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TIERE/113: Ich bau' mir ein Nest - Brutmaschine ... (SB)



Ein ganz besonderer Nestbau wird von dem Thermometer-Huhn betrieben und er zeugt von einer wirklich intelligenten Konstruktionsweise. Diese Vögel, die zur Familie der Großfußhühner zählen, bauen eine Art Brutschrank, in dem sie ihre Eier ausbrüten lassen. Es ist nicht leicht, so ein Bauwerk herzustellen und das Männchen ist bis zur endgültigen Fertigstellung den größten Teil des Jahres damit beschäftigt. Mit einer ungeheuren Sorgfalt und Genauigkeit prüft er wieder und wieder die Bruttemperatur und korrigiert sie nach oben oder unten. Man kann schon ahnen, warum dieses Tier seinen deutschen Namen "Thermometer-Huhn" erhalten hat.


Auffallend sind die starken Beine, der Körper sieht sehr kräftig aus, das Gefieder ist mit vielen Brauntönen eine gute Tarnfarbe - Foto: 2010, by butupa (IMGP7721.JPG Uploaded by snowmanradio) [CC BY 2.0 (http://creativecommons.org/licenses/by/2.0)], via Wikimedia Commons

Ein Thermometer-Huhn auf seinem Bruthaufen
Foto: 2010, by butupa (IMGP7721.JPG Uploaded by snowmanradio) [CC BY 2.0 (http://creativecommons.org/licenses/by/2.0)], via Wikimedia Commons

Dieser Hühnervogel, der diese ganz spezielle Nestbauweise betreibt, lebt in Australien, genauer gesagt im Südwesten des Landes. Dort, in den weiten Sandebenen, Sanddünen und vor allem zwischen dem Mallee-Eukalyptus, der hier weit verbreitet wächst, fühlt er sich wohl. Doch leider zählt er heute zu den bedrohten Tierarten, denn sein Lebensraum fällt immer weiter neu erschlossenen landwirtschaftlichen Flächen zum Opfer. Die Malle-Eukalyptus Büsche werden vernichtet, der Boden für den landwirtschaftlichen Anbau bereitet. Um diese Pflanzenart zu erhalten und auch dem Thermometer-Huhn einen Lebensraum freizuhalten, wurde 1977 eigens der sogenannte Malle-Cliffs-Nationalpark eingerichet. In diesen Regionen herrschen erhebliche Temperaturschwankungen, sowohl über das Jahr hinweg als auch an einem Tag. Im Sommer können diese täglichen Schwankungen bis zu 40°C betragen. Man kann sich gut ausmalen, dass es nicht einfach ist, die ideale Bruttemperatur von 33°C konstant zu halten.


Eine schlaues Huhn nutzt die Wärme, die beim Kompostieren entsteht

Gräbt man in einen Komposthaufen eine etwas tiefere Mulde, wird es unten deutlich wärmer als an der Oberfläche. Das angehäufte Laub, verdorbenes Obst und Gemüse faulen hier vor sich hin. Dieser sogenannte Fäulnisprozess erzeugt Wärme, die wiederum den Zerfall der organischen Bestandteile beschleunigt. Lässt man den Komposthaufen lange genug in Ruhe, entsteht durch diesen Vorgang gute Komposterde. Doch während das geschieht wird, wie gesagt, Wärme erzeugt.


Obwohl der Bruthaufen ziemlich groß ist, entdeckt man ihn nicht auf Anhieb, denn farblich passt er gut in die Umgebung -Foto: 2005, by Glen Fergus (Own work, Coorong, South Australia) [CC BY-SA 2.5 (https://creativecommons.org/licenses/by-sa/2.5)], via Wikimedia Commons

Ein Bruthaufen gut getarnt im Unterholz
Foto: 2005, by Glen Fergus (Own work, Coorong, South Australia) [CC BY-SA 2.5 (https://creativecommons.org/licenses/by-sa/2.5)], via Wikimedia Commons

Ob das Thermometer-Huhn darüber etwas weiß? Wer will das entscheiden? Sicher ist aber, dass es sich genau diese Art der Wärmeerzeugung zu Nutze macht. Haben sich Männchen und Weibchen gefunden, suchen sie gemeinsam einen geeigneten Bauplatz aus und beginnen mit dem Graben. Ihre besonders großen Füße und die kräftigen Beine eigenen sich bestens dafür. Die Tiere leisten Schwerarbeit, denn immerhin hat das Erdloch eine Tiefe von 0,90 Meter bis 1,20 Meter und dehnt sich ungefähr zwei bis drei Meter aus. Sie müssen also ganz schön viel Sand bewegen. Dann beginnen sie damit, Pflanzenmaterial zu sammeln, vornehmlich Gräser, Blätter und Blüten, aber auch feine Zweiglein, eben das, was sie in einem Eukalyptus-Buschgebiet so finden können. Alles wird in die vorbereitete tiefe Mulde gefüllt. Ab einem bestimmten Zeitpunkt übernimmt der Hahn allein die Bautätigkeit, mit der 4 Monate vor der ersten Eiablage begonnen wird. Erst wenn die ersten Niederschläge auf das Laub fallen und es ausreichend angefeuchtet wurde, beginnt der Thermometer-Hahn alsbald damit, die Mulde mit Sand zu verschließen, so dass die Feuchtigkeit darin gespeichert bleibt. Jetzt setzt der Zerfallsprozess, also die Verrottung des Laubs ein. Es wird braun und matschig und verändert sich immer weiter und weiter, bis am Ende eine Humusschicht entstanden ist. Millionen von Mikroorganismen haben das bewerkstelligt und dabei ist viel Wärme entstanden. Darüber wird nun die eigentliche Brut- oder Eikammer errichtet, ebenfalls eine Mulde. Stimmt die Temperatur, es sollten unbedingt ziemlich genau 33 °C sein, beginnt das Weibchen mit dem Eierlegen. Jeden Tag geht sie den Bruthaufen hinauf und legt ein Ei in die Eikammer. Danach deckt der Hahn die Mulde mit dem Ei sofort wieder mit Sand zu. Am nächsten Tag befreit er die Ei-Mulde wieder vom Sand und die Henne legt abermals ein Ei hinein, woraufhin der Hahn sie wieder verschließt. Dieser Vorgang wiederholt sich so oft, bis alle Eier (bis zu 34 Stück), in die Eikammer gebracht worden sind und kann über einen Monat dauern.


Temperaturschwankungen gefährden die Brut

Die jahreszeitlichen, wie auch die täglichen, Temperaturschwankungen bereiten dem Thermometer-Hahn eine Menge Arbeit. Durch intensive Sonneneinstrahlung im Sommer oder kühlere Temperaturen im Winter steigen oder fallen die Wärmegrade in der Eikammer. Was also ist zu tun? Im Frühjahr, wenn die Außentemperaturen noch unter den geforderten 33°C liegen, ist der Fäulnisprozess der Pflanzenmasse mit der entsprechenden Wärmeentwicklung voll im Gang. Dadurch kann es leicht zu einer Überhitzung in der darüber liegenden Eikammer kommen. Das muss der Hahn verhindern und er gräbt kleine Kanäle in den Bruthaufen, damit die Wärme darüber nach außen abgeleitet werden kann. Ständig kontrolliert er mit seinem Schnabel die Temperatur in der Eikammer. Zwar ist der Fäulnisprozess im Sommer noch nicht ganz abgeschlossen, aber nun ist es die Sonneneinstrahlung, die zu einer Überhitzung des Geleges führen kann. Der Hahn scharrt am frühen Morgen den noch relativ kühlen Sand in dicker Schicht auf die Eikammer, um die Eier so vor zu viel Wärme zu schützen. Am späten Nachmittag trägt er den Sand wieder ab. Erst im Herbst kommt der Gärungsprozess (Fäulnisprozess) zum Stillstand, die Pflanzenmasse ist weitestgehend zersetzt. Nun hilft nur noch die Sonnenwärme, um die Bruttemperatur konstant zu halten. Tagsüber, zur wärmsten Zeit, öffnet der Hahn den Bruthaufen, damit die Sonne direkt auf die Eikammer strahlen kann. Später gegen Abend scharrt er den erwärmten Sand wieder darüber, damit die Eier nicht auskühlen. Immer wieder "misst" der Hahn die Temperatur in der Ei-Mulde. Diese unermüdliche Arbeit des Hahns, sein ständiges Kontrollieren und Messen, sein behendes Auf- und Abbauen von Sandhaufen und das Einschätzen, welche Tätigkeit er unter welchen Bedingungen ausführen muss, damit die ideale Bruttemperatur erhalten bleibt - all das kommt einer wahren Meisterleistung gleich. Fast 10 Monate lang und beinahe 13 Stunden am Tag ist der Thermometer-Hahn mit dieser Art Brutpflege beschäftigt.


Die Grafik zeigt die in den Boden gegrabene Mulde, angefüllt mit Pflanzenresten, darüber die Ei-Kammer, die mit einer dicken Sandschicht bedeckt ist und den oberen sichtbaren Teil des Bruthaufens ausmacht - Foto: 2007, by Peter Halasz [CC BY-SA 2.5 (https://creativecommons.org/licenses/by-sa/2.5) or CC BY-SA 3.0 (https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0)], via Wikimedia Commons

Das Prinzip eines Bruthaufens
Erklärungen:
sand insulation = Sand-Isolation
egg-chamber = Ei-Kammer
rotting compost = faulender Kompost
Foto: 2007, by Peter Halasz [CC BY-SA 2.5 (https://creativecommons.org/licenses/by-sa/2.5) or CC BY-SA 3.0 (https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0)], via Wikimedia Commons


Das Küken gräbt und scharrt sich ins Freie

Doch irgendwann im späten Herbst reicht auch die Sonnenwärme nicht mehr aus und die Temperatur im Bruthaufen sinkt. Nun ist das Ausbrüten der Eier beendet. Ungefähr 70 Tage nach der Eiablage sprengt das Küken die Eischale auf und muss dann noch durch eine bis zu 1 Meter dicke Sandschicht klettern, um ins Freie zu gelangen. Das kann sich mehrere Stunden hinziehen. Hat das Küken die Oberfläche schließlich erreicht, verharrt es ca. 20 Minuten ganz still und sucht sich dann seinen Weg in Busch und Unterholz. Seine Eltern hat es nie gesehen, sie kümmern sich ab jetzt nicht mehr um ihren Nachwuchs. Das ist aber auch gar nicht nötig, denn die Küken haben bereits Federn und können schon nach einem Tag mit kurzen Flügen eventuellen Gefahren entfliehen. Bis zur Geschlechtsreife leben die Jungen allein, dann erst schließen sie sich mit einem Partner zusammen und beginnen in ihrem Revier nach einem geeigneten Platz für den Bruthaufen zu suchen.

Es bleiben noch einige Fragen offen: Welche Tiere können den großen Thermometer-Hühnern oder den Küken gefährlich werden? Werden ihre Bruthaufen von anderen Tieren, beispielsweise Füchsen, ausgeraubt oder es wäre gar die Überlegung anzustellen, ob sich ein verlassener Bruthügel als Bodenerneuerer erweist, da er ja eine gute Portion Humus in sich trägt und somit zu Verbesserung der Bodenqualität beitragen könnte.


Diesem Artikel liegen folgende Quellen zugrunde:

Brehms Neue Tierenzyklopädie
Sonderausgabe Prisma Verlag GmbH, Güthersloh, 1982
S. 271 ff.

Http://www.kuriosetierwelt.de/thermometer-huhn/


24. Januar 2018


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