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FUNGI/005: Pilze - Partner Pilz ... (SB)




Was haben Pilze mit Waschmitteln, Papier, Kosmetik oder Textilien zu tun?

Pilze sind Lebewesen, Stoffwechselwesen wie viele andere auch. Sie fressen und scheiden aus, sorgen für Nachwuchs, wachsen und sterben. Auf den ersten Blick kämen wohl nur wenige auf die Idee, dass Pilze auch in industriellen Herstellungsverfahren eine Rolle spielen.

Schon seit über 5000 Jahren nutzt der Mensch die winzig kleinen Lebewesen wie beispielsweise die Pilze, um mit ihrer Hilfe Brot zu backen, Bier zu brauen oder Essig und Alkohol herzustellen. Manche dieser Pilze sind ganz winzig und für uns unsichtbar, andere erkennt man erst wenn sie Kolonien gebildet haben. Einer Apfelsine beispielsweise sieht man zunächst nicht an, dass auf ihr ein Schimmelpilz wächst. Erst wenn er die pelzigen blaugrünen Flecken ausgebildet hat, kann man ihn erkennen. Wir haben es also mit wirklich winzigen Lebewesen zu tun. Einige verderben unsere Nahrung, andere helfen, sie zu konservieren. Pilze sind ungeheuer vielseitig und ziehen die unterschiedlichsten Wirkungen nach sich.


Die dunklen kleinen runden, fast schwarzen Flecken zeigen den Beginn des Pilzwachstums - Foto: 2010, by Riki1979 (Self-photographed) [Public domain], via Wikimedia Commons

Schimmelwachstum im Anfangsstadium
Foto: 2010, by Riki1979 (Self-photographed) [Public domain], via Wikimedia Commons


Erste Schritte zur industriellen Nutzung

Erst im 20. Jahrhundert, als man eines der wichtigsten Medikamente, das Penicillin, zu nutzen wusste und damit Menschenleben retten konnte, war man bestrebt, hiervon große Mengen zu erzeugen. Das war einer der ersten Schritte in Richtung industrieller Produktionsweise. Bald entstand die relativ junge Wissenschaft der Biotechnologie. Sie spaltete sich in verschiedene Bereiche auf. Die sogenannte Rote Biotechnologie befasst sich mit medizinischen und pharmazeutischen Anwendungen, die Grüne hat sich die Erforschung von Nutzungsmöglichkeiten beispielsweise in der Landwirtschaft zur Aufgabe gemacht. Der Schwerpunkt der Blauen Biotechnologie liegt auf den Meeren, wo man Bakterien oder auch etwas größere Organismen ausfindig machen will, um sie als Quelle für biologische Substanzen zu gewinnen, mit der Absicht daraus neue Medikamente zu erschaffen. Mit der Abfall- und Abwasserbeseitigung, die mit biologischen und biotechnologischen Verfahren durchgeführt werden soll, beschäftigt man sich in der Grauen Biotechnologie. Die Weiße hingegen steht im Dienste der Industrie.

Hier werden im großen Stil biologische Substanzen produziert. Und genau das geschieht mit Hilfe der Pilze, denn sie scheiden die gewünschten Enzyme aus, die für die Produktion beispielsweise von Waschmitteln notwendig sind. Diese Enzyme spalten größere Moleküle wie Eiweiß, Stärke oder Fette auf. Das ist gut, denn unser Essen oder vieles andere, womit wir unsere Kleidung beschmutzen, besteht genau aus diesen Bausteinen. Wissenschaftler dieses Forschungsgebietes, oft sind es Mykologen, also Pilzforscher, suchen ständig nach immer neuen Pilzarten, die die gewünschten Enzyme produzieren können, um sie bei der Herstellung von beispielsweise Papier, Kosmetik, Textilien und Waschmitteln einsetzen zu können.


Sprossenwachstum, Ausbildung einer Hyphe und ein Pilzmycel in einer graphischen Darstellung - Grafik: © 2017 by Schattenblick

Pilzhyphe
Grafik: © 2017 by Schattenblick

Nach Pilzen kann eigentlich überall auf der Erde gesucht werden. Es gibt sie in kalten Gegenden, in der Wüste, wie auch in tropischen und subtropischen Regionen. Selbst an den Hängen von Vulkanen wurden Pilzstämme gesammelt, wie auch in den Permafrostböden Grönlands oder im Dschungel von Borneo. Pilze sind wahre Überlebenskünstler und die verschiedenen Arten können sich den unterschiedlichsten Umweltbedingungen anpassen. Sie leben in großen Gemeinschaften und es ist nicht ganz sicher, ob dies mit ein Grund für ihre Überlebensfähigkeit ist.

Sollen Pilze aber zu unserem Nutzen eingesetzt werden, müssen sie aus ihrem Lebenszusammenhang heraus getrennt werden. Doch vielleicht kommen sie sogar damit gut zurecht?


Pilze werden aus ihrer Lebensgemeinschaft getrennt

Um Pilze in die Labore der Unternehmen zu bringen, müssen sie sorgfältig aus ihrer Gemeinschaft isoliert und dann in einen Kühltank gebracht werden. Dort schlummern sie umgeben von einer Stickstoffwolke, bis sie zu weiteren Experimenten heraus geholt werden. In einem solchen Stickstofftank können 10.000de von verschiedenen Pilzstämmen gelagert werden. Mit all diesen unterschiedlichen Arten starten die Wissenschaftler ihre Versuche.

Bleiben wir am Beispiel der Waschmittelherstellung. Die hier genutzten verschiedenen Pilze bilden Enzyme aus wie Amylasen, die stärkehaltige Speisereste beseitigen, andere sondern Cellulasen ab, die für eine gute Schmutzablösung sorgen, wieder andere produzieren Lipasen, die besonders gut Fette und Öle auflösen können. Die wichtigsten in diesem Zusammenhang sind aber die Pilze, die Proteasen absondern. Sie lösen Blut, Milch, Ei oder Kakaoflecken auf, die oft schwer aus der Kleidung herauszuwaschen sind.

Doch was bringt die Pilze dazu, diese bestimmten Enzyme auszuscheiden? Brauchen sie dazu einen bestimmten Nährboden? Spielt der Zufall eine Rolle oder füttert man sie mit bestimmten Stoffen, damit sie wiederum zur Absonderung der gewünschten Enzyme angeregt werden? Das sind Fragen über Fragen und für Wissenschaftler und Wissbegierige gibt es noch viel zu erforschen. Denn immer noch kennt die Wissenschaft nur einen kleinen Teil der existierenden Pilze auf der Welt und weiß natürlich auch nichts über weitere Fähigkeiten, die zu nutzen wären.


Wenn Industrie-Pilze ihren Dienst verweigern

Immer schon hat der Mensch gewusst, wie er andere Lebewesen, ob groß oder winzig klein, für sich arbeiten lassen konnte oder sie ihm als Nahrung oder als Rohstoffquelle für Kleidung und allerlei Werkzeug dienten. Man denke an die Bienen, die Kühe, Schafe und Ziegen, die Schweine, um nur einige Beispiele zu nennen. Die Pilze scheinen es besonders schwer zu haben, denn leicht wird verkannt, dass es sich um Lebewesen handelt. Sie betreiben Stoffwechsel, bewegen sich fort, bilden Gemeinschaften und leben in Symbiosen mit anderen. Sie nehmen Nahrung auf und scheiden aus.

Von Pilzstämmen, die in der industriellen Produktion genutzt werden, ist in jüngerer Zeit bekannt geworden, dass ihre Leistung abnimmt. Die Ausbeute an Enzymen wird geringer oder hört ganz auf. Die Forscher suchen nach einer Erklärung, denn für ein Unternehmen bedeuten diese nicht "funktionierenden" Organismen einen Produktionsausfall, der Kosten verursacht. Es geht also nicht um die Lebewesen und ihre Möglichkeit zu überleben, sondern darum, sie wieder zum guten Funktionieren zu bewegen. Kann es nicht sein, dass sie bei dieser Art der Haltung auch einfach überfordert werden und sie entweder "streiken", um den Rest Kraft für ihr Überleben einzusetzen, oder aber sie sterben einfach. Vielleicht ist das eine Folge von Stress, eine Reaktion auf eine andauernde Überforderung. Wer weiß das schon wirklich? Immerhin zählen die Pilze zu den ältesten Lebewesen auf unserem Planeten. Wenn sie aufgeben, gerade sie, die in den verschiedensten und extremen Lebensbedingungen über Jahrmillionen immer eine Möglichkeit des Überlebens gefunden haben, dann mag das ein warnendes Zeichen sein. Wir verdanken den Pilzen ungemein viel und es wäre sicher an der Zeit, entsprechend achtsam mit ihnen umzugehen. Schließlich wollen wir etwas von ihnen. Sie brauchen uns nicht.

Im nächsten Teil: Pilze in der alternativen Energiegewinnung


Diesem Artikel liegen folgende Quellen zugrunde:

http://www.berliner-zeituung.de/die-chemische-industrie-setzt-zunehmend-auf-pilze-und-bakterien--zum-nutzen-der-umwelt-weisse-biotechnologie-eroeffnet-neue-wege-15928216

TV-Sendung:
"Pilze - Pioniere der Biotechnologie"
Dokumention, Frankreich, 2013
Regie: Thomas Sipp, Anne Rizzo
55 Min.



23. Mai 2017


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