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EXPRESS/736: Schöne neue Freihandelswelt - zu den Auswirkungen des Abkommens zwischen EU und USA


express - Zeitung für sozialistische Betriebs- und Gewerkschaftsarbeit
Nr. 11/2013

Schöne neue Freihandelswelt.
Zu den Auswirkungen des Freihandelsabkommens zwischen EU und USA

Übersetzung von Nadja Rakowitz



Den Weltmarkt nennt Marx in den »Grundrissen« das »Übergreifen der bürgerlichen Gesellschaft über den Staat«. Mit dem Transatlantischen Freihandelsabkommen zwischen der EU und den USA (TTIP) planen die beiden Seiten genau dieses: ein Abkommen, das die jeweiligen Kapitale dies- und jenseits des Atlantik befreit von staatlichen Fesseln. Anfang Juli wurde die erste Verhandlungsrunde zu dieser größten Freihandelszone der Welt eingeläutet, zwei weitere Runden folgen noch bis Ende des Jahres, denn es soll 2015 in Kraft treten.

Schon jetzt ist aber der transatlantische Handel weder sehr beschränkt durch Zölle noch vom Umfang her klein: Immerhin werden jeden Tag Waren und Dienstleistungen im Wert von 1,8 Milliarden Dollar über den Großen Teich geliefert, das sind 30 Prozent des gesamten Welthandels. Es könnte jedoch noch viel mehr sein, behaupten die Wirtschaftslobbyisten von der »US Chamber of Commerce« bis zum mächtigen EU-Wirtschaftsverband »Business Europe«. Noch immer gibt es eine Fülle unterschiedlicher Vorschriften in beiden Wirtschaftsräumen, und was immer die Unternehmen verkaufen, sie müssen zwei oder mehr Genehmigungen dafür einholen. Außerdem gibt es viele Auflagen, um die Bürger vor Ausspähung, Betrug, Gesundheitsschäden oder ähnlichem zu schützen. Auch behalten sich viele EU-Länder vor, ihre staatlichen Aufträge an Bedingungen zu knüpfen, wie etwa an die Tarifbindung der Löhne. Und dann betreiben sie auch noch die allgemeine Daseinsvorsorge - von der Bildung bis zur Gesundheitsversorgung - in staatlicher bzw. nicht-profitorientierter Regie, anstatt dies dem Markt zu überlassen. Dies soll das TTIP ändern und so einen »Konjunkturschwung in Milliardenhöhe« bringen - so das Versprechen von Cameron über Obama bis Merkel.

Was von diesen Versprechen zu halten ist, hat das »Seattle to Brussels Network« [1] nun genauer unter die Lupe genommen und im Oktober eine Broschüre über die sozio-ökonomischen und ökologischen Konsequenzen des geplanten Abkommens herausgebracht, der sie den schönen Titel »A Brave New Transatlantic Partnership« gegeben haben. Der Titel erinnert nicht umsonst an Aldous Huxleys anti-utopischen Roman »Brave New World«. Wir haben hier Kapitel 1 der Broschüre übersetzt, in dem es um die »Reform« der Arbeitsrechte im Zusammenhang mit dem Abkommen geht, wir empfehlen den interessierten Lesern aber dringend die Lektüre der gesamten Broschüre.


Gespalten, ungeschützt und ohne Streikrecht

In den Mainstream-Medien wurde viel Tinte vergossen, um die Rolle zu preisen, die das Transatlantische Freihandelsabkommen zwischen der EU und den USA spielen könnte bei der Lösung der aktuellen Krise der beiden Ökonomien. In seiner Ansprache zur Lage der Nation am 13. Februar 2013 erklärte US-Präsident Barack Obama, dass »wir Gespräche aufnehmen werden über eine umfassende 'Transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft' (Transatlantic Trade and Investment Partnership, TTIP) mit der Europäischen Union - denn freier und fairer Handel über den Atlantik unterstützt Millionen von gutbezahlten amerikanischen Jobs« - eine Behauptung, die ein Echo fand beim EU-Kommissar für Handel, Karel De Gucht: »Für Europa sollten die Einkommenseffekte des Abkommens, das wir gerade zu erreichen versuchen, zwischen 0,5 und 1 Prozent des BIP liegen, was Hunderttausenden von Jobs entspricht ... Es bringt neue Kunden und billigere Bauteile für unsere Produzenten und mehr Wettbewerb, der alle unsere Unternehmen effizienter machen wird.« [2]

Ein genauerer Blick auf die Zahlen jedoch zeigt, dass die Schätzungen über Reichtum und Schaffung von Arbeitsplätzen ziemlich übertrieben scheinen. Im Ergebnis wird das Arbeitsplatz- und Wohlfahrtsversprechen von TTIP mutmaßlich niemals realisiert werden, im Prozess des Niederreißens von »Handelsbarrieren« über den Atlantik könnten aber ArbeitnehmerInnenrechte und soziale Leistungen ernsthaft ausgehöhlt werden.


Völlig übertriebene Behauptungen

Basierend auf Berechnungen unternehmensfinanzierter Think Tanks behauptet die Europäische Kommission, dass TTIP zwei Millionen Arbeitsplätze schaffen und der Handel zwischen der EU und den USA innerhalb von fünf Jahren um mehr als 120 Milliarden US-Dollar ansteigen könnte. [3] Bezahlt von den weltweit größten Finanzinstituten, die von TTIP profitieren werden - darunter Deutsche Bank, BNP Paribas, Citigroup, Santander, Barclays, JP Morgan - behauptet das Centre for Economic Policy Research mit Sitz in London, dass der transatlantische Handelsdeal der EU ökonomische Vorteile in Höhe von 119 Milliarden Euro im Jahr bringen wird. Das würde im Durchschnitt für jeden Vier-Personen-Haushalt einem zusätzlich verfügbaren Einkommen von 545 Euro pro Jahr entsprechen. [4]

Indes warnt Clive George, ein leitender Ökonom und Professor an der Universität Manchester, der bis vor kurzem viele der Folgenabschätzungen von Handelsverhandlungen der Europäischen Kommission erstellte, dass solche Behauptungen mit großer Vorsicht zu behandeln seien: »'(Ö)konomische Modelle', auf denen solche Schätzungen beruhen (...) werden von einigen der führenden Modellierer als 'hochgradig spekulativ' beschrieben«. [5] Professor George fügt an, dass viele der enthusiastischen Voraussagen über die ökonomischen Vorteile von TTIP auf dem erwarteten 0,5-Prozent-Wachstum basieren, das selbst die Folgenabschätzungen der Europäischen Kommission als »optimistisch« beschreiben. Das von den Folgenabschätzungen für am wahrscheinlichsten gehaltene Szenario unterstellt statt dessen ein Wachstum des BIP von wenig mehr als 0,1 Prozent (was einem BIP-Wachstum von 0,01 Prozent pro Jahr während zehn Jahren entspricht). Das ist, wie George bemerkt, »trivial, und die Europäische Kommission weiß das.« [6]

In einem ähnlichen Tonfall hat die Abteilung für Folgenabschätzung des Europäischen Parlaments die Methodologie der Studie über das geplante transatlantische Handelsabkommen der Kommission kritisiert, der es an »ausreichend qualitativen Informationen mangele«, die für den Leser notwendig seien, um zu verstehen, wie diese Ergebnisse erzielt worden seien. Weiter kritisierte sie, dass es der Studie nicht gelungen sei, »die Risiken und Nachteile adäquat zu beurteilen« und dass »die Glaubwürdigkeit des Modells, das auf einer Reihe von sehr idealistischen Annahmen basiert, nicht geprüft wurde«. [7]

Der Journalist Jens Berger meinte dazu: »Was dort stellenweise unter dem Label 'Ökonometrie' verbrochen wird, hat mit Wissenschaft ungefähr so viel zu tun, wie eine Wettervorhersage aus den Innereien eines geschlachteten Chlorhuhns. Die Flucht in immer komplexer werdende mathematische Modelle ersetzt dabei die simple Logik und täuscht wissenschaftliche Erkenntnisse vor, die weder vorhanden noch wissenschaftlich sind. Mit dem 'richtigen' Institut an der Hand kann man sich auf Basis solcher Modelle stets das gewünschte Ergebnis errechnen lassen.« [8] [S. Dokumentation des Beitrags von Berger auf S. 2 dieses express]

Stattdessen, argumentiert George, täten diejenigen, die mögliche Auswirkungen der neuen Freihandelsverhandlungen voraussagen wollen, gut daran, sich die Erfahrungen mit schon bestehenden Handelsabkommen genau anzuschauen. [9] Wenn wir allerdings NAFTA als Indikator ansehen dafür, was TTIP bringen wird, sollten wir weder Reichtum noch neue Arbeitsplätze erwarten (siehe Kasten unten).


Die Arbeitslosen wehrlos zurücklassen...

Trotz der optimistischen Modellbastelei erkennt die Folgenabschätzung der Europäischen Kommission zum TTIP, dass - als Auswirkung des wachsenden Handels mit den USA - »zunächst ein Schock in den am meisten involvierten Sektoren zu erwarten ist, der dort zu einer Restrukturierung führen wird«. Zum Beispiel werden Sektoren wie die »Fleischproduktion, Düngemittel-, Bioethanol- und Zuckerproduktion« die »Wettbewerbsvorteile der US-Industrie gegenüber ihren europäischen Konkurrenten und die folgenden negativen Auswirkungen auf die EU-Industrie zu spüren bekommen«. [10]

Gemäß der EU-Studie wird die Produktion im Elektromaschinenbau, im Fahrzeugbau und anderen Metallsektoren zurückgehen, wie auch »in anderen Bereichen im primären Sektor« einschließlich »Holz- und Papierproduktion, Unternehmensdienstleistungen, Kommunikation und persönliche Dienstleistungen«. [11] Die Folgenabschätzung schließt: »Es könnte zu anhaltenden und substantiellen Anpassungskosten kommen. Auch wenn es der Arbeit erlaubt ist, in die Sektoren zu gehen, in denen die Nachfrage steigt, wird es Sektoren geben, in denen Arbeitskräfte abgebaut werden, die nicht automatisch in den expandierenden Sektoren wieder eine Stelle finden werden, zumal die Qualifikationen der Arbeiter möglicherweise nicht passen und Weiterbildungen notwendig sein werden.« [12] Um solche Auswirkungen abzuschwächen, müsste eine präventive Politik integraler Bestandteil von TTIP sein.

Noch hat die Europäische Kommission weder in der Folgenabschätzung noch in ihrem Verhandlungsmandat die Notwendigkeit einer solchen Abschwächungspolitik als Bestandteil der Verhandlungen eingeklagt. Stattdessen geht die Kommission davon aus, dass die Regierungen ihrerseits genügend Mehreinnahmen haben werden, um den Schaden, der durch das Abkommen entstehen wird, auszugleichen. [13] Es besteht das Risiko, dass bestimmte Regionen in der EU die ganze Last der sozialen Kosten dieses transatlantischen Projekts tragen müssen, was im Ergebnis eine noch größere Spaltung zwischen Europas reichen und armen Mitgliedern bedeuten könnte - also zwischen dem politischen und ökonomischen Herzen Europas und der Peripherie. [14] (...) Da die Interessen der Exporteure in den USA mittels TTIP größtenteils auf diejenigen Sektoren in der europäischen Peripherie zielen, die eher defensive Interessen haben - wie zum Beispiel die Landwirtschaft - bedeutet die Öffnung der EU für die transatlantischen Marktkräfte geradezu eine Verschärfung der Spaltung zwischen den reicheren und ärmeren Mitgliedern der EU - und das in einer Zeit, in der die makroökonomische Politik eher darauf fokussi eren sollte, ihre BürgerInnen zu beschützen, als sie der ausländischen Konkurrenz auszusetzen.


Abwärtsspirale: Arbeitsstandards - mehr Pflichten und weniger Arbeitnehmerrechte

Alleine durch die Harmonisierung der Regeln und Vorschriften zwischen den beiden transatlantischen Supermächten könnten die Arbeitnehmerrechte als solche ausgehöhlt werden. Die USA haben es kategorisch abgelehnt, einige der zentralen Arbeitsstandards und Übereinkommen der ILO zu unterzeichnen - darunter die ILO-Übereinkommen zur Koalitionsfreiheit und Tariffreiheit. Inzwischen hat der Angriff auf die Löhne der ArbeitnehmerInnen, der vor Kurzem von der Europäischen Kommission im Kontext der Euro-Krise gestartet wurde, die EU schon ein Stück weiter bewegt in Richtung eines »offenen und flexiblen Umgangs« mit Arbeitsstandards. [15] Im Lichte dieser Trends betrachtet könnte TTIP schlicht dem Zweck dienen, europäische ArbeitnehmerInnenrechte mehr und mehr an US-Standards anzugleichen, einschließlich der berüchtigten Anti-Gewerkschafts-Gesetzgebung, die - missverständlich - »Recht auf Arbeit« [Die »Right to Work«-Gesetzgebung in den Südstaaten der USA ist de jure und de facto eine Gewerkschafts-Verhinderungs-Gesetzgebung, Anm. d. Red.] genannt wird. Diese hat aber systematisch die Koalitionsfreiheit für Beschäftigte eingeschränkt - mit fatalen Konsequenzen für die ArbeitnehmerInnenrechte insgesamt. [16]

Laut Angaben des US-Dachgewerkschaftsverband (AFL-CIO) hat diese Gesetzgebung eine Abwärtsspirale bei den Löhnen und bei den Gesundheits- und Sicherheitsstandards in Gang gesetzt, weil die Bundesstaaten in der Angst um Kapitalflucht miteinander konkurrieren. [17] Wenn nun die Europäische Kommission argumentiert, dass die EU ihre Arbeitnehmerrechte überdenken müsse im Hinblick auf die »Reduktion des Risikos nachlassender US-Investments in Europa und ein Ausweichen in andere Teile der Welt«, gibt es gute Gründe, Angst zu haben, dass sich die Mitgliedsstaaten der EU bald in einer ähnlichen Konkurrenz untereinander befinden werden. [18] Letzten Endes stehen die Europäischen ArbeitnehmerInnenrechte ganz oben auf der Liste der so genannten »nichttarifären Maßnahmen«, die aktuell als Hemmschuh des transatlantischen Handelsflusses identifiziert wurden. [19]

Nicht nur werden als Ergebnis der Absenkung der Zölle in der EU und den USA Arbeitsplätze verloren gehen und ganze Sektoren umstrukturiert werden. TTIP könnte angesichts steigender Arbeitslosigkeit im austeritätsgeplagten Europa - mit der Reform der Arbeitsstandards - auch die Rechte europäischer ArbeitnehmerInnen auf Selbstorganisierung aushebeln.

Übersetzung: Nadja Rakowitz


Anmerkungen:

[1] Siehe www.s2bnetwork.org /; hier lässt sich die Broschüre auch als pdf herunterladen.

[2] K. De Gucht: »A European Perspective on Transatlantic Free Trade«, Rede/13/178, gehalten bei der Europäischen Konferenz an der Harvard Kennedy School, 2. März 2013,
http://europa.eu/rapid/pressrelease_SPEECH-13-178_en.htm

[3] European Commission: »Independent study outlines benefits of EUUS trade agreement«, Memo/13/211, 12. März 2013,
http://europa.eu/rapid/press-release_MEMO-13-211_en.htm

[4] Centre for Economic Policy Research: »Reducing Transatlantic Barriers to Trade and Investment - An Economic Assessment. Final Project Report«, London 2013, http://trade.ec.europa.eu

[5] C. George / C. Kirkpatrick: »Methodological issues in the impact assessment of trade policy: experience from the European Commission's Sustainability Impact Assessment (SIA) programme. Impact Assessment and Project Appraisal«, 24 (4), 2006, S. 325-334

[6] C. George: »What's really driving the EU-US trade deal?«, 8. Juli 2013, www.opendemocracy.net

[7] European Parliament Impact Assessment Unit: »Initial appraisal of a European commission Impact Assessment. European Commission proposal to authorise the opening of negotiations on a Transatlantic Trade and Investment Partnership between the European Union and United States of America«, 2013, www.europarl.europa.eu

[8] J. Berger: »Freihandelsstudie - Scharlatanerie im
pseudowissenschaftlichen Gewand«, 18. Juni 2013,
www.nachdenkseiten.de/?p=17671

[9] C. George / C. Kirkpatrick, a.a.O.

[10] European Commission: »Impact Assessment Report on the future of EU-US trade relations«, 2013, S. 37f. http://trade.ec.europa.eu

[11] Ebd.

[12] Ebd., S. 53

[13] Ebd., S. 47

[14] Euro Memo Group: »The deepening crisis in the European Union: The need for a fundamental change«, 2013, www.euromemorandum.eu

[15] Für einen Überblick über die Angriffe auf soziale Rechte im Kontext der Europäischen Wirtschafts- und Sozialpolitik, siehe z.B.: http://euobserver.com

[16] S. Greenhouse: »States seek laws to curb power of unions«, The New York Times, 3. Januar 2011

[17] Siehe die Homepage der AFL-CIO:
www.aflcio.org/Legislation-and-Politics/State-Legislative-Battles/Ongoing-State-Legislative-Attacks/Right-to-Work-for-Less; und S. Deakin / H. Reed: »The contested meaning of labour market flexibility«, Social Law and Policy, Oxford 2000

[18] European Commission: »Impact Assessment of TTIP«, 2013, S. 52, http://trade.ec.europa.eu

[19] Ecorys: »ANNEXES - Non-tariff measures in EU-US trade and investment - An economic analysis. Final Report«, The Netherlands 2012, S. 45, http://trade.ec.europa.eu


KASTEN

NAFTA kostete ca. eine Million Arbeitsplätze in den USA

Als das Nordamerikanische Freihandelsabkommen NAFTA 1993 in Kraft trat, versprach US-Präsident Clinton als Wirkung des wachsenden Handels mit Kanada und Mexiko die Entstehung von Millionen neuer Jobs. Die US-Handelskammer prahlte, dass NAFTA tatsächlich den Handel innerhalb der Region auf das Dreieinhalbfache anwachsen ließ (was einem Wert von 1,2 Billionen US-Dollar entspricht), sie musste aber zugestehen, dass das Versprechen, Arbeitsplätze zu schaffen, nicht wahr wurde. [1]Laut einer Analyse des Instituts für Wirtschaftspolitik (EPI) ist die Bilanz der durch die Expansion des Exports geschaffenen Arbeitsplätze gegenüber den Verlusten an Arbeitsplätzen durch Auslandsimporte im Gefolge des NAFTA ein Nettoverlust von Arbeitsplätzen in Höhe von fast einer Million (879.280) und nicht - wie anfangs versprochen wurde - ein Plus von 20 Millionen Jobs. [2]

Damit ist noch nichts gesagt über den Druck auf die Löhne der US-ArbeiterInnen, den das NAFTA ausübte und der zu ihrer relativen Stagnation seit Mitte der 1970er Jahre beitrug. Laut Angaben des Centre for Research on Globalization hat das NAFTA es den US-Firmen erlaubt, ihre Investitionsfonds einfacher über die Grenze zwischen Mexiko und USA zu schaffen und dort neue Produktionsstätten zu errichten (wegen der niedrigen mexikanischen Löhne und der weniger regulierten Arbeitsrechts- und Umweltstandards). Parallel dazu wurden die entsprechenden Firmen in den USA geschlossen. [3]

Das brachte der Wirtschaftselite enorme Profite, führte aber zu einer Verschlechterung der Arbeitsbedingungen für die ArbeiterInnen auf beiden Seiten der Grenze. Am Ende mussten die US-ArbeiterInnen Lohnkürzungen oder Arbeitslosigkeit in Kauf nehmen, die mexikanischen ArbeiterInnen verloren ihre traditionellen Jobs und wurden gezwungen, in nach Mexiko verlagerten US-Firmen zu arbeiten unter Bedingungen, die an Sklavenarbeit heranreichten. [4] Jeff Faux, Präsident des EPI in Washington, meint dazu: »Die Erfahrung mit NAFTA zeigt, dass jedes weitere Freihandelsabkommen, das der Entwicklung von Arbeits- und sozialen Verhältnissen nicht die gleiche Priorität zugesteht wie dem Schutz der Investoren und Finanziers, nichts taugt.« [5]

Übersetzung: Nadja Rakowitz


Anmerkungen:

[1] The US Chamber of Commerce: »NAFTA Triumphant - Assessing Two Decades of Gains in Trade, Growth and Jobs«, 2013, S. 9, www.uschamber.com

[2] Economic Policy Institute (EPI): »NAFTA - Related Job Losses Have Piled Up Since 1993«, 2003, www.epi.org

[3] Centre for Research on Globalization: »The North American Free Trade Agreement (NAFTA) Resulted in Increasing Unemployment in the US«, Montreal/Canada 2010, www.globalresearch.ca

[4] Ebd.

[5] J. Faux J.: »NAFTA at Seven: Its Impact on Workers in All Three Nations«, Washington D.C. 2011, www.policyalternatives.ca

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express 11/2013 - Inhaltsverzeichnis der Printausgabe
Gewerkschaften Inland
  • Anton Kobel: »Weihnachten steht vor der Tür - Wir auch!«, über den Arbeitskampf im Einzelhandel
  • Hessischer Landbote 2013: »Aufruf zur Auflehnung«, Auszug aus der gleichnamigen Broschüre
  • Thomas Gehrig & Kirsten Huckenbeck: »Im permanenten Krisenmodus«, über lohnarbeitszentrierte Sozialsysteme und soziale Infrastruktur, Teil II
Betriebsspiegel
  • »Befreit den Elefanten!«, neuer französischer Boykottaufruf gegen Unilever
  • Peter Nowak: »Kranenkampf«, zu einem Dokumentarfilm über den Kampf gegen die Schließung von INNSE in Mailand
  • »Gesundheit: Öffentliches Gut oder Geschäftsmodell«, verschobene Veranstaltung zu Arbeitsbedingungen im Krankenhaus in Zeiten der Ökonomisierung
Internationales
  • Jens Berger: »Wünsch Dir was!«, über eine Studie des ifo-Instituts zum geplanten Freihandelsabkommen
  • »Schöne neue Freihandelswelt«, das »Seattle to Brussels-Network« analysiert die absehbaren Auswirkungen der Freihandelsagenda auf Arbeitsrechte
  • Thomas Gehrig: »Ein Schweizer Gespenst«, zur Volksabstimmungsinitiative »Eins zu Zwölf«
  • Hagen Kopp: »Freiheit statt Frontex«, zu den Kämpfen von Flüchtlingen um globale Bewegungsfreiheit
  • »Nestlé-Gewerkschafter in Kolumbien ermordet«, Pressemitteilung von MultiWatch
  • Steve Early/Jeff Crosby und Bill Fletcher/Peter Olney: »Hütchenspiel in La-La-Land?«, drei Kommentare zur strategischen Ausrichtung des US-Verbandes AFL-CIO
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Quelle:
express - Zeitung für sozialistische Betriebs- und Gewerkschaftsarbeit
Nr. 11/2013, 51. Jahrgang, Seite 4-5
Herausgeber: AFP e.V.
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veröffentlicht im Schattenblick zum 7. Dezember 2013