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GUTE-NACHT/3458: Knopf, Knöpfchen und Auge hängen in der Luft (SB)



K N O P F ,   K N Ö P F C H E N   &   A U G E

hängen in der Luft


Eine Stunde war vergangen. Schwiegermutter hatte es sich inzwischen im Wohnzimmersessel gemütlich gemacht. Bei einer zweiten Tasse Kaffee trug sie dem Sohn ihr Anliegen vor und hatte sich inzwischen auch bei der Schwiegertochter dafür entschuldigt, daß sie damals nicht glauben wollte, was mit dem Teddybären der Enkelin geschehen war. Nun warteten auch der Sohn und die Schwiegertochter gespannt auf das Aufwachen ihrer Tochter Maria-Luisa.

Noch gespannter aber warteten Knopf und Knöpfchen und vor allem Auge auf das Erscheinen des Mädchens. Sie steckten inzwischen nicht mehr in Schwiegermutters Jackentasche, sondern lagen auf dem Stubentisch mit der Platte aus Glas. Das war den drei Knöpfen unheimlich. Sie spürten etwas Hartes unter sich, doch der Fußboden war es nicht, auf dem sie lagen. Der war viel weiter unter ihnen zu sehen. Irgendwie hingen sie also in der Luft. Auch die Tassen und die Kaffekanne - die ja auch auf dem Glastisch standen - schienen in der Luft zu schweben. In was für ein Haus waren sie hier bloß geraten. Waren sie vielleicht bei einem Zauberer gelandet? Auge meinte, das könne nicht sein. Früher hätte in diesem Haus auch niemand gezaubert. Aber wer weiß schon, was sich im Laufe der Jahre so alles verändern kann.

Die Schwiegertochter zappelte jetzt ungeduldig auf dem Sofa herum. Sie wollte endlich wissen, ob das Auge, das da vor ihnen auf dem Tisch lag, jenes war, das dem armen Teddy damals abgerissen wurde. Zwar hatten die Eltern mit Maria-Luisa eine Vereinbarung, die das Ausschlafen an den Sonntagen mit einschloß. Doch dies hier war wohl ein Notfall. Schwiegertochter stand auf und ging zu Maria-Luisas Tür. Sie zögerte noch einen Moment und lauschte, ob im Zimmer ihrer Tochter irgendwelche Geräusche bereits zu hören waren. Doch im Zimmer war alles still.

"Nun geh schon rein!", unterstützte ihr Mann aus dem Wohnzimmer ihr Anliegen. Also trat sie ohne zu klopfen in das Zimmer ihrer Tochter. Maria-Luisa lag mit einem Buch im Bett und las. Sie war sichtlich erstaunt, daß ihre Mutter im Zimmer erschien und das ohne anzuklopfen. Hatte sie vielleicht Halluzinationen? Ihre Mutter hielt sich doch sonst immer an die Vereinbarungen.

"Was ist los?", fragte Maria-Luisa und vergaß ganz einen Guten-Mittagsgruß voranzuschicken. "Hallo, mein Schatz! Weißt du wer heute gekommen ist?" - "Nein, natürlich nicht! Ich kann ja nicht durch die Wände sehen, auch wenn ich das mir manchmal wünsche! Also, wer ist da?" - "Deine Oma ist gekommen!" - "Einfach so? Oder hat heute jemand Geburtstag?", fragte Maria-Luisa erstaunt, denn sie wußte, daß ihre Mutter gar nicht erbaut darüber war, unangemeldet Besuch zu bekommen. Und dann noch von ihrer Großmutter. Sie selbst mochte Großmutter sehr gern und war auch schon aus dem Bett gesprungen, um sie zu begrüßen.

Im neuen Seidennachthemd mit Sonne, Mond und Sternen darauf lief Maria-Luisa ins Wohnzimmer und fiel ihrer Oma um den Hals. "Das ist ja eine Überraschung! Was machst du denn hier? Bist du schon lange da?" - "Stürmisch wie immer!", lachte Großmutter sie an, "was ich hier mache, will ich dir gleich erzählen! Aber beantworte mir doch bitte eine Frage: Hast du noch deinen alten Teddybären?"

Bei dieser Frage wurde Auge, der noch immer auf der Glastischplatte neben Knopf und Knöpfchen lag, ganz aufgeregt. Knopf und Knöpfchen warteten ebenfalls gespannt auf die Antwort.

Maria-Luisa blickte von der Großmutter zu ihrer Mutter und dann noch einmal hin und her. Sollte jetzt etwa schon wieder zwischen den beiden erwachsenen Frauen ein Streit ausbrechen. Wie zwei Kampfhennen hatten sie sich vor Jahren wegen diesem alten Teddy aufgeführt. Er war noch nicht einmal kuschelig gewesen, sondern sein Innenleben war aus lauter Stroh. Maria-Luisa überlegte einen Moment. Auf Großmutters Frage antwortete sie nicht. Kurzerhand drehte sie sich um und lief in ihr Zimmer.

"Was ist los?", fragte Knöpfchen, der glaubte die Antwort nicht gehört zu haben. Knopf wußte es auch nicht. Auges Spannung wurde unerträglich. Warum konnten sie auch nicht einfach hinterherrollen. Doch das ging nicht. So blieben sie hier in der Luft liegen und warteten auf Maria-Luisas Rückkehr. Doch darauf sollten sie noch eine ganze Weile warten, denn nun standen auch Großmutter und der Vater auf und folgten Maria-Luisa in ihr Zimmer.

Was dort gesprochen wurde konnten die drei Freunde nicht verstehen.

"Gute Nacht."

Knopf, Knöpfchen und Auge - Buntstiftzeichnung: © 2011 by Schattenblick

zum 19. August 2011