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PFLANZEN/051: Uralt - ein Baum in Menschenhand ... (SB)



Der Arganbaum ist ein ganz besonderes Lebewesen, dem es gelungen ist seit ungefähr 80 Millionen Jahren auf der Erde zu wachsen. Vielleicht hätten sogar Dinosaurier auf ihn treffen können. Dass eine Pflanze es über eine so extrem lange Zeitspanne geschafft hat zu überleben, zeugt von einer hohen Anpassungsfähigkeit an besondere Umweltbedingungen. Lange Zeit gehörte er zu den vielen dichten Wäldern rund um den Mittelmeerraum und Nordafrika. Arganbäume fand man noch um 1930 herum in großer Zahl in Algerien, Mauretanien und Südmarokko. Mittlerweile wachsen sie jedoch nur noch auf einer relativ kleinen Fläche von ungefähr 8000 Quadratkilometern in Südwest-Marokko. Dieses Gebiet wurde von der UNESCO zu einem Biosphären-Reservat erklärt, in dem der Arganbaum nun unter Schutz steht.


Ein Baum mit weit ausladendem Blätterdach und relativ kurzem Stamm - Foto: 2005, by Laurent THIEBLEMONT [Public domain], via Wikimedia Commons

Arganbaum in vollem Laub
Foto: 2005, by Laurent THIEBLEMONT [Public domain], via Wikimedia Commons


Er liebt das heiße, trockene Klima und kommt gut mit sandigem, auch nährstoffarmen Boden zurecht, klammert sich sogar an steiniger, stark mineralischer Erde fest und das auch noch in Höhen von bis zu 1300 Metern.Trockenperioden übersteht er gut und Temperaturen von bis zu 50°C machen ihm nichts aus. Mit seiner Wurzel reicht er bis in 30 Meter Tiefe, um dort an das Grundwasser zu gelangen. Man kann sagen, dass es sich bei diesem "lebenden Fossil" um ein nützliches Bollwerk gegen die Ausbreitung von Wüsten handelt, dessen Bedeutung und Wert für das Leben der Menschen lange Zeit völlig unterschätzt wurde. Das führte dazu, dass diese kostbaren Bäume in großer Zahl abgeholzt und zu Brennholz wurden oder landwirtschaftlichen Flächen weichen mussten, was sich als wenig erfolgreich erwies, da die dort angebauten Pflanzen weniger gut mit dem Klima zurechtkamen. Erst spät, in den 1990er Jahren, erkannte man die überlebenswichtige Bedeutung, die der Baum für diese Region hat.

Den Berber-Stämmen, also den Menschen, die in dieser Region des Landes beheimatet sind und auch heute noch zu einem kleinen Teil als Nomaden oder Halbnomaden leben, galt er schon vor langen Zeiten als "Baum des Lebens". Sie nutzten sein Öl als Medizin, Kosmetik- und Speiseöl. Heruntergefallene Äste und Zweige wurden zu Brennholz und die aufgelesenen Früchte dienten als Nahrungsmittel, wie die Blätter als Tierfutter Verwendung fanden. Vielerorts ist das auch heute noch so.

Als Schattenspender bietet der Baum mit seinem großen ausladenden Blätterdach, das einen Umfang von 50 bis 70 Metern erreichen kann, vielen Pflanzen Schutz vor der sengenden Sonne und so können sie dort wachsen, wo sie es ohne diesen Baum nicht schaffen würden. Natürlich versammeln sich auch Mensch und Tier gern unter seiner schützenden Blätterkrone, zumal dort die reifen Früchte, die herabgefallen sind, vom Menschen gesammelt oder von den Tieren gefressen werden. Der Arganbaum wächst mit seinem oft über 1 Meter dicken Stamm 10 bis 12 Meter hoch und seine Äste und Zweige hängen zum Teil tief herab. Das ist gut für die Ziegen, die sich dort mit Vorliebe aufhalten, denn so können sie leicht an die Blätter und Früchte gelangen. Sollten sie die unteren Bereiche des Baum abgefressen haben, klettern diese Tiere auf den Ästen und Zweigen weit hinauf in die Baumkrone, um sich dort weiter Blattwerk und Frucht schmecken zu lassen. Das mag für die Ziegen gut sein, für den Baum eher nicht.


Fünf Ziegen stehen hoch oben in der Baumkrone, auf bereits kahl gefressenen Zweigen - Foto: 2013, by Arnaud 25 [CC BY-SA 3.0 (https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0)], via Wikimedia Commons

Ziegen klettern auf Ästen und Zweigen
Foto: 2013, by Arnaud 25 [CC BY-SA 3.0 (https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0)], via Wikimedia Commons


Obgleich der Baum sich gegen das Abfressen seiner Blätter und Früchte mit vielen spitzen Dornen zu wehren bemüht, lassen sich Ziegen und Dromedare davon nicht beeindrucken. Als sich noch wenige Ziegen dort zum Fressen einfanden, war der Schaden nicht so erheblich, doch wuchs ihre Zahl mit der der Hirten, die ihre Ziegenherden in den kargen Landstrichen mit Futter versorgt wissen wollen. Lediglich mit dem Atlashörnchen bildet der Arganbaum so etwas wie eine Symbiose. Das Hörnchen frisst die Früchte und wie auch unsere Eichhörnchen, verstecken und vergraben sie eine große Zahl davon in der Umgebung. Doch vergessen sie viele ihrer Vorrats-Verstecke und so können an verschiedenen Stellen neue Arganbäume heranwachsen.


Der Arganbaum wächst nicht überall

Jeder einzelne der Arganbäume, die heute, wie gesagt, nur noch in Süd-Marokko wachsen, wird von einer ortsansässigen Familie umsorgt. Dafür erhalten sie das Nutzungsrecht auf dessen Früchte und das Holz des herab fallenden Astwerks. Der gesamte Baumbestand gehört dem Staat Marokko. Die Bäume können zwischen 150 und 400 Jahre alt werden und ihre beste Zeit, um Früchte auszubilden haben sie zwischen 50 und 60 Jahren. Das Interesse an den Arganfrüchten beziehungsweise den darin enthaltenen nussartigen Kernen ist besonders groß. Aus ihnen wird das kostbare Arganöl gepresst. Zur Verarbeitung kommen wir gleich noch. Seit die Nachfrage nach Arganöl angestiegen ist, weil Spitzenköche es in der Gourmet-Küche verwenden oder es von der Kosmetik-Industrie verlangt wird, lassen sich mit dem Öl enorm hohe Preise erzielen. Das führte zunächst dazu, dass die Bäume gehegt und gepflegt und Aufforstungsprogramme gestartet wurden. Nun hatte dieser bisher als wenig bedeutsam geltende Baum plötzlich eine hohen Wert. Das half, dass die Bestände wieder zunahmen. Heute steht man allerdings vor dem Problem, diese Pflanzen nicht zu sehr auszubeuten und ihnen damit nachhaltig Schaden zuzufügen. Alle Versuche die Arganbäume auch in anderen Ländern, beispielsweise in Israel oder Saudi-Arabien anzupflanzen, um ebenfalls das Arganöl herzustellen und am Gewinn teilzuhaben, schlugen fehl. Dieser Baum wächst nur unter bestimmten Bedingungen und die scheint es heutzutage nur noch in dem bestimmten Gebiet in Marokko zu geben.


Zwischen kleinen, grünen Blättern und Dornen hängen die reifen gelben Früchte - Foto: 2005, by Daniel*D [CC BY-SA 3.0 (https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0)], via Wikimedia Commons

Reife gelbe Früchte Foto: 2005, by Daniel*D [CC BY-SA 3.0 (https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0)], via Wikimedia Commons



Schwierige Balance zwischen Gewinn-Interesse und Schutz der Bäume

Es heißt, das Arganöl sei das teuerste Öl der Welt und es wird auch das "flüssige Gold" Marokkos genannt. Doch die Möglichkeiten der Ausbeutung sind bei diesem Baum auf natürliche Weise begrenzt, denn immer noch wachsen hier verhältnismäßig wenig Bäume, hinzu kommt, dass er bei zu großer, lang andauernder Trockenheit in einen reinen Überlebensmodus wechselt. Das heißt, er verliert einen Teil seiner ohnehin nicht besonders großen Blätter und bildet keine oder kaum Blüten und Früchte aus. Regnet es hingegen in ausreichender Menge, weiß der Arganbaum das zu nutzen und es wachsen viele Blüten zeitversetzt über einen langen Zeitraum. In diesem Fall bilden sich natürlich auch viele Früchte. Man kann also nicht genau vorhersagen, wie viel Öl von einem Baum zu erwirtschaften sein wird.


In einem Korb liegen getrocknete Früchte, dazwischen auch kleine Kerne, werden auch Nüsse genannt - Foto: 2013, by Arnaud 25 [CC BY-SA 3.0 (https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0)], via Wikimedia Commons

Getrocknete Früchte und Kerne
Foto: 2013, by Arnaud 25 [CC BY-SA 3.0 (https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0)], via Wikimedia Commons


Hinzu kommt die besondere Art der Arganöl-Gewinnung. Dabei muss eine bestimmte Vorgehensweise eingehalten werden. Die Früchte dürfen zum Beispiel nicht vom Baum gepflückt werden, nur die reifen, herabgefallenen dürfen gesammelt und für die Ölerzeugung genutzt werden. Ein Baum wirft normalerweise ungefähr 30 Kilogramm Früchte im Jahr ab, aus deren Kernen gerade mal 1 Liter des kostbaren Öls gepresst werden kann. Auch die weitgehende Handverarbeitung der Früchte und Kerne ist keine leichte Angelegenheit, sie wird hauptsächlich von Frauen der Berberstämme geleistet. All das rechtfertigt den sehr hohen Preis für das Arganöl. Um eine nachhaltige Nutzung der Arganwälder zu ermöglichen und ihr Fortbestehen beziehungsweise ihre Vermehrung zu sichern, wurden seit den 1990er Jahren verschiedene Projekte gestartet. Auf diese Weise hat die hohe Wertschätzung des Baum dafür gesorgt, dass sich intensiv um sein Fortbestehen gekümmert wird, andererseits muss einer möglichen Übernutzung Einhalt geboten werden.

Der Arganbaum ist nicht nur für die Gewinnung des teuren Argan-Öls von großer Bedeutung für das Land Marokko, sondern er erweist sich als unglaublich wichtig im Kampf gegen die fortschreitende Wüstenbildung. Mit seinen Wurzeln verleiht er dem Boden Struktur und Festigkeit.

An dem Umgang mit dem Arganbaum, der bereits seit ungefähr 80 Millionen Jahren auf unserer Erde überlebt hat, zeigt sich das kurzsichtige Verhalten von Menschen, die nicht das Lebewesen Baum erkennen, sondern in ihm lediglich Bau- oder Brennholz sehen; die nicht erkennen, welche Bedeutung er im gesamten regionalen Ökosystem einnimmt und welche Folgen sein Fehlen mit sich bringt.


Diesem Artikel liegen folgende Quellen zugrunde:

https://www.arganoel360.info/arganbaum-ziegen.html

https://www.grund-zum-leben.de/themen/schaetze/arganbaum

https://www.arganoel-zauber.de/arganbaum/

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11. Juli 2019


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