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FUNGI/010: Pilze - sie überleben fast alles ... (SB)



Von Pilzen wissen wir, dass sie für das Leben auf unserem Planeten enorm wichtig sind. Hilfreich bei der Nahrungsproduktion, der Erzeugung von Medikamenten, unerlässlich bei der Bodenbelebung, selbst bei der Energiegewinnung durch Bioreaktoren ist man auf sie angewiesen, und sie sind unersetzlich, weil sie Zerfallsprozesse in Gang zu bringen und die Erde davor bewahren, im Müll und Unrat zu ersticken. Ein Leben auf unserer Welt wäre schlicht und einfach ohne das Wirken der Pilze nicht möglich. Neuerdings schätzt man sie auch als Umweltretter, sie sollen Altöl abbauen und mit Chemikalien verseuchte Böden reinigen.

Eine relativ neue Entdeckung in der Pilzforschung sind die sogenannten "schwarzen Pilze" oder Polyextremophile. Das bedeutet, dass sie in vielen extremen unwirtlichen Lebensräumen zurechtkommen. Sie sind in vielerlei Hinsicht bemerkenswert und es sieht so aus, als hielten sie wirklich jede Umweltbedingung aus. Man findet sie in der Antarktis oder Grönland, aber auch in extrem trockenen und heißen Wüsten. Es wurde sogar bekannt, dass einige Stämme schon im Weltall überlebt haben. Zudem verkraften sie sehr hohe Giftkonzentrationen ohne Schaden zu nehmen. Gifte, die bei verschiedenen Industrieproduktionen in Boden, Wasser und Luft gelangen. Und sie lieben anscheinend die Radioaktivität.


Pilze, die sich von Giftstoffen ernähren

All diese Fähigkeiten rufen natürlich die Wissenschaftler auf den Plan, die in dem Einsatz dieser "schwarzen Pilze" bereits eine vielversprechende Lösung für die Bereinigung vieler Umweltverschmutzungen sehen. Denn diese Pilze sind innerhalb ihrer Art die zähesten und überlebensfähigsten und in der Lage, genau die vom Menschen verursachten Hauptverschmutzungen zu beseitigen: die Kohlenwasserstoffe, die im Heizöl, im Schweröl und in verschiedenen Schmierölen enthalten sind (Hexadecane), sowie auch jene Kohlenwasserstoffverbindungen (Toluole), die Bestandteil von Benzol oder Benzin sind. Zudem können sie selbst giftige Substanzen (Aromate) in Erdgasen abbauen. Doch so sehr man sich diese Wunderpilze auch im Einsatz wünscht, sie sind noch nicht so weitgehend erforscht, dass sicher gesagt werden kann, ob sie bei ihren Abbauprozessen nicht selber irgendwelche giftigen Endprodukte erzeugen. Erst wenn sicher ist, dass alle Gifte restlos verstoffwechselt werden, könnte man die Bereitstellung dieser Pilze als Umweltreiniger verantworten. Doch wird von den Forschern auch darauf hingewiesen, dass man eben keine Wunder erwarten darf. Die schwarzen Pilze könnten zwar helfen, einen Ölteppich auf dem Meer zu zersetzen, doch geschieht dies nicht an einem Tag. Außerdem müsste nach einem Tankerunglück, bei dem ein großer Ölteppich entstanden ist, erst einmal eine ausreichende Menge von ihnen gezüchtet werden, die dann, an dem Ort des Geschehens ihre Arbeit aufnehmen könnten. Der natürliche Abbau des Öls dauert Jahre und Jahrzehnte, mit Hilfe der Pilze vielleicht etwas weniger lange.


Pilze, die in der Antarktis überleben

Allein die Vorstellung in der Antarktis zu leben, lässt einen schon frieren und hoffen, dass man eine entsprechend gute Kleidung trägt, die die Kälte abhält. Die Temperaturen bewegen sich dort um die -60°C bis -70°C. 2017 wurde dort die weltweit niedrigste Temperatur von sogar -98,6 °C gemessen. Die schwarzen Pilze, die auch Mikropilze genannt werden, haben am Südpol einen ganz speziellen Lebensraum gewählt. Sie wurden von Forschern im Permafrostboden in einer darin eingeschlossenen Salzlake (kleine Wassermenge mit viel Salz) in vier bis fünf Metern unter der Oberfläche gefunden. Die Salzkonzentration war so hoch, dass das Wasser selbst bei diesen tiefen Temperaturen nicht gefriert. Niemand hatte dort Leben erwartet, und so wurden die Wissenschaftler vom Vorhandensein dieser winzigen, schwarzen Pilze überrascht. Noch ist nicht klar, wie man diese Fähigkeit der Pilze, in derart extrem lebensfeindlichen Umgebungen zu wachsen, nutzen kann. Klar geworden ist allerdings, dass gerade die einfachen Lebensformen besser mit Extrembedingungen zurechtkommen als höher entwickelte vielzellige Lebewesen und die Pilze scheinen hier eine herausragende Position einzunehmen.


Pilze, die radioaktive Strahlung mögen

Die schwarzen Pilze sind aber noch aus einem anderen Grund außergewöhnlich. Sie lieben die Radioaktivität. Da wo so hohe Strahlenwerte gemessen werden und jedes höher entwickelte Lebewesen in kurzer Zeit den Tod finden würde, fühlen sich bestimmte Stämme dieses schwarzen Pilzes wohl, ja, sie gedeihen dort sogar prächtig. Wie kann das sein?

Es hat etwas mit ihrer schwarzen Färbung zu tun, die vom Melanin herrührt, das in ihnen eingelagert ist. Bei Melanin handelt es sich um jenen Stoff, der auch in unserer Haut vorkommt, sie dunkel färbt und einen Schutz gegen die Sonnenstrahlung (UV-Strahlung) bietet. Allerdings verfügen wir über weitaus geringere Mengen dieser Substanz. Forscher vergleichen die Wirkung des Melanins in den schwarzen Pilzen mit dem des Chlorophylls in Pflanzen und bestimmten Einzellern. Wenn man es kurz fassen möchte, kann man sagen, dass Pflanzen mit Hilfe des grünen Chlorophyll als Energielieferant ihr Überleben sichern können und entsprechend ermöglicht das Melanin dies den Pilzen. Wie das genau im einzelnen funktioniert ist zum Teil noch nicht geklärt und überdies haben wir es hier mit sehr komplizierten Vorgängen zu tun, auf die an dieser Stelle nicht näher eingegangen werden soll, es würde den Rahmen sprengen.


Ein Rundbogendach umschließt die zerstörten Reaktorgebäude - Foto: 2017, by Tim Porter [CC BY-SA 4.0 (https://creativecommons.org/licenses/by-sa/4.0)], from Wikimedia Commons

Der Sarkophag (Schutzhülle) fertiggestellt, 2017
Foto: 2017, by Tim Porter [CC BY-SA 4.0 (https://creativecommons.org/licenses/by-sa/4.0)], from Wikimedia Commons

Die Reaktorkatastrophe von Tschernobyl vom 26. April 1986 setzte enorm große Mengen an Radioaktivität frei. Um zu verhindern, dass diese Strahlung weiterhin an die Umwelt abgegeben wird, wurden die zerstörten Reaktorgebäude unter einer Art Schutzmantel (Sarkophag) eingeschlossen. Die Beobachtungen, die dann in den ersten 1990er Jahren in diesem Sarkophag von Tschernobyl gemacht wurden, zeigen eindeutig ein sehr gutes Gedeihen der schwarzen Pilze unter den Bedingungen hoher Radioaktivität. Es scheint, als ziehen sie ihre Lebenskraft daraus, denn auch ihre Vermehrungsrate steigt um das doppelte bis vierfache in großer Geschwindigkeit an, wenn radioaktive Strahlung auf sie einwirkt. Auch in diesem Fall hegen Forscher bereits Hoffnungen auf einen möglichen Gebrauch dieser Pilze zur Beseitigung von radioaktiv verseuchten Gebieten.


Pilze im Weltall

Die größte Überraschung waren Pilze, die im Weltall überleben können. Sie lebten in der alten russischen Raumstation MIR in winzigen Hohlräumen, gemeinsam mit Bakterien, Einzellern und Milben. Doch auch in der modernen Raumstation ISS haben sich bereits Pilzkolonien angesiedelt. Das bedeutet, dass sie in Schwerelosigkeit überleben können. Zwar befanden sich die "blinden Passagiere" in beiden Raumstationen im Innenraum, doch die Beobachtungen im Sarkophag von Tschernobyl ließ die Forscher vermuten, dass sie vielleicht sogar im freien Weltall überleben könnten.


Vier große Module für Labor- und Wohnraum, eine Vielzahl von Sonnenpanelen sind an verschiedenen Stellen der Module für die Energieversorgung angebracht - Foto: 1998, by NASA [Public domain], via Wikimedia Commons

Die Raumstation MIR

Foto: 1998, by NASA [Public domain], via Wikimedia Commons

Die dort vorherrschende hochenergetische Gammastrahlung wirkt, wenn Menschen ihr schutzlos ausgesetzt wären, tödlich. Doch diese kleinen Wesen vertragen eine ganz erstaunliche Menge davon. Bedeutet eine Gammastrahlenmenge von 4 Gray für einen Menschen den Tod oder eine schwere Erkrankung, so halten die schwarzen Pilze eine Gammastrahlendosis von 17.000 Gray aus. Wie bereits oben erwähnt, erhöht diese Strahlung sogar noch die Vermehrungsrate dieser Pilze. Natürlich sind es noch Spekulationen und Hoffnungen, dass man von der Fähigkeit der schwarzen Pilze, die radioaktive Strahlung in Energie umzuwandeln, etwas lernen könnte, was für spätere Raumfahrtunternehmungen von Nutzen sein könnte. Es gab bereits Experimente mit den oben genannten schwarzen Antarktis-Pilzen (mikroskopische Schleimpilze), weil Forscher die extrem lebensfeindlichen Bedingungen in der Antarktis mit jenen auf dem Mars verglichen haben. In einem Experimentalcontainer außerhalb der Raumstation ISS wurde ihre Wachstums- und Überlebensfähigkeiten untersucht. Die Ergebnisse waren so ermutigend, dass die Wissenschaftler beispielsweise zukünftige Projekte und Missionen planen, mit denen nach Leben auf dem Mars gesucht werden soll.


Diesem Artikel liegen folgende Quellen zugrunde:

www.deutschlandfunk.de/pilze-dritte-form-des-hoeheren-lebens.740.de.html?dram:article_id=389552

http://www.fr.de/wissen/astronomieraumfahrt/experimente-im-weltraum-bakterien-viren-und-pilze-im-all-a-948752

https://www.spektrum.de/news/atompilze/874932

https://www.salto.bz/de/article/18072018/der-pilz-der-antarktis

https://www.grenzwissenschaft-aktuell.de/antarktische-pilze-ueberleben-18-m-ausserh-iss20160201


10. September 2018


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