Schattenblick → INFOPOOL → KINDERBLICK → NATURKUNDE


WISSENSDURST/033: Himmelsleiter Wissenschaft - ein alter Widersinn ... (SB)



Ben und Stefan - Buntstiftzeichnung: © 2012 by Schattenblick

Grafik: © 2012 by Schattenblick

Stefan und Ben hatten sich Gedanken über Bio-Kraftstoffe gemacht. Wie kam man überhaupt auf die Idee, Treibstoff aus Pflanzen herzustellen? Sie wussten, dass für die Produktion von Biokraftstoffen riesige Flächen von Regenwald vernichtet werden, um dort Palmöl-Plantagen anzulegen. Die Palmölfrüchte sind beste Lieferanten für die Produktion von Bioethanol, dem Kraftstoff aus Pflanzen.

Einige Tage nach dem Gespräch mit Bens Vater saßen sie wieder in seinem gemütlichen Arbeitszimmer. Er hatte sich Zeit genommen, um die Fragen der beiden so gut als möglich zu beantworten. Stefan und Ben hatten sich inzwischen auch schon Informationen beschafft, doch reichten die nicht hin, um Klarheit in die Entwicklung zum Bio-Sprit zu bringen.

Stefan: "Wie kam es denn dazu, dass man aus Pflanzen Kraftstoff herstellen wollte?"

Vater: "Die Idee an sich ist so neu nicht. Denn die Pioniere der Autoindustrie wie Nikolaus August Otto oder Henry Ford - die kennt ihr doch - verwendeten Ethanol. Ersterer verwendete Ethanol als Kraftstoff in seinem Prototyp eines Verbrennungsmotors?"

Ben: "Halt, stopp bitte mal, was ist Ethanol und woraus wird das hergestellt?"

Vater: "Ethanol ist Alkohol und er entsteht aus der alkoholischen Gärung. Das bedeutet, dass man pflanzliche Stoffe wie Mais, Kartoffeln, Zuckerrüben oder ähnliches vergären lässt und den bei dieser Gärung entstandenen Alkohol hoch konzentriert destilliert. Das technische Verfahren dazu war in Deutschland bereits 1850 möglich."

Stefan: "Und was bedeutet `alkoholische Gärung', ich meine, wie kommt die zustande?"

Vater: "Nun, ich erspare euch mal die chemischen Details, aber auf jeden Fall funktioniert das alles nur unter Mithilfe von bestimmten Enzymen oder Hefepilzen. Nur sie sind in der Lage, die in den Pflanzen enthaltenen Kohlenhydrate beziehungsweise die Stärke, oder anders ausgedrückt den Zucker, in Alkohol zu vergären."

Stefan: "Damit konnte man dann fahren?"

Vater: "Nein, so einfach war es auch wieder nicht. Der zuerst gewonnene Alkohol wurde in mehreren Schritten destilliert bis man ein geeignetes Konzentrat an Ethanol-Kraftstoff erhielt, das sich für die Verbrennung in einem Motor eignete. Übrigens war das technische Verfahren dazu in Deutschland schon seit 1850 möglich."

Ben: "Und warum wurde dann irgendwann Benzin als Treibstoff
verwendet?"

Vater: "Ganz einfach, es war billiger. Benzin und Diesel werden aus Erdöl hergestellt und das schien lange Zeit in reichlichen Mengen zur Verfügung zu stehen."

Ben: "Und wie kam es, dass heute immer mehr Bio-Kraftstoffe erzeugt werden? Sind die jetzt günstiger als Benzin oder Diesel?"

Vater: "Also, das hat andere Gründe. Der Klimawandel ist euch bekannt und die sich abzeichnende Klimakatastrophe wohl auch. Das haben irgendwann sogar die Politiker nicht mehr leugnen können und so trafen sie sich 1997 in Kyoto, in Japan. Dort einigten sich die Regierungen darauf, dass der weltweite Ausstoß von Treibhausgasen stark gesenkt werden müsse. Die Europäische Union verpflichtete sich, bis zum Jahr 2020 8% davon einzusparen, Deutschland wollte sogar 21% schaffen. Nun, um das Umzusetzen waren eine Reihe von Maßnahmen notwendig."

Stefan: "Und da kam man auf die Idee aus Pflanzen Kraftstoff
herzustellen?"

Vater: "So ungefähr. Rein theoretisch war diese Überlegung gar nicht so schlecht, quasi ein gut gemeintes Vorhaben mit starken Schwächen."

Stefan: "Wie meinst du das?"

Vater: "Man wollte von dem dreckigen Sprit aus Erdöl weg, eine saubere Energie sollte her. Die Idee war folgende: Die Pflanzen nehmen während ihres Wachstums genau so viel CO2 auf wie sie bei der Verbrennung ausscheiden. Damit wären sie theoretisch klimaneutral und würden kein zusätzliches CO2 erzeugen. Folglich wäre der Biokraftstoff ebenfalls klimaneutral."

Ben: "Woher wollte man denn die Pflanzen nehmen, welche sollten wo angebaut werden? Ich stelle mir vor, dass man ganz schön viel Platz dafür braucht."

Vater: "Das ist richtig. Aber anfangs ging man davon aus, dass der Bedarf in Deutschland durch den Anbau von Raps gedeckt werden könnte. Es gab reichlich stillgelegte landwirtschaftliche Flächen. Doch sehr bald erkannte man, dass diese Mengen Raps niemals ausreichen würden und es wurde nach neuen Pflanzenrohstoffquellen Ausschau gehalten. So gelangte man schließlich auf die Palmöl-Frucht. Sie ist die ertragsreichste und günstigste Pflanze und - sie wächst am besten auf Regenwaldboden!"

Ben: "Ah, ich kann mir vorstellen, worauf das hinausläuft. Man beschaffte sich Anbauflächen in den Regenwaldgebieten, ließ die Wälder roden und ?"

Vater: "Nein, jedenfalls nicht offiziell, denn man wollte für die Öffentlichkeit gleichwohl den Anschein bewahren, ökologisch, klimafreundlich und nachhaltig zu arbeiten. Also bemühte man sich nur um freie Flächen, von denen es anfangs aber nur wenige gab. Bei der steigenden Nachfrage nach Palmöl musste der Regenwald also verschwinden - irgendwie. Heute ist nur noch ungefähr die Hälfte der einstigen Regenwälder Indonesiens vorhanden."

Eine Luftaufnahme zeigt ein Regenwaldgebiet durchzogen von einem Fluss - Foto: 2009, by lubasi (Catedral Verde - Floresta Amazonica) [CC BY- SA 2.0 (http://creativecommons.org/licenses/by-sa/2.0)], via Wikimedia Commons

Regenwaldgebiet in Brasilien
Foto: 2009, by lubasi (Catedral Verde - Floresta Amazonica) [CC BY-SA 2.0 (http://creativecommons.org/licenses/by-sa/2.0)], via Wikimedia Commons

Stefan: "Aber dann wurde der Regenwald nur von anderen gerodet. Das ist doch blöd, der Wald wurde vernichtet, ganz gleich von wem - das ist schlimm genug."

Ben: "Du sagst es. Und auf diesen neu geschaffenen freien Flächen wurden Palmöl-Plantagen errichtet. Da habe ich gleich mehrere Fragen. Was für Folgen und Auswirkungen haben die Waldrodungen für die dort lebenden Menschen und Tiere? Was bedeutet die Vernichtung der Regenwälder für das Weltklima?"

Ölpalmen stehen in langen Reihen dicht bei dicht, der Erdboden sieht kahl aus - Foto: 2007, by Craig (Own work) [Public domain], via Wikimedia Commons

Der einstige Regenwaldboden wurde zerstört
Foto: 2007, by Craig (Own work) [Public domain], via Wikimedia Commons

Stefan: "Ja, und ich möchte mal wissen, ob sich der ganze Aufwand mit dem Biosprit überhaupt rechnet, also, ich meine, ist seine Herstellung und Verarbeitung wie auch seine Benutzung als Kraftstoff wirklich so hervorragend, dass man diese gigantische Zerstörung von Lebensräumen in Kauf nimmt?"

Vater: "O je, das kann ich nicht einfach mal so beantworten. Da muss ich mich auch erst einmal um Informationen kümmern. Allerdings hege ich den Verdacht, dass die Erzeugung mit allem drum und dran in einem ganz erheblichen Maße schädlich für das Klima ist. Ich mache euch einen Vorschlag. Ihr habt zwei wichtige Fragen gestellt. Versucht doch erst die eine Problematik zu beleuchten, dann die andere. Denn ihr werdet sehen, dass das sehr umfangreiche Themen sind."

Stefan: "Ich ahne es schon und finde den Vorschlag gut. Was meinst du Ben, wollen wir uns erstmal um den Regenwald selbst kümmern, wer in ihm lebt, was mit ihnen geschieht, wenn sie ihre Heimat verlieren, Mensch wie Tier und all solchen Fragen nachgehen?"

Ben: "Okay, einverstanden. Wir machen es wie immer, unsere Fragen aufschreiben und dann sammeln wir alles an Informationen, was uns in dem Zusammenhang weiterhelfen kann."

Fortsetzung folgt ...


https://www.bdbe.de/bioethanol/verfahren

https://www.welt.de/motor/article136961095/Die-unerklaerliche-Posse-um-den-Biosprit.html

https://www.welt.de/wissenschaft/article13866714/Biokraftstoff-klimaschaedlicher-als-normaler-Sprit.html



16. Mai 2017


Zur Tagesausgabe / Zum Seitenanfang