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AUFBAU/467: Türkei - Krieg an allen Fronten


aufbau Nr. 86, September/Oktober 2016
klassenkampf - frauenkampf - kommunismus

Türkei - Krieg an allen Fronten


IMPERIALISMUS Vom Stellvertreterkrieg in Syrien zur direkten militärischen Aggression. Im Visier der türkischen Armee stehen die fortschrittlichen Errungenschaften der kurdischen Bewegung.


(rabs) Mit dem militärischen Überfall auf Syrien eröffnet die Türkei eine neue Front gegen die kurdische Bewegung. Im Irak fliegen türkische Kampfjets seit langem Angriffe auf die Stellungen der PKK und im eigenen Land führt die türkische Armee einen grausamen, hierzulande meist verschwiegenen Bürgerkrieg gegen die kurdische Bevölkerung. Im deklarierten Visier der türkischen Armee stehen jetzt die durch die kurdisch-arabischen Milizen vom IS befreiten Gebiete in Syrien. Die Aggression wird von Erdogan als "Schutzschild Euphrat" bezeichnet und soll die Türkei vor "Angriffen" durch die kurdischen Milizen schützen. Tatsache ist allerdings, dass solche Angriffe in der Vergangenheit nie stattgefunden haben und auch nicht ernsthaft zu befürchten waren. Das Problem für die Türkei liegt einzig darin, dass der von ihr protegierte IS sein entlang der türkischen Grenze installiertes Herrschaftsgebiet Stück um Stück an die kurdisch-arabischen Milizen verliert. Die im Schlepptau der türkischen Armee operierenden Terrormilizen der "freien Syrischen Armee" sollen die bedrohten Stellungen nun übernehmen. Es handelt sich um sogenannt "moderate" Rebellen, die dem "IS" jedoch weder im religiösen Fanatismus noch in der Grausamkeit nachstehen. Eine der beteiligten Rebellengruppen ist die Harka Nur Al-Din Al-Senki, die vor kurzem vor laufender Kamera ein 12-jähriges Kind enthauptet hat. Diese dschihadistischen Banden haben nun die Herrschaft von Dscharabalus und anderen Orten übernommen. Zu recht sprechen die KurdInnen von einer islamistischen Wachablösung.


Erdogans Verknüpfung mit dem IS

Bekanntlich trägt die Türkei mit ihrer Unterstützung des IS und anderer Terrormilizen eine massgebliche Verantwortung am syrischen Krieg. Eine Tatsache, die entgegen allen offiziellen Verlautbarungen auch der deutschen Regierung nicht entgangen ist, wie kürzlich publizierte "Indiskretionen" aus dem deutschen Innenministerium belegen. In besagtem Dokument wird u.a. auf die aktive Unterstützerrolle der türkischen Regierung zahlreicher terroristischer Milizen in Syrien hingewiesen. Ergänzend sei an die Rolle des Erdogan-Sohnes im Waffenschmuggel an den IS oder an die Erdogan-Tochter erinnert. Sie leitet ein Krankenhaus, in welchem IS-Verwundete wieder für den heiligen Krieg hochgepäppelt werden. Türkische JournalistInnen, die diese Terror-Unterstützung aus dem engsten Umfeld Erdogans enthüllten, sind wegen "Verletzung von Staatsgeheimnissen" im Gefängnis gelandet. Kürzlich präsentierte die Kommission für Aussenbeziehungen der kurdischen Autonomieregierung Rojava in Brüssel einen Bericht, der die Zusammenarbeit der Türkei mit dem IS, die KurdInnen nennen ihn verächtlich Daesh, belegt. Der Bericht belegt, dass der IS nach wie vor in der Türkei seine Kämpfer rekrutiert und ungehindert grosse Mengen von Düngern, die Basis für Sprengstoffherstellung, über die türkische Grenze nach Syrien transportiert.


Nach dem Putsch - Konterrevolution und Krieg

Präsident Erdogan hat den gescheiterten Putschversuch genutzt, um noch schärfer gegen jeden Hauch von Opposition und die Kurden im Lande vorzugehen. Mit einer beispiellosen Verhaftungs- und Entlassungsaktion wurden die Armee, Polizei, Schulen und Universitäten von tatsächlichen oder vermeintlichen Galen-AnhängerInnen gesäubert, zahlreiche Medienanstalten geschlossen und JournalistInnen ins Gefängnis gesteckt. Die Politik Erdogan übertrifft in ihrer Radikalität selbst die Reaktion der Bush-Regierung nach den Anschlägen vom 11. September 2001, die eine radikale Verschärfung der Innenpolitik und der Kriegspolitik des US-Imperialismus mit sich brachten.


US-Atombomben in der Türkei

Diese offene Unterstützung des IS führte seit längerem zu Spannungen der Erdogan-Regierung mit den USA, welche die Islamisierung des NATO-Partners mit Besorgnis mitverfolgen. Dies auch deshalb, weil die USA rund 50 Atombomben in der Türkei lagern. Ein brandgefährliche Situation und es ist kaum auszumalen, was für Folgen es hätte, wenn diese in falsche Hände kämen. Womit keineswegs gesagt werden soll, sie befänden sich derzeit in den richtigen Händen. Offensichtlich ist auch der US-Imperialismus zu diesem Schluss gekommen und hat begonnen, das Atombombenarsenal nach Rumänien zu transferieren. Dies stärkt zusätzlich die feste Überzeugung Erdogans, die USA stünden direkt hinter dem aus seiner Sicht vom Erzfeind Gülen aus dem amerikanischen Exil organisierten Putschversuch. Wenn es auch sicherlich richtig ist, dass der US-Regierung die eher weltlichen Vorstellungen Gülens, der die Islamisierung der Gesellschaft durch Erdogan in dieser Form ablehnt, bevorzugt, ist doch kaum anzunehmen, dass die Regierung Obama derzeit ein solches Risiko eingehen würde. Dies schliesst aber keineswegs aus, dass der Putsch vom CIA, mit dem Gülen engste Beziehungen pflegt, unterstützt wurde.


Baut die Türkei eine Atombombe?

Es gibt zahlreiche Indizien dafür, dass die Türkei seit längerem heimlich an der Entwicklung einer Atombombe arbeitet. Im Gegensatz zur internationalen Aufregung um den Iran oder Nordkorea ohne Störmanöver von Aussen. Im Jahre 2011 bestellte die Türkei bei der russischen Firma Rosatom und einer japanisch-französischen Unternehmergruppe drei Reaktorkomplexe für Atomkraftwerke an der Mittelmeerküste. Die Tatsache, dass alte Brennstäbe weder zurück genommen noch entsorgt wurden, liess den deutschen Bundesnachrichtendienst BND hellhörig werden. Im gleichen Jahr beauftragte Erdogan seine Rüstungsindustrie mit der Entwicklung von Langstreckenraketen. Ganz unerfahren ist die Türkei im Atombomben-Business nicht. In den 80er Jahren wurden die geheimen Teile für die pakistanische Bombe über die Türkei angeliefert. Ohne weitere mediale Resonanz wurden diese Informationen bereits im Jahr 2014 durch Hans Rühle, ehemaliger Leiter des Planungsstabes im deutschen Verteidigungsministerium, in der "Welt" publiziert. Bis jetzt stellen sich die imperialistischen Mächte offensichtlich nicht ernsthaft gegen die Ambitionen Erdogans, die Türkei zur Weltmacht aufzubauen.

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Redaktion

Revolutionärer Aufbau Basel (rabs), Revolutionärer Aufbau Winterthur (raw), Gruppe politischer Widerstand Zürich (gpw), Gruppe Arbeitskampf Zürich (az), Arbeitsgruppe Antifa Basel (agafbs), Arbeitsgruppe Antifa Zürich (agafz), Arbeitsgruppe Klassenkampf Basel (agkkbs), Arbeitsgruppe Klassenkampf Zürich (agkkz), Arbeitskreis AbeiterInnenkämpfe (akak), Arbeitskreis Frauenkampf (akfk), Frauen-Arbeitsgruppe (agf), Frauenkollektiv (fk), Rote Hilfe International (rhi), Arbeitsgruppe Jugend Zürich (agj)

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Quelle:
aufbau Nr. 86, September/Oktober 2016, Seite 3
HerausgeberInnen:
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Revolutionärer Aufbau Basel, basel@aufbau.org
Revolutionärer Aufbau Winterthur, winterthur@aufbau.org
Redaktion und Vertrieb Schweiz
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veröffentlicht im Schattenblick zum 15. Oktober 2016

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