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VORSICHT/018: Trinkwasser - Textile Zerstörung ... (SB)



Wenn das Thema Fluss-Sterben aufgebracht wird, fällt einem nicht gleich die Textilindustrie als ein Hauptverursacher ein. Vielleicht liegt es daran, dass etwa 90 % der Kleidung, die wir hier kaufen können, in Ländern Asiens hergestellt werden und wir gar nicht wahrnehmen, was für Umweltgefahren damit verbunden sind.

Die meisten tragen gerne Jeans und kaufen nicht nur eine sondern mehrere. Sie sind "Stone Washed", im "Vintage-look", "Destroyed" bzw. "Distressed" oder in verschiedenen Farben, und kaum jemand vermutet, dass gerade bei der Produktion dieser Lieblingsbekleidung eine enorme Menge an Wasser verbraucht wird, das nach dem Herstellungsprozess mitsamt einer großen Anzahl sehr giftiger Substanzen in die Flüsse geleitet wird. Dort kann kein Tier überleben und die Menschen können das Wasser nicht mehr als Trinkwasser nutzen. Die Textilindustrie trägt somit zu einem ganz großen Teil zum Fluss-Sterben bei.


An einem Kleiderständer hängen verschiedene Jeans-Design-Varianten - Foto: 2012 by Fahad Faisal [CC BY-SA 3.0 (https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0)], via Wikimedia Commons

Verschiedene Jeans-Designs
Foto: 2012 by Fahad Faisal [CC BY-SA 3.0 (https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0)], via Wikimedia Commons

In China, Bangladesch, Pakistan, Indien und Indonesien haben sich unzählige Gerbereien und Textilfabriken angesiedelt, die ihre mit hochgiftigen Substanzen verunreinigten Abwässer in den allermeisten Fällen ungefiltert in Flüsse und Seen leiten. Große europäische und amerikanische Bekleidungsunternehmen lassen in diesen Ländern ihre Produkte herstellen, weil die Löhne dort sehr niedrig sind, die Sicherheitsbestimmungen am Arbeitsplatz oft gar nicht gewährleistet oder eingehalten werden und die Umweltauflagen entweder nicht existieren oder nicht kontrolliert werden. Für die dort lebenden und arbeitenden Menschen wächst sich das zu einer Katastrophe aus. Viele werden krank und die Wasserversorgung mit frischem, reinen Wasser ist nahezu unmöglich geworden. Die folgenden Beispiele sollen das verdeutlichen.


Fluss-Sterben in China

China ist mit seinen 1,4 Milliarden Menschen das bevölkerungsreichste Land der Welt. Seit einigen Jahrzehnten wächst seine Industrie in allen Bereichen, auch in der Textilbranche. Der größte Teil der in China produzierten Kleidungsstücke wird allerdings ins Ausland exportiert. Die Herstellung der Schuhe, Jeans, Kleider oder T-Shirts hat schwerwiegende Folgen für die Umwelt. In kaum einem Industriezweig wird so viel Wasser benötigt wie in der Textilindustrie. Für die Erzeugung von Stoffen und Kleidung werden viele verschiedene chemische Substanzen verwendet, wie beispielsweise Cadmium, Arsen und Blei. Sie alle sind stark karzinogen (krebserregend) und gelangen nach dem Produktionsdurchlauf in Chinas Flüsse und Seen. Heute sind 70 % von ihnen nicht mehr als Trinkwasser nutzbar. Viele Menschen, insbesondere die Landbevölkerung, sind aber auf diese Gewässer angewiesen, denn sie sind ihre einzige Trinkwasserquelle.

Mit dem Verkauf der Textilien erzielen die Produktionsfirmen hohe Gewinne, doch für die Arbeiter und für weite Teile der Bevölkerung bergen die mit Abwässern verschmutzten Flüsse eine große gesundheitliche Gefahr. Oft ist das Wasser der Flüsse rot, grün, lila oder gelb gefärbt, also jene Farben, in denen zuvor die Kleidung eingefärbt wurde. Allein in den Farbstoffen befinden sich unter anderem neben Cadmium, Blei, Kupfer auch Phtalate, von denen einige in der EU seit 2015 verboten sind. Gelangen diese Substanzen in den menschlichen Körper, können sie sich in den Organen anreichern und das zentrale Nervensystem schädigen. Chrom wird beim Gerben von Leder verwendet. Speziell das Chrom VI ist bereits in niedrigen Dosen ein starkes Umweltgift. Zwar zahlen wir hier bei uns beim Kauf der verlockend günstigen Kleidungsstücke wenig, doch diejenigen, die sie herstellen zahlen mit ihrer Gesundheit und oft mit ihrem Leben, um ein kleines bisschen Geld zu erhalten.


Gerbereien in Bangladesch belasten die Gewässer mit Schwermetallen

In der Hauptstadt Dhaka, genauer in dem Stadtbezirk Hazaribagh, haben sich über die Jahre unglaublich viele Gerbereien angesiedelt, in denen Unmengen von Leder gegerbt werden. Auch hier werden die bei dem Gerben benötigten hochgiftigen Chemikalien ungefiltert und ungereinigt in die Flüsse entsorgt. Anwohner, Arbeiter und somit auch Kinder sind ständig diesen Chemikalien ausgesetzt und erkranken. Die Arbeitsbedingungen in den Gerbereibetrieben sind katastrophal. Es scheint kein Zufall zu sein, dass hier nur junge Menschen arbeiten, die zum großen Teil barfuß und mit bloßen Händen mit den Giftstoffen in Berührung kommen. Sehr alt kann man unter diesen schrecklichen Umständen nicht werden.

In Hazaribagh befinden sich fast 90 % der landesweiten Gerbereien, in denen ungefähr 15.000 Menschen arbeiten. Die dort in Betrieb befindlichen gefährlichen Maschinen haben schon mehrfach dazu geführt, dass auch gerade Kinder Arme oder Beine verloren haben. Hier werden weder ein Umwelt- noch ein Arbeitsrecht, geschweige denn Arbeitsschutzbedingungen durchgesetzt. Arbeiter und Anwohner dieses Stadtbezirks, die zu dem ärmsten Teil der Bevölkerung gehören, leiden aufgrund der Luft-, Wasser- und Bodenverschmutzung unter Fieber, Hautkrankheiten, Atemproblemen und Durchfallerkrankungen. Die starke Verschmutzung der Flüsse führt zu einem immer bedrohlicher werdenden Trinkwassermangel, denn dieses Wasser kann nicht mehr ausreichend gereinigt werden. Hazaribagh liegt am Ufer des Buriganga, der eigentlich die ganze Stadt Dhaka mit Wasser versorgen soll, doch das wird sehr bald kaum noch möglich sein.


Bei dem abgebildeten Lederteil handelt es sich um bereits fertig gegerbtes und verarbeitetes Leder, das zu einer Jacke verarbeitet wird - Foto: 2012, by Fahad Faisal [CC BY-SA 3.0 (https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0)], by Wikimedia Commons

Lederindustrie in Bangladesch
Foto: 2012, by Fahad Faisal [CC BY-SA 3.0 (https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0)], by Wikimedia Commons


Textil- und Lederindustrie mit großem "ökologischen Fußabdruck"

Jährlich werden ungefähr 1,7 Milliarden Tonnen Kohlendioxid durch diesen Industriezweig ausgestoßen. Wie gesagt werden zum einen Unmengen an Wasser verunreinigt, aber auch noch ca. 2,1 Milliarden Tonnen Abfall produziert. Um eine Jeans herzustellen, werden ca. 3.500 Liter Wasser verbraucht und 111 KW/h Strom benötigt - wohlgemerkt, nur für eine Jeans. Aber es werden Abertausende produziert. Was kaum bekannt ist, dass besonders viel Wasser und Chemie für die Extra-Anfertigungen verwendet werden, also die "Stone Washed" oder "Destroyed" Jeans-Kleidungsstücke. Das Bedenkliche ist, dass die Bekleidungsindustrie boomt. Zwischen den Jahren 2000 und 2014 hat sich der Konsum an Textilien verdoppelt. Es wird davon ausgegangen, dass heute jeder ungefähr 5 Kilogramm Kleidung pro Jahr kauft, wobei für Europa und die USA sogar 16 Kilogramm gerechnet werden und sich das noch weiter steigern wird.

Was kann getan werden? Man wird kaum gegen die Interessen der Textilindustrie ankommen, möglichst viel zu optimal günstigen Herstellungskosten zu produzieren. Jeder einzelne kann sich aber mehr Gedanken beim Kauf neuer Kleidung machen und sie insgesamt sorgsamer behandeln oder auch reparieren, statt sie gleich wegzuwerfen und neue zu kaufen. Auch wäre das eine Gelegenheit, sich sogar dem Modediktat zu entziehen und sich nicht länger dem Zwang zu unterwerfen, stets das angesagteste Teil zu erstehen. Man könnte auch Kleider mit Freunden tauschen oder sie in Second-Hand-Läden kaufen. Es gibt bestimmt eine Menge Ideen, die man gemeinsam entwickeln kann. Je mehr Menschen sich des Zusammenhangs zwischen Textilindustrie, Flußsterben und Trinkwassermangel bewusst sind, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass sich das Konsumverhalten ändert. Wenn sich tatsächlich die Nachfrage der Verbraucher auf die Produktion auswirkt, dann wird nach einiger Zeit vielleicht etwas weniger Kleidung hergestellt.


Diesem Artikel liegen folgende Quellen zugrunde:

https://fashionunited.de/nachrichten/business/txtilindustrie-weit-entfernt-von-nachhaltigkeit/2017102723275

https://netzfrauen.org/2018/02/26/hazaribagh

https://www.greenpeace.de/themen/endlager-umwelt/gefahrliche-substanzen-der-textilindustrie

https://www.hrw.org/de/news/2012/10/08/bangladesch-gerbereien-schaden-arbeitern-und-vergiften-gemeinden


2. September 2019


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