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MELDUNG/124: Einigung zwischen den Erben von Alfred Flechtheim und dem Kunstmuseum Bonn (Kunstmuseum Bonn)


Gemeinsame Erklärung des Kunstmuseums Bonn und der Erben von Alfred Flechtheim vom 12. April 2012

Paul Adolf Seehaus, Leuchtturm mit rotierenden Strahlen

Einigung zwischen den Erben von Alfred Flechtheim und dem Kunstmuseum Bonn

Paul Adolf Seehaus, Leuchtturm mit rotierenden  Strahlen, 1913 - Öl auf Leinwand, 49 x 55,5 cm - Kunstmuseum Bonn

Paul Adolf Seehaus, Leuchtturm mit rotierenden Strahlen, 1913
Öl auf Leinwand, 49 x 55,5 cm
Kunstmuseum Bonn


Erfreulicher Ausgang eines schwierigen Themas: Das Kunstmuseum Bonn und die Erben von Alfred Flechtheim haben eine Einigung für das Gemälde "Leuchtturm mit rotierenden Strahlen" von Paul Adolf Seehaus erreicht. Der Verein der Freunde des Kunstmuseums Bonn wird die dazu nötige Summe - die Hälfte des geschätzten Marktwertes - aufbringen. "Wir sind froh und dankbar, dass wir einen einvernehmlichen Weg gefunden haben, eine den geschichtlichen Ereignissen gerecht werdende Lösung herbeizuführen", sagte Museumsdirektor Professor Dr. Stephan Berg.

Im September 2009 hatten die Erben des jüdischen Kunstsammlers und Galeristen Alfred Flechtheim (1878-1937) das Kunstmuseum Bonn um die Restitution des 1913 entstandenen Gemäldes "Leuchtturm mit rotierenden Strahlen" (Öl auf Leinwand, 49 x 55,5 cm) von Paul Adolf Seehaus (1891-1918) ersucht. Daraufhin hatte das Kunstmuseum Bonn durch eigene Nachforschungen und durch die Beauftragung von zwei Gutachten die Ansprüche der Erben geprüft.

Es steht fest, dass das Gemälde von Seehaus sich spätestens seit 1919 und nachweislich noch im März 1932 im Eigentum von Alfred Flechtheim befand, als es als Leihgabe Flechtheims im Berliner Kronprinzenpalais gezeigt wurde. Das Bild blieb nach der Emigration Flechtheims im Sommer 1933 offenbar bis 1949 im Besitz seines früheren Mitarbeiters Alex Vömel, der im März 1933 in den Räumen der Galerie Flechtheim in Düsseldorf unter seinem Namen eine eigene Galerie eröffnet hatte. 1949 wurde das Bild auf einer Auktion des Stuttgarter Kunstkabinetts Ketterer vom Kunstmuseum Bonn erworben, in dessen Sammlung des Rheinischen Expressionismus das Bild als ein Hauptwerk von Seehaus besondere Bedeutung besitzt.

Trotz intensiver Recherchen lässt sich heute nicht mehr mit Bestimmtheit feststellen, wann und unter welchen Umständen das Bild Flechtheim oder seinen Erben möglicherweise entzogen wurde, ob Flechtheim es Vömel vielleicht übereignet hatte oder in Verwahrung gab, oder ob Vömel das Bild vielmehr wider besseren Wissens und unrechtmäßig einbehalten hatte, bevor es schließlich 1949 verkauft wurde.

Nach alledem, und ungeachtet der offenen Fragen, erkennt das Kunstmuseum Bonn ausdrücklich das Verfolgungsschicksal Flechtheims an. Flechtheim war ein Opfer des nationalsozialistischen Terrorregimes. Gerade ihn als Juden und als engagierten Verfechter der von den Nationalsozialisten als "entartet" bekämpften Kunst traf der Hass der Machthaber mit aller Härte bereits vor und sodann unmittelbar nach der "Machtergreifung". Hätte es die nationalsozialistische Gewaltherrschaft nicht gegeben, so wäre Flechtheim nicht gezwungen gewesen, Deutschland zu verlassen und hätte nach freiem Willen über sein Eigentum verfügen können. Dann wären sein Leben, die Geschichte seiner Sammlung und seiner Galerie und auch die Geschichte des Bildes von Paul Adolf Seehaus anders verlaufen. Ein NS-verfolgungsbedingter Verlust des Bildes von Seehaus ist vor diesem Hintergrund nicht auszuschließen.

Daher haben die Stadt Bonn und die Erben Flechtheims eine "faire und gerechte Lösung" im Sinne der "Gemeinsamen Erklärung der Bundesregierung, der Länder und der kommunalen Spitzenverbände" von 1999‍ ‍und der ihr folgenden "Handreichung" gesucht. Die gütliche Einigung sieht vor, dass das Kunstmuseum Bonn den Erben ohne Anerkennung einer Rechtspflicht und unter Ausschluss weiterer Ansprüche die Hälfte des geschätzten Marktwertes des Gemäldes als Entschädigung zahlt.

Die Erben und das Kunstmuseum Bonn sind sich ebenfalls einig darin, dass die Besucher zukünftig bei der Präsentation des Bildes durch einen begleitenden Text über die Provenienz und wechselvolle Geschichte des Bildes informiert werden.

Das Kunstmuseum Bonn dankt dem Verein der Freunde des Kunstmuseums Bonn, der die getroffene Regelung begrüßt und durch sein Engagement ermöglicht, dass ein wichtiges Gemälde des Rheinischen Expressionismus im Eigentum des Kunstmuseums Bonn verbleibt.

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Quelle:
Pressemitteilung vom 12. April 2012
Kunstmuseum Bonn, Museumsmeile
Friedrich-Ebert-Allee 2, 53113 Bonn
Telefon: +49 (0)228 77-6260, Fax: +49 (0)228 77-6220
E-Mail: kunstmuseum@bonn.de
Internet: www.kunstmuseum-bonn.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 14. April 2012