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GUTE-NACHT/2701: Otto oder Ottinchen (SB)


Geschichte mit O

Ferien sind toll. Aber manchmal können sie auch ganz schön nervig sein, dann wenn Besuch kommt, den man gar nicht mag. So geht es mir mit meinen beiden Cousinen Anna und Svenja. Anna ist sechs Jahre alt und kommt nach den Ferien in die Vorschule. Svenja ist erst vier, aber sie hat bald Geburtstag und wird dann fünf. Die beiden wollen ständig mit mir spielen, in meinem Schwimmbecken plantschen und natürlich auf meinem Pony reiten. Dabei sind sie erst heute angekommen.

Nicht nur, daß ich die ganze Zeit mit ihnen spielen soll, sie schlafen auch noch bei mir mit im Zimmer. Im Moment spielen sie gerade Geschichtenball. Das habe ich ihnen beigebracht. Einer fängt an, eine Geschichte zu erzählen, wenn er nicht mehr weiter weiß, wirft er einem anderen einen Ball zu und nun erzählt derjenige mit dem Ball weiter. Dann wirft auch der zweite den Ball weiter und so geht es reihum.

"Kicky, du bist jetzt an der Reihe!" Da hört ihr es. Nun soll ich schon wieder eingespannt werden. Einen Ball haben wir nicht. Mit Bällen darf ich nicht im Haus werfen, das ist Mama zu gefährlich. "Was da nicht alles herunterfallen und kaputtgehen kann", sagt sie stets. "Kicky!" - "Ja, gleich. Wirf Anna die Maus zu!"

Ja, wir werfen mit Mäusen. Nein, wir sind keine Tierquäler. Svenja und Anna haben ihre Kuschelmäuse mitgebracht, eine rote und eine blaue. Die beiden Mäuse haben nicht gerade sehr einfallsreiche Namen, denn die eine wird Rotmaus und die andere Blaumaus gerufen. "Kicky!" Das war Anna. "Okay, ich mache mit, aber fangt nochmal von vorne an!" schlage ich vor.

Anna beginnt: "Rotmaus und Blaumaus gehen spazieren. Rotmaus will in den Wald, Blaumaus will an den Teich. `Wir können doch nicht an den Teich gehen. Da sitzt das Ungeheuer drin', meint Rotmaus. `Aber wir können dann auch nicht in den Wald, da wohnt die Hexe.' So streiten sich die beiden Mäuse."

Anna wirft Svenja die Maus zu. Anna erzählt weiter: "Es wird dunkel. Immer dunkler. Der Mond kommt an den Himmel."

Jetzt ist mein Einsatz: "Ja, es ist ganz dunkel. Schwarze Wolken decken den Mond wieder zu. Ein großer noch dunklerer Schatten fliegt über den Himmel und fliegt genau auf die beiden Mäuse zu. Huhu, huhu ..."

Svenja und Anna ziehen sich ihre Decken dicht an die Ohren heran. "Huhu", gebe ich erneut von mir. Plötzlich geht das Licht aus. Meine beiden Cousinen kreischen. Da wird die Tür von außen geöffnet. Im Schein der Flurlampe erscheint meine Mama. "Was ist denn hier los?" fragt sie.

"Wir erzählen uns nur Geschichten", antworte ich. "Aha, und du erzählst mal wieder eine Gruselgeschichte und hast dabei heimlich das Licht ausgeknipst. Ja?"

Mußte Mama mich verraten? "Das macht es doch erst richtig gruselig", entgegne ich ihr. "Hast du dir mal überlegt", wendet Mama ein, "daß deine Cousinen vielleicht nicht schlafen können, wenn du ihnen so Schauermärchen erzählst?"

Jetzt helfen mir meine Cousinen. "Das macht uns nichts", entgegnet Svenja und Anna nickt, wobei sie sich noch immer kaum unter ihrer Bettdecke hervortraut. "Na, ich denke, eure erste Nacht solltet ihr lieber etwas ruhiger angehen. Also schlaft mal schön, und wenn ihr etwas braucht, ruft mich einfach. Gute Nacht." - "Gute Nacht", wünschen wir zurück. Nachdem Mama gegangen ist, frage ich meine Cousinen, ob wir uns doch noch ein bißchen weiter gruseln wollen, aber die beiden entscheiden sich lieber für Witze. Aber Witze fallen mir jetzt keine ein. Ich schaue mich im Zimmer um. Doch auch dadurch wird es nicht lustiger. Aber ich sehe meine Magnetbuchstaben am Boden liegen Da beginne ich eine Geschichte mit O.

"Otto öffnet Orangen oder organisiert Obstkuchen. Ottinchen orgelt opernhaft ohrenbetäubende Orgelmusik. Oder öffnet Ottinchen Orangen, obwohl Otto Orgelmusik orgelt?"

"Kicky, das ist aber gar nicht lustig", findet Anna. "Und gruselig ist es auch nicht", sagt Svenja enttäuscht, "vorhin die Geschichte war spannender."

Nun bin ich beleidigt und sage: "Laßt uns jetzt schlafen. Ich bin müde." Im Stillen denke ich: "Müde von euch. Gut, daß ich keine kleinen Geschwister habe, nur große. Und denen gehe ich anscheinend so auf die Nerven wie ihr mir. Da weiß ich ja jetzt warum."

4. August 2008

Gute Nacht