen die Absicht Großbritanniens, die Sanktionen gegen Iran zu verschärfen, protestiert und das britische Botschaftsgebäude in Teheran gestürmt hatten. Zuvor hatte das Parlament die Regierung aufgefordert, die Beziehungen zu London auf die niedrigste Stufe zu herunterzufahren.

Großbritannien berief ihren Botschafter und das Botschaftspersonal aus Teheran zurück und forderte die Angehörigen der iranischen Botschaft in London auf, das Land innerhalb von 48 Stunden zu verlassen. Zudem forderte London eine Entschuldigung und eine Entschädigung für die demolierte Einrichtung der britischen Botschaft. Einige Monate später äußerte Revolutionsführer Chamenei in einer Rede seinen Unmut über die Protestdemonstration. Zwar wurden nach der Schließung der Botschaften die diplomatischen Beziehungen nicht offiziell abgebrochen, aber sie blieben in der Schwebe.


WASHINGTON POST: TÜRKEI INFORMIERTE IRAN ÜBER SPIONAGENETZ

Wie die Washington Post unter Berufung auf Regierungskreise am 17. Oktober berichtete, soll die Türkei Iran über ein israelisches Spionagenetz informiert haben. Sie habe über zehn Iraner, die sich in der Türkei mit dem israelischen Geheimdienst getroffen haben, detaillierte Angaben gemacht. Dies sei ein schwerer Schlag gegen die israelischen Sicherheitsdienste gewesen. Israel wickelt einen Großteil seiner Spionageaktivitäten gegen Iran in der Türkei ab, weil Iraner leicht in die Türkei reisen können.

Die Türkei sei über sämtliche Geheimtreffen israelischer Geheimdienstler mit iranischen Agenten gut informiert, schreibt Washington Post. Iran meldete im April 2012, ein israelisches Agentennetz entdeckt zu haben. 15 Personen wurden in diesem Zusammenhang festgenommen. Es ist jedoch nicht klar, ob es sich um dasselbe Netz handelt, über das die Türkei Teheran informiert hatte.

Die US-Regierung hatte zwar den Vorfall als eine "bedauerliche Panne" bezeichnet, zog daraus gegenüber der Türkei jedoch keine Konsequenzen. Im Gegenteil, die Atmosphäre zwischen Washington und Ankara wurde noch freundlicher. Gewöhnlich trenne die US-Regierung die Angelegenheiten der Geheimdienste von der Außenpolitik, schreibt Washington Post. Zudem gingen die USA nicht davon aus, dass es sich bei diesem Vorfall um einen Racheakt gegen Israel gehandelt habe, obwohl die Beziehung zwischen Ankara und Tel Aviv bereits seit Frühjahr 2010 getrübt waren. Damals hatte die israelische Marine ein türkisches Schiff gestürmt und dabei neun Türken getötet. Das Schiff befand sich zu humanitären Hilfeleistungen auf dem Weg nach Gazastreifen.

Ein Stellvertreter des israelischen Außenministers sagte am 18. Oktober dem israelischen Rundfunk ohne Bezugnahme auf den Bericht der Washington Post, die Beziehung zwischen Israel und der Türkei sei kompliziert. Die Türkei habe die Strategie, die Führung im Nahen Osten zu übernehmen und habe dafür den leichteren Weg, eine antiisraelische Politik zu verfolgen, gewählt.

Das Wall Street Journal hatte am 10. Oktober berichtet, der Chef des türkischen Geheimdienstes, Hakan Feidan, der zu den engsten Beratern des türkischen Ministerpräsidenten gehöre, stehe in engem Kontakt mit der Islamischen Republik Iran und habe Teheran über alle Aktivitäten Israels gegen Iran, die in der Türkei stattfanden, informiert.

Die Türkei dementierte umgehend den Bericht der Washington Post. Solche Berichte sollen das Ansehen der Türkei schädigen, sagte Ahmed Davoutoglu der Zeitung Hurriet. Und zu den Vorwürfen gegen Feidan hieß es, diese Vorwürfe seien ohne jede Grundlage, "sie sind schwarze Propaganda".


BEZIEHUNG ZWISCHEN IRAN UND SAUDI-ARABIEN

Seit einigen Jahren ist die Beziehung zwischen Teheran und Riad recht getrübt. Zuletzt hat Irans Präsident Hassan Rohani eine Einladung Saudi-Arabiens zur Teilnahme an der Pilgerfahrt nach Mekka, die jährlich stattfindet, angeblich aus zeitlichen Gründen abgelehnt. Einige Medien in Iran äußerten die Ansicht, dass es überhaupt keine offizielle Einladung gegeben habe. Demgegenüber berichteten Eingeweihte, der saudische Botschafter in Iran habe an der Vereidigung Rohanis teilgenommen und bei dieser Gelegenheit dem neuen Präsidenten die Einladung überreicht. Auch arabische Zeitungen berichteten, Rohani werde an dem gemeinsamen Gebet als besonderer Gast teilnehmen und mit der saudischen Führung Gespräche führen. Schließlich machte der iranische Staatssekretär im Außenministerium, Hossein Amirabdollahian, den Spekulationen ein Ende und erklärte, der Präsident habe keine Reisepläne für Saudi-Arabien.

Was aber war der eigentliche Grund der Ablehnung? Einige saudische Diplomaten meinten, Iran habe eine schwer erfüllbare Forderung gestellt: Der saudische Geheimdienstchef Bendar el Sultan sollte seines Postens enthoben werden, da er für zahlreiche Morde und Zerstörungen in der Region verantwortlich sei. Im Hinblick auf die Rolle Saudi-Arabiens in der Region, wozu unter anderem die militärische und finanzielle Unterstützung der Terroristen im Irak, Syrien und im Libanon gehöre, sei die Entlassung des Geheimdienstchefs eine Voraussetzung für die Verbesserung der Beziehungen zwischen Teheran und Riad.

Des Weiteren missfallen Iran die Versuche Saudi-Arabiens, die Bemühungen um eine Normalisierung der Beziehungen zwischen Teheran und Washington zu torpedieren. Mit Recht geht Saudi-Arabien davon aus, dass die Beilegung des Atomkonflikts zur Akzeptanz Irans als regionale Großmacht und zu einer engen Zusammenarbeit zwischen Iran und den USA bzw. dem Westen insgesamt bei der Lösung der zahlreichen Probleme in Afghanistan, Irak, Libanon und nicht zuletzt in Syrien und Palästina führen wird. Damit würde Saudi-Arabien seine herausragende Stellung, die es seit der iranischen Revolution als wichtigster Partner des Westens in der Region am Persischen Golf erhalten hatte, weitgehend verlieren.

Das saudische Königshaus war über die Rede Präsident Obamas auf der UN-Vollversammlung so erbost, dass dessen Vertreter aus Protest auf eine eigene Rede verzichtet und New York verlassen hat. Um eine Annäherung zwischen Washington und Teheran zu verhindern, sind die Saudis sogar so weit gegangen, dass sie nun mit dem israelischen Präsidenten Netanjahu am gleichen Strang ziehen. All dies konnte Rohani nicht ignorieren und hat daher die Einladung abgelehnt.

Ungeachtet all dieser Umstände könnte allerdings eine Annäherung zwischen Teheran und Riad eine friedliche Lösung für Syrien begünstigen. Diese Meinung vertrat auch der libanesische Präsident Michel Suleiman in einem Interview mit der arabische Tageszeitung Al-Hayat vom 28. September. Während Saudi-Arabien die Rebellen in Syrien mit Geld und Waffen, wohl auch mit Personal unterstütze, stehe Iran an der Seite von Präsident Assad und dem Regime in Syrien. "Von einer Öffnung (zwischen Teheran und Riad) würde in erster Linie auch der Libanon profitieren", sagte Suleiman. Auch im Libanon stehen die schiitischen Hisbollah, die von Iran unterstützt werden und die Sunniten, die Saudi-Arabien mit Geld und Waffen versorgt, einander feindlich gegenüber.


GESTOHLENES KUNSTWERK ZURÜCKGEGEBEN

Laut einer Meldung der AFP vom 29. September haben die USA einen aus Iran gestohlenen Trinkpokal, der aus dem siebten Jahrhundert vor Christi stammt, Präsident Rohani während seines Besuchs in New York als "spezielles Geschenk" überreicht. Das Kunstwerk aus Silber und in der Form eines geflügelten Greifs war aus einer Höhle in Iran gestohlen und 2003 an der US-Grenze von Zollbeamten beschlagnahmt worden.

Der Greif (im Persischen: Homa) ist ein Wesen in der persischen Mythologie. Er ist ein Wesen des Himmels, das auch in der Gestalt eines Pferdes oder Löwen mit Flügeln und dem Kopf eines Greifvogels dargestellt wurde. Zu sehen ist er an den Pforten des Persepolis oder auf persischen oder babylonischen Tapeten.

"Die Amerikaner haben uns kontaktiert und gesagt, ,wir haben ein Geschenk für Sie'", sagte Rohani der Nachrichtenagentur IRNA. "Sie gaben es uns als spezielles Geschenk an die iranische Nation." Laut AFP wird der Wert des Pokals auf mehr als eine Million US-Dollar geschätzt.


FUßBALL: LÄNDERSPIEL IRAN-USA

Die politische Annäherung zwischen den USA und Iran soll nun auch von einer Fußball-Diplomatie begleitet werden. Laute der Agentur "Mehr" sagte der Präsident des iranischen Fußballverbands Ali Kaffaschian: "Wir haben die Zustimmung des amerikanischen Verbands zu einem Fußballturnier, an dem beide Nationalmannschaften teilnehmen werden." Kaffaschian nannte keinen Zeitpunkt und keinen Ort, fügte aber hinzu, dass auch europäische und südamerikanische Mannschaften zu dem Turnier eingeladen werden sollen.

Im September hatten sich die Präsidenten des iranischen und amerikanischen Fußballverbands zum ersten Mal nach vierunddreißig Jahren getroffen. Während dieser Zeit trafen die beiden Mannschaften zweimal aufeinander. Das erste Mal 1998 bei der Weltmeisterschaft, bei der Iran mit 2:1 das Spiel gewann. Das zweite Mal trennten sich die Mannschaften im Jahr 2000 bei einem Freundschaftsspiel in Kalifornien 1:1.

Der Iran-Report kann kostenfrei auf der Website der Heinrich Böll Stiftung abonniert werden unter
www.boell.de

Impressum:
Hrsg.: Heinrich-Böll-Stiftung
Autor: Bahman Nirumand
Redaktion: Vera Lorenz
V.i.S.d.P.: Annette Maennel
12. Jahrgang

*

Quelle:
Iran-Report Nr. 11/2013 - November 2013 / 12. Jahrgang
Hrsg.: Heinrich-Böll-Stiftung
Schumannstr. 8, 10117 Berlin
Telefon: 030-285 34 - 0, Fax: 030-285 34 - 109
Email: info@boell.de
Internet: www.boell.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 2. November 2013