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AUFBAU/398: Nicaragua - Konkurrenz der Kanäle, Konkurrenz der Grossmächte


aufbau Nr. 78, september / oktober 2014
klassenkampf - frauenkampf - kommunismus

Konkurrenz der Kanäle - Konkurrenz der Grossmächte



IMPERIALISMUS Ein gewaltiger Kanal soll in Nicaragua gebaut werden, um eine zweite Wassersstrasse zwischen Atlantik und Pazifik zu erschliessen. (gpw) 1904 begann der Bau des Panamakanals. Seither spielt er eine traurige Rolle im südlichsten Land Zentralamerikas. Nach 100 Jahren sind seine Schleusen für die heutigen Riesenschiffe zu klein geworden. Seit einigen Jahren wird er nun für fünf bis acht Milliarden US-Dollar saniert und erweitert, um Platz für die Post-Panamax-Klasse zu schaffen. Auf diesen Schiffen werden dreimal so viele Container transportiert werden können wie auf den Schiffen, die bis jetzt den Kanal passieren. Doch weiter nördlich sind verschiedene Akteure dabei, die Erde in Bewegung zu bringen.


Der grosse interozeanische Kanal

Das Chinesische Unternehmen "Hongkong Nicaragua Development Group" (HKND) will in Nicaragua ein gewaltiges Riesenprojekt als Konkurrenz zum Panama-Kanal bauen. Geplant ist die Route von der Mündung des Brito-Flusses südlich der Provinzhauptstadt Rivas quer über den im Landesinneren gelegenen Nicaragua-See. Dann weiter bis hin zur Mündung des Punta-Gorda-Flusses, wo er in den Atlantik führt. Die Zahlen dazu sind gewaltig. Der Kanal wird 278 Kilometer lang sein, 105 Kilometer durch den See selbst. Der Kanal wird zwischen 230 und 530 Meter breit und zwischen 26 und 30 Meter tief sein. Laut dem Unternehmen wurde die kostengünstigste wie auch ökologischste Route gewählt. Containerschiffe (bis 400.000t) und Öltanker (bis 320.000t) werden den Kanal passieren können. Jährlich wäre es möglich, bis zu 5100 Schiffe durch den Kanal zu schleusen. Die totale Investitionssumme von sage und schreibe 40 Milliarden US-Dollar - das doppelte der Wirtschaftsleistung von Nicaragua - ist die grösste getätigte Investition der lateinamerikanischen Geschichte. Durch die Zuliefernetzwerke verspricht sich Nicaragua ein gewaltiges Wirtschaftswachstum.

Im Kontext des Kanals sollen auch eine Freihandelszone, zwei Tiefseehäfen, mehrere Tourismuskomplexe sowie ein Flughafen entstehen. Auch soll das Strassennetz rund um den Kanal saniert werden. Ebenso optimistisch sieht man die Entwicklung der Arbeitsplätze. Zunächst sollen 50.000 Arbeitsplätze geschaffen werden und dann auf 250.000 ansteigen. Vielversprechend klingt für die Regierung das Versprechen, dass Nicaragua kein Geld für den Kanal bereitstellen muss, China eine 100 jährige Lizenz erhält, Nicaragua jedoch automatisch seine Anteile an der Betreibergesellschaft alle zehn Jahre 10 Prozent steigern kann. Ebenfalls in 10 Jahren soll der Bau abgeschlossen sein.

Neben China hat auch Russland sein Interesse am Kanal bekundet. Laut dem russischen Botschafter haben russische Firmen ein Interesse daran, Ausrüstung und Baumaterialien zu liefern. Bis jetzt bestand die russische Beteiligung in der militärischen und politischen Unterstützung des Projekts. Ziel ist es, dass russisches Militär den Kanal sichern soll.


Konkurrenz der Imperialismen

Mehrere Studien sehen hinter dem Bau des Kanals wirtschaftlich gesehen keinen Sinn. Die Nutzung des Panama-Kanals verdoppelt sich durch dessen Erweiterung, und die Gebühren werden beim dreimal so langen Nicaragua-Kanal viel höher ausfallen. Von wirtschaftlicher Konkurrenz kann also keine Rede sein. Ausser die chinesischen Ökonomen gehen von völlig anderen Zahlen aus. Ausserdem werden aufgrund des Klimawandels in Zukunft auch nördlich des Kontinents Wasserwege für die Schifffahrt nutzbar sein. Jedoch können imperialistische Interessen den Bau des Riesenprojekts vorantreiben. Die USA haben nach wie vor ein Interventionsrecht in Panama. Bei einem Konflikt mit China wäre der Panama-Kanal für chinesische Transporte sehr schnell blockiert. Ein Kanal unter chinesischer Kontrolle in Nicaragua wäre ein Garant für mehr Unabhängigkeit. Es gibt auch noch weitere Transportprojekte in Zentralamerika. Damit Europa nicht völlig zurück bleibt, will Guatemala mit Hilfe von europäischem Kapital eine vierspurige Autobahn plus eine Eisenbahnlinie plus zwei Hochseehäfen und eine Pipeline zwischen Pazifik und Karibik bauen. In kürzester Zeit sollen Container die 372 Kilometer lange Landstrecke durchqueren können. Auf der Strecke bleiben Bauernfamilien, welche enteignet werden müssen. Die Projekte setzen auch historisch neue Akzente. Sie zeigen unmissverständlich, dass die 1823 erlassene Monroe-Doktrin, in der sich die USA als Hegemon über Lateinamerika stellte und den Europäern Einflussnahme auf dem Kontinent untersagten, weiterhin bröckelt und vor allem China sich Zugriff auf die lateinamerikanischen Rohstoffe sichern will.

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Redaktion

Revolutionärer Aufbau Basel (rabs), Revolutionärer Aufbau Winterthur (raw), Gruppe politischer Widerstand Zürich (gpw), Gruppe Arbeitskampf Zürich (az), Arbeitsgruppe Antifa Basel (agafbs), Arbeitsgruppe Antifa Zürich (agafz), Arbeitsgruppe Klassenkampf Basel (agkkbs), Arbeitsgruppe Klassenkampf Zürich (agkkz), Arbeitskreis ArbeiterInnenkämpfe (akak), Arbeitskreis Frauenkampf (akfk), Frauen-Arbeitsgruppe (agf), Frauenkollektiv (fk), Rote Hilfe International (rhi), Arbeitsgruppe Jugend Zürich (agj)

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Quelle:
aufbau Nr. 78, september / oktober 2014, Seite 11
HerausgeberInnen:
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Revolutionärer Aufbau Basel, basel@aufbau.org
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veröffentlicht im Schattenblick zum 31. Oktober 2014