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FUNGI/006: Pilze - Metropolis der Pilze ... (SB)



In unserer hochtechnisierten Welt spielen Lebewesen, obwohl sie bisweilen unscheinbar und winzig klein sind, eine unglaublich bedeutende Rolle. Schon vor Jahrtausenden hat sich der Mensch ihrer Fähigkeiten bedient. Durch Zufall und Beobachtung entdeckte er immer neue nutzbringende Eigenschaften dieser kleinen Helfer. Ohne sie hätte der Mensch nicht überleben können. Die Rede ist von Pilzen. Und heute, mit den modernen wissenschaftlich-technischen Möglichkeiten, wird weiter geforscht, ob sie nicht noch mehr können.


Pilze überall Pilze

Beim Brotbacken, Bierbrauen, in der Käseproduktion und der Erzeugung vieler Milchprodukte, sogar bei der Schokoladenherstellung werden Pilze eingesetzt. Bestimmte andere Arten produzieren das Penicillin, das als Medikament schon vielen Millionen Menschen das Leben retten konnte. Man erforscht ihre Fähigkeit, mit Pflanzenwurzeln Symbiosen einzugehen und so eine gute Nährstoffversorgung der Pflanzen auch an ungünstigen Standorten zu ermöglichen. Und Pilze sollen helfen, die verseuchten Böden oder nährstoffarme Böden zu entgiften und wieder neu zu beleben. In immer neuen Einsatzgebieten werden Pilze mit ihren besonderen Fähigkeiten in Anspruch genommen. So auch bei der Energiegewinnung aus nachwachsenden Rohstoffen, den sogenannten erneuerbaren Energien.


Teller oder Tank - die Schwächen einer vermeintlich guten Idee

Seit sich viele Regierungen der Welt darauf geeinigt haben, dass der CO2-Ausstoß erheblich verringert werden muss, damit der Klimaerwärmung vielleicht noch Einhalt geboten werden kann, forschen Wissenschaftler auch nach alternativen Kraftstoffen für Autos und Flugzeuge. Die Idee ist, nachwachsende Rohstoffe zu benutzen. Mit anderen Worten, aus Pflanzen soll das sogenannte Bioethanol hergestellt werden. Dabei geht man davon aus, dass es besonders umweltfreundlich ist, da es aus Pflanzen stammt, die als klimaneutral gelten. Das heißt, die Pflanzen nehmen während ihres Wachstums so viel Kohlendioxid auf, wie bei ihrer Verbrennung wieder frei wird.

Verwendet werden Zuckerrüben, Zuckerrohr, Kartoffeln, Mais und Getreide, die einen hohen Zucker- oder Stärkegehalt aufweisen. Das ist wichtig, damit die Pilze aktiv werden können und mit dem Vergären des Pflanzenmaterials zu Ethanol beginnen können. Man muss genau die Hefen einsetzen, die eine alkoholbildende Gärung auslösen. Sehr oft wird der Hefepilz mit dem Namen Saccharomyces cerevisiae verwendet. Aus dem so produzierten Ethanol, das ist Alkohol, wird durch ein bestimmtes technisches Verfahren letztlich der Kraftstoff Bioethanol gewonnen. Es wird dem Benzin beigemischt, dem sogenannten E10, das 10 Prozent Ethanol enthält.

Rundliche Hefezellen liegen in mehr oder weniger großen Haufen dicht nebeneinander - Foto: 2010 by Bob Blaylock (Own work) [CC BY-SA 3.0 (http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0) ], via Wikimedia Commons

Der Hefepilz Saccharomyces cerevisiae, vergrößerte Ansicht
Foto: 2010 by Bob Blaylock (Own work) [CC BY-SA 3.0 (http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0) ], via Wikimedia Commons

Auf den ersten Blick schien das ein gutes Mittel zu sein, den neuen als umweltfreundlich erklärten Treibstoff zu gewinnen und den CO2-Ausstoß zu verringern. Doch bald schon zeigte sich, dass die Ackerflächen für eben diese nachwachsenden Rohstoffe in den Industrieländern nicht ausreichten. Es wurden neue Anbauflächen gesucht und beispielsweise in Brasilien und Indonesien gefunden. Von den Unternehmen, die Biosprit herstellen, wurde Land aufgekauft und der darauf ursprünglich wachsende Regenwald vernichtet, um Palmöl-Plantagen anzulegen. Die Palmölfrucht ist hervorragend geeignet, um daraus Ethanol zu produzieren. Der Preis dafür ist allerdings sehr hoch. Der Regenwald verschwindet, obwohl er eine enorm wichtige Rolle für das Weltklima hat. Zudem wird bei der Abholzung und Brandrodung all das CO2 freigesetzt, das zuvor im Boden und in den Pflanzen gespeichert war. Denn der Regenwald ist eine besonders gute CO2-Senke. Das bedeutet, er kann der Luft viel Kohlendioxid entnehmen und speichern. Deswegen kann das sogenannte Bio-Ethanol überhaupt nicht als umweltfreundlich gelten und verursacht mittel- und unmittelbar mehr CO2-Ausstoß als normales Benzin.

Ein weiterer Gesichtspunkt spielt ebenfalls eine erhebliche Rolle. Mais, Kartoffeln, Zuckerrüben und Getreide sind Nahrungsmittel und die sind auf der Welt ohnehin knapp. Gerade sie als nachwachsende Rohstoffe in Gebrauch zu nehmen, stößt weltweit auf Kritik. Ein Streit breitete sich unter besorgten Bürgern, aber auch unter Wissenschaftlern aus. Unter dem Titel "Teller oder Tank" werden die Vor- und Nachteile der Bio-Ethanol-Herstellung diskutiert.


Von "Bio" zu "BioBio" bei der Kraftstoffherstellung

Vor diesem Hintergrund suchte man weiter nach Lösungen. Die Idee war diesmal, nur noch Pflanzenreste zu nutzen. Stroh, Holzreste, Äste, Altpapier, Kartons, Sägespäne und ähnliches sind die Energieträger aus denen nun Ethanol gewonnen werden soll. Dafür, dass man sie bisher nicht verwendet hat, gibt es einen Grund. Die in Stroh- und Holzabfällen enthaltene Zellulose enthält nur ganz wenig Zucker (Glucose), den die Hefen leicht in Alkohol umsetzen können. Stattdessen sind die anders aufgebauten Zucker (Xyolose, Arabinose) als Lignocellulose in den Zellwänden eingelagert. In Holz befindet sich ein Anteil an Lignin, dem sogenannten "Holzstoff", der jedoch nicht vergärt werden kann.

Was nun? Es wurde nach einem Pilz gefahndet, der auch diese Zucker vergären kann. Über einen Umweg gelangte man zu einem Erfolg versprechenden Verfahren. Die Stroh- und Holzreste oder ähnliche müssen verflüssigt und chemisch oder durch Erwärmen vorbehandelt werden. Durch Zugabe von bestimmten Enzymen lässt sich diese spezielle Lignocellulose in Zucker aufspalten. Die dafür benötigten Enzyme stammen von Pilzen, die in der Natur an der Verrottung von Pflanzenresten beteiligt sind. Erst dann können die enthaltenen Zucker von Hefepilzen zu Alkohol umgesetzt werden.

Grafik: © 2017 by Schattenblick

Schematische Darstellung der Vergärung von Zucker durch Hefepilze
100g Zucker (Glucose) werden unter Zusatz von Hefe bei einer Temperatur von 15°C bis 18°C in 48,89 g Kohlensäure (CO2) und 51,11g Alkohol (Ethanol) umgesetzt
Grafik: © 2017 by Schattenblick


Die unglaublichen Fähigkeiten der Bäckerhefe

Durch intensive Forschung konnte die sogenannte Bäckerhefe, die zum Brotbacken und Bierbrauen verwendet wird, so verändert und gezüchtet werden, dass sie den in den Stroh- und Holzresten enthaltenen Zucker (Xyolose) nun auch direkt zu Ethanol vergären kann. Doch damit waren die Wissenschaftler noch nicht zufrieden. Sie wollten die Hefe dazu bringen, auch den anderen schwer wandelbaren Zucker (Arabinose) zu vergären. Tatsächlich erhielten sie nach langer Züchtung einen Hefepilz, der alle Zucker, also Glucose, Xyolose und Arabinose, zu Ethanol umsetzen kann. Dieses Verfahren ist zwar vielversprechend, hat aber den Nachteil, dass es sehr teuer ist.

Einmal mehr zeigen die Pilze, wie vielseitig und wandelbar sie sind. Und es wird erneut deutlich, wie wichtig sie für die Menschen sind.

Im nächsten Teil geht es um "Leuchtende Pilze" und im übernächsten Teil ist das Thema "Pilze in der alternativen Energiegewinnung".


Diesem Artikel liegen folgende Quellen zugrunde:

http://www.wiwo.de/technologie/green/biz/durchbruch-fuer-bio-biosprit-weltgroesste-anlage-fuer-abfalltreibstoff-in-betrieb/13550458.html

http://www.deutsche-landwirte.de/100205b.htm

https://www.bdbe.de/bioethanol/verfahren

http://www.nationalpark-bayerischer-wald.de/aktuelles/pressemitteilungen/detailansicht.htm?tid=25089

http://www.labo.de/genomics-proteomics/pilze-fuer-die-industrie-produktion-von-enzymen.htm


13. Juni 2017


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