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GUTE-NACHT/3506: Im Schuhschrank ist die Hölle los - Teil  1 (SB)


Gute-Nacht-Geschichten

I m   S c h u h s c h r a n k   i s t   d i e   H ö l l e   l o s


"Aua, paß doch auf!", rief die Sandale dem hochhackigen Damenschuh zu, der seine Absatzspitze genau in die dünne Sohle der Sandale bohrte. Doch der Damenschuh konnte nicht einmal etwas dafür. Die Schuhe im Schuhschrank lagen kreuz und quer, übereinander und völlig durcheinander. Ihre Besitzer hielten nicht viel von Ordnung. Nur morgens, wenn sie schnell nach ihren Schuhen griffen und diese im steten Gewühl nicht schnell genug fanden, stöhnten sie: "Hier sollte jemand mal Ordnung schaffen!"

Doch dieser Jemand kam nie vorbei. Die Schuhe warteten vergeblich auf ihn. "Wenn doch endlich mal dieser Jemand kommen würde. Unsere Leute sprechen doch ständig von ihm!", beschwerte sich nun die linke Sandale, der die Absatzspitze ganz schön zu schaffen machte. "Woher kommt der Jemand? Kennst du ihn?", fragte da ein flotter Sportschuh, der neben der Sandale zu stehen gekommen war. "Ich kenne ihn nicht. Er muß wohl von weit herkommen, wenn es so lange dauert, bis er endlich hier eintrifft", antwortete die Sandale.

Hinten rechts in der Ecke des mittleren Schuhfaches weinte ein kleiner Turnschuh. Er stand ganz verlassen und allein da, ohne den passenden zweiten seiner Art. "Hey, Kleiner!", rief da ein Wanderschuh, "was ist los mit dir? Warum weinst du?" Der kleine Turnschuh schniefte: "Ich bin traurig, weil mein Bruder nicht hier ist, und ich nicht weiß, wo er ist!" - "Na, laß mal! Der wird schon wieder auftauchen", entgegnete nun der zweite Wanderschuh dem Kleinen. Doch der Kleine wollte nicht aufhören zu weinen. Er hatte schon viele Male seinen Bruder gerufen, aber der antwortete einfach nicht. Wenn er hier irgendwo in diesem dunklen Schuhschrank stünde, hätte er sich auf alle Fälle bemerkbar gemacht. Also steckte er irgendwo anders. Hoffentlich war er nicht draußen im Garten liegen geblieben. Was würde aus ihm werden? Ein Hund könnte ihn beißen oder der Regen ihn ganz durchnässen, so daß er einen Schnupfen bekäme. Auweiha! Der kleine Turnschuh konnte sich nicht beruhigen.

"So kann das mit uns doch nicht mehr weitergehen!", meldete sich da ein Stiefel zu Wort, in dessen Schaft der zweite hochhackige Damenschuh steckte. "Wir müssen etwas unternehmen!", hub der Stiefel an, "wir treten in Streik!" - "Toll!" - "Klasse!" - "Prima!", unterstützten die anderen Schuhe diesen endlich gefaßten Entschluß. "Aber was sollen wir tun?", fragte die Sandale. "Vor allem warum?", fragte der hochhackige Damenschuh, der es sich in dem Stiefel gemütlich gemacht hatte, "ich habe eine angenehme Bleibe hier, ruhig und manchmal mit schöner Aussicht, wenn die Klappe aufgeht."

"Einige denken eben immer nur an sich!", schimpfte die Sandale, die immer noch unter der Absatzspitze der Schwester des hochhackigen Damenschuhs leidete. Der Stiefel ergriff erneut das Wort: "Wem es hier stinkt, der kommt, wenn die Kirchturmuhr zur Mitternacht schlägt, auf den großen Teppich im Eingangsflur. Dort wollen wir Rat halten." Einige Schuhe waren von dieser Idee so begeistert, daß sie laut zu trampeln anfingen. "Pst, pst!", schalt der Stiefel, "wir dürfen uns nicht verraten! Also laßt uns bis dahin still sein und eine Runde schlafen!"

Gute Nacht

zum 3. Januar 2012