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GUTE-NACHT/3228: Der kleine Nachtwächter täuscht den Falter (SB)


Gute Nacht Geschichten

Den Mund weit offen gähnt der kleine Nachtwächter in den Abend hinein. Er hätte heute noch die ganze Nacht hindurch träumen können, obwohl er doch schon den vollen Tag geschlafen hat.

Mit der Laterne in der linken Hand und die Taschenlampe in der rechten schiebt er sich durch die Stadt. Als er beinahe auf einer achtlos weggeworfenen Bananenschale ausrutscht, ist er plötzlich hellwach. Der Schreck ist ihm in die Glieder gefahren und hat ihn wohl endlich aufgeweckt.

Belustigt lacht der Wetterhahn von der Kirchturmspitze herunter. "Kichere nicht! Das kann dir auch einmal passieren", schimpft der kleine Nachtwächter. "Mir soll so etwas passieren? Da kennst du aber den Hahn vom Wetter schlecht. Ich rühre mich hier oben nicht von der Stelle, sondern bleibe stets standhaft und sehe alles." - "So, so, du siehst alles. Da hättest du mich ja auch vorwarnen können."

Mit diesen Worten dreht sich der kleine Nachtwächter um und kümmert sich nicht mehr um den Wetterhahn. Er schreitet die Straßen entlang zu den Stadttoren hin, um zu sehen, ob sie gut verschlossen sind. Anschließend steigt er die Treppe zur Stadtmauer hoch. Er stellt seine Laterne auf der Stadtmauer ab. Von hier oben hat er einen weiten Blick ins flache Land.

Die Kerze ist angezündet und wird die ganze Nacht hindurch brennen. Der kleine Nachtwächter wendet den Blick aus der Ferne hinunter in die Straßen der Stadt. Plötzlich ist ein leises flatterndes Geräusch zu hören. Der kleine Nachtwächter wendet seinen Blick der Stadtmauer zu.

Ein Nachtfalter flattert da um seine Laterne und versucht direkt die Kerze anzusteuern. "Da hast du aber Glück, daß du nicht durch die Glasscheiben fliegen kannst, sonst würdest du jetzt in der Tat verbrennen." Als ob der Schmetterling der Nacht dies gehört hat, steigt er hinauf und umkreist den Kopf des kleinen Nachtwächters. Aber gleich darauf fliegt er wieder zur Laterne und umkreist diese.

Der kleine Nachtwächter schüttelt den Kopf: "Ich frage mich, warum ihr Nachttiere vom Licht nur so angezogen werdet. Am Tag im hellen Licht laßt ihr euch nicht blicken. Warum also fliegt ihr dann in der Nacht geradewegs auf das Licht zu, wo es manchmal zu einer Falle wird?" Eine Antwort erhält der kleine Nachtwächter nicht.

Da der Nachtfalter keine Anstalten macht, von der Lampe zu lassen, nimmt der kleine Nachtwächter sie wieder auf und dreht eine neue Runde auf der Stadtmauer. Der Nachtfalter scheint dennoch Gefallen an der Laterne gefunden zu haben und fliegt mit.

"Das kann nicht gut gehen", denkt sich der kleine Nachtwächter, "womöglich findet der Flattermann die einzige kleine offene Stelle, wo er in die Laterne hineinfliegen kann und verbrennt noch in der Kerze!"

Der kleine Nachtwächter kratzt sich am Kopf und hat alsbald eine Idee. Er zieht seinen Umhang aus, verdunkelt damit die Laterne und leuchtet gleichzeitig mit der Taschenlampe auf die gegenüberliegende Hauswand. Der Nachtfalter, der nicht mit unter den Umhang geraten ist, wird nun wie magisch von dem Licht auf der gegenüberliegenden Wand angezogen. Als er dort verweilt, zieht der kleinen Nachtwächter den Umhang von der von Glas umschlossenen Laterne herunter. "Oh, mein Umhang ist aber ganz warm geworden. Das hätte wohl auch schiefgehen können, wenn ich den Umhang länger über der Laterne hätte liegen lassen. Noch einmal werde ich das nicht anstellen", bemerkt der kleine Nachtwächter.

Langsam entfernt er sich ein Stück. Erst dann schaltet er die Taschenlampe wieder aus. Der Nachtfalter folgt ihm nicht. "Hoffentlich bist du jetzt nicht dem nächsten Licht auf der Spur", denkt der kleine Nachtwächter und zieht weiter seine Runden.


7. Juli 2010