Schattenblick →INFOPOOL →KINDERBLICK → GESCHICHTEN

GUTE-NACHT/3205: Vor dem Kamin - Nach einem langen Spaziergang (SB)


Gute Nacht Geschichten

Nach einem langen Spaziergang liegt Semira wieder vor dem Kamin auf ihrer Decke. Neben ihr in seinem Körbchen schläft der kleine Welpe Wuschel. Semira ist sich sicher, daß er tief und fest schläft und träumt. Sagt ihr das doch sein leises Schnarchen und die Zuckungen seiner Beinchen. Semira schaut freundlich drein - als ob sie lächelt.

Wie war das doch heute gleich. Ihre Menschen sind mit Semira und dem Welpen spazieren gegangen. Semira lief natürlich ohne Leine. Aber Wuschel hatte sein Halsband angelegt bekommen. Es ist nur ein sehr dünnes Halsband. Aber Wuschel hat das gar nicht gefallen. Erst als es vorne um die Ecke ging und neue Gerüche ihn ablenkten, war das Halsband nicht mehr so wichtig.

Die Gerüche hier und da und überall waren so verlockend, daß Wuschel ständig voran drängte. Er zog an der Leine, als gäbe es etwas zu gewinnen oder als ob er Semira beweisen wollte, daß er der Tonangebende sei. Semira dagegen paßte sich dem Tempo ihrer Menschen an. Sie blieb stehen, wenn auch die Menschen anhielten und ging schneller oder langsamer gerade wie es nötig war, um Schritt zu halten. So hatte sie es ja auch gelernt.

Zuerst führte der Weg an den Nachbarhäusern vorbei. Dann bog Herrchen in die Seitenstraße ein. Dort gibt es zwar keinen Fußweg, aber nur sehr selten fährt hier ein Auto vorbei. Semira machte stets Sitz und wartete ab, bis ein herankommendes Auto vorbei war - so hatten es ihr die Menschen beigebracht. Es kam ihr nicht in den Sinn, einfach auf die andere Straßenseite zu laufen. Das ist schließlich viel zu gefährlich.

Wuschel dagegen weiß von alledem noch nichts. Er hüpfte vor und zur Seite, blieb zurück, um zu schnuppern, und wollte dann an seiner langen dünnen Leine geradewegs über die Straße laufen. Doch das ließ Herrchen nicht zu. Er hatte seine liebe Mühe damit, dem kleinen Kerl ein bißchen Spaziergeh-Benehmen zu zeigen. "Das kann noch lange dauern bis der Neue das kapiert", stöhnte Semira in sich hinein und schnupperte an einem Löwenzahn. Sie erkannte sofort, daß hier Luke, der schneeweiße Schäferhund, gestern vorbei gekommen war.

Der Spaziergang wurde länger und länger. Nach einer Weile wäre Semira am liebsten wieder umgekehrt. So weit waren sie ja schon lange nicht mehr gelaufen.

Irgendwann merkten auch die Menschen, daß der Spaziergang für Semira und Wuschel gleichermaßen jetzt lang genug war. Sie drehten auf dem Absatz um und wollten den Rückweg antreten. Aber was geschah nun? Sobald es wieder in die Richtung nach Hause ging, ließ sich Wuschel am Straßenrand in das Gras fallen, wälzte sich und blieb dort liegen.

"Was ist denn jetzt los?", fragte Henriette, das Frauchen, besorgt. Auch Herrchen wußte nicht, was er davon halten sollte. "Wuschel kann von dem kurzen Weg doch nicht schon erschöpft sein?", warf er ein. "Kurzer Weg?", Semira war sprachlos. Soweit waren die Menschen schon lange nicht mehr mit ihr gegangen. Und der Kleine hat ja noch viel kürzere Beinchen. Für ihn war es sicher doppelt so anstrengend.

"Na, wie gut, daß ich den Buggy mitgenommen habe", stellte Henriette fest. Sie nahm einen Napf aus dem Netz und schüttete etwas von dem mitgeführten Wasser hinein. Nun durfte Wuschel trinken und auch Semira bekam ihren Teil. Aber auch jetzt wollte Wuschel noch immer nicht weitergehen. Da nahm Henriette Wuschel hoch und setzte ihn in den Buggy hinein. "Jetzt kann es heim gehen!", stellte sie fest.

Wuschel ließ sich die Fahrt gefallen. Nur am Ende, als bereits Haus und Hof wieder in Sicht waren, sprang er urplötzlich vom Buggy herunter. "Er weiß bereits, wo er zuhause ist", stellte Herrchen befriedigt fest.

Zuhause angekommen rief Henriette sogleich beim Tierarzt an. Sie wollte wissen, ob sie sich wegen Wuschels Verhalten Sorgen machen müsse oder gar direkt beim Tierarzt vorbei kommen solle. Doch der Tierarzt sagte nur - Semira konnte es mit anhören, denn Henriette hatte auf Lautsprecher umgeschaltet, damit auch Henri, ihr Mann, mithören konnte: "So einem kleinen Kerl dürfen sie noch nicht so viel zumuten. Ein langer Spaziergang ist einfach noch zu viel für ihn. Lassen sie ihn ausreichend trinken und ausschlafen."

Henri und Henriette waren erfreut zu hören, daß dem Kleinen nichts fehlte. Aber sie waren auch ein bißchen entsetzt, daß sie ihren Liebling zu hart rangenommen hatten.

Semira schließt jetzt ebenfalls die Augen. Noch ein Blinzeln nach dem Körbchen zeigt, der Kleine schläft noch immer. Da kann auch Semira träumen, vielleicht von Luke ...


26. Mai 2010

Gute Nacht