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GUTE-NACHT/2602: Der Schrei (SB)


Der Schrei

Streit gibt es zwischen Marci und Mara, den beiden Geschwistern, eher selten. Doch heute ist Marci wirklich sauer: "Du wolltest mich doch beobachten, wenn ich schlafe. Wir haben extra das Licht angelassen. Dennoch bist du eingeschlafen, aber nur weil du dich ins Bett verzogen hast. Du bist doch wirklich ein Angsthase. Heute kannst du schlafen und ich schaue dir dabei zu."

Mara protestiert. Sie will kein Angsthase sein: "Laß es mich noch einmal probieren. Ich kuschele mich auch nicht wieder in mein Bett. Damit ich nicht friere, lasse ich meine Sachen unter dem Bademantel an." Marci fragt verwundert: "Warum willst du denn den Bademantel über deiner Kleidung tragen? Der ist auch nicht gerade warm!"

"Und was ist, wenn Mama kommt und ich noch angezogen bin?" fragt Mara zurück. "Das stimmt!", erkennt Marci, "dann wirst du auf jeden Fall sofort dein Nachthemd anziehen sollen und mußt gleich ins Bett." Marci überlegt einen Moment: "Also gut, du kannst mich bewachen und mir, wenn ich träume, Fragen stellen."

Nach dem Zähneputzen sagen beide Kinder ihren Eltern gute Nacht. Mama verspricht, noch einmal nach ihnen zu sehen. Mara gähnt ganz lang und Marci versichert, daß auch er müde sei, Mama brauche gar nicht nach ihnen zu schauen. "Dann laßt aber bitte die Tür einen Spalt offen", wünscht Mama und drückt die beiden noch einmal.

"Warum sollen wir denn bloß die Tür auflassen", schimpft Marci. "Damit sie hört, ob wir auch wirklich schlafen", entgegnet Mara. "Na, da kann sie mich höchstens schnarchen hören", lacht Marci und ahmt seinen Vater beim Schlafen nach. Immer wenn dieser auf dem Sessel im Wohnzimmer einschläft, sägt er Bäume. So nennt Mama seine Geräuschkulisse.

"Pst", scheltet Mara ihren Bruder, "sonst kommt Mama wirklich gleich hoch." Während Marci nun wieder im Bett liegt und zu träumen versucht, macht es sich Mara auf dem Stuhl gemütlich. Marci hat bestimmt, da die Kinderzimmertür einen Spalt offen steht, daß diesmal das Licht im Zimmer aus bleibt. Mara steht auf und holt sich ihren dicken Teddy. "Er kann mir helfen, Wache zu schieben", denkt Mara. "Wo willst du denn hin?" fragt Marci und richtet sich im Bett auf, "wenn du hier herumschleichst, werde ich nie einschlafen können." Mara beruhigt ihren Bruder: "Ich habe ja nur meinen Teddy geholt." - "Bist ja doch ein Hasenfuß", denkt Marci, sagt es aber nicht. Er versucht, sich erneut auf das Träumen zu konzentrieren. Es scheint gar nicht so einfach zu sein, dann zu träumen, wann man es selber möchte.

"Bist du soweit?" geht es Mara durch den Kopf und fällt ihr fast von der Zunge. Doch sie kann sich gerade noch den Mund zuhalten. Denn gestern schon hatte sie ihren Bruder viel zu früh gefragt, ob er denn schon schliefe. Mara stützt ihr Kinn auf dem dicken Kopf des übergroßen Teddys, der auf ihrem Schoß sitzt, ab. Warten findet sie langweilig. Zählen will sie aber nicht wieder, denn gerade dabei war sie ja gestern abend eingeschlafen. Wie aber soll sie nun aber herausfinden, wann die zehn Minuten vorbei sind, die Marci zum Einschlafen braucht. Zehn Minuten hat er zumindest vermutet. Mara kann aber ohne Zählen und ohne Uhr gar nicht einschätzen, wie lang nun zehn Minuten sind. Während sie so darüber nachgrübelt, sinkt ihr Kopf immer tiefer auf den ihres Teddys.

Plötzlich ein Schrei, richtig laut! Mara schrickt hoch und beginnt gleich selber zu schreien, so hat sie sich erschrocken. "Pst", macht jetzt Marci. Doch Mara kann nicht aufhören zu schreien. Marci zieht sich die Decke über den Kopf. Da steht auch schon Mama in der Tür und schaltet das große Licht im Zimmer an. "Was ist denn hier los?" fragt sie selbst erschrocken von dem Schrei, der bis ins Wohnzimmer gedrungen war. Mara steht in ihrem Bademantel mitten im Zimmer und schreit noch immer. "Ist doch gut", flüstert Mama ihr ins Ohr und nimmt sie in die Arme. Dann hebt sie Mara hoch und trägt sie zu ihrem Bett. Jetzt zieht sie Mara den Bademantel aus und entdeckt, die Kleidung darunter. Sicher ist jetzt nicht der richtige Zeitpunkt für eine Auseinandersetzung, so verschreckt wie Mara gerade ist. Deshalb hilft Mama Mara in ihr Nachthemd und deckt sie freundlich zu. "Ich hole dir noch eine heiße Milch mit Honig", sagt Mama und denkt, "ausnahmsweise mal nach dem Zähneputzen." Dann fragt sie Marci: "Möchtest du auch etwas zu trinken?" Aber Marci antwortet nicht. Von ihm ist nichts zu entdecken als ein kleiner Hügel unter der Bettdecke. "Ob er wirklich schon schläft?", überlegt Mama, "das kann nicht sein. Bestimmt hat er Mara erschreckt. Na warte Bürschchen, dich nehme ich mir morgen vor." Als Mama mit der heißen Milch ins Zimmer zurück kommt, hat sich Mara inzwischen beruhigt und scheint eingeschlafen zu sein. Mama streicht über Maras Kopf und über den kleinen Hügel in Marcis Bett. Diesem kleinen Hügel versetzt sie einen kleinen Knuff. Da erscheint Marcis Kopf und fragt verschlafen: "Sollen wir schon aufstehen?" Mama ist verwirrt und sagt: "Schlaf ruhig weiter." Dann verläßt sie das Zimmer, die Tür läßt sie ein noch weiteres Stückchen offen stehen und trinkt die heiße Milch mit Honig, nach der man sehr gut schlafen können soll, selber.

11. April 2008

Gute Nacht