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GUTE-NACHT/3121: Unerwarteter Besuch (SB)


Gute Nacht Geschichten

Was schleicht sich da so früh am Morgen in den Schuppen hinein? Es linst hier und vorsichtig dort, ob auch niemand nach ihm schaue. Dann nimmt es Anlauf und im Sprung - also zu spät - stellt es fest, daß dort in seinem Sessel schon jemand Platz genommen hat. Ja, es sind sogar zwei Kreaturen, die es sich da gemütlich machen und auf denen es jetzt mit Wucht zum Liegen kommt.

"Au, au!", schreit Puschel und auch Brummel gibt vor Schreck einen Laut von sich, einen richtigen Brummton. "Was bist denn du für einer! Uns so unsanft aufzuwecken! Sowas habe ich noch nicht erlebt", schimpft Brummel. "Und was seid ihr für welche? Das hier ist mein Schuppen, mein Revier!", sagt der vierbeinige Springer mit dem langen, nackten Schwanz.

"Soso, du bist also der Boss hier?", stellt Brummel eine ihm wichtig erscheinende Frage, während Puschel ganz ängstlich in der Ecke des alten Sessels sitzt und still bleibt. "Was soll diese Befragung? Bin ich hier auf einer Wache? Aber wenn es dich beruhigt, das hier ist mein Reich und mein Sessel." Brummel holt tief Luft: "Dann hast du es wohl zu verantworten, daß wir jetzt hier sind. Denn wir wurden von Männern entführt, die in dieser Halle ihr Diebesgut versteckten!"

"Stop! Stop! Stop! Ich habe niemanden beauftragt, euch zu entführen! Deshalb möchte ich mich erst einmal vorstellen. Mein Name ist Luk, Luk von Ratte. Und wer seid ihr?"

"Ich bin Brummel und das ist Puschel. Wir wurden aus einer Lagerhalle entführt und hierher verschleppt", stellt Brummel sie beide vor. "Was machen denn Bären in einer Lagerhalle?", fragt Luk von Ratte, "nicht daß mich das etwas anginge, aber Bären wie ihr gehören doch eher in ein Kinderzimmer."

"Da wäre ich jetzt auch viel lieber!", meldet sich Puschel außer seinem Aua-Geschrei das erste Mal zu Wort. Luk von Ratte scheint nämlich gar nicht so unnett zu sein.

Brummel dagegen will erst wissen, was es mit dieser Ratte in Verbindung zu den beiden Dieben auf sich hat. So leicht läßt er sich nicht umstimmen. Deshalb stellt er erneut eine Frage: "Was ist nun mit den Dieben und dir?" Statt einer Antwort erfolgt eine Gegenfrage: "Siehst du hier irgendwelche Diebe?" Luk von Ratte beantwortet sich die Frage gleich selber: "Nein. Deshalb bin ich hier. Ich komme nur hierher, wenn die Menschen fort sind. Dann ist das hier mein Reich. Ich mag die Menschen nicht. Sie jagen mich immer und selbst wenn sie genug zu fressen haben, geben sie nichts davon ab. Deshalb nehme ich mir das, was ich brauche..."

Brummel fällt der Ratte ins Wort: "Du bist also auch ein Dieb!" - "Wenn du meinst. Ich sehe das anders. Ich finde ein Dieb ist jemand, der nicht teilt, was er hat, besonders wenn er sehr viel davon hat. Irgendwo hat er schließlich all seine Sachen her. Andere aber haben davon nichts und so ist es besser zu teilen als zu horten."

Jetzt schaltet sich Puschel ein: "Brummel und ich mögen Menschen. Jedenfalls diejenigen bei denen wir bisher gelebt haben." - "Ihr habt mit Menschen in einer Lagerhalle gelebt?", entfährt es Luk von Ratte. "Nicht in einer Lagerhalle, dort stand nur unser Karton, in den wir gesteckt wurden, als die Menschen ihr Heim verließen." - "So, und warum haben sie euch nicht mitgenommen in das neue Heim? Ward ihr ihnen vielleicht zu alt?", möchte die Ratte wissen.

Verwirrt blicken sich Brummel und Puschel an. Jetzt übernimmt Brummel das Wort: "Unsere Menschen sind fortgegangen und haben nicht nur uns in der Lagerhalle untergestellt. Eines Tages kommen sie zurück und holen mich und Puschel und all ihre Sachen wieder ab."

"Euch ja wohl nicht. Denn ihr seid jetzt hier in meinem Schuppen!", stellt Luk von Ratte fest. Brummel und Puschel wissen nicht, ob das eine Feststellung oder eine Drohung sein soll. Dann aber entschuldigt sich Luk: "Tut mir leid, aber ihr seid sicher sehr weit weg von eurer Halle, sonst wäre schon längst die Polizei hier und hätte euch sichergestellt."

"Polizei" und "sichergestellt" - was Luk von Ratte nicht alles weiß. Außerdem scheint er doch netter zu sein, als Brummel es zuerst angenommen hat. Brummel fragt frei heraus: "Sind wir deine Gefangenen oder können wir frei gehen, wohin wir wollen?" Luk schmunzelt: "Wenn ihr da hinaus paßt, wo ich herein gekommen bin, würde ich sagen, ihr seid frei. Ansonsten sitzt ihr hier fest und seid Gefangene."

Bevor Brummel sich wieder über Luk ärgern kann, vernimmt er ein Geräusch an der Tür. Im nächsten Moment ist Luk von Ratte verschwunden. Brummel und Puschel dagegen verhalten sich ganz still.

Wie es jetzt wohl mit ihnen weitergeht?


20. Januar 2010

Gute Nacht