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GEGENWIND/383: Das Justizdolmetschergesetz für Schleswig-Holstein


Gegenwind Nr. 250 - Juli 2009
Politik und Kultur in Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern

Das Justizdolmetschergesetz für Schleswig-Holstein
Schwere Geburt

Von Reinhard Pohl


Es war eine schwere Geburt. Im Januar 2007 war vor dem Bundesverwaltungsgericht ein Rechtsstreit zwischen einer Dolmetscherin und dem Oberlandesgericht von Rheinland-Pfalz entschieden worden. Sie war allgemein vereidigt worden, diese Vereidigung wurde später widerrufen. Das Gericht entschied, nicht entscheiden zu können.

Denn die allgemeine Vereidigung einer Dolmetscherin ist ein wichtiger Schritt im Beruf, ebenso der Widerruf einer Vereidigung. Da die Berufswahl aber nach dem Grundgesetz frei ist, darf eine solche "Zulassung" nur auf Grundlage eines Gesetzes erfolgen. Doch das fehlte. Dieses Urteil war ein Alarmzeichen für das Justizministerium in Kiel, denn auch hier fehlte ein Gesetz. So wurden ab dem Sommer 2007 alle allgemeinen Vereidigungen eingestellt.


Vereidigung

Dolmetscherinnen und Dolmetscher gelten bei Gericht als Sachverständige. Sie müssen vor jedem Prozess, vor jeder Verhandlung vereidigt werden. Dabei schwören sie, vollständig und sorgfältig zu übertragen, nichts hinzuzufügen und nichts wegzulassen. Die "allgemeine Vereidigung" ist eine pauschale Vereidigung für den Rest des Lebens, die einzelnen Richter müssen nicht jedes Mal den Akt neu vollziehen. Vor allem aber gibt es eine Liste der allgemein vereidigten DolmetscherInnen, und diese gelten auch bei außenstehenden als besonders professionell. Das hilft im Beruf ungemein.

Davon zu unterscheiden ist die Ermächtigung - ein ganz ähnlicher Akt, der eine Übersetzerin oder einen Übersetzer erlaubt, die eigene Übersetzung zu beglaubigen. Damit werden übersetzte Urkunden (Führerschein, Geburtsurkunde, Scheidungsurteil) "offiziell" - in vielen Bereich ist vorgeschrieben, nur beglaubigte Übersetzungen einzureichen. Die Ermächtigung gibt es nur auf Dauer, nicht spontan.


Gesetzentwurf

Das Gesetz wurde im November 2007 vom Justizministerium in Kiel entworfen, wobei man sich weitgehend am Entwurf aus Nordrhein-Westfalen orientierte. Nach einer schriftlichen Anhörung von Verbänden - auch das Dolmetscher-Treffen vom Gegenwind nahm ausführlich Stellung - kam das Gesetz Ende April 2008 aus der Kabinettssitzung und wurde dem Landtag vorgelegt, weitgehend unverändert.

Daraufhin nahm der Gegenwind Kontakt mit allen Landtagsparteien auf und legte auch dort konkrete Forderung zur Veränderung des Gesetzentwurfes vor. Die Stellungnahme wurde vom Landtag veröffentlicht, aber es gab auch fünf Treffen mit den Parteien, woran jeweils fünf bis acht DolmetscherInnen teilnahmen. Auch mit dem Flüchtlingsbeauftragten Wulf Jöhnk gab es ein längeres Treffen dazu.

Das Ergebnis waren drei ausführliche Änderungsanträge von FDP, Grünen und CDU/SPD. Da gleichzeitig auch das Bundesjustizministerium eine Änderung vorschlug, verzögerte sich das Verfahren noch mal bis Juni 2009.

Das Ergebnis ist jetzt ein weitgehend verändertes Gesetz, das am 19. Juni vom Landtag verabschiedet wurde. Die Veränderungen sind so umfangreich, dass der Vorsitzende des Innen- und Rechtsausschusses, der CDU-Abgeordnete Werner Kalinka, noch eine Presseerklärung dazu abgab. Beschlossen wurde letztlich (natürlich) der Änderungsantrag von CDU und SPD, der unterschied sich aber in vielen Punkten nur minimal von den beiden Anträgen der Opposition. Insgesamt ist es aber eher selten, dass ein Regierungsentwurf von den Regierungsfraktionen in fast allen Punkten geändert wird.

Paragraph 1 Dolmetscherinnen und Dolmetscher und Übersetzerinnen und Übersetzer

(1) Zur mündlichen und schriftlichen Sprachübertragung für gerichtliche und staatsanwaltliche Zwecke werden Dolmetscherinnen oder Dolmetscher allgemein beeidigt (Paragraph 189 des Gerichtsverfassungsgesetzes) und Übersetzerinnen oder Übersetzer ermächtigt (Paragraph 142 Abs. 3 der Zivilprozessordnung).

(2) Die Tätigkeit der Dolmetscherinnen oder Dolmetscher umfasst die mündliche Sprachübertragung, die der Übersetzerinnen oder Übersetzer die schriftliche Sprachübertragung.

(3) Sprache im Sinne dieses Gesetzes ist auch die Gebärdensprache.

(4) Die Präsidentin oder der Präsident des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts ist für die Aufgaben nach diesem Gesetz zuständig, soweit sich aus diesem oder anderen Gesetzen nicht etwas anderes ergibt.

Gefordert hatte das Dolmetscher-Treffen, dass DolmetscherInnen auch übersetzen dürfen, dass sie also mündlich und schriftlich übertragen. Darauf wollte sich die Mehrheit der Abgeordneten nicht einlassen, da sich auch das Justizministerium dagegen aussprach. Für die Betroffenen bedeutet das, dass sie in zwei getrennten Verfahren (aber bei der gleichen Richterin) die Vereidigung und Ermächtigung beantragen.

Paragraph 2 Verzeichnis

(1) Die Präsidentin oder der Präsident des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts führt ein gemeinsames Verzeichnis der in ihrem oder seinem Bezirk allgemein beeidigten Dolmetscherinnen und Dolmetscher und ermächtigten Übersetzerinnen und Übersetzer (Sprachmittlerinnen und Sprachmittler).

(2) In das Verzeichnis sind Name, Anschrift, Beruf, etwaige Zusatzqualifikationen und die jeweilige Sprache aufzunehmen. Die hierfür erforderlichen Daten dürfen erhoben und gespeichert werden. Das Verzeichnis darf in automatisierte Abrufverfahren eingestellt sowie ins Internet veröffentlicht werden.

(3) Die Einsichtnahme in das Verzeichnis ist jedermann gestattet. Bei der Einsichtnahme ist darauf hinzuweisen, dass eine Gewähr für die Zuverlässigkeit der in das Verzeichnis eingetragenen Personen nicht übernommen wird.

Bisher gibt es vier Verzeichnisse bei den Landgerichten und eines beim Oberlandesgericht. Nur eines davon ist öffentlich, die übrigen kursieren aber in zahlreichen Kopien bei Ämtern und Behörden. Diese zentrale Liste für alle anerkannten DolmetscherInnen und ÜbersetzerInnen in Schleswig ist sicherlich für alle einfacher, auch für diejenigen, die bei Heirat oder Umschreiben des Führerscheins Dolmetscher oder Übersetzer suchen.

Allerdings hätten wir uns eine Regelung gewünscht, die persönlichen Daten (Adresse, Telefon) auch zu schützen, wenn das einzelne DolmetscherInnen wollen.

Paragraph 3 Voraussetzungen

(1) Auf Antrag kann als Sprachmittlerin oder Sprachmittler allgemein beeidigt oder zur Bescheinigung der Richtigkeit und Vollständigkeit von Übersetzungen ermächtigt werden, wer persönlich und fachlich geeignet ist. Der Antrag ist bei der Präsidentin oder dem Präsidenten des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts zu stellen. Sie oder er entscheidet, ob die Sprachmittlerin oder der Sprachmittler persönlich und fachlich geeignet ist.

(2) Die persönliche Eignung besitzt insbesondere nicht, wer
in den letzten fünf Jahren vor Stellung des Antrages wegen eines Verbrechens oder wegen uneidlicher Falschaussage, falscher Verdächtigung, Verletzung des persönlichen Lebens- und Geheimbereichs, Begünstigung, Strafvereitelung, Betruges oder Urkundenfälschung rechtskräftig verurteilt worden ist, oder
in ungeordneten Vermögensverhältnissen lebt, insbesondere über wessen Vermögen das Insolvenzverfahren eröffnet worden oder wer in das vom Insolvenzgericht oder vom Vollstreckungsgericht zu führende Verzeichnis (Paragraph 26 Abs. 2 der Insolvenzordnung vom 5. Oktober 1994 (BGBl. I S. 2866), zuletzt geändert durch Artikel 1 des Gesetzes vom 13. April 2007 (BGBl. I S. 509), Paragraph 915 der Zivilprozessordnung) eingetragen ist, oder
nicht bereit oder nicht tatsächlich in der Lage ist, den schleswig-holsteinischen Gerichten und Staatsanwaltschaften auf Anforderung kurzfristig zur Verfügung zu stehen.

(3) Die fachliche Eignung erfordert ausreichende Sprachkenntnisse, die durch eine staatlich anerkannte Dolmetscher- oder Übersetzerprüfung oder eine vergleichbarere Eignung nachgewiesen sind und sichere Kenntnisse der deutschen Rechtssprache.

Sprachkenntnisse im Sinne des Satzes 1 Nr. 1 setzen insbesondere voraus, dass die Antragstellerin oder der Antragsteller sich klar, strukturiert und ausführlich zu komplexen Sachverhalten äußern kann.

(4) Die Antragstellerin oder der Antragsteller hat die persönliche und fachliche Eignung durch Vorlage geeigneter Unterlagen nachzuweisen. Der Nachweis kann auch durch eine mindestens fünfjährige unbeanstandete berufsmäßige Tätigkeit als Sprachmittlerin oder Sprachmittler erbracht werden.

(5) Die Ermächtigung gilt nur für natürliche Personen, die Ermächtigung von Sprachmittleragenturen ist unzulässig.

Dass vorbestrafte DolmetscherInnen nicht für Gerichte arbeiten sollen, ist einsichtig. Allerdings hatten wir gefordert, die Verschuldung als Ausschlusskriterium nicht so absolut stehen zu lassen. Denn nicht jede/r, die oder der Schulden hat, ist sofort korrupt oder unzuverlässig. Darauf wollten sich die Abgeordneten leider nicht einlassen.

Ein schöner Erfolg ist allerdings die Änderung im Absatz 4: Dort wurde eingefügt, dass neben dem Studium oder der staatlichen Prüfung auch eine fünfjährige berufliche Praxis anerkannt wird. Das kann vielen Einwanderern den Weg ebenen, die ohne formale Ausbildung das Dolmetschen irgendwann angefangen und sich selbst alles beigebracht haben. Vielen fehlen ja gerade formelle Anerkennungen, nicht aber Können und Erfahrung.

Außerdem wurde der Absatz 5 auf unsere Forderung und die des Berufsverbandes ADÜ-Nord eingefügt: Danach können jetzt Vermittlungsbüros nicht mehr beantragen, dass sie pauschal einen Stempel für die Beglaubigung von Übersetzungen führen dürfen. Diese sind in Zukunft tatsächlich an die Person gebunden, die übersetzt.

Paragraph 4 Fortsetzung der Bestellung, Widerruf

(1) Spätestens fünf Jahre nach Aufnahme in das Verzeichnis nach Paragraph 2 ist die Sprachmittlerin oder der Sprachmittler in schriftlicher Form aufzufordern, sich darüber zu erklären, ob sie oder er weiterhin in dem Verzeichnis geführt werden soll. Sie oder er wird aus dem Verzeichnis gelöscht, wenn sie oder er nicht binnen drei Monaten eine entsprechende Erklärung schriftlich oder in Textform abgibt. Die Aufforderung ist jeweils mit Ablauf weiterer fünf Jahre zu wiederholen.

(2) Die Übersetzerermächtigung oder das Recht, sich auf die allgemeine Beeidigung zu berufen, kann insbesondere widerrufen werden, wenn die Sprachmittlerin oder der Sprachmittler die Voraussetzungen des Paragraph 3 nicht mehr erfüllt oder wiederholt fehlerhafte Übertragungen ausgeführt hat.

Die Vorschriften der Paragraphen 116 und 117 des Landesverwaltungsgesetzes bleiben unberührt.

Diese Vorschrift wurde auf unsere Forderung hin praktisch in das Gegenteil verglichen mit dem Regierungsentwurf verkehrt. Die Regierung hatte vorgeschlagen, dass alle DolmetscherInnen und ÜbersetzerInnen nach fünf Jahren ihre Vereidigung oder Ermächtigung automatisch verlieren sollen, um sie dann neu zu beantragen. Für die Betroffenen wäre das eine unerträgliche Unsicherheit für den Aufbau ihrer "Ein-Frau-Firma" oder "Ein-Mann-Firma" gewesen: Wer kann schon in Werbung investieren, wenn man nur eine begrenzte Zeit arbeiten soll?

Diese Vorschrift ist jetzt eine reine Adress-Prüfungs-Vorschrift - wer einen Brief zum eigenen Beruf nicht innerhalb von drei Monaten beantworten kann, ist vermutlich wirklich nicht mehr aktiv, die Streichung aus der Liste tut also niemandem weh.

Paragraph 5 Beeidigung, Ermächtigung und Verpflichtung

(1) Zur allgemeinen Beeidigung haben Dolmetscherinnen oder Dolmetscher einen Eid oder eine eidesgleiche Bekräftigung nach 189 Abs. 1 des Gerichtsverfassungsgesetzes zu leisten. (...) 

Hier wird nur festgelegt, dass allein das Oberlandesgericht entscheidet, wer vereidigt oder ermächtigt wird. Die Landgerichte sind nur noch für die Abnahme des Eids und die Aushändigung der Urkunde zuständig.

Paragraph 6 Rechte und Pflichten

(1) Sprachmittlerinnen oder Sprachmittler sind verpflichtet, die übertragenen Aufgaben gewissenhaft, selbst und unparteiisch zu erfüllen, Verschwiegenheit zu bewahren und Tatsachen, die ihnen bei ihrer Tätigkeit zur Kenntnis gelangen, weder zu verwerten noch Dritten mitzuteilen, Aufträge der Gerichte und Staatsanwaltschaften zu übernehmen und kurzfristig zu erledigen, es sei denn, dass wichtige Gründe dem entgegen stehen, der Präsidentin oder dem Präsidenten des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts unverzüglich jede Änderung des Wohnsitzes oder der Niederlassung, eine Verurteilung im Sinne des Paragraph 3 Abs. 2 Nr. 1 oder die Beantragung eines Insolvenzverfahrens gegen sie mitzuteilen. (...) 

Festgelegt werden hier noch weitere Einzelheiten zum Aufbewahren von Schriftstücken, der Geheimhaltungspflicht oder der genauen Berufsbezeichnung.

Problematisiert haben wir die Vorschrift, dass DolmetscherInnen den Gerichten und Staatsanwaltschaften im gesamten Bundesland jederzeit kurzfristig zur Verfügung stehen müssen. Hier waren die Abgeordneten zu keiner Klarstellung bereit. Konkret ging es uns darum, dass es DolmetscherInnen mit kleinen Kindern oder Übersetzer mit Halbtagsarbeit gibt, für die nicht recht klar wird, was von ihnen verlangt wird.

Aber vermutlich wird hier die Praxis die Lösung bringen, neigen doch jetzt auch Gerichte dazu, vor allem DolmetscherInnen aus der Umgebung zu rufen und Termine langfristig abzusprechen.

Paragraph 7 Bestätigung der Übersetzung

(1) Die Richtigkeit und Vollständigkeit von schriftlichen Sprachübertragungen ist durch die Übersetzerin oder den Übersetzer zu bestätigen. Der Bestätigungsvermerk lautet: (...) 

Hier geht es nur um den Wortlaut der Beglaubigung.

Paragraph 8 Ordnungswidrigkeit

(1) Ordnungswidrig handelt, wer vorsätzlich oder fahrlässig sich als allgemein beeidigte Dolmetscherin oder beeidigter Dolmetscher oder ermächtige Übersetzerin oder ermächtigter Übersetzer für eine Sprache bezeichnet, ohne dazu berechtigt zu sein, oder eine Bezeichnung führt, die der in Nummer 1 zum Verwechseln ähnlich ist.

(2) Die Ordnungswidrigkeit kann mit einer Geldbuße bis zu 5.000 Euro geahndet werden. (...) 

Hiermit sollen die (wirklich) vereidigten und ermächtigten DolmetscherInnen und ÜbersetzerInnen geschützt werden. Der Paragraph regelt im Weiteren noch die Zuständigkeiten.

Paragraph 9 Vorübergehende Dienstleistungen

(1) Dolmetscherinnen und Dolmetscher sowie Übersetzerinnen und Übersetzer, die in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union oder in einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum zur Ausübung einer in Paragraph 1 Abs. 1 genannten oder vergleichbaren Tätigkeit rechtmäßig niedergelassen sind, dürfen diese Tätigkeit auf dem Gebiet des Landes Schleswig-Holstein mit denselben Rechten und Pflichten wie eine in das Verzeichnis nach Paragraph 2 Abs. 1 eingetragene Person vorübergehend und gelegentlich ausüben (vorübergehende Dienstleistungen). (...) 

Der Paragraph ist im Vergleich zum Rest des Gesetzes sehr lang. Er regelt die Zulassung von DolmetscherInnen und ÜbersetzerInnen aus einem anderen Lande der EU. Diese können sich auf die "Dienstleistungsfreiheit" berufen, sie müssen allerdings entweder eine Ausbildung oder zwei Jahre Berufserfahrung haben.

Es wird vermutlich nicht oft vorkommen, dass sich GerichtsdolmetscherInnen aus anderen EU-Ländern in Schleswig-Holstein niederlassen, für Dänisch-DolmetscherInnen ist das aber durchaus möglich. Außerdem gibt es hier eine gute Möglichkeit für Studentinnen und Studenten aus anderen EU-Ländern, an einen gut bezahlten Job ranzukommen. Die gute Bezahlung (Gerichte bezahlen 55 Euro pro Stunde) ist allerdings relativ, weil die Zahl der Aufträge zufällig ist. Die quasi automatische Zulassung gilt aber nur für diejenigen, die auch zu Hause schon mindestens zwei Jahre als GerichtsdolmetscherInnen oder UrkundenübersetzerInnen tätig waren. Alle anderen können aber nach dem normalen Verfahren vereidigt und ermächtigt werden, dies ist nämlich weder an die Staatsangehörigkeit noch an einen bestimmten Aufenthaltsstatus gebunden.

Paragraph 10 Übergangsbestimmung

Das Antragserfordernis nach Paragraph 3 Abs. 1 entfällt für diejenigen Sprachmittlerinnen und Sprachmittler, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Gesetzes im Zuständigkeitsbereich des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts allgemein beeidigt oder ermächtigt sind. Sie werden in das Verzeichnis nach Paragraph 2 aufgenommen.

Hier hatte die Regierung genau das Gegenteil vorgesehen: Alle Vereidigungen und Ermächtigungen sollten 2012 automatisch auslaufen, alle sollten ihre Zulassung neu beantragen.

In den Diskussionen mit den Abgeordneten aller Fraktionen gelang es uns, sie vom Gegenteil zu überzeugen: Alle bestehenden Vereidigungen und Ermächtigungen gelten fort. Unklar ist, in welcher Form: Die Landgerichte Flensburg, Kiel und Lübeck hatten bisher ausdrücklich DolmetscherInnen auch für schriftliche Übersetzungen (Anklageschrift, Urteil der Vorinstanz, Gefangenenpost) herangezogen. Gelten diese Vereidigungen jetzt als Vereidigung und Ermächtigung fort? Gilt hier die Fünf-Jahres-Regel zum Nachweis der Eignung entsprechend? Das wird die Praxis zeigen.

Die Intention des Justizministeriums ist klar: In den letzten 60 Jahren gab es Hunderte von Vereidigungen und Ermächtigungen auf unklarer Grundlage, die Richter hielten sich an die Gewohnheiten, die ihnen von ihren Vorgängern mündlich überliefert wurden. So gab es Anforderungen, dreimal oder sechsmal einzeln vereidigt zu dolmetschen, um zur allgemeinen Vereidigung zugelassen zu werden, andere Richter verlangten eine Prüfung, andere eine Studienzulassung als Nachweis der Fähigkeiten.

Dennoch; Die in den letzten Jahrzehnten vereidigten DolmetscherInnen und ermächtigten ÜbersetzerInnen haben sich ihren Beruf aufgebaut und müssen sich darauf verlassen können, dass sie ihn jetzt auch auf der Grundlage des neues Gesetzes weiter ausüben dürfen. Diesen Vertrauensschutz wollten die Abgeordneten uns nicht versagen.

www.dolmetscher-treffen.de


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Quelle:
Gegenwind Nr. 250 - Juli 2009, Seite 44-46
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veröffentlicht im Schattenblick zum 25. Juli 2009