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HEINRICH BÖLL STIFTUNG/388: Iran-Report Nr. 7 - Juli 2017


Iran-Report der Heinrich-Böll-Stiftung - Nr. 7 - Juli 2017
Eine Zusammenfassung aktueller Ereignisse im Iran

von Bahman Nirumand


Iran steht an einem Scheideweg. Nach dem Abschluss des Atomabkommens und der Aufhebung der Sanktionen erwartet das Volk einen wirtschaftlichen Aufschwung, die Öffnung nach außen und vor allem auch eine Liberalisierung der theokratischen Staatsordnung. Doch über den neuen Kurs, auch über die Rolle Irans in der Region, ist sich die Staatsführung nicht einig. Wie der Machtkampf, der schon seit geraumer Zeit zwischen Konservativen und Reformern tobt, ausgehen wird, ist ungewiss.

Der Iran-Report wertet Nachrichten verschiedener Quellen aus. Auch um die von den Mächtigen in Iran verfügten Behinderungen und Einschränkungen der journalistischen Arbeit auszugleichen. Der Iran-Report produziert keine Schlagzeilen, sondern er erhellt die Meldungen, das Nichtgesagte dahinter.

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INNENPOLITIK

• Doppelanschlag in Teheran
• Festnahmen von Terrorverdächtigen
• Vergeltungsangriff auf Stellungen des IS in Syrien
• Gottesstaat versus Republik
• Chamenei erteilt Freibrief für Kritik an Rohani
• Kapitän der iranischen Nationalmannschaft fordert Zugang für Frauen zu Sportstadien
• Zwei mutmaßliche Bahai-Mörder freigelassen
• Frauen wieder mit Säure attackiert
• Fast drei Millionen Drogensüchtige in Iran


DOPPELANSCHLAG IN TEHERAN

Ein Doppelanschlag erschütterte am 7. Juni die iranische Hauptstadt. Dem Bericht der Agentur Isna zufolge verschafften sich gegen 10:30 Ortszeit vier mit Maschinengewehren bewaffneten Männer Zugang zum Parlament, das gerade tagte. Etwa zur gleichen Zeit drangen laut staatlichem Fernsehen zwei Bewaffnete in das Mausoleum des verstorbenen Ayatollah Chomeini im Süden der Hauptstadt ein. Die Verantwortung für beide Anschläge übernahm der Islamische Staat (IS). Über die Zahl der Toten und Verletzten gab es zunächst widersprüchliche Angaben.

Kurz vor 15 Uhr Ortszeit meldete die staatliche Nachrichtenagentur Irna, alle vier Attentäter im Parlament seien von Sicherheitskräften getötet worden. Bei dem Doppelanschlag habe es insgesamt mindesten zwölf Tote gegeben, sagte der Leiter des iranischen Katastrophenschutzes, Pir-Hossein Koliwand. Zehn davon im Parlament und zwei vor dem Mausoleum. Hier hatte sich ein Attentäter in die Luft gesprengt. Ein anderer Angreifer wurde von Sicherheitskräften getötet. In den letzten offiziellen Angaben wurde von siebzehn Toten und 48 Verletzten gesprochen.

Alle Angreifer waren Iraner, die meisten stammten aus der Provinz Kurdistan, und haben sich nach Angaben der Sicherheitsdienste dem IS angeschlossen. Sie hätten teilweise Arabisch und teilweise Kurdisch gesprochen.

Bei dem Angriff auf das Parlament gab es zahlreiche Verletzte. Der Berater des Gesundheitsministers, Abbas Sarenejad, sprach von 35 Verletzten, die in verschiedene Krankenhäuser eingeliefert wurden. Den Angreifern gelang es nicht, den Plenarsaal zu erreichen. Alle Ausgänge und Eingänge wurden gesperrt. Gegen 13:30 Uhr konnten alle Abgeordneten, Angestellten und Reporter das Parlamentgebäude verlassen. Ein Abgeordneter berichtete, dass ein Attentäter sich selbst in die Luft gesprengt habe. Das wurde auch vom Informationsministerium bestätigt.

Parlamentspräsident Ali Laridschani erklärte vor der Presse, einige "feige Terroristen" wollten eine "billige" Aktion durchführen. "Die Abgeordneten haben ihre Arbeit fortgesetzt. Das Ganze ist eine nebensächliche Angelegenheit." Die Terroristen hätten versucht, der Islamischen Republik, die ein Bollwerk gegen den Terrorismus bilde, zu schaden. Es gebe keinen Grund zur Beunruhigung. Die Sicherheitskräfte würden die Lage beherrschen, das Problem werde bald gelöst.

Die Staatsführung versuchte die Bedeutung der Anschläge herunterzuspielen. Die Bevölkerung ist ohnehin verängstigt und befürchtet, dass es angesichts der zunehmenden Frontenbildung der arabischen Staaten unter Führung von Saudi-Arabien und mit Unterstützung der USA und Israels gegen Iran, zu einer militärischen Auseinandersetzung in der Region kommen könnte. Zudem hatte der Wahlkampf im Vorfeld der Präsidentenwahl im vergangenen Monat viel Unfrieden zwischen den Fraktionen gestiftet. Revolutionsführer Chamenei versuchte die Wogen zu glätten, lobte das Volk, das mit der starken Wahlbeteiligung seine Loyalität gegenüber dem Regime bekundet habe. Die Millionen Anhänger Rohanis feierten ihren Sieg tanzend auf den Straßen.

Die Anschläge haben die Ängste verstärkt und die Türen für Gerüchte und Verschwörungstheorien weiter geöffnet. Die Hautstadt Teheran glich nach den Anschlägen einer besetzten Stadt. Scharfe Kontrollen auf den Straßen, Häfen und Flughäfen und Hausdurchsuchung erschwerten den Alltag. Statt der von dem wieder gewählten Präsidenten angekündigten Öffnung nach innen und mehr Freiheiten und Rechten für die Bürger kamen nun die Ordnungs- und Sicherheitskräfte zum Zug.

Für die Anschläge hat die Terrormiliz Islamischer Staat die Verantwortung übernommen. Das geht aus einer Meldung hervor, die auf der auf dschihadistische Propaganda spezialisierte Seite Intelligence Group unter Berufung auf das IS-Sprachrohr Amak veröffentlicht wurde. Amak veröffentlichte ein Video im Internet. Gezeigt wurden Szenen, die angeblich die Angreifer im Parlament aufgenommen hatten. Einer der Angreifer ruft, "Glaubt ihr wir werden gehen?" Ein anderer schreit, "Wir werden bis zum jüngsten Gericht bleiben". Zu sehen war auch ein erschossener Mann auf dem Boden. Die ganze Aufnahme dauerte zwanzig Sekunden.

Indes kündigte der IS weitere Anschläge gegen Schiiten an. Das "Kalifat wird keine Gelegenheit auslassen, ihr Blut zu vergießen", so lange, bis das islamische Recht durchgesetzt werde, hieß es in einer Erklärung vom 7. Juni.

Die Revolutionsgarden gaben indirekt Saudi-Arabien und den USA eine Mitschuld für die Anschläge. Es mache nachdenklich, dass die Anschläge wenige Tage nach dem Besuch des US-Präsidenten in Saudi-Arabien stattgefunden haben, bei dem Donald Trump den Saudis seine volle Unterstützung zugesichert habe, hieß es, wohl wissend, dass das Königreich Terroristen, einschließlich des IS seit Jahren unterstütze. "Dass der IS die Verantwortung für die Anschläge übernommen hat, verrät ihre (Saudi-Arabiens) Hand in dieser barbarischen Aktion."

Chamenei bezeichnete die Anschläge als "Spiel mit Knallerbsen". Derartige Aktionen seien zu klein, um eine Wirkung auf die Entschlossenheit des iranischen Volkes und der iranischen Führung, den Kampf gegen den Terrorismus zu führen, haben zu können, sagte er am 7. Juni vor einer Versammlung von Studenten. Solche Ereignisse hätten sich gehäuft und wären weit problematischer geworden, wenn die Islamische Republik nicht im Zentrum des Terrors aktiv gewesen wäre. Hiermit spielt Chamenei auf das Engagement der Islamischen Republik in Syrien und im Irak an.


FESTNAHMEN VON TERRORVERDÄCHTIGEN

Irans Informationsminister Mahmud Alawi erklärte im staatlichen Fernsehen, der Drahtzieher der Terroranschläge sei in Zusammenarbeit mit befreundeten Geheimdiensten im Ausland getötet worden. Genaue Angaben zu der Person machte er nicht. "Wir haben jetzt viele Spuren untersucht, die zu Terrorgruppen führen", sagte er. "Zwar hatten wir diese Gruppe bereits über längere Zeit beobachtet, wollten sie aber noch nicht festnehmen. Aber jetzt haben wir 42 oder 43 Personen festgenommen." Deren Geheimunterkunft sei in Kermanschah gewesen. Im vergangenen Monat hätten die Sicherheitsdienste nahezu täglich eine Terroristenzelle aufgedeckt, sagte Alawi.

Auch Hossein Aschtari, Chef der iranischen Polizei, gab am 10. Juni bekannt, Mitglieder einer Terrorgruppe in der Umgebung von Teheran festgenommen zu haben. Zudem sei das Fahrzeug der Attentäter von Teheran gefunden worden. Demnach seien die Attentäter zuerst zum Chomeini-Mausoleum gefahren und danach zum Parlament.

Am 12. Juni gab Asisollah Maleki, Chef der Polizei in der Provinz Hormosgan, bekannt, dass vier Aktivisten des IS getötet worden seien. Dabei seien eine IS-Flagge, Sprengstoff und vier Maschinengewehre sichergestellt worden. Zwei der Getöteten seien Ausländer gewesen. Die Identität der anderen zwei sei noch nicht festgestellt worden.

Der konservative Abgeordnete Mohammad Dehghan, sagte am 13. Juni laut der Agentur "Mehr", die Attentäter seien nicht alleine gewesen, sie hätte mehrere Unterstützer gehabt, darunter "Spione, die sich in den Büros mancher Verantwortlicher eingenistet haben". Diese Verantwortlichen müssten nun zur Rechenschaft gezogen werden. Genauere Angaben machte der Abgeordnete nicht.

Am 15. Juni gab Alawi bekannt, dass zwei "Terrorgruppen" in der Provinz Sistan-Belutschistan zerschlagen worden seien. Zwei der Terroristen seien erschossen und fünf andere verhaftet worden. Die Terroristen hätten einen Anschlag auf eine Kaserne in der Hafenstadt Tschahbahar geplant. Bei der Aktion sei auch ein Mitarbeiter des Geheimdienstes getötet worden.

Alawi warf Saudi-Arabien vor, Terrorgruppen in Iran zu unterstützen.


VERGELTUNGSANGRIFF AUF STELLUNGEN DES IS IN SYRIEN

Laut Angaben der Revolutionsgarden wurden am 19. Juni Stellungen von Terroristen in Syrien, in der Region Dair as-Saur, im Osten Syriens mit Raketen beschossen. Ziel des Angriffs sei die "Bestrafung der verbrecherischen Terroristen" und die Vergeltung der Anschläge gegen das Teheraner Parlament und Chomeini-Mausoleum gewesen, heißt es in der am 18. Juni veröffentlichten Erklärung der Revolutionsgarden.

Die Boden-Boden-Mittelstrecken-Raketen wurden von den Militärbasen in den Provinzen Kermanschah und Kurdistan, im Westen Irans, abgefeuert. Laut der Agentur Fars hatte eine Rakete vom Typ Solfaghar eine Reichweite von 700 Kilometern.

Den Angaben der Revolutionsgarden zufolge wurden bei dem Angriff "zahlreiche Terroristen" getötet und deren Waffen und Ausrüstung vernichtet. Die Garden warnten die "Terroristen und ihre regionalen und überregionalen Unterstützer", sie sollten "verderbliche und teuflische Aktivitäten gegen Iran" unterlassen.

Seit dem Iran-Irak-Krieg (1980-1988) war dies der erste offiziell bekanntgegebene militärische Angriff Irans außerhalb der Grenzen des eigenen Landes. Die Agentur Tasnim, die den Garden nahesteht, veröffentlichte Videoaufnahmen von dem Angriff und behauptete, alle Raketen hätten ihre Ziele genau getroffen. Internationale Beobachter hingegen behaupten, nur zwei der sechs Raketen hätten ihr Ziel erreicht.

Hossein Scheichaleslam, ein Berater des Außenministers, sagte: "Wir sind stolz, den Ort zerstört zu haben, wo die Anschläge von Teheran geplant und vorbereitet wurden."

Wenige Stunden vor dem Angriff hatte Revolutionsführer Chamenei die "Feinde Irans" gewarnt. "Sowohl unsere Feinde wie auch unsere Freunde, die ängstlich sind, sollen wissen, dass die Islamische Republik machtvoll aufrecht steht. Nicht die Feinde können Iran ohrfeigen, das iranische Volk wird ihnen (den Feinden) Ohrfeigen verpassen."

Die Revolutionsgarden veröffentlichten am 21. Juni eine Erklärung, in der sie bekannt gaben, dass der Angriff auf Befehl des Revolutionsführers ausgeführt worden sei. Zuvor hatte Präsident Rohani erklärt, der Angriff sei nicht auf Befehl einer Person oder einer militärischen Instanz erfolgt, solche Entscheidungen würden im Nationalen Sicherheitsrat getroffen. Ähnlich hatte sich Informationsminister Mahmud Alawi geäußert. "Die Entscheidung wurde im Nationalen Sicherheitsrat getroffen und der Präsident, der dem Rat vorsitzt, hatte den Befehl dazu erteilt." Und er fügte hinzu, sein Ministerium habe den Revolutionsgarden die Informationen über den Aufenthaltsort der Terroristen zur Verfügung gestellt. Demgegenüber erklärten die Garden, die für den Angriff notwendigen Informationen stammten ausschließlich von Mitgliedern der Garden.

Der Raketenangriff ist zwar angesichts der Lage in den Nachbarländern militärisch betrachtet kein großes Ereignis, aber politisch wird er zur weiteren Verhärtung der Fronten in der Region beitragen, zumal er als Warnung nicht nur an die Terroristen des IS, sondern auch an die arabische Front gegen Iran sowie die USA verstanden werden muss. Da der Angriff als Vergeltung gegen den IS galt, konnte jedoch niemand aus der internationalen Anti-IS-Koalition dagegen protestieren. Doch es ist zu vermuten, dass er in den arabischen Staaten am Persischen Golf und in Washington mit Argwohn registriert wurde.


GOTTESSTAAT VERSUS REPUBLIK

Seit der Gründung der Islamischen Republik wird über den Charakter der Staatsordnung gestritten. Ist die Islamische Republik ein Gottesstaat, der sich nach den Anweisungen Gottes, des Korans und des Propheten richtet und von einem Geistlichen regiert wird, der sich als Stellvertreter Gottes auf Erden betrachtet und mit unbegrenzter Macht ausgestattet ist, oder handelt es sich um eine Republik, die sich nach dem Willen des Volkes richtet. Der unauflösbare Widerspruch findet sich schon in der Bezeichnung des Staates wieder. Die Islamische Republik ist ein Widerspruch in sich. Auch in der Verfassung ist der Widerspruch unübersehbar.

Nun ist die Diskussion über dieses Thema durch eine Äußerung von Präsident Hassan Rohani neu entflammt. Rohani hatte nach seiner Wiederwahl mit einem Hinweis auf eine Äußerung des Prophetennachfolgers Ali gesagt: "Die Bedeutung des Votums und des Willens des Volkes sind nicht Geschenke des Westens aus der Zeit der Renaissance an uns. Wir haben eine Religion und einen Glauben, die nach den Worten des Propheten Ali das Votum des Volkes als Basis jeder gerechten Herrschaft betrachten."

Dem Widersprach Großayatollah Nasser Makarem Schirasi. In einem islamischen Staat werde der Herrscher nicht vom Volk gewählt, sondern von Gott bestimmt, sagte er an Rohani gerichtet. Es gebe im Koran eine ganze Reihe Aussagen über den Staat. "Sie haben nur einen einzigen Satz des Propheten Ali zitiert. Aber im schiitischen Glauben gilt es als selbstverständlich, dass der Herrscher von Gott bestimmt und nicht vom Volk gewählt wird." Der Prophet Mohammad habe selbst erklärt, dass sein Nachfolger von Gott bestimmt werde, betonte Schirasi.

In der Islamischen Republik wird gemäß der Verfassung der oberste Führer des Landes von der Expertenversammlung gewählt. Diese Versammlung besteht ausschließlich aus Geistlichen, die wiederum vom Volk gewählt werden. Aus diesem Grund argumentieren jene, die mehr das Republikanische unterstützen, der Herrscher werde, wenn auch indirekt, vom Volk gewählt. Die Gegner hingegen behaupten, die Aufgabe der Expertenversammlung sei nicht, den Herrscher zu wählen, sondern denjenigen zu erkennen, der von Gott dazu bestimmt worden ist, dieses Amt zu übernehmen.

Nun hat der Expertenrat zu dem Streit zwischen Rohani und Schirasi Stellung genommen. Die Behauptung, der Herrscher der Islamischen Republik werde vom Volk gewählt, sei völlig abwegig, heißt es in der Erklärung des Expertenrats. Eine solche Behauptung richte sich gegen die Grundsätze des Islam. Die Führung des Staates und des islamischen Volkes basiere nicht auf den Willen des Volkes. "Der Herrscher ist die Seele des Islam." Er gleiche dem Propheten, der seine Anweisungen von Gott empfing. Die Wahlen, die in der Islamischen Republik stattfänden, seien nichts Anderes als Loyalitätsbekundungen und Treuebekenntnisse gegenüber dem von Gott auserwählten Führer.


CHAMENEI ERTEILT FREIBRIEF FÜR KRITIK AN ROHANI

Zwischen dem Revolutionsführer Ali Chamenei und dem Präsidenten Hassan Rohani gibt es bereits seit längerem Auseinandersetzungen. Nach dem Wahlsieg Rohanis haben diese jedoch an Schärfe gewonnen und werden nun auch öffentlich ausgetragen. Im Grunde geht es dabei um ideologische Differenzen, aber auch um Macht. Offenbar befürchtet Chamenei, dass Rohani ihm durch seine Stärkung durch den überwältigenden Sieg bei der Präsidentschaftswahl die Alleinherrschaft streitig machen könnte.

Bei einer Rede zum Todestag Ayatollah Chomeinis lehnte Chamenei jede kritische Betrachtung des ersten Jahrzehnts der Islamischen Republik ab. Während des Wahlkampfs bei der Präsidentschaftswahl wurden kritische Worte über das erste Jahrzehnt der Islamischen Republik laut. Anlass dazu bot die Kandidatur von Ebrahim Raisi, der für die Massenhinrichtungen von 1988 mitverantwortlich war.

Diese Zeit sei für das Schicksal Irans von entscheidender Bedeutung gewesen. Jene, die neuerdings diese Zeiten kritisierten, seien Unwissende oder falsche Interpreten der Geschichte, so Chamenei. Gemeint war offenbar Rohani, der während des Wahlkampfs gesagt hatte: "Die Wähler lehnen jene Kräfte ab, die seit 38 Jahren nur Hinrichtungen und Verhaftungen kennen."

Gerade im ersten Jahrzehnt der Islamischen Republik wurden mehrere Tausend Oppositionelle hingerichtet. Auch danach und bis in die Gegenwart gab es zahlreiche Hinrichtungen, Verhaftungen und Folterungen.

Chamenei verteidigte die Richter und all jene, die an der Liquidierung der Opposition beteiligt waren. Er sprach von einem Jahrzehnt "großer Erfahrungen und großer Erfolge" sowie einem Jahrzehnt des "aggressivsten Terrorismus" (hiermit meint er Oppositionelle, die damals teilweise auch bewaffnet gegen die Alleinherrschaft der Geistlichkeit gekämpft hatten.). "Hüten wir uns davor, die Märtyrer mit Mördern zu vermischen", sagte Chamenei.

Rohani ging zwar nicht direkt auf die Äußerung Chameneis ein, sagte aber bei einer Rede vor Staatsbeamten: "Wir lassen es nicht zu, dass in jeder Stadt jeder den Anspruch auf Führung des Volkes stellt und nach eigenem Gutdünken Gesetze interpretiert. Jeder muss sich den Gesetzten unterordnen, gleichgültig welche Position er innehat." Er machte klar, dass zwischen jenen, die bei der Wahl für und jenen, die gegen ihn gestimmt haben, kein Unterschied bestehe, fügte aber hinzu: "Die Politik des Landes richtet sich nach dem Willen der Mehrheit des Volkes. Die Botschaft der Mehrheit an uns ist, den von uns begonnen Weg fortzusetzen."

Am 8. Juni holte Chamenei zu einem neuen Angriff aus. Er appellierte an seine Anhänger, nicht (wegen der Niederlage der Konservativen bei der Wahl) zu resignieren. Es gebe auf dem Weg der Revolution einige Hürden, die beseitigt werden müssten. "Hier sagte der Kommandant 'Feuer frei'. Ihr seid Soldaten im weichen Krieg. Wenn ihr merkt, dass die Verantwortlichen des Staates Fehler begehen und das Land nicht richtig verwalten können, habt ihr Feuerfreiheit. Das heißt, ihr müsst selbst Entscheidungen treffen, müsst euch Gedanken machen, Lösungen finden, euch auf die Beine machen und handeln."

Diese Äußerung glich einer Kriegserklärung an die Regierung. Chamenei ließ keinen Zweifel darüber aufkommen, wen er mit der Bemerkung im Auge hatte. Selbstverständlich geht es ihm nicht allein um die Person Rohanis, sondern vielmehr um die Richtung, die die Regierung Rohani und mit ihr die Reformer eingeschlagen haben. Aus der Sicht der Konservativen, angeführt von Chamenei, ist diese Politik ein Irrweg. Aber offenbar ist Rohani nicht gewillt, sich davon einschüchtern zu lassen. Bei einer Rede am 11. Juni sagte er, "Frieden ist schwerer als Krieg". "Es bedarf viel Mut, den Feinden die Hand des Friedens zu reichen." Das war eine direkte Antwort auf Chamenei, der eine Woche zuvor gesagt hatte, sowohl Streit als auch Kompromiss hätten ihren Preis, aber ein "vernünftiger Streit" koste letztendlich weniger als ein Kompromiss.

Am 12. Juni sprach Chamenei indirekt eine Drohung aus, die noch vor wenigen Wochen undenkbar gewesen wäre. In Anwesenheit der gesamten Führung des Staates, also auch Rohanis, nahm er direkt Bezug auf eine Äußerung des Präsidenten, der gesagt hatte, bei der Wahl habe sich die Mehrheit des Volkes für eine bestimmte politische Richtung entschieden und die Politik der Minderheit abgelehnt. Chamenei sagte darauf, es sei falsch, die Bevölkerung in Gegner und Befürworter einzuteilen. Niemand dürfe die Wahl zu seinen Gunsten verbuchen. Unabhängig davon, welche Person die Wähler gewählt hätten, bestehe die Bedeutung der Wahl darin, dass die Wähler mit ihrer Teilnahme an der Wahl ihre Loyalität und ihr Vertrauen gegenüber der Staatsordnung bekundet hätten. Chamenei erinnerte an die Regierungszeit des ersten Präsidenten der Islamischen Republik Abolhassan Banisadr. "Die Zeiten, in denen der Präsident die Gesellschaft polarisiert hat, dürfen sich nicht wiederholen", sagte Chamenei drohend. Banisadr wurde im Januar 1980 aufgrund von Meinungsverschiedenheiten mit Ayatollah Chomeini abgesetzt. Er flüchtete nach Frankreich und lebt seitdem in Paris. Der Hinweis war eine deutliche Warnung an Rohani.

Der Freibrief, den Chamenei den Konservativen und Radikalen ausstellte, indem er ihnen "Feuerfreiheit" gewährte, hatte unmittelbare Folgen. Der "Koordinationsrat der Hisbollah", eine Organisation, die in Krisensituationen immer zugunsten der Ultras in Erscheinung tritt, demonstrierte beim Freitagsgebet am 16. Juni mit Plakaten, auf denen es hieß, sollte es den Ordnungskräften nicht gelingen, den Eintritt von Frauen in Sportstadien zu verhindern, werde die Hisbollah das Verbot selbst durchsetzen. Am Al-Kuds-Tag, bei dem auch Rohani anwesend war, skandierte ein Teil der Kundgebungsteilnehmer: "Banisadr, Rohani, nieder mit dem amerikanischen Geistlichen (Rohani), nieder mit den Verschwörern." Die Lage wurde bedrohlich. Die Bodyguards von Rohani umringten ihn. Er musste fluchtartig die Kundgebung verlassen.

Der Appell Chameneis an seine Anhänger, aktiv zu werden und eigenmächtig zu handeln, drohte das ganze Land in Aufruhr zu bringen. Daher sah der Revolutionsführer sich genötigt, zu betonen, dass "gerade die revolutionären Kräfte darauf achten müssen, dass ihre Handlungen nicht von Feinden missbraucht werden". Was er mit seinem Appell gemeint habe, sei nichts Anderes gewesen, als dass sich jeder in seinem Bereich für die Ziele der Revolution einsetzen solle, vor allem im Bereich der Kultur. Gleichwohl ist offensichtlich, dass die Attacken Chameneis eine deutliche Warnung an Rohani waren. Die Botschaft ist, Rohani soll sich fügen und dem Revolutionsführer unterordnen. Sollte Rohani nicht nachgeben, wird die Lage in den nächsten Wochen und Monaten voraussichtlich weiter eskalieren. Die Folgen sind nicht abzusehen.


KAPITÄN DER IRANISCHEN NATIONALMANNSCHAFT FORDERT ZUGANG FÜR FRAUEN ZU SPORTSTADIEN

Der Kapitän der iranischen Fußballnationalmannschaft, Masud Schodschai, forderte Präsident Hassan Rohani auf, den seit 38 Jahren bestehenden Ausschluss von Frauen aus den Sportstadien aufzuheben. "Sie sollten die Weichen dafür stellen, dass auch Frauen künftig in die Stadien kommen können", zitierte ihn dpa in einem Bericht vom 14. Juni.

Rohani hatte die Mannschaft und ihren portugiesischen Trainer Carlos Queiroz nach dem wichtigen 2:0-Sieg gegen Usbekistan eingeladen. Mit dem Sieg qualifizierte Iran sich vorzeitig für die WM-Endrunde 2018 in Russland. Damit ist Iran neben Gastgeber Russland und Brasilien das dritte Land, das als WM-Teilnehmer feststeht.

"Ihr habt mit eurem Sieg und der frühzeitigen Qualifikation das ganze Land glücklich gemacht", sagte Rohani. "Wir alle sind stolz auf euch." Auf die Forderung Schodschais ging er nicht ein.


ZWEI MUTMAßLICHE BAHAI-MÖRDER FREIGELASSEN

Medienberichten vom 13. Juni zufolge wurden zwei Personen, die mutmaßlich einen Angehörigen der Bahai-Religion ermordet haben, freigelassen. Der 63-jährige Mann wurde am 26. September 2016 vor seinem Haus in der Stadt Yasd getötet. Die Täter gaben zunächst vor, sie wollten sein Auto kaufen, griffen ihn dann mit Messern an und töteten ihn. Nach Auskunft des Bahai-Weltzentrums handelt es sich bei den zwei mutmaßlichen Mördern um Brüder. Sie hätten erklärt, aus religiöser Überzeugung und ermuntert durch Geistliche, die die Bahais als Feinde des Islam bezeichnet hätten, gehandelt zu haben. Der Vater der beiden Brüder habe gegen einen Geistlichen Anzeige erstattet.

Die Gerichtverhandlung gegen die Täter fand am 3. Mai 2017 hinter verschlossenen Türen statt. Dem Bericht zufolge habe einer der Täter erklärt: "Wir wollten einen Bahai töten. Wir haben gehört, Bahais sind Abtrünnige, sie haben dem Islam den Rücken gekehrt. Sie zu töten, ist eine religiöse Wohltat." Der andere habe gesagte, ihr Plan sei gewesen, einen Bahai zu töten, egal welchen. Beide Brüder hätten erklärt, sie würden, sollten sie freigelassen werden, wieder einen Bahai töten.

Die beiden Täter wurden gegen Kaution freigelassen. In der Erklärung der Bahai-Gemeinde heißt es, der Beschluss sei hässlich und bedauernswert. "Wie kann ein gerechtes Rechtssystem zwei Personen, die einen unschuldigen Menschen allein wegen seiner religiösen Überzeugung getötet haben und geneigt sind, ihre Taten fortzusetzen, freilassen und ihnen gestatten, sich frei in der Gesellschaft zu bewegen?"

Der Familie des Ermordeten wurde der Erklärung der Bahai-Gemeinde zufolge seitens der "Verantwortlichen" gedroht, sie würden "Schwierigkeiten bekommen", sollten sie ihre Klage gegen die Täter nicht zurücknehmen.


FRAUEN WIEDER MIT SÄURE ATTACKIERT

Wie die dpa am 8. Juni unter Berufung auf die Nachrichtenagentur Fars meldete, wurden 16 Frauen in Teheran von einem Motorradfahrer mit Säure attackiert. Über die Motive des Täters gibt es bislang keine Informationen.

Solche Attacken waren in den ersten Jahren nach der Gründung der Islamischen Republik nicht selten. Frauen, die die islamische Kleidungsvorschriften missachteten, wurden mit Säuere überschüttet. Die Attacken hörten allmählich auf. Erst vor drei Jahren wurden in der Stadt Isfahan mehrere Frauen wieder mit Säure angegriffen, was im ganzen Land heftige Proteste auslöste. Auch die Staatsführung verurteilte das Verbrechen. Eine Studentin erblindete auf einem Auge.

In der Islamischen Republik bestehen für Frauen strenge Kleidungsvorschriften. Doch immer weniger Frauen nehmen diese ernst.


FAST DREI MILLIONEN DROGENSÜCHTIGE IN IRAN

Parvis Afschar, Sprecher der "Truppe gegen Drogen", sagte am 25. Juni vor der Presse, die neueste Studie zeige, dass unter den 15-65-Jährigen 2,808 Millionen drogensüchtig seien. Demnach habe die Drogensucht unter Berücksichtigung des Bevölkerungswachstums nicht zugenommen. Sie habe sogar abgenommen. Diese Aussage ist erstaunlich. Denn nach den vor fünf Jahren erhobenen Statistiken lag die Zahl der Drogensüchtigen damals bei 1,325 Millionen.

Said Saffaria, Mitglied des Schlichtungsrats und zuständig für Drogenangelegenheiten, sagte, die offiziell angegebene Zahl 2,808 Millionen könne nicht stimmen, die tatsächliche Zahl der Drogensüchtigen liege um 20 bis 30 Prozent höher. Das wären rund 3,5 Millionen. Zudem meinte er, auch unter Einbeziehung des Bevölkerungswachstums könne kein Rückgang der Drogensucht festgestellt werden. Denn innerhalb der letzten fünf Jahren sei die Zahl der Bevölkerung um nur fünf Prozent gestiegen, während sich die Zahl der Drogensüchtigen während dieser Zeit verdoppelt habe.

Dr. Hassan Redschai, der auf Drogensucht spezialisiert ist, meinte, die tatsächliche Zahl der Drogensüchtigen könne in Iran nicht genau festgelegt werden. Dies wäre nur dann möglich, wenn Gesellschaft und Staat alle Aspekte der Drogensucht berücksichtigen würden. Und er fügte hinzu: "Die Heilung der Drogensucht ist von einer positiven Zukunftsperspektive abhängig. Sobald sich in der Gesellschaft eine Zukunftsperspektive zeigt, kommen mehr Menschen zu uns, um ihre Sucht zu heilen."

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KULTUR

• Iran legt "Sustainable Development Goals" zu den Akten
• Autorin Vafi erhält den LiBeraturpreis


IRAN LEGT "SUSTAINABLE DEVELOPMENT GOALS" ZU DEN AKTEN

Der Rat der Kulturrevolution hat laut iranischen Medien am 13. Juni die von der Unesco verabschiedeten nachhaltigen Entwicklungsziele ("Sustainable Development Goals"), die bis zum Jahr 2030 umgesetzt werden sollen, nach heftiger Kritik des Revolutionsführers Ali Chamenei zu den Akten gelegt.

"Dieses Dokument der Unesco ist kein Dokument, das die Islamische Republik akzeptieren könnte", hatte Chamenei im vergangenen Monat vor einer Versammlung von Lehrern und Angestellten gesagt. "Es ist grundsächlich falsch, ein solches Dokument zu unterzeichnen und es danach still und heimlich umzusetzen. Das ist absolut nicht erlaubt."

Die Kritik Chameneis richtet sich vor allem auf das vierte Nachhaltige Entwicklungsziel "Bildung für alle", dass 2015 im Rahmen der Agenda 2030 für eine nachhaltige Entwicklung von der UN beschlossen wurde. Die Umsetzung dieses Ziels wird federführend von der Unesco koordiniert und sieht u.a. vor, dass Mädchen und Jungen einen gleichberechtigten Zugang zu Bildung bekommen, ebenso wie Minderheiten und Kinder mit geistigen oder körperlichen Einschränkungen.

Der Rat der Kulturrevolution legte statt des von der Unesco beschlossenen Dokuments ein eigenes Dokument mit dem Titel "Dokument zu einer fundamentalen Entwicklung der Schulung und Erziehung" als Richtlinie für die künftige Kulturpolitik vor. Einige Zeitungen berichteten, dass der Beschluss einstimmig gefasst worden sei, also auch mit der Zustimmung des Präsidenten, der gleichzeitig Vorsitzender des Rats ist. Während des Wahlkampfs hatte Rohani die Unterzeichnung des Unesco-Dokuments durch die iranische Regierung verteidigt und den Kritikern vorgeworfen, falsche Informationen über das Dokument verbreitet zu haben.

Auch Justizchef Sadegh Laridschani übte scharfe Kritik an der Regierung. Er erwarte, dass die Regierung provokative Äußerungen und Rechtfertigungsversuche unterlasse, und die volle Verantwortung (für den Fehler) übernehme, sagte er. Er zeigte sich erstaunt über die "Behauptung" der Regierung, sie habe die Justiz über die Einzelheiten des Unesco-Dokuments informiert. Richtig sei, dass der Justizchef erst nach der Unterzeichnung des Dokuments durch die Regierung über die Gründung einer Arbeitsgruppe informiert worden sei. Es sei für ihn nicht nachvollziehbar, dass man dieses Dokument unterzeichnet habe, obwohl "unser Land selbst ein Dokument zur Entwicklung und Schulung besitzt, das auf islamischen und revolutionären Werten basiert."

Regierungssprecher Mohammad Bagher Nobacht gab bekannt, dass der Etat des Ministeriums für Schulung und Erziehung nach dem Beschluss des Rats der Kulturrevolution aufgestockt worden sei.

Obwohl das Unesco-Dokument nun endgültig zu den Akten gelegt worden ist, legte Chamenei noch einmal mit seiner Kritik nach. "Jene, die meinen, das Dokument sei nicht verpflichtend, haben eine oberflächliche Sicht. Es handelt sich um ein Dokument, dass arrogante Mächte zusammengebastelt haben, um andere Länder zu kontrollieren", sagte Chamenei am 21. Juni bei einem Treffen mit Hochschullehrern. "Sie (die Mächte) haben kein Recht, über Überzeugungen, Tradition und Kultur anderer Völker zu entscheiden."


AUTORIN VAFI ERHÄLT DEN LIBERATURPREIS

Laut einem Bericht des epd vom 12. Juni geht der diesjährige LiBeraturpreis an die iranische Autorin Fariba Vafi. Demnach teilte die Fördergesellschaft Litprom in Frankfurt mit, die meisten Leser hätten bei der Wahl zwischen zehn Kandidatinnen für die 55-jährige Vafi gestimmt. Der Publikumspreis, der mit 3.000 Euro dotiert ist, wird am 14. Oktober auf der Frankfurter Buchmesse verliehen.

Nach Ansicht der Jury erzählt Vafis Roman "Tarlan" von einem Land, dessen Vielfalt und Geschichte in Deutschland kaum bekannt ist. Bei der Aufnahme in die Bestenliste hieß es: "Der Schah hat abgedankt, das Land ist im Umbruch. Auch die junge Tarlan sucht ihren Weg in den Umwälzungen. Eher aus Frust denn aus Lust wird sie Polizistin. Was wie eine Flucht nach vorn anmutet, entpuppt sich zwischen den Zeilen als eine hintergründige Befragung der Revolutionsgeneration und ihrer Rollenbilder aus Sicht der Frau. Ein leiser Roman, der es in sich hat."

Im Iran gehört Vafi zu den beliebtesten Autorinnen, schreibt Litprom. Sie sei mit mehreren Preisen ausgezeichnet worden, unter anderem mit dem Huschang-Golschiri-Preis. Die Übertragung von "Tarlan" ins Deutsche stammt von Jutta Himmelreich.

Vafi sei in der iranischen Literatur eine Ausnahmeerscheinung, "ihre Frauenfiguren analysieren selbstbewusst vorgeschriebene Rollenbilder und suchen sich ihren eigenen Weg", heißt es bei Litprom.

Die Autorin Maryam Aras stellt den Roman "Tarlan" wie folgt vor: "Tarlan macht sich während ihres Aufenthalts in der Kaserne Notizen für ein 'Panorama' und ein 'Schwarzbuch', das sie schreiben will. Und genau ein solches Panorama über die junge iranische Republik aus weiblicher Sicht ist der Autorin Fariba Vafi mit ihrem zweiten Roman gelungen. Wie im 'Kellervogel' besticht den Leser auch hier eine distanzierte und unaufgeregte Erzählweise, die allerdings auch nötig ist, um Tarlans Emanzipation zur damaligen Situation sachlich zu schildern - mit all den Restriktionen infolge gesellschaftlicher Konventionen, aber auch infolge der politischen Entwicklung."

In einem Interview mit Aras sagte Vafi: "Die Identität der Frauen im Iran hat sich in den letzten Jahren sehr gewandelt, das dürfte jedem klar sein, der sich in der iranischen Gesellschaft umsieht. Diese Veränderung hat auf vielen verschiedenen Ebenen stattgefunden. Die größte Veränderung ist wahrscheinlich das starke Selbstbewusstsein der Frauen, das heute überall spürbar ist."

Der LiBeraturpreis ist ein Publikumspreis, mit dem seit 2013 Autorinnen aus Afrika, Asien und Lateinamerika ausgezeichnet werden. Der Preis soll den Zugang von Autorinnen zum deutschen Buchmarkt fördern, auf dem Autorinnen aus diesen Ländern unterrepräsentiert sind.

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WIRTSCHAFT

• Laut Zentralbank 12,5 Prozent Wirtschaftswachstum
• Iranische Airline kauft 30 Boeing-Mittelstreckenjets
• Iran strebt Freihandelsabkommen mit Eurasischer Wirtschaftsunion an
• IAEA erklärt, Iran habe seine Verpflichtungen eingehalten
• Neue unterirdische Raketenfabrik gebaut
• Noch keine Erlaubnis für selbstfahrende Autos


LAUT ZENTRALBANK 12,5 PROZENT WIRTSCHAFTSWACHSTUM

Laut Angabe der iranischen Zentralbank verzeichnete die iranische Wirtschaft im vergangenen Jahr (März 2016 bis März 2017) ein Wachstum von 12,5 Prozent. Nimmt man aber den Ölexport heraus, bleibt nur noch ein Wachstum von 3,3 Prozent. Dem Bericht der Bank zufolge stieg das Bruttosozialprodukt von 594.000 Milliarden Tuman (3.300 Tuman entsprechen 1 Euro) innerhalb eines Jahres auf 669.000 Milliarden Tuman. Die Ölindustrie hatte mit 9,8 Prozent den höchsten Anteil an dem 12,5 Prozent Wachstum der Wirtschaft. Die Landwirtschaft verzeichnete ein Wachstum von 3 Prozent, die Industrie 6 Prozent und die Dienstleitungen 1,9 Prozent.

Im Jahr davor verzeichnete die Ölindustrie lediglich ein Wachstum von 1,1 Prozent und die Landwirtschaft ein Wachstum von 0,3 Prozent. Alle anderen Bereiche lagen unter dem Wert des Jahres davor. Das Wachstum der Ölindustrie ist laut dem Bericht der Bank auf die Aufhebung der gegen Iran gerichteten Sanktionen zurückzuführen. Vor der Aufhebung des Ölembargos lag der Ölexport bei weniger als einer Million Barrel pro Tag, nach der Aufhebung konnte Iran mehr als 2,5 Millionen Barrel Öl pro Tag exportieren.


IRANISCHE AIRLINE KAUFT 30 BOEING-MITTELSTRECKENJETS

Die iranische Fluggesellschaft Aseman hat mit dem US-Flugzeugbauer Boeing am 11. Juni einen Vertrag für die Lieferung von 30 Mittelstreckenjets unterzeichnet. Wie die dpa berichtete, geht es bei den Maschinen um die modernisierte Neuauflage des Typs 737 MAX. Der Wert des Auftrags liegt bei rund drei Milliarden US-Dollar. Bereits im April hatte Boeing die Kaufabsicht der Iraner bekannt gegeben.

Dem Bericht zufolge sagte Aseman Airlines Chef, Hossein Alai, die Lieferung der Maschinen solle zwischen 2022 und 2024 erfolgen. Es gebe zudem eine Kaufoption über weitere 30 Maschinen.

Bereits Ende vergangenen Jahres hatte die staatliche Fluggesellschaft Iran Air mit Boeing die Lieferung von 80 Jets vereinbart. Auch Airbus erhielt nach der Aufhebung der Sanktionen gegen Iran einen Großauftrag über die Lieferung von 100 Mittelstreckenjets vom Typ Airbus A321. Die erste Airbus-Maschine traf bereits im Januar in Teheran ein.

Irans Luftflotte bedarf dringend einer Erneuerung. Daher begannen iranische Fluggesellschaften sogleich nach der Aufhebung der Sanktionen mit Verhandlungen über den Kauf neuer Maschinen. Nun sind einige Verträge abgeschlossen. Dennoch ist ein Scheitern nicht ausgeschlossen. Dies könnte der Fall sein, wenn die US-Regierung das 2015 vereinbarte Atomabkommen in Frage stellen oder neue Sanktionen gegen Iran verhängen würde.

Einer Meldung der dpa vom 22. Juni zufolge hat Airbus auf der Luftfahrtmesse in Paris bekannt gegeben, dass die iranische Fluggesellschaft Zagros Airlines zwanzig Mittelstreckenjets von Typ A320neo und acht Langstreckenmaschinen vom Typ A330neo zu kaufen beabsichtige. Die Bestellung hat ein Gesamtvolumen von 4,2 Milliarden Dollar. Das ist allerdings nur der Listenpreis. Bei Großaufträgen kommt es in der Regel zu Preisnachlässen im zweistelligen Prozentbereich.


IRAN STREBT FREIHANDELSABKOMMEN MIT EURASISCHER WIRTSCHAFTSUNION AN

Einem Bericht der Agentur Reuters vom 2. Juni zufolge ist Iran bestrebt, ein Freihandelsabkommen mit der von Russland dominierten Eurasischen Wirtschaftsunion (EEU) zu vereinbaren und dem Bündnis perspektivisch auch selbst beizutreten. Die EEU wurde 2015 gegründet. Ihr gehören Russland, Armenien, Weißrussland, Kasachstan und Kirgisistan an.

Ferner berichtete die Agentur von der Unterzeichnung einer Absichtserklärung über die Zusammenarbeit des österreichischen Energiekonzerns OMA und der russischen Gasprom-Öltochter Neft mit dem staatlich-iranischen Ölkonzern NIOC bei der Erschließung von Ölvorkommen in Iran. Die Zusammenarbeit bestehe erst einmal in der Analyse, Bewertung und Studie von bestimmten Öllagerstätten.

Der österreichische Ölkonzern, der seine Aktivitäten in Iran 2001 begonnen und sie 2006 wegen den gegen Iran verhängten Sanktionen gestoppt hatte, hat nach dem Atomabkommen von 2015 und der Aufhebung der Sanktionen die Arbeit im Land wiederaufgenommen und mit der NIOC Vereinbarungen über eine erneute Zusammenarbeit getroffen.


IAEA ERKLÄRT, IRAN HABE SEINE VERPFLICHTUNGEN EINGEHALTEN

In ihrem jüngsten, am 2. Juni veröffentlichen Quartalsbericht erklärte die Internationale Atomenergiebehörde (IAEA), Iran habe alle ihm im Atomabkommen von 2015 auferlegten Verpflichtungen erfüllt.

Laut den Agenturen, die nach eigenen Angaben Einsicht in den geheimen Bericht an die IAEA-Mitglieder erhalten haben, liegt der Vorrat an schwerem Wasser mit 128,2 Tonnen unter der vereinbarten Grenze von 130 Tonnen. Die Festlegung war erfolgt, weil mit dem schweren Wasser Plutonium hergestellt werden kann, das zur Herstellung von Atombomben dienen könnte. Die Obergrenze von 130 Tonnen stellt sicher, dass Iran zumindest ein Jahr brauchen würde, um eine Bombe bauen zu können. Das gilt auch für die Menge an angereichertem Uran. Dem Bericht der IAEA zufolge hat Iran 79,8 Kilogramm schwach angereichertes Uran (unter 3,67 Prozent) gelagert, was weit unter der festgesetzten Obergrenze von 203,8 Kilogramm liegt.


NEUE UNTERIRDISCHE RAKETENFABRIK GEBAUT

Wenige Stunden bevor der außenpolitische Ausschuss des US-Senats die Gesetzvorlage zum "Kampf gegen die destabilisierende Rolle Irans in der Region" behandelte, berichteten iranische Revolutionsgarden von der Fertigstellung einer dritten unterirdischen Raketenfabrik und dem baldigen Bau einer neuen ballistischen Rakete.

Der Oberkommandierende der Luftwaffe, General Amirali Hadschisadeh, sagte: "Wir werden mit aller Kraft unser Raketenprogramm fortsetzen, ohne Furcht vor amerikanischen Finanzspekulanten" (Gemeint ist wohl US-Präsident Donald Trump). Die nächste Boden-Boden-Rakete werde "Desful" heißen, sagte der General. Mit Blick auf den jüngsten großen Waffendeal zwischen den USA und Saudi-Arabien erklärte er: "Wir sind nicht verärgert über den Waffenkauf. Denn so wie einst ein Teil, der an Irak gelieferten Waffen von uns beschlagnahmt wurde, so werden wir auch eines Tages diese Waffen gegen das zionistische Regime einsetzen."


NOCH KEINE ERLAUBNIS FÜR SELBSTFAHRENDE AUTOS

Einem Bericht der Agentur Tasnim vom 17. Juni zufolge werde die Polizei vorläufig keine Genehmigung für die Nutzung von selbstfahrenden Autos im Straßenverkehr erteilen. Zwar sei das erste Fahrzeug ohne Fahrer "erfolgreich" getestet worden, aber die Polizei begründete das Fahrverbot mit dem Fehlen entsprechender Verkehrsvorschriften. Die Erlaubnis werde erst dann erteilt, wenn Parlament und Regierung konkrete Vorschriften für selbstfahrende Autos beschlossen und diese der Polizei mitgeteilt hätten.

Das erste selbstfahrende Auto wurde im vergangenen Monat auf dem Gelände der "Stiftung für Technik und Technologie des Persischen Golfs" getestet. Hier wurde das Auto innerhalb von drei Jahren fertiggestellt.

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AUSSENPOLITIK

• US-Außenminister Tillerson: "Unser Ziel ist ein friedlicher Machtwechsel in Iran"
• US-Senat beschließt weitere Sanktionen gegen Iran
• CIA ernennt Top-Agenten für Leitung von Iran-Operationen
• Auseinandersetzung um angebliche Auslieferung Soleimanis
• Geheime Dokumente zum Putsch gegen Mossadegh veröffentlicht
• Internationale Stellungnahmen zu den Anschlägen in Teheran
• Konflikt zwischen Iran und Saudi-Arabien
• Iran und die Katar-Krise
• Chamenei gegen Referendum im irakischen Kurdistan
• Terroranschlag in London verurteilt
• Wrack einer iranischen Drohne in Pakistan gefunden
• Irans Außenminister Sarif in Berlin


US-AUßENMINISTER TILLERSON: "UNSER ZIEL IST EIN FRIEDLICHER MACHTWECHSEL IN IRAN"

US-Außenminister Rex Tillerson sagte am 14. Juni im Auswärtigen Ausschuss des Repräsentantenhauses: "Unser Ziel ist ein friedlicher Machtwechsel in Iran. (...) Wir haben unsere Politik gegenüber Iran noch nicht vollständig ausgearbeitet und unseren Plan dem Präsidenten noch nicht vorgelegt. Aber ich versichere Ihnen, dass wir die Konflikterzeugende Präsenz Irans in der Region genau beobachten."

"Unsere Politik gegenüber Iran besteht darin, den iranischen Einfluss in der Region zurückzudrängen, seine Fähigkeit zum Bau von Nuklearwaffen unter Kontrolle zu halten und Kräfte im Innern des Landes zu unterstützen, die einen friedlichen Machtwechsel ermöglichen. Und wir wissen, dass solche Kräfte existieren", sagte Tillerson weiter. Er hatte Iran wenige Tage zuvor als Unterstützerstaat der Terroristen bezeichnet.

Auch US-Verteidigungsminister James Mattis hatte die Rolle Irans in der Region als destabilisierend bezeichnet. "Wo immer es Probleme gibt, sind Irans Spuren zu sehen", sagte er.

Auf diese Vorwürfe reagierte Revolutionsführer Ali Chamenei am 22. Juni mit den Worten: "Seit einiger Zeit werfen uns die Amerikaner vor, die Region zu destabilisieren. Wir antworten ihnen, 'was habt ihr hier überhaupt zu suchen, ihr seid doch diejenigen, die die Region destabilisiert haben'".

Das Teheraner Außenministerium warf der USA Einmischung in die inneren Angelegenheiten Irans vor. "Die Worte des US-Außenministers verstoßen gegen internationale Gepflogenheiten und Rechte und sind scharf zu verurteilen", sagte der Sprecher des Ministeriums, Bahram Ghassemi, am 15. Juni der Presse. Der Versuch, das einheitliche iranische Volk zu spalten und innere Konflikte zu erzeugen, gehöre zu denselben unausgegorenen Plänen und unerfüllten Hoffnungen, die in den vergangenen vier Jahrzehnten existierten. Ghassemi warf den Vereinigten Staaten vor, seit 1950 auf verschiedenen Wegen versucht zu haben, sich in die inneren Angelegenheiten Irans einzumischen. Diese Versuche hätten in der iranischen Bevölkerung Hass erzeugt und dem Ansehen der USA in der ganzen Welt schwer geschadet. Ghassemi empfahl der US-Regierung, ihre feindliche Iran-Politik zu beenden. Der einzig gangbare Weg sei, die Realitäten Irans und der Region wahrzunehmen, Drohungen zu unterlassen und sich nicht in die Angelegenheiten anderer Länder einzumischen.

Indes erklärte der Generalsekretär des Nationalen Sicherheitsrats, Ali Schamchani, am 19. Juni, die Gruppe zur Überwachung des Atomabkommens im iranischen Parlament werde "alle vorhandenen Kapazitäten mobilisieren", um gegen die feindliche Politik der USA vorzugehen. Er griff die USA scharf an. Der Islamische Staat und die Extremisten in den USA seien "zwei Seiten einer Medaille", sagte er. Die Äußerungen Tillersons bezeichnete er als "moderne Barbarei".

Noch schärfer äußerte sich Chamenei zu den Worte Tillersons. "Jene, die vor kurzem die Macht in den USA übernommen haben, gleichen jenen, die als Neulinge in den Kreis von Messerstechern eingetreten sind. Sie sind unerfahren, sie stechen überall zu, wo sie hinkommen, begreifen aber nicht, was sie tun, bis sie einen Schlag auf die Schnauze bekommen. Erst dann merken sie, was los ist und wie die Rechnung aussieht", sagte Chamenei am 18. Juni vor einer Versammlung der Angehörigen von Soldaten und Grenzbeamten, die während ihres Diensteinsatzes ums Leben gekommen sind.

Am 19. Juni wurde der Schweizer Botschafter ins Außenministerium einbestellt, um die Proteste Irans gegen die Äußerungen Tillersons entgegenzunehmen. Die Schweiz vertritt die Interessen der USA in Iran.


US-SENAT BESCHLIEßT WEITERE SANKTIONEN GEGEN IRAN

Laut Medien hat der US-Senat am 15. Juni mit einer großen Mehrheit neue Sanktionen gegen die Islamische Republik beschlossen. 98 Senatoren stimmten für und nur zwei gegen den Beschluss. Um tatsächlich umgesetzt zu werden, benötigt das Gesetz noch die Zustimmung des Repräsentantenhauses und die Unterschrift des Präsidenten. Die Senatoren warfen Iran vor, "kontinuierlich" den Terrorismus zu unterstützen, die Menschenrechte zu verletzen und die Sicherheit der gesamten Region zu bedrohen. Ferner wurde das iranische Raketenprogramm als Grund für die Sanktionen genannt. Die Vorwürfe richteten sich nicht allein gegen die Al-Kuds Brigade, die Abteilung der Revolutionsgarden für Auslandseinsätze, sondern gegen die Garden insgesamt, die als terroristische Organisation eingestuft werden sollen. Der Präsident wird aufgefordert, binnen 90 Tagen die Sanktionen gegen die Revolutionsgarden einzuleiten. Auch gegen Russland wurden Sanktionen beschlossen.

Iran bezeichnete die Sanktionen als illegal. "Die neuen Sanktionen zeigen erneut die allgemeine Feindseligkeit der USA gegenüber Iran", sagte der Sprecher des Außenministeriums Bahram Ghassemi am 16. Juni laut Medien. Das iranische Raketenprogramm diene der Verteidigung des Landes und sei völlig legitim. Ghassemi verwies auf das Atomabkommen von 2015, zu dem auch die Aufhebung der Sanktionen gegen Iran gehöre. Einseitige und neue Sanktionen stellten einen Verstoß gegen das Abkommen dar.


CIA ERNENNT TOP-AGENTEN FÜR LEITUNG VON IRAN-OPERATIONEN

Laut einem Bericht der New York Times von 2. Juni wurde der US-Agent Michael D'Andrea, der früher für die Verfolgung des 2011 getöteten Al-Kaida-Chefs Osama bin Laden verantwortlich war, zum Leiter der Operationen der CIA in Iran ernannt. Solche Ernennungen werden gewöhnlich nicht öffentlich bekannt gegeben. Daher war die CIA laut Angaben der Zeitung zu einer Stellungnahme zu der Meldung nicht bereit.

Laut Angaben der Zeitung ist der Agent sechzig Jahre alt. Er ist mit einer Muslimin verheiratet, die er während eines Auslandseinsatzes kennen gelernt hatte. Vor der Heirat war er zum Islam konvertiert. Er hatte bislang eine Schlüsselposition im Kampf gegen den islamistischen Extremismus und Terrorismus. Er war auch in der Regierungszeit von Präsident Barack Obama für die umstrittenen Drohneneinsätze zur Tötung von islamistischen Terroristen zuständig.

Nach Meinung von New York Times ist die Ernennung ein weiteres Zeichen, das auf eine härtere Gangart der US-Regierung unter Präsident Donald Trump gegen Iran hindeutet. Trump hat Iran unter anderem bereits als "Terrorstaat Nummer eins" bezeichnet.

Ernannt wurde D'Andrea vom CIA-Chef Mike Pompeo, der zu den schärfsten Gegnern Irans gehört. Bei seiner Anhörung vor dem Senat versprach er, Iran streng und genau zu beobachten und darauf zu achten, dass das Land die ihm im Atomabkommen auferlegten Verpflichtungen erfüllt.


AUSEINANDERSETZUNG UM ANGEBLICHE AUSLIEFERUNG SOLEIMANIS

Der Sprecher des Teheraner Außenministeriums Bahram Ghassemi hat auf einer Pressekonferenz am 1. Juni die Behauptung, dass Iran bereit sei, den iranischen General Ghassem Soleimani im Falle einer Aufhebung der bestehenden Finanz- und Banksanktionen an die USA auszuliefern, mit aller Schärfe zurückgewiesen. Der frühere Abgeordnete des Parlaments, Mahmud Nabawian, der zu den Gegnern der Regierung Rohani gehört, hatte behauptet, dass die Regierung sich gegenüber der finanzbehördlichen Eingreiftruppe gegen Geldwäsche, FATF, bereit erklärt habe, Personen, darunter auch General Soleimani, auszuliefern.

FATF (Financial Action Task Force on Money Laundering) ist eine internationale Institution, die 1989 zum Kampf gegen internationale Geldwäsche gegründet wurde. Seit 2001 ist sie auch für den Kampf gegen Geldquellen zuständig, aus denen Terrorgruppen finanziert werden.

Ghassemi sagte, die FATF sei eine finanzbehördliche Institution und habe mit der Auslieferung von Personen nichts zu tun. Zudem würden Auslieferungen nur an Staaten erfolgen, mit denen Iran ein entsprechendes bilaterales Abkommen habe. Er äußerte sein Bedauern über die "Zügellosigkeit", mit der "heutzutage Unwahrheiten und falsche Behauptungen" verbreitet würden.

Nabawian hatte wenige Tage zuvor den USA vorgeworfen, auch anderthalb Jahre nach dem Atomabkommen ihren Verpflichtungen nicht nachgekommen zu sein und die Finanzsanktionen gegen Iran nicht aufgehoben zu haben. "Sie haben uns überlistet. Und nun haben sie neue Bedingungen gestellt. (...) Sie haben Iran gegenüber erklärt, sie seien bereit, die Sanktionen aufzuheben, wenn Soleimani mit gefesselten Händen ausgeliefert werden würde." Dem habe ein iranischer Minister zugestimmt, behauptete Nabawian.

Auf diese Äußerung reagierte auch Außenminister Sarif. Er betonte seine Freundschaft zu Soleimani und forderte Nabawian auf, sich zu entschuldigen, andernfalls werde er eine Anzeige gegen ihn erstatten. Nabawian erklärte dagegen, er besitze keine geheimen Dokumente. Er wisse jedoch, dass die Amerikaner ihren Verpflichtungen nicht nachgekommen seien. Sie hätten die Aufhebung der Sanktionen davon abhängig gemacht, dass Iran die Forderungen der FATF erfülle und dies sei nichts anderes als die Auslieferung von Soleimani und vielen anderen. Irans Finanzminister habe auf Anordnung des Präsidenten die Mitgliedschaft bei der FATF veranlasst, einer Organisation, die die Revolutionsgarden und die Al-Kuds-Brigade wegen der Unterstützung der libanesischen Hisbollah als Unterstützer des Terrorismus eingestuft habe.

Soleimani ist Befehlshaber der Al-Kuds Brigade, einer Abteilung der Revolutionsgarden, die für Auslandseinsätze zuständig ist.


GEHEIME DOKUMENTE ZUM PUTSCH GEGEN MOSSADEGH VERÖFFENTLICHT

Erst nach 64 Jahren hat das US-Außenministerium alle Dokumente, die 1953 zum Sturz des damaligen iranischen Ministerpräsidenten Mohammad Mossadegh vorliegen, für die Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Die Dokumentation umfasst die Vorgänge in den Jahren 1951-1954, welche über die Vorbereitung und Durchführung des Putschs und über die unmittelbaren Folgen des Sturzes der Regierung Auskunft geben.

Noch vor einem Jahr hatte das Außenministerium die Erlaubnis zur Veröffentlichung der Dokumente verweigert. In den Dokumenten, die 1989 über das Verhältnis der Regierung von General Dwight D. Eisenhower zu Iran veröffentlicht wurden, fehlten die Dokumente, die den Staatsstreich betrafen, was damals zahlreiche Proteste hervorrief. Folglich erteilte der US-Kongress 1992 dem Außenministerium die Anweisung, die Geschichte der US-Diplomatie "vollständig, genau und zuverlässig" zu veröffentlichen. Erst jetzt wurden die Dokumente veröffentlicht. Bereits 2013 hatte die CIA Geheimdokumente über die eigene Rolle bei dem Putsch gegen Mossadegh veröffentlicht.

Allerdings sind die veröffentlichten Dokumente immer noch nicht ganz vollständig. Die fehlenden Dokumente seien laut CIA in den sechziger Jahren verloren gegangen. Es habe keinen Platz für ihre Archivierung gegeben. Im Vorwort eines jetzt veröffentlichten Dokuments, das von der CIA geschrieben wurde, heißt es, bereits 1952 sei klargeworden, dass zwischen der Regierung von Mossadegh und den Staaten, die im Iran Interessen hätten, keine Übereinkunft habe erzielt werden können. Ziel der "Operation Ajax" sei es gewesen, die Regierung Mossadegh zu stürzen, die Macht des Schahs wieder auszubauen und eine Regierung zu bilden, die das Land mit einer "konstruktiven Politik" regieren könne. Zudem solle es eine Regierung geben, mit der sich westliche Staaten über den Ölmarkt einigen könnten.

Den Dokumenten zufolge forderte das US-Außenministerium die CIA dazu auf, zu prüfen, ob es mögliche sei, Mossadegh durch eine geheime Operation zu stürzen. Die Antwort der CIA ist positiv. Danach erhält die CIA die Anweisung, gemeinsam mit dem britischen Geheimdienst den Sturz vorzubereiten und durchzuführen. Nach Absprachen der beiden Geheimdienste wird der Putschplan von US-Präsident Eisenhower und dem britischen Premierminister Anthony Eden genehmigt. Dann wird eine massive Propagandamaschine gegen Mossadegh und seine Regierung ins Rollen gebracht und General Fazlollah Zahedi für die Übernahme der Regierung vorbereitet. Der Schah selbst soll den Dokumenten zufolge unschlüssig gewesen sein. Daher wurde seine Schwester Aschraf Pahlawi auf ihn angesetzt, um ihn zu seiner Zustimmung zu überreden.

Der erste Putschversuch scheiterte, weil der Plan vor der Umsetzung aufgeflogen war. Der Schah verließ fluchtartig das Land, zunächst nach Bagdad und danach nach Rom. Wenige Tage nach dem erfolgreichen zweiten Versuch kehrte er ins Land zurück. Mossadegh wurde wegen "Landesverrats" zu drei Jahren Haft und lebenslangem Hausarrest verurteilt. Er starb im März 1967.

Der Putsch, der im August 1953 unter Mitwirkung der CIA, dem britischen Geheimdienst MI6 und Teilen der iranischen Militärs durchgeführt wurde, gehört zu den folgenreichsten Ereignissen der Geschichte nach dem Zweiten Weltkrieg. Für die Iraner ist der Putsch ein Trauma, das auch nach 64 Jahren noch lebendig geblieben ist. Viele Historiker vertreten die Meinung, dass der Sturz Mossadeghs, der für Unabhängigkeit und Demokratie kämpfte, und die anschließende, langjährige Diktatur des Schah-Regimes, die mit Hilfe des Westens aufgebaut wurde, folgerichtig zur Revolution von 1979 und der Herrschaft der islamischen Geistlichkeit geführt hat. Wäre Mossadegh damals nicht gestürzt worden, so die Annahme, wäre nicht nur die Geschichte Irans, sondern auch die des Nahen und Mittleren Ostens möglicherweise ganz anderes verlaufen.


INTERNATIONALE STELLUNGNAHMEN ZU DEN ANSCHLÄGEN IN TEHERAN

Die Vereinten Nationen haben die Angriffe gegen das iranische Parlament und Chomeinis Mausoleum scharf verurteilt. Ein Sprecher äußerte im Namen des UN-Generalssekretärs Antonio Guterres die Hoffnung, dass die Täter dieser "nicht zu rechtfertigenden Gewalt" bald zur Rechenschaft gezogen würden. "Alle Länder müssen zusammenarbeiten, um den Terrorismus zu bekämpfen, und gleichzeitig die universellen Rechte und Werte hochzuhalten, die die globale Gemeinschaft zusammenhalten." Auch die Mitglieder des UN-Sicherheitsrats verurteilten den "barbarischen und feigen" Terroranschlag.

Amerikas Präsident Donald Trump verurteilte die Terroranschläge in Teheran am 8. Juni, allerdings verbunden mit einer Warnung. "Wir trauern und beten für die unschuldigen Opfer der Terroranschläge in Iran und für das iranische Volk, das durch herausfordernde Zeiten geht", hieß es in einer Stellungnahme. Er wolle aber zugleich betonen, dass "Staaten, die den Terrorismus fördern, selbst zu dessen Opfer werden könnten."

Frederica Mogherini, Hohe Vertreterin der EU für Außen- und Sicherheitspolitik, erklärte, "heute ist wieder ein trauriger Tag. Ich verfolge die Nachrichten aus Teheran und stehe mit (Außenminister) Mohammad Dschawad Sarif in ständiger Verbindung."

Der russische Präsident Wladimir Putin sprach in einer Botschaft an Präsident Rohani sein Beileid aus. Er betonte die Bereitschaft Russlands, gemeinsam mit Iran den Kampf gegen den Terrorismus zu führen.

Bundesaußenminister Sigmar Gabriel bezeichnete die Anschläge als gewissenslose Verbrechen. "Wo der Terror keine Grenzen kennt, dürfen sich Mitgefühl und Menschlichkeit keine Schranken auferlegen. Wir trauern mit den Menschen in Iran", sagte er.

Auch die arabischen Medien beschäftigten sich mit den Anschlägen. Hervorgehoben wurde, dass es dem IS gelungen sei, "ins Herz der iranischen Hauptstadt" zu stoßen. Die Angriffe auf zwei sowohl politisch als auch religiös sensible Objekte deute auf die Unfähigkeit und Schwäche der iranischen Sicherheitsdienste hin, hieß es in mehreren Blättern. Iran habe sich stets damit gebrüstet, eine Insel der Stabilität zu sein. Die Anschläge zeugten jedoch vom Gegenteil. Manche Zeitungen schrieben, Iran wolle sich nun der Welt als Opfer von Terrorismus präsentieren und fordere Solidarität. Das Land werde nun seinen Kampf gegen den IS und ähnliche Terrorgruppen verstärken, hieß es.


KONFLIKT ZWISCHEN IRAN UND SAUDI-ARABIEN

Irans Außenminister Mohammad Dschawad Sarif beschuldigte laut der staatlichen Nachrichtenagentur Irna vom 13. Juni bei einem Besuch in der norwegischen Hauptstadt Oslo Saudi-Arabien, Terrorgruppen zu unterstützen. Iran habe genaue Informationen, die belegten, dass Saudi-Arabien aktiv Terroristen an den östlichen und westlichen Grenzen Irans unterstütze. Führende Politiker Saudi-Arabiens hätten öffentlich erklärt, sie werden den Krieg auf das iranische Territorium tragen, sagte Sarif. "Das ist eine direkte Drohung."

"Wir wollen, dass unsere Nachbarn, auch Saudi-Arabien und Katar, in Sicherheit leben. Iran ist bereit für dieses Ziel mit allen Nachbarstaaten zu kooperieren", sagte Sarif weiter. Er sprach sich gegen eine Außenpolitik der "Gewalt und Drohungen" aus, sie führe nicht zum Erfolg, so der Außenminister. "Wir fordern unsere Nachbarn auf, die Probleme durch Dialog und auf freundschaftliche Art und Weise zu lösen. So wie die Diplomatie und Mechanismen zur Deeskalation der Konflikte auf dem Höhepunkt des Kalten Kriegs die Probleme in Europa gelöst haben, so ähnlich ließen sich die Probleme im Nahen und Mittleren Osten auch durch Diplomatie und Dialog lösen."

Am 16. Juni gab Teheran bekannt, dass ein iranischer Fischer von der saudischen Küstenwache getötet worden sei. Der Fischer soll mit seinem Boot in saudische Gewässer eingedrungen sein. Der zuständige Abteilungsleiter im Teheraner Innenministerium, Madschid Aghababai, sagte, zwei Fischerboote seien vom Kurs abgekommen. Nicht klar sei, ob sie tatsächlich saudische Gewässer erreicht hätten. "Wie auch immer, die Küstenwache ist nicht befugt gewesen, auf die Fischer zu schießen." Er bezeichnete den Vorfall als "unmenschlich" sowie als Verstoß gegen die gängigen Regeln der Seefahrt. "Wir werden den Fall genau untersuchen", sagte er. Was mit dem zweiten Boot geschehen ist, erwähnte er nicht.

Laut iranischen Medien vom 17. Juni konnte der Sohn des getöteten Fischers sich retten und die Küste Irans erreichen. Einige Zeitungen schrieben, möglicherweise seien es mehrere Boote gewesen, über deren Schicksal noch nichts bekannt sei.

Der Vorfall erhöhte die bestehende Spannung zwischen den beiden Staaten. Zusätzlich befeuert wurden die Spannungen durch eine Meldung des arabischen Senders "Al-Arabia" vom 19. Juni. Darin heißt es, dass drei iranische Soldaten, Mitglieder der iranischen Revolutionsgarden, festgenommen wurden, nachdem sie in saudische Gewässer eingedrungen waren. Das Boot der Männer sei mit Waffen beladen gewesen. Dem Sender zufolge werde der Vorfall vom saudischen Innenministerium als Versuch eines Terroranschlags bewertet. Zwei weitere Boote sollen der Küstenwache entkommen sein.

Iran dementierte mit Entschiedenheit die Darstellung der saudischen Regierung. Es handele sich wohl um die zwei Fischerboote, sagte Aghababai. Am 21. Juni verlangte Iran von Saudi-Arabien, die drei festgenommenen "Fischer" sofort freizulassen.

Am 27. Juni attackierte Revolutionsführer Ali Chamenei die saudische Führung, bezeichnete sie als "Idioten" und "Milchkühe der Amerikaner". "Diese Idioten glauben, mit Geld die Freundschaft der Gegner des Islam gewinnen zu können", sagte er laut der Agentur Fars mit Blick auf den Waffendeal zwischen den USA und Saudi-Arabien in Höhe von 110 Milliarden US-Dollar. Die saudische Führung sei ein "unfähiger und nutzloser Haufen", der das Los eines Teils der Muslime bestimme. Die Politik, die sie eingeschlagen hätten, werde zum Kollaps des Regimes führen.


IRAN UND DIE KATAR-KRISE

Wenige Tage vor dem Abbruch der diplomatischen Beziehung zwischen Katar und einigen arabischen Staaten Anfang Juni, führte der Emir von Katar, Scheich Tamim bin al Thani, ein Telefongespräch mit dem gerade wieder gewählten iranischen Präsidenten Hassan Rohani. "Unsere Beziehung mit der Islamischen Republik basiert auf einer langen Tradition, sie ist stabil und wir wünschen, dass diese Beziehung mehr als je zuvor gestärkt und ausgebaut wird", sagte er am 27. Mai. Es gebe dafür keinerlei Hindernisse und er habe seiner Regierung die Anweisung erteilt, alle Möglichkeiten zu nutzen, um den Ausbau voranzutreiben.

Zwar sind die Beziehungen der Islamischen Republik zu dem Emirat jenseits des Persischen Golfs nicht frei von Konflikten, sie sind aber weit besser, stabiler und freundlicher als die zu den meisten anderen arabischen Staaten. Die beiden Länder, Iran und Katar, die zu den weltweit größten Gasproduzenten gehören und gemeinsame Gasfelder besitzen, konkurrieren miteinander auf den Weltmarkt. Das hinderte Katar aber nicht daran, den Vorschlag Irans, eine Organisation der Gasproduzierenden Länder, ähnlich der OPEC, zu unterstützen, um strategisch gemeinsam vorgehen zu können.

Als Saudi-Arabien und andere Mitglieder des Golfkooperationsrats in der Zeit der Regierung von Präsident Mahmud Ahmadinedschad die Pläne Israels und der USA für einen Militärschlag gegen die iranischen Atomanlagen unterstützten, unterzeichnete Katar ein Abkommen mit Teheran über eine enge Kooperation in Angelegenheiten der Sicherheit und beim Kampf gegen den Terrorismus.

Auch im Rahmen des Golfkooperationsrats hat Katar stets eine Sonderstellung eingenommen, wenn es um Iran ging. Zum Beispiel hat Katar die Resolutionen des Rats, in denen der territoriale Anspruch der Vereinigten Arabischen Emirate auf die drei Inseln Groß-Tunb, Klein-Tunb und Abu Musa im Persischen Golf verteidigt wurde, unterzeichnet, aber nie eigenständig diesen Anspruch unterstützt.

Als Saudi-Arabien und einige andere arabische Staaten nach dem Sturm von Demonstranten auf die saudische Botschaft in Teheran 2016 ihre diplomatischen Beziehungen zu der Islamischen Republik abbrachen, setzte Katar seine politischen und wirtschaftlichen Beziehungen zu Iran ohne Abstriche fort. Das Emirat begnügte sich lediglich mit einer vorübergehenden Rückberufung seines Botschafters aus Teheran. Das war eine deutliche Abgrenzung von der feindlichen Politik Saudi-Arabiens gegenüber der Islamischen Republik. Katar bot sogar an, in dem Konflikt zwischen Teheran und Riad zu vermitteln.

Auch innerhalb der OPEC unterstütze Katar in der Regel die Position der Islamischen Republik. Während Saudi-Arabien nach der Aufhebung des Ölembargos gegen Iran zu verhindern versuchte, dass Iran die gleiche Ölmenge exportieren darf wie in der Zeit vor den Sanktionen, spielte Katar eine wichtige Rolle dabei, dass die Forderung Teherans schließlich akzeptiert wurde.

Die guten Beziehungen zwischen Katar und der Islamischen Republik stellen den eigentlichen Grund für den Konflikt zwischen den arabischen Staaten und Katar dar, der nun zum Abbruch ihrer diplomatischen Beziehungen geführt hat. Teheran hat, vermutlich nicht ohne Schadenfreude über die Spaltung der arabischen Staaten, sein Bedauern über diese Maßnahme geäußert und empfohlen, den Konflikt auf diplomatischem Weg beizulegen. "In einer Zeit, in der die Region und die ganze Welt unter den Folgen des Terrorismus und Extremismus und der Besatzung Palästinas durch das zionistische Regime zu leiden haben, ist eine Eskalation der Konflikte zwischen den Staaten der Region nicht im Interesse der beteiligten Staaten", heißt es in der Erklärung des Sprechers des Außenministeriums Bahram Ghassemi. Er forderte die Konfliktparteien auf, aus den "bitteren Erfahrungen" zu lernen und die Konflikte zu deeskalieren und zur Ruhe zurückzukehren, selbstbeherrscht, "fernab von Emotionen und gestützt auf Vernunft und Klugheit". "Der Einsatz von Sanktionen ist nicht nur erfolglos, er ist auch zu verurteilen und nicht akzeptabel", heißt es in der Erklärung vom 5. Juni.

Der Stellvertretende Kanzleichef des Präsidenten, Hamid Abutalebi, twitterte: "Spaltung und Zusammenbruch sind die ersten Ergebnisse des Schwerttanzes. Man kann nicht mit dem Schwert tanzen und flirten. Der große Bruder hat seinen Platz gewechselt. Für Saudi-Arabien, Ägypten und die Arabischen Emirate, die gegenüber einem kleinen Land so sehr verletzlich sind, gibt es keinen anderen Ausweg als die innere Demokratie und den Dialog mit anderen Staaten. Die Zeit der Stammesgesellschaften ist vorbei." Hiermit spielte er auf den Besuch Donald Trumps in Riad an, bei dem dieser an einem traditionellen saudischen Schwerttanz teilnahm.

Indes hat Iran Katar eine rasche Lieferung von Lebensmitteln angeboten. Die Nahrungsmittel könnten binnen zwölf Stunden Katar erreichen, sagte Resa Nurani, Vorsitzender der iranischen Exporteure von Landwirtschaftsprodukte am 5. Juni laut der Agentur Fars. Für die Lieferung seien drei iranische Seehäfen vorgesehen. Das bestätigte auch Katars Außenminister Mohammad bin Abdolrahman al-Thani am 8. Juni. Aber Katar habe das Angebot noch nicht angenommen. Zugleich betonte er, dass Katar seine eigenständige Politik nicht aufgeben werde. Am 11. Juni gab Irans staatliche Fluggesellschaft Iran Air bekannt, fünf Lieferungen mit Lebensmitteln nach Katar transportiert zu haben. Jede Maschine habe eine 90-Tonnen-Lieferungen von Obst und Gemüse transportiert, sagte der Sprecher der Fluggesellschaft Schahroch Nuschabadi. Die Lieferungen würden fortgesetzt, solange Bedarf bestehe. Katar bezieht rund 80 Prozent seiner Lebensmittel aus dem Ausland. Wie die Agentur Tasnim berichtete, seien auch drei Schiffe mit jeweils 350 Tonnen Lebensmitteln auf dem Weg nach Katar. Auch die Türkei beteiligte sich an der Versorgung Katars.

Irans Präsident Hassan Rohani bezeichnete die "Belagerung von Katar" am 25. Juni als unannehmbar. Er versicherte Katar in einer Erklärung, die auf der Webseite des Präsidentenbüros veröffentlicht wurde, dass seine Regierung und das iranische Volk Katar beistehen würden.

Indes stellten Saudi-Arabien und die anderen arabischen Staaten, die Katar mit einem Embargo belegt haben, Bedingungen zur Aufhebung der Sanktionen auf. Zu den dreizehn Bedingungen gehören u.a. die Schließung des Senders Al-Dschasira, die Auflösung des türkischen Militärstutzpunkts und die Minimierung der Beziehungen zu Iran.


CHAMENEI GEGEN REFERENDUM IM IRAKISCHEN KURDISTAN

Bei einem Treffen mit dem irakischen Ministerpräsidenten Haidar al-Abadi in Teheran am 20. Juni hat Irans Revolutionsführer Ali Chamenei sich gegen das geplante Referendum im irakischen Kurdistan ausgesprochen. "Die Islamische Republik ist als Nachbarstaat gegen ein Referendum, das über die Trennung eines Teils vom Irak entscheiden soll", sagte Chamenei. Jene, die ein solches Vorhaben propagierten, seien Gegner der irakischen Souveränität und Identität. Irak müsse seine Einheit bewahren. Das Land habe das Recht, seine Existenz gegen alle Kräfte zu verteidigen, die seine Einheit bedrohten.

Auch das iranische Außenministerium nahm zu dem Referendum Stellung. "Wir unterstützen grundsätzlich die territoriale Integrität des Irak und für uns ist der kurdische Teil ein Teil dieses Landes", sagte der Sprecher des Ministeriums Bahram Ghassemi am 10. Juni. Eine Abspaltung des kurdischen Teils richte sich gegen die irakische Verfassung. Zudem würde das die ohnehin schwierige Lage der Region mit zusätzlichen Problemen belasten.

Die Führung der autonomen kurdischen Gebiete im Irak hat angekündigt, das Volk am 25. September über die Unabhängigkeit vom irakischen Staat und die Gründung eines autonomen kurdischen Staates zu befragen. Die Volksbefragung soll demnach nicht nur in den drei Provinzen, die das irakische Kurdistan umfasst, durchgeführt werden, sondern auch "in einigen Gebieten außerhalb dieser Provinzen". Die kurdische Führung hat erklärt, dass die Zustimmung der Mehrheit der Bevölkerung nicht zwangsläufig die unmittelbare Trennung vom irakischen Staat zur Folge haben werde. Auch die USA und die Türkei haben sich gegen das Referendum ausgesprochen.

Al-Abadi betonte bei dem Treffen mit Chamenei außerdem, dass das irakische Volk und alle religiösen und politischen Organisationen und Strömungen sich im Kampf gegen den Islamischen Staat (IS) einig seien, die Organisation zu "entwurzeln".


TERRORANSCHLAG IN LONDON VERURTEILT

Teheran hat den Terroranschlag am 4. Juni in London verurteilt. "Der Anschlag in London und die anderen Anschläge in den letzten Tagen sind ein ernsthaftes Warnsignal", sagte der Sprecher des Außenministeriums Bahram Ghassemi. Der Terrorismus sei eine globale Angelegenheit, die auch global bekämpft werden müsse. Er mahnte "einige Regierungen", langfristige Ziele nicht für kurzfristige Interessen zu opfern.

Auch Revolutionsführer Ali Chamenei nahm zu dem Anschlag in London Stellung. Dabei warf er dem Westen eine verfehlte Strategie vor. Das Ergebnis dieser Strategie sei die Verbreitung des Terrorismus. Der Islamische Staat (IS) werde "aus seinem Entstehungsort im Irak und in Syrien vertrieben und in andere Länder getrieben - Afghanistan, Pakistan und sogar die Philippinen und europäische Länder". "Das ist ein Feuer, dass sie (die westlichen Länder) selbst entzündet haben und das nun gegen sie zurückgeschlagen wird."


WRACK EINER IRANISCHEN DROHNE IN PAKISTAN GEFUNDEN

Die pakistanischen Medien berichteten am 20. Juni, dass das Wrack einer Drohne, die vermutlich aus Iran stamme, in Pandschgur in der Provinz Belutschistan, etwa 50 Kilometer von der iranischen Grenz entfernt, gefunden worden sei.

Am 21. Juni veröffentlichte das pakistanische Außenministerium eine Erklärung, in der es hieß, die pakistanische Luftwaffe habe eine Drohne abgeschossen, die in den pakistanischen Luftraum eingedrungen und deren Herkunft nicht bekannt sei.

Pakistanische Medien zitierten den Sprecher des Außenministeriums, Nafis Sakaria, mit den Worten: "Wir haben Iran den Vorfall mitgeteilt." Eine Reaktion aus Teheran liegt bislang nicht vor.

Iran hatte Pakistan, nachdem sich Terroranschläge an der Grenze zwischen Iran und Pakistan gehäuft hatten, vorgeworfen, die Grenze nicht ausreichend zu kontrollieren. Vor etwa zwei Monaten hatte Präsident Hassan Rohani nach einem Anschlag, bei dem zehn iranische Grenzbeamten getötet worden waren, erklärt, die verantwortlichen in Pakistan hätten immer wieder versprochen, dem Treiben der Terroristen Einhalt zu gebieten. "Doch wir sind wieder Zeuge eines neuen Verbrechens." Iranische Militärs hatten zuvor gedroht, sollte Pakistan nicht ernsthafte Schritte unternehmen, um die Terroristen zu verfolgen und zu bestrafen, werde Iran die Verfolgung selbst übernehmen.


IRANS AUßENMINISTER SARIF IN BERLIN

Irans Außenminister Mohammad Dschawad Sarif traf am 26. Juni zu einem zweitägigen Besuch in Berlin ein. Auf seinem Besuchsprogramm standen Gespräche mit Bundesaußenminister Sigmar Gabriel und Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier. Hauptthemen waren die bilateralen (wirtschaftlichen) Beziehungen zwischen Teheran und Berlin, der Kampf gegen die Terrormiliz Islamischer Staat (IS), der Syrienkonflikt sowie die Krise zwischen Katar und den anderen Golfstaaten.

Zu der Krise in Katar sagte Gabriel nach dem Treffen mit Sarif laut afp vom 27. Juni: "An einer weiteren Eskalation kann niemand ein Interesse haben." Daher gehe sein "Appell an alle Beteiligten, jetzt den Konflikt nicht weiter anzuheizen, sondern Möglichkeiten zu suchen, wirklich zu direkten Gesprächen zusammenzukommen". Iran müsse als "zentraler Akteur" in der Region "eine konstruktive Rolle finden sowie die Nachbarschaft in der Region auch". Das gelte auch für andere Krisengebiete wie Syrien, Irak, Jemen und Libanon.

Sarif sprach sich gegen Sanktionen und Drohungen aus. Die Konflikte könnten nur durch Diplomatie und Dialog beigelegt werden, sagte er. Beide Politiker nannten das Atomabkommen mit Iran als ein Beispiel für einen gelungenen Versuch, Probleme auf diplomatischem Wege zu lösen.

Die Kampagne "Stop The Bomb" veröffentlichte zu dem Besuch eine Presseerklärung, die wir hier auszugsweise zitieren.

"Die Kampagne protestiert auf das Schärfste gegen den Besuch, der nur drei Tage nach dem antisemitischen Al-Quds-Tag stattfindet. Der so genannte "Quds-Tag" wurde 1979 vom iranischen Revolutionsführer Chomeini als alljährlicher politischer Kampftag für die Eroberung Jerusalems und Vernichtung Israels etabliert.

Zarifs Außenministerium hat vor drei Tagen eine Stellungnahme gegen das 'antimenschliche, kindermordende und kriminelle zionistische Regime' veröffentlicht und im Namen von Chomeini zum Quds-Marsch aufgerufen. Auch Präsident Hassan Rohani nahm wie jedes Jahr an dem Aufmarsch in Teheran teil und verkündete den 'Hass auf das usurpatorische zionistische Besatzungsregime'."

Die Sprecherin der Kampagne, Ulrike Becker, begründete ihren Protest gegen die Einladung Sarifs mit den Worten: "Mit dieser Einladung setzt die Bundesregierung den skandalösen Kurs des deutschen Außenministeriums gegenüber dem iranischen Holocaustleugner-Regime fort. Eine Partnerschaft mit dem iranischen Regime bedeutet immer auch, die ideologische Basis des Regimes zu akzeptieren und damit zu legitimieren, und das ist der antizionistische Antisemitismus."

Weiterhin sagte Becker: "Die Bundesregierung muss aufhören, als Schutzschild der iranischen Regierung zu agieren: Sie darf kein Partner eines Regimes bleiben, das die gesamte mittelöstliche Region mir Krieg überzieht. Statt den Terrorpaten in Teheran zu helfen, sollte sich die Bundesregierung an die Seite von Säkularen und Demokraten aus dem Mittleren Osten stellen, die auch dieses Jahr wieder zahlreich bei den Protesten gegen den Al-Quds-Marsch in Berlin präsent waren."

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Autor: Bahman Nirumand
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Quelle:
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veröffentlicht im Schattenblick zum 5. Juli 2017

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