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ANALYSE & KRITIK/436: Für die sofortige Abschaltung aller Atomanlagen - weltweit!


ak - analyse & kritik - Ausgabe 559, 18.03.2011

Harrisburg 1979, Tschernobyl 1986, Fukushima 2011
Für die sofortige Abschaltung aller Atomanlagen - weltweit!


Am Tag nach den Atomunfällen in Japan verordnete der zuständige Bundesminister Norbert Röttgen Maulhalten: "Ich glaube, dass das heute nicht der Tag für politische - geschweige denn parteipolitische - Debatten ist." Kanzlerin Angela Merkel, studierte Physikerin, erklärte die Politik für gänzlich machtlos, weil "es Kräfte der Natur gibt, vor denen wir machtlos stehen und die von uns immer wieder ein Stück Demut erfordern". 25 Jahre (!) nach dem Super-GAU von Tschernobyl kann es nur eine Lösung geben: die sofortige Abschaltung aller Atomanlagen. Wir dokumentieren Auszüge aus einer als Flugblatt verbreiteten Stellungnahme der Interventionistischen Linken Karlsruhe.


Am 11.3.11 wurde Japan von einem sehr schweren Erdbeben getroffen. Das Epizentrum lag wenige Hundert Kilometer entfernt von der Hauptstadt Tokio, in der mehr als 35 Millionen Menschen leben. Infolge des Erdbebens rollen mehrere Tsunamis über Japans Küsten hinweg, zerstören viele kleine Städte und Dörfer. Raffinerien und Industrieanlagen gehen in Flammen auf. Die Zahl der Toten ist noch nicht überschaubar, sie dürfte aber in die Zehntausende gehen. Hunderttausende wurden bereits evakuiert.

In dem vom Erdbeben betroffenen Gebiet stehen allein elf Atomkraftwerke, darunter Fukushima 1 und 2 sowie das AKW Onagawo mit mehreren Reaktoren, die nunmehr von einem schweren Atomunfall betroffen sind. Sowohl die private Betreibergesellschaft als auch die japanische Regierung versuchen, dessen Folgen herunterzuspielen. In mindestens fünf Reaktoren ist nach offiziellen Angaben die Kühlung ausgefallen, so dass nun eine Kernschmelze zu erwarten ist. Die radioaktive Verseuchung einer ganzen Region hat bereits begonnen. Da auch Misch-Brennstäbe mit Plutonium verwendet wurden, von dem bereits ein Millionstel Gramm tödlich ist, droht dazu die Verseuchung der Umwelt mit Plutonium.

Obwohl ganz Japan von stetigen Erdbeben bedroht ist, wurden aus Profitgründen 55 AKWs gebaut. Jetzt ist genau das eingetreten, wovor AtomkraftgegnerInnen immer gewarnt haben: ein Atomunfall mit all seinen furchtbaren Folgen für die Menschen. Grund für den Unfall ist der Ausfall der Stromversorgung für die Kühlung. Dies könnte aber bei AKWs in Deutschland genauso passieren. Aufgrund der ausgetretenen Radioaktivität werden keine internationalen Hilfstrupps in die Gegend um die havarierten Atomkraftwerke Fukushima 1 und 2 kommen können, um den vom Tsunami betroffenen Menschen und den Verschütteten Hilfe zu bringen.


AKWs sofort stilllegen, Kapitalismus abschaffen!

Falls, wie zu erwarten, Radioaktivität in größerem Umfang austritt und sich der Wind dreht, würde die radioaktive Wolke über die nur 200 km entfernte von 35 Millionen Menschen bewohnte Metropole Tokio hinwegziehen und sich möglicherweise abregnen. Eine Evakuierung der 35 Millionen Menschen wäre mit Sicherheit nicht möglich. 65 Jahre nach dem Abwurf der Atombombe auf Hiroshima und Nagasaki, 25 Jahre nach Tschernobyl sind wieder viele Tausend Menschen Opfer radioaktiver Strahlung, die der Mensch mit seinen Sinnen erst wahrnehmen kann, wenn es zu spät ist. (...)

Obwohl es weltweit immer noch kein sicheres Endlager gibt, soll nach den Beschlüssen der Bundesregierung weiterhin Atommüll produziert werden - Hauptsache die Kasse stimmt für die Energiekonzerne. Dies führt zu einem zunehmenden unverantwortlichen Atommülltourismus mitten durch Wohngebiete.

Es sei taktlos, wenn wir angesichts des schweren Atomunfalls in Japan die sofortige Stilllegung aller Atomanlagen fordern, sagen Mainstream-Medien und Bundesregierung. Welch ein Zynismus! Die Menschen in der Region von Tschernobyl und Fukushima wären froh, die AKWs wären vor dem Unfall stillgelegt worden. Atomanlagen sind ein Milliardengeschäft für wenige. In Tschernobyl, beim Uranabbau oder wohl jetzt auch in der Region um Fukushima sind und waren sie für viele Menschen ein todbringendes Geschäft. Die Umgebung von Tschernobyl ist seit 25 Jahren unbewohnbar und wird es auch für viele, viele Jahre bleiben. Und wenn die Uranreserven in 50 bis 100 Jahren aufgebraucht sind, wird der Atommüll als hochgiftige Hinterlassenschaft der Atomanlagen weiterhin für viele Tausende Jahre übrig bleiben. (...)

Wir wollen keine kapitalistische Produktionsweise, die das Recht von allen Menschen weltweit, heute und in Zukunft in einer intakten Umwelt zu leben, für einen kurzfristigen Profit außer Kraft setzt. Wir sind nicht bereit hinzunehmen, dass wir und unser natürlicher Lebensraum nur die ökonomische Beute von Aktiengesellschaften sind.

Wir sind nicht bereit hinzunehmen, dass Mensch und Umwelt weltweit dem kapitalistischen Verwertungsinteresse unterworfen werden, oft auch um den Preis irreversibler Zerstörung. Viele so genannte "Naturkatastrophen" bzw. ihre Folgen sind nicht unabwendbar und unvermeidbar, sondern die voraussehbare Folge zynischer kapitalistischer Energiepolitik und Produktionsweise. Atomkraftwerke in Erdbebengebieten sind nur die Spitze kapitalistischen Profit-Denkens. (...)

Kapitalismus kann tödlich sein - auch im Normalbetrieb. Profit für die Aktionäre der Energiekonzerne gefährdet unsere Gesundheit - zu Risiken und Nebenwirkungen fragen Sie die ehemaligen BewohnerInnen von Tschernobyl und Fukushima! "Deutschland ist von dem Unfall nicht betroffen"; "so etwas kann bei uns nicht passieren", heißen die ersten Kommentare von Bundesregierung und Atomindustrie. Welch ein Zynismus auch das! Angesichts des ungeheuren, nicht beherrschbaren Risikos der Nutzung der Atomenergie ist es völlig unzureichend, jetzt lediglich Verzicht auf Laufzeitverlängerung oder Ausstieg so schnell wie möglich zu fordern.

Wir werden nicht auf den nächsten Atom-Unfall warten - nicht hier und auch nicht anderswo! Für die sofortige Abschaltung aller Atomanlagen - weltweit! Fangen wir hier damit an! Wir wollen keine weitere Atommüllproduktion mehr. Wir akzeptieren keine Laufzeitverlängerungen. Wir wollen den Atomausstieg sofort, die Energiewende jetzt! Energie darf keine Ware sein! Wer Atomanlagen abschalten will, darf nicht vom Kapitalismus schweigen!

ILKA
Interventionistische Linke Karlsruhe
www.interventionistische-linke.de


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Quelle:
ak - analyse & kritik, Ausgabe 559, 18.03.2011
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veröffentlicht im Schattenblick zum 19. März 2011