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GEGENWIND/400: Nach Kopenhagen - und die Hoffnung stirbt zuletzt


Gegenwind Nr. 257 - Februar 2010
Politik und Kultur in Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern

INTERNATIONALES
Nach Kopenhagen - und die Hoffnung stirbt zuletzt

Change the politics not the climate


Das Desaster von Kopenhagen kam für viele politische Beobachter eigentlich nicht völlig überraschend. Es geht schließlich, wie immer mehr Menschen verstehen, nicht nur um den Klimawandel, sondern auch um das politische System, den Kapitalismus. Es geht nicht nur um die Überprüfung des Lebensstandards der Menschen in den Industrienationen und der Reichen weltweit, es geht auch um die wirtschaftliche und militärische Hegemonie der Industriestaaten, allen voran US-Amerika.


Die Dramaturgie der Berichterstattung der Massenmedien über die 15. Weltklimakonferenz in Kopenhagen folgte bekanntem Muster. Zuerst werden Interesse und Hoffnung geweckt, Demonstranten entweder als lustige Truppe oder als. gewalttätig, zumindest als gewaltbereit vorgeführt. Einige Vertreter der NGOs dürfen Alibi-Statements abgeben. Die Reden und sogar die Anwesenheit zahlreicher Staats- und Regierungschefs aus den Entwicklungs- und Schwellenländern werden in der Berichterstattung weitgehend ignoriert (1). Für die EU werden Sarkozy und Merkel vor die Kameras gebeten. Als Vertreter von Staaten, die bei der Entwicklung und Anwendung. von Technologien zur Nutzung von. regenerativen Energien führend sind, haben sie im Auftrag einiger Konzerne erhebliche wirtschaftliche Interessen wahrzunehmen. China wird als Buhmann ausgemacht und der us-amerikanische Präsident Obama wird deshalb zum verhinderten Star. Der bis Ende 2009 amtierende schwedische EU-Ratspräsident Reinfeldt wird wie Kommissionspräsident Barroso zum Statisten und die dänischen Gastgeber entwickeln sich auf dieser Konferenz, nicht völlig unverschuldet, zu Versagern. Außerhalb zeigte die Polizei zeitweilig ein völlig übertriebenes Vorgehen.

Vor zwei Jahren war im indonesischen Bali vereinbart worden, in Kopenhagen eine Fortschreibung des bis 2012 gültigen Kyoto-Protokolls zu beschließen. Dieses Vorhaben ist gescheitert. Es werden sehr wahrscheinlich noch zahlreiche Konferenzen, begleitet von Krisen und Umbrüchen, folgen müssen. Zur Vorbereitung der nächsten im November 2010 in Mexiko stattfindenden internationalen Klimakonferenz soll im Juni 2010 zunächst eine internationale Ministerkonferenz in Bonn durchgeführt werden. Die nächsten Jahrzehnte werden auf die eine oder andere Art durch den Klimawandel bestimmt. Den NGOs bleibt aus heutiger Sicht nur die Verbreiterung und Stärkung ihrer Basis. Den antikapitalistischen Klimabündnissen müssen sich auch die Gewerkschaften anschließen, die Kirchen müssten sich stärker engagieren. Die Linksparteien und die NGOs müssen eine dialektische Einheit bilden. Wenn die Stärke der Bündnisse wächst, die Widersprüchlichkeiten der Herrschenden bewusster werden, können auch die Massenmedien ihre Beruhigungs- oder Verwirrungs-, ihre Ablenkungs- und Unterhaltungsprogramme nicht wie bisher verantwortungslos in der Welt verbreiten.

Die Ziele sind klar: Der Temperaturanstieg ist bis 2050 auf unter 2 °C zu begrenzen. Einige besonders betroffene Staaten fordern eine Begrenzung auf maximal 1,5 °C. Der Ausstoß von Treibhausgasen, ca. 90 % davon Kohlendioxid, ist bis 2050 auf etwa eine Tonne pro Kopf zu begrenzen. Diese Begrenzung kann durch Energiesparmaßnahmen, durch den Einsatz von energieeffizienten Technologien, durch den Einsatz von regenerativen Energien und durch Kohlenstoffsenken, vor allem durch Wälder, erfolgen. Die Industriestaaten sind historisch und aktuell die größten Emittenten von Treibhausgasen. Deshalb sind auch finanzielle Transferleistungen gegenüber den Entwicklungsländern erforderlich (100 Milliarden Euro jährlich, finanziert z.B. über eine Kohlendioxidsteuer in Höhe von 45 Euro je Tonne).

In Kopenhagen haben die Teilnehmer wegen der Ignoranz und der Blockaden der Industrienationen als Ergebnis letztlich eine von 30 Staatschefs, entscheidend war offensichtlich die Beteiligung der USA, Chinas, Indiens und Brasiliens, vorbereitete Absichtserklärung, den "Copenhagen Accord", zur Kenntnis nehmen können. Diese Erklärung enthält die Zielsetzung, die durchschnittliche globale Temperaturerhöhung auf unter 2 °C zu begrenzen. An Finanzhilfen werden bis zu 30 Milliarden US-Dollar für die Zeit von 2010 bis 2012 genannt, wobei nicht auszuschließen ist, dass es sich um umgeschichtete Entwicklungshilfemittel handelt. Für das Jahr 2020 werden den Entwicklungsländern jährlich 100 Milliarden US Dollar in Aussicht gestellt - allerdings nur unter der Voraussetzung, dass diese auch ihre Emissionen reduzieren.

Die Teilnehmerstaaten können freiwillig Emissionsminderungsziele in einen Anhang der Kopenhagen-Erklärung aufnehmen lassen.

Deutschland und die EU haben selbstverständlich die Chance, ihre bisherigen Ansätze (40 % bzw. 20 bis 30 % Reduktion bis 2020 gegenüber 1990) weiter auszubauen und Vorbildfunktionen zu übernehmen (2). Es dürfen aber keine neuen Illusionen geweckt werden. Der bisherige Lebensstandard des reicheren Teils der Bevölkerung kann kein Maßstab für die zukünftige Entwicklung sein. Der Schwerpunkt zukünftiger Aktivitäten muss zwangsläufig im Bereich der Energie- und auch der Ressourceneinsparung liegen. Die industrielle und die landwirtschaftliche Produktion, die Ernährung und das Mobilitätsverhalten werden sich verändern müssen. Auch die Regionen sind gefordert, Wege einer nachhaltigen Entwicklung zu beschreiten, sie müssen wie die Nationalstaaten entsprechende Strategien entwickeln. Einsparen muss nicht immer Verzicht bedeuten, allerdings gerade intelligente Einsparkonzepte und -maßnahmen sind nicht ohne finanzielle Mittel zu haben. Das Geld vorhanden ist, zeigte und zeigt die Banken- und Finanzkrise. Nur für beides, für die Begrenzung des Klimawandels und für die Bewältigung der Folgen von Banken- und Finanzkrisen, dazu noch bei gleichzeitiger Schonung der Reichen, wären die finanziellen Mittel nicht ausreichend.


Anmerkungen:

(1) Die Rede des Staatspräsidenten Venezuelas, Hugo Chavez, ist unter www.amerika21.de nachzulesen.

(2) China will den Kohlendioxidausstoß bezogen auf 2005 und gemessen am Bruttosozialprodukt bis 2020 um 40 bis 45 % senken. Die USA wollen nach Aussage Obamas ihre Emissionen bis 2020 bezogen auf 2005 um 17 % senken, bezogen auf 1990 wären die 4-6 % - der Kongress muss allerdings zustimmen.


BUND-Positionen zum Ausbau erneuerbarer Energien

Von Klaus Peter

Eigentlich ist es nur systemkonform, wenn die Entwicklung im Bereich der erneuerbaren Energien auch chaotisch verläuft. Der BUND-SH versucht jetzt mit einem neuen Positionspapier ein bisschen Aufklärung zu betreiben und ein bisschen Ordnung anzuregen. Die Landesregierung und Investoren wird es freuen, dass sich Nichtregierungsorganisationen für mehr Akzeptanz ihrer Pläne und Projekte einsetzen.

Der BUND und andere NROs haben sich immer wieder bemüht, bestimmte Arten, Landschaftsteile, manchmal auch Menschen, zu schützen, immer wieder mit großem Idealismus. Dieser Idealismus wurde und wird begleitet durch viel Naivität und oft auch von vielschichtigem Eigeninteresse. Die gesellschaftspolitischen Bedingungen und Dimensionen des Handels werden nicht oder zu wenig erkannt oder bewusst verdrängt. Selbst die vom BUND mit in Auftrag gegebene Studie "Zukunftsfähiges Deutschland" wird kaum reflektiert.

Ohne die grundsätzliche Erkenntnis, dass dieses System, der Kapitalismus, in allen Politikfeldern immer wieder neu choatische Entwicklungen hervorbringt, zur permanenten Ausbeutung von Mensch und Natur tendiert, ja zwingt, wird fast jedes Engagement problematisch, weil systemstabilisierend.

Und diese Erkenntnis allein reicht nicht, das Engagement muss systemverändernd angelegt sein, der Wille zur Veränderung muss erkennbar, Engagement muss zu Widerstand, zum Kampf für grundsätzliche gesellschaftliche Veränderungen werden. Wenn das Bewusstsein diesen Stand erreicht hat, nach außen wirksam geworden ist, sind auch tagespolitisch relevante Vorschläge möglich. Dies vorausgesetzt ist in einer Übergangsphase eine Kritik an den Inhalten des Positionspapiers des BUND angebracht.


Zu einigen Aspekten der Inhalte

Das Energiesparen und die Energieeffizienz müssen eindeutig Priorität erhalten. Energiesparen, Energieeffizienz und die Nutzung Erneuerbarer Energien müssen in Nachhaltigkeitskonzepte des Landes, der Kreise, der Städte und der großen Gemeinden eingebunden sein. Die Einbindung von Konzepten in übergeordnete Strategien und Konzepte ist erforderlich. Die Abstimmung von Konzepten mit denen von Nachbarregionen, Nachbarländern und -staaten ist ebenfalls erforderlich.

Der Ausbau der Erzeugung von Energie durch Windenergieanlagen ist zu begrenzen. Die Windenergieanlagen sind auch in der Höhe zu begrenzen. Es sind größtmögliche Entfernungen zu schutzwürdigen Gebieten, z.B. auch Historischen Kulturlandschaften, zu Siedlungen und alleinstehenden Gebäuden einzuhalten. Diese Entfernungen sind überregional anzugleichen. Die größten Entfernungen sind maßgebend.

Für Fotovoltaik-Freiflächenanlagen gelten prinzipiell die gleichen Bedingungen, wobei die Gesamtbelastung von Menschen, Tieren und Landschaften durch Energieerzeugungsanlagen auf das Ortsbild sind Ortsgestaltungssatzungen, die anspruchsvolle architektonische Kriterien erfüllen, obligatorisch zu machen.

Eine Förderung von nicht ökologischen Anbaumethoden ist abzubauen und mittelfristig einzustellen. Ökologische Anbaumethoden sind stärker zu fördern. Dies gilt auch für die Biomasseproduktion.

Größere Einrichtungen, einschließlich der landwirtschaftlichen Betriebe, müssen, wenn sie Fördermittel erhalten, Umweltmanagementsysteme (UMS) einführen. Für Kleinbetriebe wird die Einführung der UMS gefördert.

Elektoautos (vom BUND in diesem Papier nicht erwähnt) sind keine Lösung des Energie- und Treibhausgasproblems. Sie sind bestenfalls in Tourismusorten der innerstädtischen Bereichen eine sinnvolle Alternative. Engiesparen bedeutet auch: Absoluter Vorrang für die Bahn.


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Quelle:
Gegenwind Nr. 257, Februar 2010, S. 22-24
Herausgeber: Gesellschaft für politische Bildung e.V.
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veröffentlicht im Schattenblick zum 10. Februar 2010