Schattenblick → INFOPOOL → KINDERBLICK → LESEN UND LERNEN


ELTERN/286: Rezension - Jessica Wawrzyniak. #kids #digital #genial (Lexikon) (SB)



Das vorliegende relativ dünne Büchlein hat es in sich. Wie der Untertitel schon verrät, geht es um Datensicherung und Datenschutz und zwar so erklärt, daß Kinder und Jugendliche konkrete Informationen über die vielen Begriffe und Kürzel, die ihnen beim Internetsurfen, dem Nutzen von Facebook, Instagram und anderen sozialen Medien begegnen, erhalten.

Aber es handelt sich hier um mehr als nur um ein Nachschlagewerk von "App bis .zip". Gleich zu Beginn wird erst einmal die Frage aufgeworfen, warum Datenschutz überhaupt wichtig ist. Gerade der jungen Generation, die mit Internet, Smartphone, Tablet & Co. aufgewachsen ist und die diese Medien wie selbstverständlich nutzt, ist die weitreichende Bedeutung des Datenschutzes nicht unbedingt bewußt. Nach dem Motto: "Ich habe doch nichts zu verbergen, was kann mir schon passieren oder was soll man mit meinen Daten denn schon anfangen?", gehen viele doch recht leichtfertig mit der Freigabe von persönlichen Daten um. Und genau hier holt Jessica Wawrzyniak ihre jungen Leser ab.

Eingangs werden folgende Fragen aufgeworfen und nacheinander aufbauend kritisch erläutert:

1. Was sind private Daten?
2. Wieso sind deine Daten Privatsache?
3. Wer sammelt deine Daten?
4. Na und? Ich habe doch nichts zu verbergen!
5. Welche Daten solltest du besonders schützen?

Diese einführende Darlegung der Datenschutzproblematik bietet allein schon viele nachdenkenswerte Aspekte, wird hier doch bereits aufgezeigt, wie schwierig ein sicherer Umgang mit seinen privaten Daten ist und wie brüchig eine vorgebliche Datensicherheit aufgrund der verschiedenen Interessenten an einer Datenerfassung und -sammlung ist.

Beispielsweise schreibt Jessica Wawrzyniak unter Frage 5:

Andere entscheiden, ob du etwas zu verbergen hast!
Du weißt nicht, ob du etwas zu verbergen hast, denn jede noch so harmlose Information über dich könnte gegen dich verwendet werden, um dir zu schaden. Beispiele:

• Du veröffentlichst vielleicht ein Foto von dir, das du sehr schön findest, aber andere finden dieses nicht so schön und machen sich lustig darüber.

• Oder wenn du z.B. deine homosexuelle Orientierung preisgibst, wozu du stehst und was für dich kein Geheimnis ist, kann es sein, dass andere damit nicht klarkommen und du zu einer Zielscheibe für Beleidigungen oder Schlimmeres wirst. (S. 5)  

Im Folgenden weist die Autorin anhand verschiedener Beispiele darauf hin, wer welches Interesse an den Daten der Nutzer hat und auf welchen Wegen sie an diese Daten gelangen. Sie erklärt, wie Unternehmen mit den Daten Geld verdienen und dass kostenfreie Soziale Netzwerke nicht wirklich kostenfrei sind, da man mit der Freigabe seiner persönlichen Daten "bezahlt". Auch zeigt sie, wie man sich manipulierbar macht, wenn man angibt, was einem gefällt (liken von Beiträgen, Filmen, bestimmten Produkte) und wie daraus von verschiedenen Interessenten (Unternehmen) eine Persönlichkeitsanalyse erstellt werden kann, um gezielte Werbung zu verschicken und Begehrlichkeiten zu wecken. Sie warnt auch davor, Informationen öffentlich weiterzugeben, die man für ganz harmlos hält, wie beispielsweise jemandem zu schreiben, dass man in Urlaub fährt und wo man sich aufhält, denn das könnten sich Kriminelle zunutze machen und in der Zeit der Abwesenheit ins Haus einbrechen. Eine Liste mit Daten, die gerade Kinder und Jugendliche nicht weitergeben sollten, gibt eine hilfreiche Übersicht: Vor- und Nachname, Geburtsdatum, Namen der Eltern/Freunde, Handynummer, Wohnadresse, E-mail-Adresse, Fotos/Videos von einem selbst (Selfies) und Freunden, Name der Schule oder bevorzugte Aufenthaltsorte oder Kontodaten.

Beim Nachschlagen eines bestimmten Begriffs wie "Algorithmus", "Anonymität", "Browser", "Download", "Fake News", "Open Source", "Hate Speech", "Filterblase" oder "Vorratsdatenspeicherung" wird von der Autorin stets ein Zusammenhang zu Datenschutz und möglichen Gefahren hergestellt. Es bleibt also nicht bei einer Worterklärung, sondern es wird ein kritischer Kontext erstellt, der auch die versteckten Manipulationen aufdeckt. Der Begriff "Vorratsdatenspeicherung " zum Beispiel wird von ihr in kurzer, prägnanter Weise analysiert, gleichsam wird auf Gefahren hingewiesen mit dem deutlichen Hinweis, dass es sich bei dieser Art Datensammlung um einen Eingriff in die Privatsphäre handelt.

Tauchen bei den Erläuterungen zu den einzelnen in dem Lexikon behandelten Begriffen weitere auf, die bereits erklärt wurden oder später noch werden, so steht vor ihnen ein kleiner Pfeil als Marker. Das ermöglicht ein sofortiges oder späteres Nachschlagen, um den gerade beschriebenen Sachverhalt besser verstehen zu können. In seiner gesamten Aufmachung ist dieses Buch sehr benutzerfreundlich. Die Sprache bleibt sachlich und der adressierten Altersgruppe angemessen. Der jugendliche Leser wird direkt angesprochen, was auf eine angenehme Weise vertrauensvoll wirkt. Stets bleibt die Begriffsklärung fokussiert auf die Darstellung der Datenschutzproblematik und der möglichen Gefahren, wie der für Kinder besonders wichtige Hinweis auf einen unbemerkten und ungewollten Chat-Kontakt mit Pädophilen. Werden Beispiele zur Verdeutlichung einer Manipulation oder einer gefährlichen Situation angeführt, sind sie der Erlebniswelt von Kindern und Jugendlichen angemessen und leicht nachvollziehbar. Besonders nachdenkens- und beachtenswerte Aspekte sind fett gedruckt. Der Leser wird an einigen Stellen am Schluß einer Erläuterung vor kleine begriffsbezogene Aufgaben gestellt, die in kleinen Kästchen gefaßt und farblich unterlegt sind. Sie laden ein, die Aufgaben gleich auszuprobieren oder anzuwenden, gegebenenfalls betreffen erläuterte Problematiken ja gerade den Jugendlichen selbst.

Zum Beispiel steht am Ende des Begriffs "Cybergrooming", der zuvor von der Autorin wie folgt erklärt wurde: "Cybergrooming bezeichnet die erste Stufe der Anmache im Internet (grooming = anbahnen, vorbereiten) mit dem Ziel, eine Straftat zu begehen, wie z.B. sexuellen Missbrauch oder um (kinder)pornographisches Material zu bekommen ..." (S. 18), die nachstehende Aufgabe:

Aufgabe: Sprich mit deinen Freundinnen und Freunden oder deinen Geschwistern darüber, ob sie so etwas (Cybergrooming, Anm. SB-Redakt.) schon einmal erlebt haben. Oft muß nur einer den Anfang machen, damit man sich traut, darüber zu reden. Ihr solltet euch gemeinsam stärken und vielleicht überlegen, ob ihr erwachsene Personen um Hilfe bittet. Cybergrooming ist eine Straftat, kein Spaß! (S. 18)  

Als Resümee bleibt nach der Lektüre von "#KIDS #DIGITAL #GENIAL" zu sagen, dass es sich um ein empfehlenswertes Buch für Kinder und Jugendliche handelt, aber eigentlich für Leser jeden Alters interessant und informativ ist! Wie oft hören oder lesen auch Erwachsene bestimmte Begriffe oder Kürzel aus dem digitalen Bereich und kennen ihre Bedeutung nicht genau.

Leider läßt die graphische Gestaltung zu wünschen übrig. Sowohl die Umschlaggestaltung als auch die kleinen Zeichnungen im Buch selbst scheinen eher für ein Werbeheftchen geeignet als für ein Lexikon. Aber vielleicht wurden die etwas anspruchslosen Bilder auch gezielt ausgewählt, um einer vermeintlichen Anspruchslosigkeit von Kindern und Jugendlichen zu entsprechen? Jedenfalls stehen sie im Widerspruch zu den zugewandt, sachlich verfaßten und wichtigen Texten in diesem Buch.

Jessica Wawrzyniak ist studierte Medienpädagogin und schreibt den Blog "#kids #digital #genial" in dem sie in leicht verständlicher Sprache Kindern und Jugendlichen die vielen Begrifflichkeiten der Digitalisierung erläutert und über eine sichere Mediennutzung und über Datenschutz aufklärt. Außerdem ist sie im Verein "Digitalcourage e.V." aktiv, der sich seit 1987 für Grundrechte und eine lebenswerte Welt im digitalen Zeitalter engagiert. Daß sie ihr Wissen und ihre kritischen Anmerkungen nun auch in einem Printmedium veröffentlicht hat, ist zu begrüßen, hat man damit doch ein aufschlußreiches Nachschlagewerk schnell zur Hand.

Jessica Wawrzyniak
Hrsg.: Digitalcourage e.V.
"#KIDS #DIGITAL #GENIAL"
Schütze dich und deine Daten!
Das Lexikon von App bis .zip
Art d'Ameublement, 2018
2,45 Euro
ISBN 978-3-934636-17-0

2. Juli 2018


Zur Tagesausgabe / Zum Seitenanfang