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AUFBAU/413: Sozialhilfe und Repression


aufbau Nr. 80, märz / april 2015
klassenkampf - frauenkampf - kommunismus

Sozialhilfe und Repression


SOZIALWERKE Im letzten Herbst stand die Sozialhilfe vermehrt im Fokus der bürgerlichen Medien. Es wurden "übertriebene" Kosten diskutiert und einzelne Fälle ausgeschlachtet, um von oben gegen unten zu hetzen


(agj) Medial losgetreten wurde die Kampagne um die Sozialhilfe im September 2014 mit der schlecht recherchierten Geschichte über eine Familie aus Eritrea, welche eine kleine Schweizer Gemeinde zu viel koste. Es folgten täglich Artikel zu den Kosten der Sozialhilfe, zu den SKOS-Richtlinien und deren Auslegung. Die SVP schlug vor, den Grundbedarf der Sozialhilfe massiv zu kürzen. In der SKOS werden die Richtlinien von VertreterInnen aus allen Kantonen und Akteuren des Sozialwesens definiert und bilden den Rahmen der Schweizer Sozialhilfe. Es geht darum festzulegen, wie hoch der Grundbedarf sein soll, was dieser zu enthalten hat, wie Anreize für die Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt geschaffen werden oder wie bei fehlender Kooperation sanktioniert wird.


Verschärfungen

In einem Positionspapier der SVP, welches zeitgleich mit der Hetze öffentlich wurde, werden diese Richtlinien als Beispiel einer schädlichen Anspruchsmentalität bezeichnet. Gefordert wird ein monatlicher Maximalbetrag von 600 Franken zur Deckung des Grundbedarfs für eine erwachsene Person, zudem müsse jede angebotene Arbeit angenommen werden. Die reellen Chancen zur Umsetzung dieses Vorstosses der SVP sind selbst beim momentanen harschen Kurs noch offen. Aber der Vorstoss der SVP, wie auch die Debatten um die Sozialhilfe im Allgemeinen, gliedern sich in die Angriffe von oben gegen die Sozialwerke ein. Dabei wird die gesamte Klaviatur der Hetze bespielt, man zielt gegen die, die wenig haben, und spaltet entlang der jeweiligen Kasse, aus der die Hilfe bezogen wird (Sozialhilfe versus AHV oder IV). Hier spielt natürlich auch der Rassismus eine Rolle, MigrantInnen, die auf die Hilfe angewiesen sind, das heisst netto mehr kosten, als sie der Schweizer Wirtschaft bringen, sind als Zielscheibe freigegeben.

Zu erwähnen ist hier auch, dass die SKOS-Richtlinien, um die es geht, bereits jetzt (vor einer allfälligen Verschärfung) weder bindend noch tatsächlich sozial sind. Wie es der Name sagt, sind es lediglich Richtlinien, die von Gemeinden und Kantonen beliebig angepasst werden können. Dieser Umstand wird auch tatkräftig ausgenutzt: Im Standortwettbewerb der Gemeinden, bei dem man jeweils möglichst gute und nicht schlechte SteuerzahlerInnen anwerben will, spielt die jeweilige Auslegung der Sozialhilfe eine Rolle. Gemeindepräsidenten geben unmissverständlich zu verstehen, dass sie die Sozialhilfe runterschrauben, damit diese Menschen möglichst aus ihren Gemeinden ausziehen. Im Kanton Zürich kann bereits jetzt die Sozialhilfe ganz gestrichen werden, wenn die Behörde der Meinung ist, dass eine zumutbare Arbeit nicht angenommen wurde oder Integrationsprogramme nicht besucht werden. Es ist hier auch darauf hinzuweisen, dass die Grundidee der SKOS-Richtlinien auf das Zürcher Chancenmodell zurückzuführen ist, welches von der damaligen Grünen Stadträtin Monika Stocker lanciert wurde.


Sozialstaat im Kapitalismus

Die Sozialhilfe (wie die Sozialwerke allgemein) ist aus der Geschichte der Klassenkämpfe zu betrachten. Sie ist ein Resultat der ArbeiterInnenkämpfe, durch die stückweise Rechte erkämpft wurden (wie auch beispielsweise die AHV). Zugleich wirkt sie auch als Instrument der Integration, als ein Versuch der Verhinderung weiterer Kämpfe. Die verschärften Angriffe auf die Sozialwerke sind dann auch jetzt in einen solchen historischen Kontext zu setzen, wo die Krise des Kapitalismus (ökonomisch, aber auch politisch, sozial und kulturell) und die Schwäche der ArbeiterInnenbewegung als relevante Faktoren für die verschärfte Auseinandersetzung zu nennen sind.

Logischerweise müssen aus einer proletarischen Klassenposition der Sozialstaat und seine Hilfeleistungen generell in Frage gestellt werden. Denn der Sozialstaat im Kapitalismus dient letztlich dem Kapital, nicht den Menschen. Darum dienen die wesentlichen Hilfeleistungen im Sozialwesen der Arbeitsintegration und der Verwertung von Arbeitskraft. Trotzdem ist es wichtig, die Entwicklungen rund um diesen Bereich zu begleiten, nur sollte die Kritik in den richtigen Kontext eingebettet werden, um nicht in reformistische Positionen zu verfallen. Kritik oder Kampf gegen Verschärfungen bewegt sich in diesem Widerspruch, was uns an der Positionierung auf Seiten der Angegriffenen nicht hindert.

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Redaktion

Revolutionärer Aufbau Basel (rabs), Revolutionärer Aufbau Bern (rab), Revolutionärer Aufbau Winterthur (raw), Gruppe politischer Widerstand Zürich (gpw), Gruppe Arbeitskampf Zürich (az), Arbeitsgruppe Antifa Basel (agafbs), Arbeitsgruppe Antifa Zürich (agafz), Arbeitsgruppe Klassenkampf Basel (agkkbs), Arbeitsgruppe Klassenkampf Zürich (agkkz), Arbeitskreis ArbeiterInnenkämpfe (akak), Arbeitskreis Frauenkampf (akfk), Frauen-Arbeitsgruppe (agf), Frauenkollektiv (fk), Rote Hilfe International (rhi), Arbeitsgruppe Jugend Zürich (agj)

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Quelle:
aufbau Nr. 80, märz / april 2015, Seite 10
HerausgeberInnen:
Revolutionärer Aufbau Zürich, Postfach 8663, 8036 Zürich
Revolutionärer Aufbau Basel, basel@aufbau.org
Revolutionärer Aufbau Winterthur, winterthur@aufbau.org
Redaktion und Vertrieb Schweiz
aufbau, Postfach 8663, 8036 Zürich
E-Mail: info@aufbau.org
Internet: www.aufbau.org
 
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veröffentlicht im Schattenblick zum 3. April 2015

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