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MELDUNG/295: Wasserzeichen lösen Rätsel um Rembrandts Werkstatt (idw)


Fraunhofer-Gesellschaft - 01.03.2016

Wasserzeichen lösen Rätsel um Rembrandts Werkstatt


Handelt es sich um eine historische Zeichnung? Oder um eine Fälschung aus dem 19. Jahrhundert? Dies ist selbst für Kunstexperten schwer zu beurteilen. Ein neues Infrarot-Verfahren von Fraunhofer-Forschern lässt Wasserzeichen auf Papieren sichtbar werden und ermöglicht somit eine genauere Datierung.


Foto: © Fraunhofer WKI

Großformatige Zeichnungen des Architekten Schinkel werden mit der Infrarotkamera durchleuchtet.
Foto: © Fraunhofer WKI


Ist der Rembrandt echt? Oder ist man einem Schwindel aufgesessen und hat anstelle des Meisterwerks eine wertlose Kopie aus dem 19. Jahrhundert erworben? In vielen Fällen lässt sich dies mit Hilfe von Wasserzeichen beantworten. Sie informieren, aus welchem Zeitraum das Papier und damit das Werk stammt. Ab dem 12. bis 13. Jahrhundert hat jede Papiermühle solche Prägungen durch Drahtformen, die auf dem Schöpfsieb befestigt werden, in ihre Papierbögen eingebracht, quasi als Markenzeichen. Über die Jahre nutzten sich die Formen jedoch immer mehr ab, so dass Details der Zeichen nach einiger Zeit nicht mehr zu erkennen waren. Teilweise wurden sie auch vom Betreiber der Papiermühle erneuert oder ersetzt. Die Wasserzeichen lassen daher bis auf wenige Jahre genau auf die Zeit schließen, in der das Papier hergestellt wurde. Die Datenlage dazu ist gut. Um die Wasserzeichen zu erkennen, durchleuchtet man die Zeichnung üblicherweise mit sichtbarem Licht. Da das Papier im Bereich der Prägung mehr Licht durchlässt, sollte man sie gut erkennen können - zumindest theoretisch. In der Praxis klappt das jedoch nur bedingt: Oftmals verdecken Tinte oder Pinselstriche die Zeichen bis zur Unkenntlichkeit.

Infrarot-Licht sieht durch Farben und Tinte hindurch

Forscher des Fraunhofer-Instituts für Holzforschung WKI in Braunschweig haben nun eine Lösung für dieses Dilemma entwickelt, gemeinsam mit ihren Kollegen des Herzog-Anton-Ulrich-Museums und des Instituts für Nachrichtentechnik der Technischen Universität Braunschweig IfN. »Wir durchleuchten die Papiere nicht mit sichtbarem Licht, sondern mit Infrarot-Licht - also mit Wärmestrahlung«, sagt Peter Meinlschmidt, Wissenschaftler am WKI. »Die häufig verwendete Eisengallus-Tinte ist für dieses Licht transparent. Man sieht also nur das Wasserzeichen, ohne die störende Schrift oder Farbe.« Statt Unterschiede im Licht detektieren die Forscher die Abweichungen in der Wärmestrahlung - und das mit hoher Genauigkeit: Die Kameras können selbst Temperaturdifferenzen von 15 Millikelvin auflösen, also Unterschiede von 15 Tausendstel Grad erkennen.

Rund 60 Zeichnungen aus dem Rembrandt-Umfeld konnte das Team auf diese Weise bereits erfolgreich datieren. Das Prinzip: Die Forscher klemmen das Papier in ein Passepartout, welches sie zwischen einer Wärmeplatte, also dem Infrarotstrahler, und einer Infrarotkamera positionieren. Dabei kommt es darauf an, dass die Wärme gleichmäßig abgestrahlt wird und das Papier einen Abstand zum Strahler hat. Denn bei direktem Kontakt würde sich das Papier ungleichmäßig erwärmen.

Schadet die Wärmestrahlung den Kunstwerken? »Die Wärme ist unbedenklich: Die Infrarotlampe erwärmt das Papier weitaus weniger, als es die Finger beim Anfassen des Papiers tun«, erläutert Meinlschmidt. Allerdings gilt es, schnell zu sein: Das Wasserzeichen ist nur wenige Sekunden lang sichtbar. Denn je länger das Blatt in der Wärmestrahlung bleibt, desto stärker wärmen sich durch Tinte dunkel gefärbte Bereiche auf und stören die Temperaturunterschiede, die durch die Prägung hervorgerufen werden.

Notenpapiere auf Echtheit prüfen

Die Infrarotkameras, die die Forscher bisher verwendet haben, sind teuer - das Gesamtsystem kostet rund 80.000 Euro und ist daher nur für große Bibliotheken wie die Bayerische Staatsbibliothek München oder die Staatsbibliothek zu Berlin erschwinglich. Gegenwärtig arbeiten die Wissenschaftler daher gemeinsam mit der Sächsischen Landesbibliothek SLUB in Dresden daran, den Preis für das System zu senken: auf 20.000 bis 30.000 Euro. Die Forscher setzen auf eine Kamera, deren Auflösung statt 15 Millikelvin nur 50 Millikelvin beträgt. Für sie müssten die Museen nicht 50.000, sondern nur 5.000 Euro bezahlen. »Diese geringere Auflösung wollen wir durch eine deutlich bessere Bildverarbeitung wettmachen - etwa durch Gauss-Filter, die das Rauschen verschwinden lassen oder Differenzbilder, die Ungleichheiten im Papier beseitigen«, erklärt Meinlschmidt. Eine erste Software-Version wird in der Landesbibliothek gerade anhand historischer Notenblätter getestet. In zwei bis drei Jahren soll das System einsatzbereit sein.

Automatischer Abgleich mit der Datenbank

Hat man das Wasserzeichen aufgenommen, gilt es, exakt dieses in einer Datenbank wiederzufinden. Das erledigen bislang Experten in mühseliger und langwieriger Handarbeit. »Bald sollen Suchalgorithmen diese Zuordnung übernehmen«, sagt Meinlschmidt. Daran arbeiten die Forscher zukünftig im Auftrag der Staatsbibliothek in Berlin. In etwa vier Jahren soll die automatische Erkennung angewendet werden können. Eine weitere Frage, der sich die Wissenschaftler widmen: Welche Farben sind bei welchem Wellenlängenbereich des Infrarotlichts transparent? Sprich: Für welche Farben eignet sich welches IR-Licht am besten? Ist dies bekannt, könnte man für jedes Kunstwerk die optimale Wellenlänge wählen - und die Sichtbarkeit der Wasserzeichen somit noch einmal verbessern.


Weitere Informationen unter:
http://www.fraunhofer.de/de/presse/presseinformationen/2016/maerz/wasserzeichen-loesen-raetsel-um-rembrandts-werkstatt.html

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung unter:
http://idw-online.de/de/institution96

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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
Fraunhofer-Gesellschaft, Tobias Steinhäußer, 01.03.2016
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 3. März 2016

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