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AUFBAU/354: Eine Geschichte über den Kampf für Frauenräume


aufbau Nr. 73, mai / juni 2013
klassenkampf - frauenkampf - kommunismus

Eine Geschichte über den Kampf für Frauenräume



DIE FBB Über zwei Jahrzehnte lang sprossen in der Schweiz selbstbestimmte Frauenräume wie Pilze aus dem Boden. Im folgenden möchten wir jene Organisation vorstellen, die massgeblich diese Geschichte im Raume Zürich angestossen hat.


(fk) Aus dem 8.-März-Frauenbündnis in Zürich hat sich dieses Jahr eine Arbeitsgruppe gebildet, die gemäss der Parole "Frauenräume subito!" zur Geschichte um den Kampf von Frauenräumen recherchierte. Daraus ist ein spannendes Flugblatt entstanden, insbesondere auch aus ästhetischer Sicht. Verschiedene Frauenprojekte seit der 68er Bewegung werden darin dargestellt. Nur schade, dass die Kommunistinnen, die seit 1989 eine bedeutende Kraft in der Organisierung der 8.-März-Demo in Zürich sind, ganz ausgeblendet bleiben. Wir möchten aus diesem Flugblatt den Teil zur "FBB" wiedergeben. Sie ist wohl seit 68 die grösste Organisation im Kampf für Frauenräume in der Schweiz gewesen und geblieben.


Die FBB - Ein Begriff

Die Frauen der FBB (Frauenbefreiungsbewegung), die aus der "68er Revolte" in den späten 1960er Jahren in Zürich entstand, kämpften für eigene selbstbestimmte Räume. Ein Teil dieser Neuen Frauenbewegung verstand sich als anti-bürgerliche Bewegung und handelte mit dem Ziel einer sozialistischen Umgestaltung der Gesellschaft. Sie wollten ausserdem die Frauenfrage, die in der Linken bisher weitgehend innerhalb der Klassenfrage als Nebenwiderspruch betrachtet wurde, in den Vordergrund rücken. Der Name "Frauenbefreiungsbewegung" suggerierte bewusst eine Verwandtschaft zu den kolonialen Befreiungsbewegungen.

Die Frauen der FBB traten insbesondere dadurch hervor, dass sie auf die Problematik der Frauenfragen lautstark und kämpferisch durch Protestaktionen in der Öffentlichkeit aufmerksam machten. Ihre Mittel waren ganz bewusst Provokationen, Demonstrationen, Strassentheater, Teilnahme, bzw. Störung von Miss-Wahlen, Auspfeifen, Störung von Nationalratssitzungen, Hausbesetzungen, Besetzung von Amtstuben usw.

Diese Frauen der Neuen Frauenbewegung verweigerten in vielen Bereichen, die herkömmliche Frauenrolle zu spielen, die vor allem durch die geschlechtsspezifische Arbeitsteilung geprägt war. Sie beschränkten sich nicht auf gegenseitige Frauensolidarität, sondern forderten grundsätzliche Änderungen in den Bereichen Haushalt, Kindererziehung, Sexualität und anderen patriarchal geprägten Strukturen. Hausarbeit sollte geteilt werden, als mögliche Alternative zur Kleinfamilie sah frau die Wohngemeinschaft. Freie selbstverwaltete (auch antiautoritäre) Kindergärten sollten den Müttern mehr Möglichkeiten für ausserhäusliche Tätigkeiten bieten. Sie verweigerten sich den Männern als Sexobjekte (zu Hause, in der Werbung, am Arbeitsplatz und auf der Strasse) und forderten zugleich das Recht auf eine eigene, freie und lustbetonte Sexualität. Sie forderten die Freigabe von Verhütungsmitteln, priesen die Pille, kämpften für den freien Schwangerschaftsabbruch und prägten den Begriff vom "Recht auf den eigenen Bauch".


Einige Aktionen in der Öffentlichkeit

Die Frauen der FBB traten 1968 erstmals an einer Veranstaltung des Frauenstimmrechtsvereins zum 75. Jubiläum öffentlich auf. Sie unterbrachen die Rednerin in ihrem historischen Exkurs und forderten sie auf, endlich über die Gegenwart zu reden. Schliesslich nahm sich eine junge Frau der FBB das Mikrofon und forderte "kein Jubilieren sondern protestieren, diskutieren und grundsätzliche Fragen aufwerfen".

Am 1. Februar 1969, als der Zürcher Frauenstimmrechtsverein mit einem Fackelzug den "Frauenstimmrechtstag" beging (in Erinnerung an die verlorene Abstimmung von 1959), störte die FBB die friedliche Kundgebung, indem sie als Sexobjekte und Hausfrauen verkleidet ein Improvisations-Strassentheater aufführte. Sie wollte damit gegen die bürgerliche Rollenzuweisung protestieren.

1975 organisierte die FBB parallel zum 4. Schweizerischen Frauenkongress eine Gegenveranstaltung, an der neben dem straffreien Schwangerschaftsabbruch auch die weibliche Homosexualität, ein Hausfrauenlohn, Frauen in Gefängnissen und die spezifische Situation von Migrantinnen thematisiert wurden. Die FBB-Frauen störten den offiziellen Kongress und stellten ihre Forderung nach freier und kostenloser Abtreibung. Gegen die massiven Proteste der Katholikinnen hiess der Kongress schliesslich eine Resolution zur Unterstützung der Fristenlösungs-Initiative gut. Im Oktober 1975 riefen die Aktivistinnen der FBB einen nationalen Skandal hervor, als sie aus Protest gegen das Nichteintretens-Votum des Nationalrats zum Thema Fristenlösung im Nationalratssaal nasse Windeln auf die Ratsherren warfen.


Das FZ und und und

Am 1. Juli 1974 wurde das erste Frauenzentrum (FZ) der Schweiz an der Lavaterstrasse 4 (jetzt Tessinerplatz) eröffnet. 1980 folgte der Umzug an die Mattengasse 27. 1985 wurde der "Verein Autonomes Frauenzentrum" AFZ gegründet, der anstelle der FBB die Trägerschaft des Frauenzentrums übernahm. Aus der FBB entstanden unzählige Strukturen. Beispiele: 1970 der "Verein Experimentierkindergarten Zürich", die INFRA, die Homosexuelle Frauengruppe HFG, die Fraue-Zitig, das Restaurant Pudding Palace, die Frauen-Lesben-Bibliothek, die Genossenschaft Frauen-Ambulatorium, das Nottelefon für vergewaltigte Frauen, aus der Arbeitsgruppe "Gewalt gegen Frauen" ging das Frauenhaus zum Schutz misshandelter Frauen hervor, es entstanden die Lesbengruppe Floh und eine Lesbenberatung, die Zeitschriften "Lesbenfront" und "die", die Frauendisco "Rapunzel", der Frauenbuchladen, eine Architektinnengruppe, die Frauengruppe aus dem AJZ (der 80er Bewegung für ein Autonomes Jugendzentrum), die Kulturgruppe Kuss, der Verein für Selbstverteidigung, die Velowerkstatt, der Verein FramaMu (Frauen machen Musik) sowie eine breite Palette von Veranstaltungen.

Auf Ende September 1980 wurden die Räume des Frauenzentrums an der Lavaterstrasse durch die Liegenschaftenverwaltung der Stadt Zürich gekündigt, da das Haus abgerissen und der Boden zwecks Umwandlung zu einem Platz zubetoniert werden sollte. Darauf gründete die FBB eine Arbeitsgruppe zur Beschaffung von neuen Räumen und da die Stadt Zürich diesbezüglich Hilfe versprochen hatte, forderte diese Arbeitsgruppe ein 10 bis 15-Zimmer-Haus. Als über längere Zeit nichts geschah, besetzten am 1. Juli 1980 rund 50 FBB-Frauen die Büros der Liegenschaftenverwaltung und erklärten, sie würden das FZ an der Lavaterstrasse nicht freiwillig verlassen, wenn sich bis Ende September nicht eine für sie akzeptable Lösung zeige. Am 22. Juli 1981 konnte die FBB mitteilen, dass ein neues Frauenzentrum gefunden sei.

1988 löste sich die FBB als Organisation offiziell auf. Einige der von den Frauen geschaffenen Projekte gibt es nicht mehr, andere kämpfen immer noch um ihre Existenz und einige wurden in die bürgerliche Gesellschaft integriert.

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Redaktion

Revolutionärer Aufbau Basel (rabs), Revolutionärer Aufbau Bern (rab), Revolutionärer Aufbau Winterthur (raw), Gruppe politischer Widerstand Zürich (gpw), Gruppe Arbeitskampf Zürich (az), Arbeitsgruppe Antifa Basel (agafbs), Arbeitsgruppe Antifa Zürich (agafz), Arbeitsgruppe Klassenkampf Basel (agkkbs), Arbeitsgruppe Klassenkampf Zürich (agkkz), Arbeitskreis ArbeiterInnenkämpfe (akak), Arbeitskreis Frauenkampf (akfk), Frauen-Arbeitsgruppe (agf), Frauenkollektiv (fk), Rote Hilfe International (rhi), Kulturredaktion (kur), Arbeitsgruppe Jugend Zürich (agj)

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Quelle:
aufbau Nr. 73, mai / juni 2013, Seite 5
HerausgeberInnen:
Revolutionärer Aufbau Zürich, Postfach 8663, 8036 Zürich
Revolutionärer Aufbau Basel, Postfach 348, 4007 Basel
Revolutionärer Aufbau Winterthur, winterthur@aufbau.ch
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veröffentlicht im Schattenblick zum 31. Mai 2013