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GUTE-NACHT/2250: Dachböden, alte Kleiderschränke und mehr (SB)


Das alte Schulhaus im Februar

Kleiderschränke auf dem Dachboden


Am Morgen dunkle Nebelschleier wechseln gegen Mittag mit der Sonne ab. Sie sucht auch auf dem Dach des alten Schulhauses und der daneben stehenden Halle nach den Resten von Reif und Schneematsch, die sich in der Nacht auf Autos und Dächern niedergelassen haben. Auch die Zweige der Bäume sucht sie danach ab und findet stattdessen die aufbrechenden Knospen vor. Unter der braunen Schale der Knospen kommt lichtes Grün zum Vorschein. Leise kündigt dieses zarte Grün den nahenden Frühling an.


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Auf dem Bau neben der Schule tut sich was. Vielleicht wollen die Dachdecker noch vor dem Sonntag das Dach eingedeckt haben. Die Balken der Dachspitze stehen schon und sind auch bereits mit den waagerecht über dem Mauerwerk liegenden Balken verschraubt. Die Dachlatten, auf denen die Ziegel zu liegen kommen werden, sind ebenfalls schon angenagelt. Gleichzeitig mit den Latten wurde eine schwarze Plane gleich zwischen die dicken Balken und die Dachlatten befestigt. Vielleicht dient sie zum Schutz gegen Feuchtigkeit und Kälte, denn der Dachboden soll sicher zu Räumen gleich mit ausgebaut werden. So einen großen Stauraum hält sich heutzutage kaum jemand.

Das meint auch Großmutter, die gerade mit Anna vorbeikommt und neugierig zum Neubau hinüberschaut. "Ein großer Boden wird das", meint sie, "da kann man gut Wäsche drauf trocknen. Aber wahrscheinlich wird das kein Dachboden, sondern ein Wohnraum. Heutzutage gibt es kaum noch Böden mit uralten Schränken, in denen alte Kleider und Mäntel stecken, die sich hervorragend zum Verkleiden eignen." Anna hört aufmerksam zu. Bestimmt erzählt Großmutter gleich wieder von früher. Das mag Anna besonders gern. Deshalb fragt sie: "Hattet ihr denn einen Dachboden mit alten Sachen?" Großmutter strahlt: "Aber klar. Mindestens vier Schränke standen dort oben auf dem Dachboden, und sie waren voller Mäntel, langer Kleider - Omasachen nannten wir sie - und hochhackiger Schuhe. Ein Petticoat war auch dabei und ein langes, hellblaues Abendkleid von meiner Mutter. Wir haben so oft feine Damen gespielt, daß wir fast nur noch in diesen hochhackigen spitzen Stöckelschuhen steckten und Mutter uns schließlich verbot, diese anzuziehen. Wir würden uns noch damit die Füße verderben."

"Schade, daß wir keinen Dachboden haben", trauert Anna, "aber dafür darf ich ja manchmal bei dir stöbern." Anna freut sich und hängt sich bei Großmutter ein. "Wann gehst du mal wieder auf deinen Dachboden?" fragt sie neugierig. Großmutter antwortet: "Es dauert sicher nicht mehr lange. Langsam wird es schon immer wärmer. Da werde ich wohl bald meine dicken Wintersachen auf den Boden bringen und die Frühlings- und Sommersachen herunterholen. Das ist eine gute Gelegenheit für dich, mal wieder auf meinem Dachboden zu spielen." Anna nickt und freut sich schon darauf. "Hast du auch noch das Abendkleid von deiner Mutter?" fragt Anna. "Nein, leider. Es wäre heute wieder topmodern. Doch deine Urgroßmutter hat es irgendwann einmal weggegeben. Aber ich weiß einfach nicht warum. Irgendwelche Erinnerungen bewegten sie wohl dazu." Was das wohl gewesen sein mochte? Anna wird an diesem Abend noch lange darüber nachgrübeln.


Gute Nacht