Schattenblick →INFOPOOL →KINDERBLICK → GESCHICHTEN

KALENDERGESCHICHTEN/007: 07-2011   Der unsichtbare Alles-Finde-Platz (SB)


Kalenderblatt Juli - © 2011 by Schattenblick

Der unsichtbare Alles-Finde-Platz


Teddy ist verschwunden

Tim hatte im Garten gespielt und all seine Stofftiere mit nach draußen genommen - auch seinen Teddy. Der kleine Teddy war mächtig stolz, denn Tim hatte ihm seinen kaputten MP3-Player um den Hals gehängt. Nun kam Teddy sich ganz wichtig vor. Es ging hoch her bei Tim und seinen Tieren, und schließlich hatte der kleine Junge die Zeit ganz vergessen.

Seine Mutter rief laut in den Garten hinaus: "Tim! Tim! Timmy, wo bist du? Du solltest längst zu Hause sein. Tim, komm' jetzt, das Abendessen wartet."

"Mama, ich bin hier hinten, aber ich muss noch all meine Tiere einsammeln, ich komme gleich!"

Hastig lud Tim seine Freunde in die Spielkiste, und schon rannte er ins Haus. Nach dem Essen tapste er müde ins Bad, putzte sich die Zähne und torkelte in sein Bett. Es dauerte nicht lange und er schlief ein. Die Spielkiste hatte er unten im Flur stehenlassen.

Am nächsten Morgen wachte Tim mit einem merkwürdigen Gefühl auf. Er hatte schlecht geträumt - jedenfalls glaubte er das. Das fühlte sich gar nicht gut an. Er drehte sich auf die Seite und versuchte sich an den Traum zu erinnern, der dieses blöde Gefühl in ihm geweckt hatte. Irgendetwas war mit Teddy passiert, irgendetwas ganz Schreckliches. Aber es wollte ihm einfach nicht einfallen, was Teddy widerfahren war. Tim zog sich gar nicht erst an und stapfte im Schlafanzug und im Eiltempo die Treppe hinunter auf die Spielkiste zu.

"Vielleicht fällt mir der Traum wieder ein, wenn ich Teddy sehe, vielleicht erzählt er mir ja alles", murmelte Tim vor sich hin.

Doch er konnte Teddy nirgends entdecken. Ungläubig kramte er die Kiste durch und kippte sie schließlich auf dem Flurfußboden aus - aber von Teddy keine Spur. Nun kullerten Tränen über seine Wangen und ein dicker Kloß setzte sich in seinen Hals, so dass es beim Schlucken weh tat. Tim rannte in die Küche und rief: "Mama, Mama, hast du Teddy gesehen?"

Keine Antwort. Seine Mutter war nicht in der Küche. Ab ins Wohnzimmer, auch nicht - also im Garten. Tim riss die Tür auf und krächzte weinerlich: "Mama, Mama, wo bist du. Hast du Teddy gesehen?"

Seine Mutter bückte sich gerade hinab zu den Erdbeeren um zu prüfen, wie reif sie waren, sah ihn schräg von unten an und als sie seine Tränen bemerkte, bog sie ihren Rücken gerade und ging Tim entgegen. "Was hast du denn, Tim, was ist los?"

Sie hockte sich vor ihm hin und nahm ihn in die Arme. Tim erzählte ihr die ganze Geschichte, von seinem Traum und der Spielzeugkiste, in der Teddy nicht zu finden war. Dann schluchzte er: "Mama, weißt du, wo Teddy sein kann?"

Nein, sie wusste es nicht. Sie schlug aber vor, den Garten zu durchsuchen. Hier hatte Tim Teddy schließlich zuletzt gesehen.

"Vielleicht ist er ja aus der Kiste gefallen, ich hab mich doch so beeilt gestern beim Einpacken, weißt du ...?"

"Genau, und deshalb schauen wir jetzt auch nach und suchen ihn unter jedem Grashalm", bestimmte sie und Tim folgte ihr. Aber sie konnten ihn nirgends finden ...

Drei unbemerkte Helfer

Das hatten Jenny, die Schildkröte, Lisa, die Schnecke und Alvine, die Schlange alles mit angehört. Lisa fing ebenfalls an zu weinen und zog sich in ihr Schneckenhaus zurück. Alvine schlängelte sich auf Jennys Panzer, um einen besseren Ausblick zu haben. Sie reckte sich in die Höhe. Von hier aus hatte sie eine gute Sicht. Doch Teddy fand auch sie nicht.

Jenny Schildkröte munterte Lisa auf, wieder hervorzukommen und lieber mitzuhelfen, Teddy zu suchen. Doch Lisa kam und kam nicht wieder aus ihrem Schneckenhaus hervor. Nun zischelte Alvine so freundlich sie konnte und bettelte: "Lischaa, komm' doch bitte wieder ausch deinem Hausch."

Nach einer Weile streckte Lisa ihre Fühler vor, dann ihren Kopf und aufgeregt sprudelten Worte über Worte aus ihrem Mund. Viel zu schnell. Weder Schlange noch Schildkröte konnten alles richtig verstehen.

"Langsam, langsam", bemühte sich Jenny die kleine Schnecke zu beruhigen, "was sollen wir tun, den Teich in einen Platz werfen und dann finden wir auf dem Hügel Tims Teddy, oder wie oder was ...?"

Lisa musste nun lachen und beruhigte sich tatsächlich.

"Nein, nicht ganz so wie du sagst. Also, ich fange mal ganz von vorne an. Ich habe mich an meine Karte erinnert, die ich vor langer Zeit von einer Eule als Dankeschön erhielt, dafür daß ich ihr geholfen habe, weil doch ihr Flügel kaputt war, und ... ach, das ist jetzt nicht wichtig. Also: auf dieser Karte ist ein geheimer Platz eingezeichnet, der "Alles-Finde-Platz" und leider wusste ich nicht mehr so genau, wo ich diese Karte hingelegt hatte. Deshalb suchte ich hier und dort, bis ich sie schließlich unter ..., ach das ist jetzt gar nicht wichtig, also, ich habe sie gefunden und hier ist sie!" Lisa rollte die Karte auseinander und tatsächlich kam eine Wegbeschreibung zum Vorschein.

"Wir müsschen alsschoo nur diesschem Weg folgen, zu dem Platz gehen und Teddy finden! Dassch ist ja einfach. Alsscho nichts wie lossch," freute sich Alvine.

"Nein. Da gibt es ein Problem! Der Alles-Finde-Platz ist leider unsichtbar", gab Lisa leise zu bedenken.

"Es wäre ja auch so schön einfach gewesen. Was machen wir nun? Kann man den Alles-Finde-Platz nicht sichtbar machen?", Jenny stellte diese Frage und überlegte eine Weile. Dann schlug sie vor: "Wir sollten trotzdem zu dem Platz gehen! Vielleicht fällt uns unterwegs etwas ein, etwas, das uns weiterhilft."

"Ja, oder wir treffen einen Jemand, der den Platz sichtbar machen kann, oder die Eule oder ..." Es war Lisa, die das sagte, aber mehr fiel auch ihr nicht ein. Und so beschlossen sie, sich auf den Weg zu machen. Nachdem sie schon ziemlich lange gelaufen waren, machten sie eine Pause, um etwas zu essen. Jenny hatte die Karte vor sich ausgebreitet und verglich sie mit der Umgebung.

"Das sieht schon ziemlich gut aus. Seht mal dort ist der Teich eingezeichnet, und wenn ihr mal dort hinüber seht", dabei schwenkte sie ihren Kopf in die gemeinte Richtung, "na?"

"Ja, das könnte der Teich sein. Er sieht aus wie der auf der Karte! Also sollten wir nicht zu lange picknicken und uns wieder auf den Weg machen", schlug Lisa vor.

"Hasscht wohl Angscht im Dunkeln, wassch?", zischte Alvine und reckte ihren Kopf noch höher hinauf.

Sie hatte es sich auf dem Schildkrötenpanzer von Jenny recht bequem gemacht und bisher die meiste Zeit damit verbracht, ein Nickerchen nach dem nächsten zu halten.

Jenny rollte die Karte wieder zusammen und reichte sie Lisa, die sie in ihrem Schneckenhaus verstaute. Sie aßen und tranken reichlich, was sie ziemlich müde werden ließ. Dennoch wollten sie aufbrechen, um den Teich noch vor dem Dunkelwerden zu erreichen. Sie räkelten und streckten sich und weiter ging 's .

Jenny Schildkröte hatte Alvine noch nicht dazu überreden können, sich von ihrem Panzer hinab zu schlängeln. Deshalb versuchte sie es noch einmal: "Alvine, dürfte ich dich bitten, von meinem Rücken hinunter zu kommen und den Weg selbst zu gehen, wie wir anderen auch?"

"Gehen, gehen, gehen, du weißt, dassch ich keine Beine habe sscho wie du gleich vier davon hassscht!"

"Aber sieh mich an", unterbrach Lisa, "ich bin eine Schnecke und habe auch keine Beine. Trotzdem krieche ich aber nicht auf Jennys Rücken, um es mir bequem zu machen. Und sie muß dann mein ganzes Gewicht schleppen!"

"Hm, ähm, öööh", Alvine rollte sich noch mehr zusammen und stellte sich schlafend.

Jenny schüttelte nur den Kopf und setzte sich gemächlich in Bewegung, dicht gefolgt von Lisa. Auf der Karte war neben dem Teich ein leuchtend rotes Kreuz eingezeichnet. Hier sollte der Ort sein, den die drei nun schon so lange suchten. Zwar wußten sie noch immer nicht, wie sie ihn finden könnten, wenn er doch unsichtbar war, aber sie wollten auf jeden Fall vor der Dunkelheit schon einmal am richtigen Platz sein.

Alvine lag oben auf Jennys Schildkrötenpanzer und Lisa schneckte sich voran. Als sie endlich den Teich erreichten, trauten sie ihren Augen kaum. Der Teich begann zu leuchten, erst grün, dann wurde er immer heller und schließlich sah er aus wie eine weiße, glatte Fläche. Sie rückten alle etwas dichter zusammen. Alvine schluckte, Lisas Kopf zog sich Richtung Schneckenhaus zurück, nur Jenny blickte mutig auf die weiße Oberfläche.

© 2011 by Schattenblick


Schatten breiteten sich aus und bildeten ganz allmählich Umrisse. Jenny konnte erst gar nichts erkennen, aber langsam begriff sie, was hier vor sich ging.

"Hey Alvine, schau mal auf den Teich!"

"Ja, ja, ganz ssschön unheimlich", zischte Alvine und drehte ihren Kopf nur einmal ganz kurz in Richtung Wasser, um ihn dann wieder in ihren Körper einzuschlängeln.

"Alvine, sieh doch bitte mal genau hin und du auch Lisa! Ich glaube wir haben den Alles-Finde-Platz entdeckt. Der Teich will uns etwas zeigen. Wir sollten uns genau einprägen, was wir zu sehen bekommen", flüsterte Jenny Schildkröte eindringlich.

"Meinst du wirklich? Wir haben doch gar keinen Spruch aufgesagt, keinen Zauberstab benutzt und gar nichts. Also, in den Geschichten der Eule, von der ich die Karte habe, wird immer davon berichtet, dass man irgendetwas tun muss, um ..., ach was rede ich denn da, ist jetzt gar nicht wichtig ...", meinte Lisa und starrte endlich auf die Wasseroberfläche.

"Hilfe, das ist ja unglaublich, ich glaube einfach gar nicht, was ich da sehe, oh nee, oh nee, das kann ja gar nicht wahr sein ... oder doch", redete Lisa etwas durcheinander und sah zu Alvine hinauf: "Hey, Alvine, das mußt du sehen, los - oder bist du ein Angsthase?"

Endlich drehte nun auch Alvine sich in Richtung Teich und schaute gespannt auf die weißliche Oberfläche. "Was ist das denn, ich kann gar nichts erkennen", behauptete sie.

Jenny war schon etwas ungeduldig und bat Alvine noch einmal: "Bitte, Alvine, strenge dich mal etwas an und sieh genau hin!"

Dann sahen es alle drei ganz deutlich: Es erschien ein Bild von Teddy. Er lag am Rande des Gartenweges unter einem Busch. Eigentlich konnten sie nur seinen Arm sehen, aber sie waren sich alle ganz sicher, dass das nur der Arm von Teddy sein konnte.

"Wir haben ihn, wir haben ihn", riefen sie wie aus einem Munde.

"Ohh, äh, lasst uns schnell in den Garten laufen und die Stelle finden, an der Teddy liegt. Dann bringen wir ihn zu Tim zurück!" Das musste Jenny nicht zweimal sagen. Erstens waren alle froh nun zu wissen, wo sie Teddy finden konnten und zweitens wollte keiner von ihnen gerne hier am Teich über Nacht bleiben. So sehr sie sich über den Hinweis des Alles-Finde-Platzes freuten, so unheimlich war ihnen dieser Ort gleichwohl.

Es war bereits ziemlich dunkel geworden und alles war nur noch schemenhaft zu erkennen. Die Bäume veränderten sich und es schien, als könnten sie loslaufen. Hier wollten sie sich lieber nicht länger aufhalten. Lisa war schon dabei in ihrem Schneckenhaus nach einer Taschenlampe zu suchen.

"Ich hab' sie, ich habe eine Lampe gefunden. Alvine würdest du uns den Weg leuchten, du bist am weitesten oben und hast den besten Ausblick?"

Alvine nickte nur, nahm die Taschenlampe von Lisa entgegen und schlang ihren Schlangenhals - der ziemlich lang ist - um die Lampe. Dann richtete sie das Licht vor Jenny Schildkröte auf den Boden. Jenny lief vorweg, Lisa hinterher.

Der Rückweg war nur ganz kurz, eigentlich dauerte er überhaupt nicht. Kaum hatte Jenny sich in Bewegung gesetzt, da berührten ihre Füße auch schon den Gartenboden. Alvine leuchtete hinunter vor Jennys Füße, erschrak und freute sich gleichzeitig.

Lisa war ganz benommen: "Das gibt 's doch gar nicht, wie kann das denn angehen, so etwas habe ich ja noch nie ...", sie verstummte, denn ihr fehlten die Worte - was selten vorkam.

"Verrückt, unglaublich, scho, scho wassch aber auch. Gerade waren wir noch am Teich beim Allessch-Finde-Platz, und jetzt ... Dassch geht doch nicht mit rechten Dingen zu. Der Weg zu diesschem merkwürdigen Ort hat doch sscho lange gedauert. Wie kann dassch nur sein ...", zischelte Alvine verstört.

Und dann sahen alle Teddy unter dem Busch liegen.

"Das sieht genau so aus, wie auf dem Teich, genau so, das ist aber alles sehr, sehr merkwürdig", überlegte Jenny Schildkröte laut vor sich hin.

Alvine war das alles irgendwie viel zu viel, und so wollte sie lieber gleich zur Tat schreiten. Sie schlängelte sich von Jennys Panzer hinunter, legte die Taschenlampe auf den Weg, so daß sie in Richtung Gartentür strahlte, schlang sich vorsichtig um Teddy und legte ihn auf Jennys Schildkrötenpanzer. "Alsscho lossch, Jenny, worauf wartesscht du?"

Es dauerte nicht lange und sie legten Teddy vor die Gartentür, von der aus man ins Haus gelangte. Morgen würde Tim oder seine Mutter Teddy dann finden. Sicherheitshalber blieben alle drei in der Nähe, um auf Teddy zu achten.


Was war das am nächsten Morgen für eine Freude. Tim öffnete die Gartentür und sah Teddy dort liegen. "Mama, Mama, komm schnell, ... schnell Mama", brüllte er ins Haus. Dann nahm er Teddy hoch und drückte ihn ganz fest an sich.

"Wo brennt 's denn Timmy, was ist passiert," wollte Tims Mama wissen. Aber da sah sie Teddy schon und freute sich: "Oh, Timmy, das ist ja wunderbar. Wo er wohl gewesen ist?"

"Keine Ahnung, Mama, aber ich frag' ihn gleich mal. Er hielt Teddy etwas vor sich, so dass er ihn ansehen konnte und sagte: "Teddy, wo warst du denn, ich bin so froh, dass du wiedergekommen bist, oh Teddy, lauf' bitte nie wieder weg!"

Tim, Teddy und Mama gingen ins Haus. Dort tranken sie Kakao und aßen frische Brötchen. Nach so einer Aufregung schmeckte es doppelt gut. Alvine, Lisa und Jenny Schildkröte freuten sich und wollten sich jetzt erst mal ein schönes Plätzchen im Garten suchen und ein wenig schlafen. Wer weiß, vielleicht wartet schon ein neues Abenteuer auf sie.

1. Juni 2011