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AUFBAU/548: SozialdetektivInnen - Von der SP geplant, von der SVP gefeiert


aufbau Nr. 94, September/Oktober 2018
klassenkampf - frauenkampf - kommunismus

Von der SP geplant, von der SVP gefeiert


SOZIALDETEKTIVINNEN Im März wurde eine gesetzliche Grundlage für den Einsatz von SozialdetektivInnen geschaffen. Im Klartext: Die Überwachung von Versicherten wird massiv steigen.


(agafz) Ganz stolz zappelt der Zürcher SVP Nationalrat Mauro Tuena vor der Kamera: so was sei nur Dank dem langjährigen Druck der SVP möglich gewesen. Die Aussage bezieht sich auf das Sozialdetektive-Gesetz, dessen Inhalt effektiv gut in das Konzept der SVP passt. Obwohl sich diese Partei den Kampf gegen vermeintliche Sozialschmarotzer auf die Fahne geschrieben hat, muss in diesem Fall, der Gerechtigkeit halber, schon präzisiert werden, dass sie nicht am Ursprung dieser Praxis steht. Diese brilliante Idee ist nämlich der Zürcher SP zu verdanken. Mehr dazu später.

Das Thema geriet ins Zentrum der Aufmerksamkeit als die zwölf Jahre lang reibungslos funktionierende Praxis der Schweiz 2016 vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Strassburg aufgrund fehlender gesetzlicher Grundlage verurteilt wurde. Deshalb beeilte sich das Parlament, aber auch Mauro Tuena mit einer persönlichen Initiative, Gesetztesvorschläge auf die Beine zu stellen und baldmöglichst zu verabschieden. Nun soll es für diverse Versicherungen, also AHV, IV. Krankenkassen, Unfallversicherungen, usw. möglich sein, ohne richterlichen Entscheid über die Überwachung von Versicherten zu befinden und Massnahmen bis zum Einsatz von Drohnen anzuordnen. Denn nun darf man die Leute nicht nur auf öffentlichem Grund überwachen, sondern auch an allen Orten, die man vom öffentlichen Grund (oder Himmel) ausspionieren kann. Auch sollen GPS-Tracker eingesetzt werden können. Die Empörung scheint beim politischen Establishment gross zu sein, Einzelfälle werden hoch angeprangert und sorgen für Skandal. Viel weniger dienstbeflissen scheinen die Damen und Herren gegen Steuerbetrug vorzugehen zu wollen. Das sei was ganz anderes, meinen sie, beim einen werden vom Staat Leistungen bezogen, auf die man kein Anrecht hat, beim anderen gibt man ihm lediglich nicht, was man ihm schuldet. Vollkommen einverstanden: es ist was ganz anderes, beim ersten handelt es sich um ein paar Millionen und beim letzteren geht es um andere Beträge: die Zahlen sind ähnlich, einfach in Milliarden ausgedruckt.


Hautpsache nach unten treten

Aber was denn? Das Wichtigste am Ganzen sind nicht die laut herausposaunten finanzpolitischen Motive, sondern mehr das "Treten nach unten". Hetze gegen diejenigen, die nicht in das kapitalistische Verwertungsschema passen, soll eine Grundlage für eine ideologische Einbindung bieten. Höhere Arbeitslosigkeit, Mieten und Krankenkassenprämien sorgen für steigende Unzufriedenheit, die sich verschärfenden Arbeitsbedingungen und schlechteren Pensionsaussichten für sinkende Lebensqualität. In dieser Situation kann die Verbindung zwischen den Verlierern des Systems und den Verfechtern dieser Ordnung nur noch über die Gemeinsamkeit eines vermeintlichen Feindes zustande kommen. Die SVP pflegt diese Marketing-Option seit Jahrzehnten vorbildlich. Diese Volks-, Bauern- und Arbeiterpartei ist eigentlich die Partei der Stinkreichen, der Sozialpartnerschaft, des Freihandels und des Sozialabbaus. Um diese inneren Widersprüche zu überwinden, braucht es solide, schon fast eines mythologischen Status werte Feindbilder. In erster Linie sind es Asylsuchende, Flüchtlinge, die EU, Muslime und AusländerInnen überhaupt. Aber auch SozialhilfebezügerInnen, IV-RentnerInnen, Arbeitslose und alle, die die neoliberale Erfolgsgeschichte nicht anpacken konnten.


SVP oder SP, Original oder Kopie?

Das von der SVP benötigte Hassklima, welches hervorragende Rahmenbedingungen für die Schweizer Politik bietet, wird von den anderen Parteien sauber unterhalten. Siehe das humanitäre Jahrzehnt der Sozialdemokratin Simonetta Sommaruga beim Polizei- und Justizdepartement (Sonderflüge, Haftlager. Unterstützung für Frontex, Abschaffung des Botschaftsasyls, Abweisung eritreeischer Flüchtlinge, usw.). Im Kanton Zürich sorgt SP Regierungsrat Mario Fehr für dieselbe Politik. Was die Überwachung mittels SozialdetektivInnen angeht, muss man sagen, dass diese (progressive?) Idee in einem kreativen Schub eines sozialdemokratischen Geistes entstanden ist: SozialdetektivInnen wurden in der Stadt Zürich vor etwas mehr als zehn Jahren dank dem Impuls des damaligen SP-Präsidenten Koni Loepfe eingeführt. Etwas muss man in diesem Fall schon zugeben: sie haben es nicht kopiert, sondern sind selber darauf gekommen.

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Redaktion

Revolutionärer Aufbau Basel (rabs), Revolutionärer Aufbau Winterthur (raw), Gruppe politischer Widerstand Zürich (gpw), Gruppe Arbeitskampf Zürich (az), Arbeitsgruppe Antifa Basel (agafbs), Arbeitsgruppe Antifa Zürich (agafz), Arbeitsgruppe Klassenkampf Basel (agkkbs), Arbeitsgruppe Klassenkampf Zürich (agkkz), Arbeitskreis ArbeiterInnenkämpfe (akak), Arbeitskreis Frauenkampf (akfk), Frauen-Arbeitsgruppe (agf), Frauenkollektiv (fk), Rote Hilfe International (rhi), Arbeitsgruppe Jugend Zürich (agj)

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Quelle:
aufbau Nr. 94, September/Oktober 2018, Seite 11
HerausgeberInnen:
Revolutionärer Aufbau Zürich, Postfach 8663, 8036 Zürich
Revolutionärer Aufbau Basel, basel@aufbau.org
Revolutionärer Aufbau Winterthur, winterthur@aufbau.org
Redaktion und Vertrieb Schweiz
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Internet: www.aufbau.org
 
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veröffentlicht im Schattenblick zum 18. Oktober 2018

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