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ANALYSE & KRITIK/348: Da fällt der Papst vom Petersdom


ak - analyse & kritik - Ausgabe 545, 18.12.2009

Da fällt der Papst vom Petersdom
"2012" ist der Film zur Krise. Zur Wirtschaftskrise!

Von Jan Ole Arps


2012 geht die Welt unter. Aber wie! Amerika versinkt in Erdspalten und Lava, der Petersdom stürzt inklusive Papst auf die Gläubigen, das Himalaya wird von einem Riesen-Tsunami überflutet, der Dalai Lama vom Berggipfel gespült. Nur ein erlesener und erlauchter Teil der Menschheit darf drei Archen besteigen, die von chinesischen ArbeiterInnen auf dem "Dach der Welt" erbaut wurden, um das, was vom jüngsten Tage übrig bleibt, neu zu besiedeln. Aber während Chinas ArbeiterInnen - ganz wie in der echten (Wirtschafts-)Krise - die Welt retten (sollen), ist die Naturkatastrophe gar nicht von Menschen verursacht, sondern von der Sonne. Pech für den Klimaschutz: Die Bedrohung der Menschheit kommt auch 2012 noch von ganz weit weg.

Aber der Reihe nach. Wir schreiben das Jahr 2009. Ein internationales Forscherteam (bzw. dessen indischer Mitarbeiter) bemerkt, dass sich der Erdkern dramatisch erhitzt. Treibhausgase? Nein, nein. "Neutrinos", so erfahren wir, werden durch Sonneneruptionen in Richtung blauer Planet geschleudert und erhitzen den Erdkern. So wie Mikrowellen. Aha. Dadurch wird die Erdkruste instabil, es kommt zu tektonischen Verschiebungen und weit reichender Zerstörung des Planeten. Gebongt. Mehr wollten wir gar nicht wissen.

Bis es so weit ist, bleiben der Menschheit noch drei Jahre. Eine Allianz aus 46 Regierungen (bei den Besprechungen sieht man nur die G8-Staatschefs, wobei Kanada durch China ersetzt wurde) entscheidet, einige hunderttausend Menschen, die wichtigsten Tiere und Kulturgüter per Arche zu evakuieren. Alle anderen müssen sterben. Ein Ticket bekommt, wer über besonders wertvolles Genmaterial oder das nötige Kleingeld verfügt. Eine Milliarde kostet ein Platz auf dem Traumschiff - Euro wohlgemerkt, nicht Dollar.

Die Archen werden von der chinesischen Regierung im Himalaya erbaut. Die Erdbevölkerung darf vom drohenden Ende der Welt aber nichts erfahren; die Regierbarkeit des Planeten und die Rettung der Spezies wären sonst gefährdet.

Wir haben es beim neuen Film von Roland Emmerich nicht unbedingt mit einem Charakterfilm zu tun. Aber was für "Charaktere" ihren Weg auf die Arche finden, ist doch interessant. Da sind zum einen die MitarbeiterInnen der Regierung. Der Protagonist ist hier der junge Chef-Geologe der US-Administration, der bei seinen Forschungen und ethischen Erwägungen gezeigt wird, außerdem die ebenso hübsche wie uninteressante Tochter des (schwarzen) US-Präsidenten und noch verschiedene andere Angehörige einer globalisierten Bürokraten-Klasse, alle so langweilig wie die TeilnehmerInnen eines Hauptseminars "Internationale Beziehungen". Identifizieren kann man sich mit diesen Schlaftabletten nicht.

Die Hauptfigur des zweiten "Erzählstrangs" ist ein erfolgloser Buchautor und geschiedener Familienvater, der sich als Chauffeur eines russischen Milliardärs etwas dazu verdient. Seine Kinder leben bei der Ex-Frau und ihrem Neuen, einem Schönheitschirurgen, der wiederum, wie sich herausstellt, der jungen Freundin des Russen die Brust vergrößert hat. Auf der Flucht verbinden sich die investigative Kompetenz und Tatkraft des prekären Autors mit der Entschlossenheit und Finanzkraft des russischen Oligarchen zum Vorteil aller. Beherzt packt der Schreiberling die Rettung seiner (Nicht-)Familie an, bis er alle fünf (Vater, Mutter, Sohn, Tochter und Stiefvater) ins Himalaya und schließlich an Bord der Arche bringt. Oder doch zumindest vier von ihnen.


China - Land der unbegrenzten Möglichkeiten

Diesen Job hat in früheren Filmen zum Thema (man erinnere sich an "Independence Day" oder "Armageddon") normalerweise ein Vertreter der US-Arbeiterklasse erledigt. Doch der amerikanische Proll fehlt dieses Mal.

Stattdessen - und das ist das bemerkenswerte an "2012" - ruhen die Erlösungshoffnungen nun voll auf chinesischen Schultern: Es ist die Regierung der Volksrepublik China, die als einzige den Bau der Schiffe bewältigen kann. Die Begeisterung für das chinesische Planwirtschaftswunder bringt ein Regierungsmitarbeiter der Vereinigten Staaten beim Boarding auf den Punkt: "So ein Riesenprojekt in so kurzer Zeit - das kriegen auch nur die Chinesen hin!"

Auch um die internationale Katastrophenreisegruppe des Buchautors heimlich an Bord zu bringen, ist die Hilfe eines chinesischen Arbeiters nötig. Selbst die moralische Rettung der Menschheit fällt am Ende (unter anderem) China zu. Während die Reste der US-Regierung darüber streiten, ob man die 100.000, die sich vor den Toren der Arche drängen, noch an Bord lässt, entscheidet das chinesische Staatsoberhaupt - gemeinsam mit dem russischen und dem japanischen - für die Öffnung der Tore und damit für Menschlichkeit und gegen kalte Berechnung und Egoismus. China ist für Emmerich offenbar das neue Land der unbegrenzten Möglichkeiten.

Mit dieser China-Euphorie ist "2012" zugleich der Film zur Krise der Weltwirtschaft, denn auch hier ruhen die Hoffnungen Amerikas auf dem chinesischen Kapitalismus und der chinesischen Arbeiterklasse, nicht auf den heimischen Versionen derselben. Ohne den massenhaften Kauf von US-Staatsanleihen durch China wäre die enorme Verschuldung der USA unmöglich, mit der diese ihre Wirtschaft zu reparieren versucht.

Eine weitere Parallele zur Wirtschaftskrise 2008ff. besteht darin, dass auch in "2012" möglichst viel von der alten Welt in die neue hinüber gerettet werden soll, selbst die Mona Lisa. "2012" ist sicherlich, wie Georg Seeßlen schrieb, ein dummer Film, vor allem aber ist es ein konservativer. Zu wichtigen Entscheidungen sind auch "2012" nur Männer zugelassen (sieht man mal von Angela Merkel im Rund der Staatenlenker ab); Frauen sind fürs Kreischen oder für Kultur zuständig. Und wenn gestorben wird, dann im Kreise der Familie.

Am Ende bleibt als einzige mehr oder weniger intakte Landmasse der afrikanische Kontinent übrig. Wie ehemals Kolumbus nach Amerika reist hier "die Menschheit" mit drei Schiffen an, das Weltkulturerbe im Handgepäck. Ob es in Afrika noch Überlebende der Apokalypse gibt - der Kontinent wurde durch die Erdplattenverschiebung um einige tausend Meter angehoben - spielt keine Rolle. Die Wiege der Menschheit ist zur Neubesiedelung freigegeben.

Wer gerne zusieht, wie mit allen technischen Raffinessen die Welt und ihre säkularen wie religiösen Wahrzeichen zerstört wird, kommt bei "2012" trotzdem auf seine Kosten.


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Quelle:
ak - analyse & kritik, Ausgabe 545, 18.12.2009
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veröffentlicht im Schattenblick zum 22. Dezember 2009