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GUTE-NACHT/3263: Der kleine Nachtwächter will helfen (SB)


Gute Nacht Geschichten

Als der kleine Nachtwächter am Abend mit seiner Laterne in der einen und der Taschenlampe in der anderen Hand durch die Straßen seiner Stadt marschiert, fällt ihm auf, daß sich die Zweige der kleinen wie der großen Obstbäume unter ihrer Last nur so biegen. Die Äste hängen tief über die Zäune und viele Äpfel, Birnen und Pflaumen sind bereits auf die Straßen gefallen. Der kleine Nachtwächter bückt sich, stellt seine Laterne am Boden ab und nimmt einen Apfel auf. An seinem Umhang reibt er ihn sauber. Dann beißt er herzhaft hinein.

"Buh! Der ist aber sauer", stellt er mit finsterer Miene fest. Im selben Augenblick hört er ein Plumpsen und schon wieder ist ein Apfel vom Baum herunter gefallen. Flugs darauf noch einer. Aber dieses Mal ist nicht das gleiche laute Aufplumpsen auf den Boden zu vernehmen. Dafür aber ein leises Quieken. "Was war denn das?", fragt sich der kleine Nachtwächter und soll auf die Frage sogleich eine Antwort erhalten. Denn als er die abgestellte Laterne wieder hochnehmen will, entdeckt er nicht weit davon entfernt einen Igel.

"Du hast wohl den Quiekton von dir gegeben, nicht wahr?", möchte der kleine Nachtwächter wissen. "Aber selbstverständlich. Ist das vielleicht eine Art mit Wurfgeschossen nach uns Igeln zu zielen und mich dabei auch noch zu treffen?" Jetzt sieht der kleine Nachtwächter, daß dem Igel einer der Äpfel direkt auf den Rücken gefallen ist und dort noch immer aufgespießt sitzt. "Ich habe doch schon immer gewußt, daß hier Feinde auf uns Igel lauern. Aber da haben sie nicht mit unseren Stacheln gerechnet. Den werden wir es schon zeigen!", so schimpft der Igel vor sich hin.

Im Glauben, der Igel möge sich freuen, wenn er von der Last des Apfels befreit werde, zieht der kleine Nachtwächter den großen Apfel vom Rücken des Igels herunter. "Da hast du aber nochmal Glück gehabt, daß der dicke Apfel nicht deinen Kopf getroffen hat", erklärt der kleine Nachtwächter und hält dem Igel den riesigen Apfel vor die Nase.

Eigentlich hat der kleine Nachtwächter damit gerechnet, daß jetzt Lob und Freude nur so über die Lippen des Igels plätschern. Doch was gibt der kleine Kerl von sich, als er den großen Apfel sieht? Nur Schimpftiraden. "Was soll denn das!", legt er los, "zuerst mich bewerfen und mir dann auch noch meine Beute streitig machen? Zuhause warten Frau und Kinder bloß darauf, daß ich Futter nach Hause bringe. Und da werde ich auch noch meiner Vorräte beraubt. Nicht einmal das, was man auf dem Rücken trägt, ist vor Dieben sicher."

Der kleine Nachtwächter ist sprachlos. Er kann gar nicht glauben, was er da zu hören bekommt. Fassungslos bleibt er stehen. Das Igelmännchen aber nutzt diese Gelegenheit um in der Dunkelheit zu verschwinden. Der kleine Nachtwächter kann es noch immer nicht fassen und erkennt, nicht jedem, dem man hilft, ist diese Hilfe überhaupt recht.


29. September 2010

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