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GUTE-NACHT/3482: Der kleine Nachtwächter erhält Post (SB)


Gute Nacht Geschichten vom kleinen Nachtwächter

Der kleine Nachtwächter erhält Post



Ein Hupkonzert vor dem Burgtor läßt den kleinen Nachtwächter im Bett hochschrecken. Er schlüpft in seine Hausschuhe und tritt hinaus auf den Rundgang der Burgmauer. Noch immer hupt der Wagen vor dem Tor. Seine Farbe zeigt dem kleinen Nachtwächter an, daß es der Postbote ist, der da nach ihm verlangt. Schnell läuft er die Steintreppe hinab. Dabei muß er aufpassen, daß er unterwegs nicht seine Schlappen verliert. Rebell folgt ihm auf dem Fuße und überholt ihn glatt. Wie gut, denn so erwischen die beiden den Postboten gerade noch rechtzeitig, bevor dieser sich wieder in seinen Wagen setzt und abfährt.

Einen Brief und ein Päckchen hält der Postbote für die beiden Burgbewohner bereit. "Oh wie schön", freut sich der kleine Nachtwächter, "das ist für dich, Rebell. Du kannst es in die Burg tragen." Damit reicht er seinem Hund das schmale Päckchen. Rebell nimmt es vorsichtig ins Maul und steigt stolz die Treppe zum Turm hinauf.

Im Zimmer angekommen, will Rebell sich sogleich ans Auspacken begeben. Doch dem gebietet der kleine Nachtwächter Einhalt. Er nimmt die Schere und öffnet selber das Päckchen. "Habe ich doch richtig geraten. Hier sind lauter Leckereien für dich drin. Die bekommst du, aber nicht alle auf einmal."

Schon beginnt der kleine Nachtwächter das 1-2-3-Spiel. Dazu legt er Rebell eines der Leckerchen auf dessen Nase. Doch schon als das erste Leckerli auf Rebells Nasenrücken Platz gefunden hat, neigt der seinen Kopf und läßt dasselbe auf einen der Pantoffeln des kleinen Nachtwächters rollen. So ist das Spiel beendet. Der kleine Nachtwächter nimmt nun das Päckchen und stellt es auf den Schrank. Dann setzt er sich auf das Bett nieder und öffnet den Brief.

Rebell ist neugierig und schnüffelt an dem Umschlag. Es könnte schließlich auch etwas für ihn darin versteckt sein. Gleich zwei Seiten zieht der kleine Nachtwächter aus dem Umschlag hervor. Der Brief ist von Anton, der ihm schreibt und ein Bild gemalt hat.


Hallo, kleiner Nachtwächter, mein Freund!

Ich habe gerade Ferien und mir gedacht, ich könnte sie doch mit Euch verbringen. Was hälst du davon? Wenn ich nichts von dir höre, weiß ich, daß ich willkommen bin und begebe mich gleich nächste Woche auf die Reise zu Dir.

Sei lieb gerüßt von Deinem Freund Anton!

Und streichle auch Rebell von mir!


"Anton will uns besuchen, schon nächste Woche", berichtet der kleine Nachtwächter Rebell. Doch der schnüffelt nur am Schrank entlang, auf dem das Päckchen steht. "Schon nächste Woche", greift der kleine Nachtwächter den Faden wieder auf, "wo sollen wir Anton bloß unterbringen, bei den vielen Zimmern? Laß uns nachschauen, wohin wir ihn einladen können."

Noch immer in Nachthemd und Patschen begibt sich der kleine Nachtwächter auf eine Schau durch die Burg. "Der Saal ist viel zu groß für Anton. Da fühlt er sich bestimmt ganz verloren", grübelt der kleine Nachtwächter. Rebell und er durchqueren den Saal, ohne sich weiter aufzuhalten. Auf dem glatten Boden schlurft der kleine Nachtwächter mit seinen Filzpantoffeln nur so dahin.

Jetzt betreten die beiden den Flur und von dort die Bücherei. Sie ist dunkel und riecht ein bißchen muffig. "Hier mag Anton sicher auch nicht schlafen. Und drüben im anderen Turm soll es spuken. Da will er bestimmt auch nicht hin. Mhm, was ist mit dem Herrenzimmer? Laß uns dorthin gehen."

Sogleich strebt der kleine Nachtwächter zum Herrenzimmer hin. Dieses liegt in dem dritten Turm der Burg und ist am weitesten von dem Zimmer des kleinen Nachtwächters entfernt. "Rebell lauf nicht so schnell. In meinen Puschen komme ich ja gar nicht hinterher."

Die große Tür zum Herrenzimmer ist aus massivem Holz und geht schwer zu öffnen. Sie quietscht sogar. Rebell aber ist das egal. Er drängt sich bereits durch den engsten Schlitz und an dem kleinen Nachtwächter vorbei. Doch was ist das? Ein Eindringling? Wieder ein Dieb in der Burg? Rebell bellt die Gestalt, die sich hinter einem der Vorhänge versteckt hält, an - so laut er kann.

"Was ist los?", ruft der kleine Nachtwächter aufgeregt und betritt nun selbst den Raum. Rebell kann sich nicht beruhigen und bellt noch immer. Im ersten Moment erschrickt sich auch der kleine Nachtwächter vor den Tretern, die da unter den langen Vorhängen hervorschauen.

Doch dann faßt er all seinen Mut zusammen und wagt sich langsam näher. Dabei blickt er sich im Zimmer um, ob irgendetwas Greifbares vorhanden ist, mit dem er sich gegen den Eindringling wehren kann. Doch außer seinen leichten Filzern an den Füßen sieht er nichts. Er geht noch zwei Schritte vor, dann bleibt er stehen und bewaffnet sich mit seinen Filzpantoffeln.

"Warum steht der Kerl nur so stocksteif da? Meint er, wir sehen ihn nicht?", überlegt der kleine Nachtwächter und schreitet alsbald zur Tat: "Nun kommen sie schon heraus, wir haben sie längst gesehen!" Doch die Schuhe unter dem Vorhang bewegen sich keinen Millimeter.

Plötzlich packt Rebell den Vorhang und zerrt daran, sodaß dieser zur Seite weicht. Stocksteif, grad so wie sein Gegenüber, steht der kleine Nachtwächter da, die Pantoffeln noch immer in der Hand.

Dann beginnt er plötzlich zu lachen, auch wenn Rebell die Gestalt jetzt sogar anknurrt. "Ist schon gut Rebell, aus!" Da die Gestalt sich noch immer nicht rührt und der kleine Nachtwächter ganz belustigt ist, beruhigt sich auch Rebell.

Der kleine Nachtwächter tritt an die Gestalt heran und legt seine Hand auf dessen eisigen Arm. "Damit haben wir nicht gerechnet, nicht wahr Rebell, daß wir einem richtigen Ritter hier in der Burg begegnen. Das hätten wir nicht gedacht." Dabei klappt der kleine Nachtwächter das Visier seines Gegenübers hoch und sieht hinein. Doch hinter der Klappe ist nichts. Der Ritter ist innen hohl.

"Ob Anton dieser Ritter gefällt? Oder ob ihn die Ritterrüstung genauso erschreckt wie uns? Was meinst du, Rebell? Doch ich werde meinem Freund lieber keinen solch großen Schreck einjagen. Vielleicht sollte Anton einfach mit bei uns im Burgzimmer schlafen. Wir haben uns doch bestimmt stundenlang zu erzählen."

Ritter - Copyright 2011 by MA-Verlag

zum 13. Oktober 2011