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TIERE/119: Schildkröten - Geburt überleben ... (SB)



Der Pazifische Ozean ist riesig, mit seinen ca. 166 Millionen Quadratkilometern bedeckt er nahezu 33 % der gesamten Erdoberfläche. Seine Wassermassen reichen von China bis Costa Rica, von Sibirien bis zum Südpol. Die Vielzahl der Tiere und Pflanzen, die in ihm beheimatet sind, ist gewaltig und man darf getrost vermuten, dass noch nicht alle entdeckt worden sind. Verborgen in diesem Ozean liegt auch der tiefste Punkt unseres Heimatplaneten: der Mariannengraben. Er reicht etwas über 10.000 Meter Richtung Erdinneres hinab. Wer weiß, was dort an Leben überhaupt noch existieren kann. Doch unsere Aufmerksamkeit gilt in diesem Artikel einer besonderen, dort lebenden Meeresschildkröte, der Oliv-Bastardschildkröte (Lepidochelys olivacea).


Die Schildkröte in Großaufnahme am Strand, schwach zu erkennen ihr dunkel oliv farbener Panzer - Foto: 2006, by Ceinturion [CC-BY-SA-3.0 (http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/)], from Wikimedia Commons

Oliv-Bastardschildkröte
Foto: 2006, by Ceinturion [CC-BY-SA-3.0 (http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/)], from Wikimedia Commons


Die Kleine unter den Großen

Sie zählt mit ihren 70 Zentimetern Körperlänge und einem Gewicht von 35 bis 40 Kilogramm zu den kleinsten der Meeresschildkröten. Zum Vergleich: die Lederschildkröte (Dermochelys Coriacea) erreicht eine Länge von 140 bis 180 Zentimetern, kann also mehr als doppelt so groß werden und 300 bis 550 Kilogramm auf die Waage bringen. Diese "kleine" Schildkröte, ist eigentlich nicht wirklich klein, denn wenn ihr mal 70 cm mit dem Lineal auslegt und euch dieses Tier dann vorstellt, macht es schon einen gar nicht mehr so kleinen Eindruck. Die Oliv-Bastardschildkröte ist in den tropischen Gewässern der Erde beheimatet. Im Pazifik lebt sie entlang der Westküste Mittelamerikas, auch vor Neuguinea und der Nordküste von Australien. Die Karte zeigt die bevorzugten Nistplätze dieser Schildkrötenart.


Viele Niststrände befinden sich an den Küsten Mittelamerikas, Westafrikas und Indiens - Foto: 2007, by Pinpin (Own work using: Inscape, with [CC BY-SA 2.5 (https://creativecommons.org/licenses/by- sa/2.5)], via Wikimedia Commons

Die Karte zeigt die bevorzugten Niststrände
Foto: 2007, by Pinpin (Own work using: Inscape, with [CC BY-SA 2.5 (https://creativecommons.org/licenses/by-sa/2.5)], via Wikimedia Commons

Das Verhalten dieser Schildkröten, insbesondere die Eiablage an den Stränden, wirft einige Fragen auf, die bisher nicht wirklich geklärt werden konnten. Vielleicht liegt es daran, dass der Mensch überwiegend nur Interesse an den Eiern, dem Fleisch, dem Leder und dem Schildpatt dieser Tiere hegte und seine Überlegungen sich um die besten Möglichkeiten der Erbeutung dieser Dinge drehten, nicht aber um das Tier selbst. Wie dem auch sei, jedenfalls ist ein derartiges Brutverhalten nur noch bei der nahe verwandten Atlantik-Bastardschildkröte anzutreffen, die bereits vom Aussterben bedroht ist.


Die Nacht der Schildkröten

Die Meeresschildkröten sind zwar optimal an das Leben im Wasser angepasst, doch um sich fortzupflanzen müssen sie an Land gehen. Nach der Paarung mit den Männchen suchen sie gut sonnenbeschienene Strände auf, die wenig bis gar keinen Pflanzenbewuchs aufweisen. Das ist für Schildkröten nicht außergewöhnlich, wohl aber die Art und Weise wie die Bastardschildkröten dies bewerkstelligen. In Nächten, in denen die Flut die Höchstmarke erreicht und der Mond als Halbmond in seiner abnehmenden Phase den Nachthimmel erhellt und zudem noch kräftige Winde über Land und Meer wehen, finden die sogenannten "Arribadas" (massenhafte Anlandung) statt. Dabei hieven sich die Schildkrötenweibchen nicht einzeln an den Sandstrand, sondern alle in der Region lebenden Tiere legen diesen Weg zur Eiablage gleichzeitig zurück. Sich an Land fortzubewegen ist für sie viel schwieriger als im Wasser und sie haben reichlich Mühe ihre 35 bis 40 Kilogramm Körpergewicht zum Nistplatz zu tragen.

Wie es möglich ist, dass alle Schildkrötenweibchen zur gleichen Zeit den Strand aufsuchen, ist bis heute nicht wirklich geklärt. Eine Theorie besagt, dass Pheromone ("Sozialhormone") dabei eine Rolle spielen. Sie werden mittels Drüsen vom Körper abgegeben und sind eine Art Signalstoff, die von den anderen Tieren einer Art verstanden werden. Sie könnten das Signal für den gleichzeitigen Landgang sein. Von den sieben Meeresschildkrötenarten besitzen nur die Atlantik-Bastardschildkröte und die Oliv-Bastardschildkröte derartige Drüsen unter ihrem Panzer und nur diese beiden halten eine "Arribada" ab. So betrachtet, könnte man dieser These zustimmen.

Auf dem Strand angelangt gräbt jedes Weibchen mit seinen Hinterflossen eine Grube in den Sand, die etwa 30 bis 40 Zentimeter tief ist. Dort hinein legt es seine Eier. So ein Schildkrötenei ist ungefähr vier Zentimeter groß. In einem Gelege können sich bis zu 110 Eier befinden. Wenn die Oliv-Bastardschildkröte die Eiablage beendet hat, schaufelt sie, ebenfalls mit ihren Hinterflossen, die Nistgrube wieder zu. Sind alle Eier mit Sand bedeckt, presst sie diesen nicht nur mit ihrem Körpergewicht zusammen, sondern klopft ihn auf eine eigentümliche Art noch besonders fest. Sie hebt abwechselnd die eine oder andere Körperhälfte und lässt sich auf den Sand fallen, was ein ganz besonderes Klopfgeräusch erzeugt. Stellt man sich nun die gewaltigen Massen an Schildkröten vor, die alle nahezu gleichzeitig mit diesem Klopfen beschäftigt sind, kann man davon ausgehen, dass es ziemlich laut zugeht. All dies dauert selten länger als eine Stunde, dann findet die "Arribada" ihr Ende, die Schildkrötenweibchen streben alle zurück ins Meer. Die Sonne übernimmt das Ausbrüten der Eier.


In der Sandmulde befinden sich bereits drei kleine Eier - Foto: 2005, by Liz Roy als CC-BY-SA 3.0 Unported License, via Wikimedia Commons

Oliv-Bastardschildkröten-Weibchen bei der Eiablage
Foto: 2005, by Liz Roy als CC-BY-SA 3.0 Unported License, via Wikimedia Commons


Viele Gefahren für Eier und Schildkrötenbabys

Es dauert durchschnittlich 55 bis 58 Tage bis die kleinen Schildkröten bereit sind zum Schlüpfen. Auch dies geschieht nahezu zur gleichen Zeit und des nachts. Doch nicht aus jedem Ei konnte sich eine Schildkröte entwickeln, denn am Strand finden sich viele Nesträuber ein, wie beispielsweise Kojoten, Wildschweine oder Warane, für die Schildkröteneier eine begehrte Mahlzeit sind.

Auch all die geschlüpften Kleinen wissen instinktiv, dass höchste Eile geboten ist, und sie bewegen sich so schnell sie können auf das Meer zu. Solange sie sich auf dem Strand befinden, sind sie leichte Beute für Schleichkatzen, Reiher, Rabenvögel oder Sandkrabben, um nur einige zu nennen. Doch selbst wenn sie das Wasser erreicht haben, um im Meer unterzutauchen, ist die Gefahr für ihr Leben nicht vorbei. Auch dort lauern bereits weitere Fressfeinde, wie Haie oder Muränen, die sich über die kleinen Schildkröten hermachen.


Die Strategie der Masse

Die Verluste an Eiern und kleinen Schildkrötenbabys sind sehr hoch und es grenzt an ein Wunder, dass immer noch eine ausreichende Zahl von ihnen überlebt und zur Arterhaltung beiträgt. Im Laufe der langen Entwicklungszeit hat sich bei der Oliv-Bastardschildkröte eben dieses besondere Brutverhalten ausgebildet. Einmal wird den enormen Verlusten durch die hohe Anzahl der Nachkommen, 200 bis 300 Tiere pro Weibchen, vorgegriffen und zum anderen führt das gleichzeitige Schlüpfen der Kleinen zu einem Überangebot an Nahrung für die lauernden Fressfeinde, wie auch zuvor die riesige Menge an Eiern dazu führte, dass die Nesträuber gar nicht alle vertilgen konnten. Eine "Arribada" erhöht durch die Masse an Tieren die Überlebenschance eines einzelnen.



Sonnenuntergang, im Vordergrund liegt eine Schildkröte in Großaufnahme, dahinter wölben sich viele, viele Schildkrötenpanzer aus dem Sandstrand - Foto: 2010, by Claudio Giovenzana (Claudio Giovenzana www.longwalk.it) [CC BY-SA 3.0 (https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0)], via Wikimedia Commons

Oliv-Bastardschildkröten am Escobilla Beach, Oaxaca, Mexiko
Foto: 2010, by Claudio Giovenzana (Claudio Giovenzana www.longwalk.it) [CC BY-SA 3.0 (https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0)], via Wikimedia Commons


Das Ende einer Millionenjahre währenden
Überlebenstechnik

Über viele Millionen Jahre zählten die Meeresschildkröten zu den weit verbreiteten und höchst erfolgreichen Tiere der Ozeane. In allen wärmeren Ozeanen und Meeren waren sie in großer Zahl beheimatet. Doch innerhalb der letzten ca. 500 Jahre hat der Mensch diesen Tieren schwer zu schaffen gemacht und dafür gesorgt, dass sich die Bestände dramatisch verringerten. Überall wurden die an Land krabbelnden Weibchen abgeschlachtet, um Fleisch, Öl, Leder und Schildpatt zu erbeuten. Auch die Schildkrötengelege wurden in Massen geplündert, die Eier gegessen oder weiterverarbeitet. Viele der Tiere endeten als Beifang in den Schleppnetzen der Garnelenfischer oder aber die Schildkröten verloren ihre Niststrände durch den Bau von Hotelanlagen oder anderen Gebäuden, Straßen oder Plätzen.

Ganz besonders hart hat es die Oliv-Bastardschildkröte, wie auch die Atlantik-Bastardschildkröte getroffen. Das ganz besondere Brutverhalten, die "Arribada" an den Stränden, erleichterte den Menschen die Ausbeutung der Gelege beziehungsweise das Abschlachten der Muttertiere. Abertausende Eier konnten in wenigen Nächten erbeutet und unzählige Schildkröten getötet werden. Die einst erfolgreiche Strategie der Masse wurde dieser Schildkrötenart zum Verhängnis. Heute lebt nur noch ein Bruchteil dieser Tiere.

Die Oliv-Bastardschildkröte steht mittlerweile auf der Roten Liste der IUCN (International Union for Conservation of Natureals), gehört also zu den bedrohten Meeresschildkröten. Viele der Nistplätze befinden sich in Reservaten oder Nationalparks. Zudem wurden eigens Schutzprogramme entwickelt und die Niststrände stehen unter Bewachung. So begrüßenswert all diese Maßnahmen sind, so führen sie nur zu kleinen Erfolgen. Denn Wilddiebe versuchen immer noch, Eier zu plündern und Schildkröten zu töten. Eine weitere große Gefahr ist die Garnelenindustrie, die mit großen Trawlerflotten (Fischfangflotten) den Tod vieler Oliv-Bastardschildkröten verursachen.

Zudem macht die allgemein stark zugenommene Wasserverschmutzung durch Öle, Pestizide, Schwermetalle und PCB (giftiger, krebserregender Schadstoff) den Tieren schwer zu schaffen. Es wurden in ihren Mägen sogar schon Plastikabfälle gefunden. In den Gewässern nahe der Küsten fallen sie zudem auch Schiffsschrauben zum Opfer.

So bleibt zu hoffen, dass mehr und mehr Hilfsbereite sich dem Schutz dieser Tiere widmen und helfen, die Niststrände zu bewachen, damit diese Tierart nicht auf so grausame Art dem Treiben des Menschen zum Opfer fällt und ausstirbt.


Diesem Artikel liegen folgende Quellen zugrunde:

http:tierdoku.de/index.php?title=Oliv-Bastardschildkr%C3%B6te

http://www.markuskappeler.ch/tex/texs/bastardschildkroete.html



13. August 2018


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