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AUFBAU/406: Sparpakete - "Für alle statt für wenige"


aufbau Nr. 79, januar / februar 2015
klassenkampf - frauenkampf - kommunismus

Sparpakete: "Für alle statt für wenige"


KÜRZUNGSWELLE Ein "Sparpaket" jagt gegenwärtig das nächste. Und in den verschiedensten Schweizer Städten gehen Angestellte gegen den Spardruck auf die Strasse. Die Sozialdemokratie spielt eine widersprüchliche Rolle.


(az) Dass die Krise nicht nur in Europa sondern auch in der Schweiz angekommen ist, wissen mittlerweile nicht nur die in der Exportindustrie tätigen ArbeiterInnen, sondern auch die Angestellten verschiedenster Schweizer Städte und Kantone. Ganz speziell jene, die in Spitälern angestellt sind. Bei ihnen äussert sich der Spardruck als Privatisierungsdrohung. Aber auch andere sind betroffen. Der Spardruck als eine Erscheinung der kapitalistischen Krise ist in der Stadt Zürich vor allem auf die Steuerausfälle der Banken zurückzuführen. Steuererhöhungen für Reiche kommen aufgrund der Standortpolitik trotz gegenteiligen Behauptungen nicht in Frage, auch die SP setzt solche trotz massiver Regierungsbeteiligung nicht um. Im Zuge der Kürzungspolitik fällt das staatliche Interesse auf Kostenminimierung mit der privatwirtschaftlichen Suche nach neuen Investitionsfelder zusammen: Ganz speziell und aktuell im Gesundheitssektor drohen deshalb Privatisierungen, weil in dieser öffentlichen Branche mehr als in anderen Bereichen Profit zu erwirtschaften ist.

Die sozialdemokratische Zürcher Stadträtin Corinne Mauch meinte deshalb zur Privatisierungsmotion der FDP im Parlament, dass dem Anliegen ebendieser Motion bereits im Rahmen der allgemeinen Spitälerstrategie nachgegangen werde und diese umfassender und breiter abgestützt sei als das Anliegen der Motion. Sitzt die Sozialdemokratie also in der Regierung, dann arbeitet sie an der Durchsetzbarkeit und an der Akzeptanz der Privatisierungen. Aktuell (Dezember 2014) besteht die SP-Regierungstaktik jedoch gerade darin, die gewollten Kürzungen nicht so genau deklarieren zu wollen.


Staatstragend und gewerkschaftsnah?

Mindestens verbal ist es jedoch trotzdem die Sozialdemokratie, die sich gegen Kürzungen ins Zeug legt. Besonders dort, wo die SP mit der entsprechenden Gewerkschaft historisch und personell verbandelt ist; etwa mit der Gewerkschaft VPOD in Zürich. Manchmal sind es auch PolitikerInnen der anderen reformistischen Parteien, welche ähnliche Rollen spielen. Gemeinsam ist ihnen jedoch allen, dass sie den Widerspruch aushalten, gleichzeitig Umsetzung und (rhetorischen) Widerstand bezüglich Abbaupläne zu organisieren. Eloquent redende gewerkschaftliche ParlamentarierInnen versuchen auch mitten in der Krise noch, den Staat vertrauenserweckend an die Bevölkerung zu verkaufen. Ihre "Kernkompetenz" besteht gerade eben darin, Werktätige an den Staat zu binden. Es erscheint paradox: So wurde der sozialdemokratische Bundesrat Alain Berset etwas für seine Rentenreformpläne von den Delegierten des Schweizerischen Gewerkschaftsbundes im Oktober 2014 ausgepfiffen - mitunter von sozialdemokratischen FunktionärInnen. Und ebendieser brüstet sich am Annual Dinner der Avenir Suisse offen damit, dass es seinem Reformpaket gelingt, die Gewerkschaften für die Rentenreform ins Boot zu holen. Vorher seien "den politischen Gegnern zu viele taktische Manöver erlaubt" gewesen.

Was auf den ersten Blick erstaunt, macht bei genauerem Hinsehen Sinn: Wie alle anderen bürgerlichen Parteien ist auch die Sozialdemokratie als linker Flügel der Parlamentslandschaft darauf angewiesen, verschiedene gesellschaftliche Segmente mit den politisch-ideologischen Bindemitteln "Sozialstaat" und "aussenpolitische Öffnung" als allgemeine Basis an sich zu binden. Potentiell umfasst die Sozialdemokratie also sowohl die Gewerkschaftsbasis wie auch jene Kapitalfraktionen, welche an einer raschen europäischen Integration interessiert sind. Die logische Folge davon ist eine etwas krude Argumentationslinie gegenüber dem ökonomischen Druck auf die Staatskassen.


Wer trägt Schuld am Sparpaket?

"Sparen sei gar nicht nötig" meinte etwa die Zeitschrift VPOD-Info im Dezember 2013. Die Kantone würden auf falsche Finanzpolitik setzen und die Finanzlage dramatisieren. Diese Argumentationslinie war vermutlich eher mit der Zielsetzung kompatibel, eigene KandidatInnen als alternative Regierungsteilnehmende in Stellung zu bringen. Dass die Banken an allem Schuld seien, war nach der Finanzkrise aus reformistischen Kreisen häufig zu hören, die "Abzocker-Debatte" kam dann auch zum richtigen Zeitpunkt, um verkürzte Kapitalismuskritik zu betreiben und die wahren Ursachen der sogenannten Finanzkrise eben nicht zu benennen.

Das Grundproblem der reformistischen Linken ist jedoch gerade dort zu verorten. Seit den Siebzigerjahren herrscht eine fundamentale Kapitalüberproduktionskrise, welche der KapitalistInnenklasse einen immer kleineren Spielraum für Zugeständnisse gegenüber der werktätigen Bevölkerung lässt. Die ökonomische Grundlage für die SP-Politik des Klassenkompromisses ist mittlerweile dünn geworden. Die Sozialdemokratie hat der werktätigen Bevölkerung weniger reformistische Brosamen anzubieten als noch im Nachkriegsaufschwung und den Jahren danach. Dort wo die Sozialdemokratie Einfluss auf die Gewerkschaften ausübt, lähmt sie die Kämpfe damit, dass sie sich auf die Seite des Staates schlägt und Vertrauen in ebendiesen Staat und die eigenen PolitikerInnen predigt. Sie wollen Politik in den Hinterzimmern der Parlamente führen und sehen die Gewerkschaftsbewegung vereinnahmend als Mittel zu diesem Zweck. Im Grunde genommen kommt der Sozialdemokratie die gegenwärtige Schwäche der Gewerkschaftsbewegung gerade recht. Können sie doch deren Handlungsunfähigkeit im Betrieb nutzen, um ihnen Aktivitäten auf der politischen Bühne, etwa mittels Mindestlohninitiative schmackhaft zu machen. Sämtliche politischen Initiativen haben denn auch nichts an der gewerkschaftlichen Schwäche verändert, aber sicherlich einigen PolitikerInnen zum Wahlsieg verholfen. Natürlich sind wir interessiert an einer ArbeiterInnenbewegung, welche den ideologischen Ballast der Sozialpartnerschaft hinter sich lässt und selber kämpft; losgelöst von jener Sozialdemokratie, die gleichzeitig Privatisierungen umsetzt.

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Redaktion

Revolutionärer Aufbau Basel (rabs), Revolutionärer Aufbau Winterthur (raw), Gruppe politischer Widerstand Zürich (gpw), Gruppe Arbeitskampf Zürich (az), Arbeitsgruppe Antifa Basel (agafbs), Arbeitsgruppe Antifa Zürich (agafz), Arbeitsgruppe Klassenkampf Basel (agkkbs), Arbeitsgruppe Klassenkampf Zürich (agkkz), Arbeitskreis ArbeiterInnenkämpfe (akak), Arbeitskreis Frauenkampf (akfk), Frauen-Arbeitsgruppe (agf), Frauenkollektiv (fk), Rote Hilfe International (rhi), Arbeitsgruppe Jugend Zürich (agj)

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Quelle:
aufbau Nr. 79, januar / februar 2015, Seite 10
HerausgeberInnen:
Revolutionärer Aufbau Zürich, Postfach 8663, 8036 Zürich
Revolutionärer Aufbau Basel, basel@aufbau.org
Revolutionärer Aufbau Winterthur, winterthur@aufbau.org
Redaktion und Vertrieb Schweiz
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veröffentlicht im Schattenblick zum 12. Februar 2015

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