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DAS BLÄTTCHEN/1744: Neue U-Boote für Israel


Das Blättchen - Zeitschrift für Politik, Kunst und Wirtschaft
20. Jahrgang | Nummer 23 | 6. November 2017

Neue U-Boote für Israel

von Otfried Nassauer


Israel wird drei weitere Dolphin-U-Boote erhalten - vorausgesetzt, die in diesem Zusammenhang aufgekommenen Korruptionsvorwürfe in Israel erweisen sich als unzutreffend. Darauf haben sich das Kanzleramt, das Außenministerium und das Verteidigungsministerium in Berlin laut einem Spiegel-Bericht verständigt. Am 23. Oktober, kurz vor der Konstituierung des neuen Bundestags, hat die Bundesregierung die schon länger ausgehandelte Vereinbarung unterzeichnet. Sie sieht einen bereits in den Bundeshaushalt eingestellten Kostenzuschuss von zunächst bis zu 540 Millionen Euro aus deutschen Steuergeldern vor.

Die drei neuen U-Boote und - überraschend - auch das derzeit noch im Bau befindliche sechste Dolphin-U-Boot des vorangegangenen Auftrags sollen mit mehr als 70 Metern Länge größer ausfallen als die bisher gelieferten Boote. Eine zusätzliche Sektion, die hinter dem Turm und der Kommandozentrale und vor dem Antrieb eingefügt wird, beherbergt ein sogenanntes Vertical Multi-Purpose Lock (VMPL). Das ist eine druckfeste, senkrecht eingebaute Schleuse, die - je nach Mission und Beladung - unterschiedlichen Zwecken dient. Während der Messe UDT (Undersea Denfence Technology) in Oslo hat ThyssenKrupp Marine Systems (TKMS) dieses Konzept am Beispiel eines U-Boots der Klasse 214 vor einem Jahr genauer vorgestellt: Die Sektion hat demnach eine Länge von 2,10 Metern und enthält ein senkrecht eingebautes Rohr großen Durchmessers, das als separate druckfeste, wasserdichte Einheit ausgelegt ist. In diesem Rohr können zusätzliche Treibstoffvorräte gelagert werden, aus ihm können aber auch Spezialkräfte oder autonome Unterwasserfahrzeuge abgesetzt werden. Auch ein revolverartiges Verlegesystem für Seeminen wäre dort unterzubringen. Einer TKMS-Zeichnung der Sektion zufolge können außerdem bis zu sieben senkrecht startende Flugkörper zum Beispiel gegen Landziele aus dieser Schleuse abgeschossen werden. Deren Länge ist allerdings begrenzt, denn der Durchmesser der U-Boote der Klasse 214 beträgt nur 6,30 Meter und kann zudem nicht in Gänze für die Flugkörper genutzt werden. Dennoch dürfte diese Möglichkeit für viele Kunden besonders attraktiv sein. Möglich ist theoretisch auch der Einbau mehrerer solcher Schleusensektionen in dasselbe Boot.

Verunsichert, ob Israel durch das VMPL auch erweiterte Fähigkeiten zum Einsatz nuklear bestückter Flugkörper erhalten würde, beauftragte die Bundesregierung den Bundesnachrichtendienst mit einem technischen Gutachten. Dessen Ergebnis blieb nach Recherchen der Zeit vage und konstatierte keine grundsätzlich neuen Fähigkeiten. Im Juni 2017 billigte der Bundessicherheitsrat die Lieferung der U-Boote mit veränderter Auslegung. Deren Auslieferung ist für die zweite Hälfte des kommenden Jahrzehnts vorgesehen.

Das derzeit im Bau befindliche sechste Dolphin-U-Boot, das als erstes die neue Sektion erhalten soll, dürfte sich durch die recht spät während des Baus geänderte Auslegung verzögern. Ursprünglich sollte es 2018 übergeben werden. Israel bietet dieses Boot die Möglichkeit, im Voraus zu untersuchen und zu erproben, welche neuen operativen Möglichkeiten sich durch das VMPL ergeben und wofür es künftig genutzt werden soll. Neben der größeren Flexibilität beim Einsatz von Spezialkräften dürfte die Möglichkeit, autonome Unterwasserfahrzeuge zur Aufklärung oder auch als Waffe zu nutzen, in den Blick geraten. Die Bestückung mit Flugkörpern würde die in einem U-Boot mitführbare Bewaffnung erheblich vergrößern.

Unbekannt ist bisher, ob sich die Bundesregierung auch an den Mehrkosten beteiligt, die durch die zusätzliche Sektion entstehen. Gewöhnlich beläuft sich der deutsche Anteil auf ein Drittel der Kosten von U-Booten für Israel. Zudem wird Israel bei der Devisenbeschaffung durch den Kauf israelischer militärischer Dienstleistungen und Rüstungsgüter unterstützt, deren Wert ein weiteres Drittel der U-Boot-Kosten ausmacht.

Erklärlich ist das Interesse der Bundesregierung an einer Regelung, die jeden Korruptionsverdacht ausschließt. Man will der Öffentlichkeit nicht erklären müssen, dass von deutschen Steuergeldern nicht nur U-Boote für Israel kofinanziert werden, sondern auch Bestechungsgelder. Das aber wäre der Fall, wenn es im Zusammenhang mit den TKMS-Geschäften unlautere Zahlungen in Israel gäbe. Es wäre auch der Fall, wenn solche Geldflüsse im Kontext des Auftrags über vier Korvetten erfolgt wären, die German Naval Yards derzeit in Kiel im Unterauftrag von TKMS für Israel baut. Auch dieses Vorhaben erhält aus deutschen Steuermitteln einen Zuschuss in Höhe von 115 Millionen Euro.

TKMS muss schon seit Jahren um seinen Ruf fürchten. In der Vergangenheit wurden bei Aufträgen des Konzerns, die zusammen mit der Ferrostaal AG oder über die Gemeinschaftsfirma MarineForce International (MFI) in London realisiert wurden, nicht nur Korruptionsvorwürfe laut, sondern unlautere Vorgänge auch bereits staatlich sanktioniert. TKMS wurde nach der korruptionsbedingten Trennung von Ferrostaal alleiniger Inhaber von MFI. Deren Nachfolger wurde die bis heute existierende Firma ThyssenKrupp Marine Systems LLP.

Erste Vorwürfe, dass Michael Ganor, der seit 2009 als Handelsvertreter von TKMS in Israel agierte, den Weg zu Aufträgen für den Konzern und zu lukrativen Millionen-Provisionen für seine Privatschatulle durch unzulässige Zahlungen an Dritte geebnet habe, wurden bereits 2016 laut. Ertappt wechselte er die Seiten und agiert nun als Zeuge der Anklage. Er arbeitet mit den israelischen Ermittlungsbehörden zusammen. TKMS bleibt nur die Hoffnung, dass die eigene Verteidigungslinie hält. Die besagt, der Konzern habe von den Vorgängen nichts gewusst und tue alles, um bei deren Aufklärung zu helfen. Mehr als ein Dutzend Personen kamen inzwischen in Israel vorübergehend zur Befragung in Haft oder Hausarrest. Die Indizien verdichteten sich zu einem offiziellen Ermittlungsverfahren des Generalstaatsanwalts, dem sogenannten "Case 3000".

Sie betreffen etliche Personen aus dem Umfeld von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu, Marineoffiziere und Protegés von Netanjahus Kabinettskollegen Steinitz. Weder Steinitz noch Netanjahu selbst sind Beschuldigte. Gegen Netanjahu wird jedoch seit August auch polizeilich ermittelt. Da sein Büro und sein Umfeld daran beteiligt waren, die Beschaffung zusätzlicher U-Boote durchzusetzen, kann nicht ausgeschlossen werden, dass er noch zum Beschuldigten wird. Die Ermittler scheinen sich zunächst auf Vorgänge zu konzentrieren, bei denen Geld aus dem Kontext des deutsch-israelischen Korvettengeschäfts geflossen ist. Für dieses Geschäft sind bereits erste Erfolgsprovisionen in Millionenhöhe gezahlt worden. Beim U-Boot-Geschäft ist das noch nicht der Fall, da noch kein Kaufvertrag existiert und die U-Boote noch nicht angezahlt wurden.

Ob die von der Bundesregierung in das Abkommen mit Israel eingefügte Rücktrittsoption greifen würde, ist unsicher. Es kommt auf die Details der Formulierungen sowohl in der geplanten Grundsatzvereinbarung als auch im vorgesehenen begleitenden Briefwechsel an. Dem Bundestag kann nur geraten werden, sich im Rahmen der Haushaltskontrolle mit dem Wortlaut dieser Texte sobald wie möglich genau vertraut zu machen.

Trotzdem bleibt schwer vorstellbar, dass Israel die neuen Dolphin-Boote nicht bekäme. Eher wäre zu erwarten, dass aus Gründen der nationalen Sicherheit oder wie es in Berlin gerne heißt "Gründen der Staatsräson" laufende Ermittlungen niedergeschlagen werden, um die Lieferung der Boote sicherzustellen. Für die nach israelischen Wünschen konstruierten und für den Einbau israelischer Technik vorbereiteten Dolphin-U-Boote wäre zudem - einmal gebaut - kaum noch ein anderer Abnehmer zu finden.

Als Bundeskanzler haben Gerhard Schröder und Angela Merkel nun eine interessante Gemeinsamkeit mehr. Beide finalisierten den aus dem Bundeshaushalt unterstützten Verkauf für je ein Los deutscher U-Boote an Israel zwischen zwei Legislaturperioden. Die scheidende Bundesregierung ist geschäftsführend noch im Amt, die neue noch nicht vereidigt und der Bundestag nimmt seine Aufgaben noch nicht wieder in normalem Umfang wahr. Die rot-grüne Bundesregierung unterzeichnete das Regierungsabkommen über das zweite U-Boote-Los für Israel im November 2005, also nach ihrer Abwahl und vor Beginn der ersten großen Koalition. Ähnlich ist es jetzt. Die große Koalition scheidet aus dem Amt und besiegelt zuvor noch schnell das dritte Los U-Boote für Israel. Auf sie folgt höchstwahrscheinlich auch eine Regierung neuer Zusammensetzung. Zwischen Deutschland und Israel existieren eben tatsächlich besondere Beziehungen.

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Quelle:
Das Blättchen Nr. 23/2017 vom 6. November 2017, Online-Ausgabe
Zeitschrift für Politik, Kunst und Wirtschaft, 20. Jahrgang
Herausgeber: Wolfgang Sabath (†)
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veröffentlicht im Schattenblick zum 24. November 2017

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