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FUNGI/007: Pilze - Lichtgeburten ... (SB)



Ein nächtlicher Spaziergang im Wald hat immer etwas Unheimliches an sich. Es ist still, hier und da ein leises Rascheln, ein kleiner Zweig, der unter den Füßen bricht, und noch tiefere, noch dunklere Schatten in den Baumschatten lassen einen zögerlich den Weg erkunden. Wenn dann plötzlich der aufmerksame Blick auf ein seltsames Leuchten fällt, ein helles, ein grünes oder dort am Boden das Holz in gelblich-grünlichen Farben schimmert, kann man sich als Ahnungsloser gern den Schrecken eingestehen. Was geht hier vor? Feiern hier die kleinen Leute ein Lichterfest? Versammeln sich Elfen oder Feen zum nächtlichen Tanz oder sind böse Waldwesen am Werk? Mitnichten, es sind Pilze, die da leuchten.


Leuchtende Pilze

Unter den ungefähr 100.000 bekannten Pilzarten sind 71 verschiedene Arten, die leuchten. Diese Fähigkeit wurde Biolumineszenz genannt und erhielt damit die gleiche Bezeichnung wie das Leuchten bei den Glühwürmchen, den Leuchtkäfern und -krebsen, bei den leuchtenden Quallen, Bakterien oder Fischen.

Auch wenn nicht bekannt war, welchen Sinn das Leuchten für die Pilze selbst hat, der Mensch hatte dafür eine Verwendung. 1775/76 wurde in Amerika ein Kampf-U-Boot gebaut. Damals gab es noch kein elektrisches Licht und Kerzen oder Petroleumlampen würden in dem engen Raum zu viel Sauerstoff verbrauchen. Ohnehin ist die Vorstellung ein offenes Feuer im Inneren eines U-Bootes zu haben, aufgrund der Brandgefahr recht unangenehm. Also, wie sollte man sich unter Wasser im dunklen Unterseeboot mit den wichtigen Messgeräten zurechtfinden?


Ein fassförmiges U-Boot aus Holz und Metall gefertigt für einen Mann Besatzung - Foto: by Zenit (Own work) [CC BY-SA 3.0 (http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0)], via Wikimedia Commons

Kampf-U-Boot "US-Turtle" aus dem Jahr 1776
Foto: by Zenit (Own work) [CC BY-SA 3.0
(http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0)], via Wikimedia Commons

Die Ingenieure müssen sich an den Hallimasch-Pilz erinnert haben. Eigentlich zählt er zu den essbaren Arten, aber er strahlt auch noch gelblich grünes Licht aus. Also kamen sie auf die Idee, ihn für die Zeiger des Tiefenmessers und der Uhr zu verwenden. Zu diesem Zweck nahmen sie kleine Korkstücke, die mit den leuchtenden Hallimasch-Pilzen bewachsen waren. Das Licht dieser Pilze reichte aus, um die Anzeigen zu erkennen. Das mag zwar den Menschen beim Kriegführen geholfen haben, doch welchen Nutzen hat das Leuchten für die Pilze selbst?


Pilze setzen ihr Leuchten gezielt ein

Pilze bilden ihren Fruchtkörper aus, den sichtbaren und manchmal auch essbaren Teil des gesamten Pilzgeflechts. Dort drinnen befinden sich die Sporen. Sie können auf verschiedene Weise verbreitet werden. Manche platzen auf und die Sporen werden weit hinausgesprengt, andere werden vom Wind fortgetragen. Doch im dichten Wald weit unten auf dem Waldboden wo die Pilze wachsen, gelangt oft gar kein Wind hin. Wie helfen sich diese Pilzarten, um ihre Vermehrung zu sichern? Hat das Leuchten etwas damit zu tun?


Eine Ansammlung von intensiv grün schimmernden Pilzhüten, die Stiele leuchten etwas weniger kräftig - Foto: by self (Own work lalalfdfa) [CC-BY-SA-3.0 (http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/)], via Wikimedia Commons

Leuchtpilz Mycena chlorophos
Foto: by self (Own work lalalfdfa) [CC-BY-SA-3.0 (http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/)], via Wikimedia Commons

Lange hielten Wissenschaftler das Leuchten der Pilze für ein Nebenprodukt ihres Stoffwechsels ohne tiefere Bedeutung. Doch einigen Biologen ließ das keine Ruhe. Sie forschten weiter und konnten unter Laborbedingungen den stark in grünem Schimmer leuchtenden Pilz Neonothopanus gardneri untersuchen. Beheimatet ist er in Brasilien und wird dort im Volksmund "Kokusnussblüte" genannt, weil er besonders gut nahe junger Palmen gedeiht.

Mit einer sehr empfindlichen Kamera filmten sie den Pilz Tag und Nacht. So fanden die Forscher heraus, dass der Neonothopanus gardneri sein Leuchten am Tag herunterdimmt und es des nachts wieder intensiviert. Sie gehen davon aus, dass mit diesem Licht Käfer, Mücken, Fliegen, Wespen, Ameisen und anderes Krabbelgetier angelockt wird. An ihnen bleiben die winzigen Sporen des Pilzes haften, die auf diese Weise in weiter entfernte Gebiete transportiert werden. Die kleinen Krabbler tragen somit zu seiner Verbreitung bei. Aber der Neonothopanus gardneri ist nicht der einzige, der sich dieser Methode bedient.


Ein leuchtend grüner Pilz, der ein wenig wie ein kleiner krauser Kohlkopf aussieht - Foto: 2009, by Ylem (Own work) [Public domain], via Wikimedia Commons

Herber Zwergknäueling (Panellus stipticus)
Foto: 2009, by Ylem (Own work) [Public domain], via Wikimedia Commons


Wie kommt das Leuchten der Pilze zustande?

Natürlich wollten die Wissenschaftler wissen, wie oder wodurch dieses Leuchten, das so märchenhafte Namen hat wie beispielsweise "Feenfeuer" oder "Foxfire" ("Fuchsfeuer"), zustande kommt. Es entsteht als Stoffwechselprodukt der Pilze. Das bedeutet, bestimmte Stoffe, die man "Luciferine" nennt, werden durch spezielle Enzyme, die "Luciferasen", umgesetzt. Bei diesem Vorgang wird Sauerstoff verbraucht und es entsteht eben dieses Leuchten. Woher stammen aber die Enzyme? Sie sind als Bestandteil in verschiedener Weise in den unterschiedlichen Pilzarten enthalten. Beginnt der Pilz mit der Zersetzung seiner Nahrung (Obst, Brot, Gemüse, Blätter, tote Tiere etc.) werden diese dem jeweiligen Pilz eigenen Enzyme aktiviert.

Die Bäckerhefe zum Beispiel stellt ein bestimmtes Enzym her, das in der Lage ist, Zucker (Glucose) in Kohlensäure und Alkohol zu vergären. Der Schimmelpilz Penicillin notatum kann mit Hilfe seines Enzyms das Penicillin herstellen. Das Besondere bei den Leuchtpilzen ist, dass bei ihrem Zersetzungsvorgang auch Energie in Form von Licht frei wird. Ein kleines Geheimnis bleibt noch: diese leuchtenden Pilze können die Stärke der Lichtabstrahlung beeinflussen: tagsüber weniger intensiv, nachts dafür kräftiger. Wie sie das machen, das konnte bisher noch nicht wirklich geklärt werden und solange behilft man sich mit der Vorstellung, dass eine "innere Uhr" die unterschiedliche Lichtstärke regelt.

Auch bei diesen Pilzen sind Wissenschaftler auf der Suche nach Möglichkeiten, wie der Mensch das Leuchten der Pilze, also die Biolumineszenz, nutzen kann. Heute wird dieses Phänomen bereits in der biologischen Forschung eingesetzt, um Moleküle zu markieren.

Im nächsten Teil: Pilzucht für den Großmarkt


Diesem Artikel liegen folgende Quellen zugrunde:

http://www.zeit.de/wissen/umwelt/2015-03/biolumineszenz-leuchtende-pilze-pflanzen

http://www.n-tv.de/wissen/Was-Pilze-im-Dunkeln-leuchten-laesst-article19814203.html?service=print

http://www.wissenschaft-aktuell.de/artikel/Nur_nachts_Lockendes_Leuchten_fuer_die_Sporenverbreitung1771015589787html


27. Juni 2017


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