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GEGENWIND/427: Keine Abschiebung der Roma, Ashkali und Egypt in den Kosovo!


Gegenwind Nr. 262 - Juli 2010
Politik und Kultur in Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern

Keine Abschiebung der RAE (Roma, Ashkali und Egypt) in den Kosovo!

Von Felix Deutschmann


Informationen und Zitate aus der Veranstaltung: Europa Akzente "Keine Abschiebung!". Zur Situation der Sinti in Südosteuropa vom 17.5.2010 im Kieler Landeshaus. Die Veranstaltung wurde von der Landtagsfraktion der SPD und speziell von Rolf Fischer durchgeführt und geleitet.


Roma, Ashkali und Egypt sind ethnische Minderheiten im Kosovo. Mit zirka 9-14 Millionen Menschen sind sie die größte transnationale Minderheit in Europa. Im Jahre 2010, dem Jahr der Bekämpfung der Armut und gegen Abgrenzung, beschließt die Bundesregierung die Abschiebung von Roma, Ashkali und Egypt in den Kosovo. Auf welche Zustände die "Abgeschobenen" treffen, scheint die Bundesregierung zu ignorieren, obwohl diverse erschreckende Meldungen existieren.

Nebenbei, der Begriff Abschiebung entstammt der NS-Terminologie. Schon in den 20er Jahren gab es eine begrenzte Anzahl von Lagern, in denen auszuweisende Ausländer interniert waren. Während der Hitlerdiktatur wurden Abschiebungs- bzw. Internierungslager für Ausländer zu einer systematischen Völkermordmaschinerie ausgebaut. Das Wort "Abschiebung" entstand 1938, als Himmler die Ausweisung von 18.000 polnischen Juden verkündete. Mit der Kapitulation der Deutschen verschwand das Wort "Abschiebung" aus dem deutschen Wortschatz. Erst 1991 taucht dieses Wort im Paragraphen 57 im Ausländergesetz wieder auf! (*)

Oftmals wird auch der Begriff "Rückführung" oder "Zwangsrückführung" verwendet. Natürlich stellt diese Rückführung einen Zwang dar, denn freiwillig möchte keine/r sich den Gefahren und sogar der Angst um sein/ihr Leben aussetzen.

Doch bevor eine Abschiebung stattfinden kann, wird der gesundheitliche Zustand der abzuschiebenden Menschen überprüft. Deutschland würde keinen Menschen mit einem gesundheitlich kritischen Zustand abschieben! Oder doch?

Fakt ist, dass Menschen mit schweren psychischen Problemen, Diabetes, Asthma, Blutarmut oder anderen schwerwiegenden Krankheiten für den/die Flug/Reise fit gespritzt werden. Frei nach dem Motto "fit-to-fly".

Sie bekommen einen gesundheitlich hinnehmbaren Reisezustand verschrieben und ab geht die Post, um es mal salopp zu formulieren.

Psychisch kranke Menschen erhalten für ihre Reise noch einen Begleitschutz, damit sie sich auf der Reise nicht das Leben nehmen können!

Wenn nun die Reise überstanden wurde, sehen sich die abgeschobenen Menschen weiteren Problemen ausgesetzt. Sie sind im Kosovo unerwünscht, weil ihnen die Kollaboration mit den Serben vorgeworfen wird und sie die ohnehin im Kosovo schwierige Arbeitsmarktsituation erschweren. Im Kosovo herrscht eine Arbeitslosenquote von 42-43 % (2008)

Die Wohnungssuche gestaltet sich ähnlich schwierig, denn ohne Arbeit kein Geld, ohne Geld kein/e Haus bzw. Wohnung. Auch die ursprünglichen Häuser der abgeschobenen Flüchtlinge sind zum Teil zerstört, zum Teil besetzt.

Da die Roma, Ashkali und Egypt keine schriftlich fixierten Besitztümer haben, besteht keine Möglichkeit mehr, in alte Wohnmöglichkeiten zurück zu kehren. Auch eine medizinische Versorgung ist ohne finanzielle Mittel nicht gewährleistet, da alle medizinischen Maßnahmen selbst bezahlt werden müssen.

Unterstützung vom Staat erhält nur, wer sich vor der Flucht aus dem Krieg hat registrieren lassen. So bleibt den meisten nur die Inanspruchnahme der vom Staat vorbereiteten Slums, speziell für Roma, Ashkali und Egypt, wo sie keine inländischen Menschen belästigen!

Aber halt, es gibt doch das URA 2 Projekt aus Deutschland. URA ist albanisch und bedeutet "die Brücke". Dieses Projekt besagt, dass Soforthilfen zur Beschaffung von Wohnraum, Einrichtungsgegenständen oder benötigter Medizin zu nutzen bzw. an beruflichen Fortbildungs- oder Arbeitsfördermaßnahmen und Existenzgründungsschulungen teilzunehmen, da von kosovarischer Seite keinerlei Integrationspläne existieren.

Jedoch greift das URA 2 Programm nur, wenn die abgeschobenen Menschen in dem zugewiesen Gebiet bleiben. Die Slums liegen aber meist außerhalb und so bleibt das Projekt ohne positive Folgen für die Roma, Ashkali und Egypt und sie bleiben dem Staat Kosovo, der nicht an der Menschenwürde der Minderheiten interessiert ist ausgesetzt.

Weitere finanzielle Unterstützung aus Europa, fließt entweder über den Handelsweg zurück nach Europa oder versickert im korrupten Staat.

Die Roma, Ashkali und Egypt "leben" ebenfalls ohne rechtlichen Anspruch auf polizeiliche Hilfe im abgekapselten Slum. Es gibt keine Verfolgung von Übergriffen auf Ashkali, Egypt.

Eine Zahl zum Abschluss, zwei Drittel der in den Kosovo Abgeschobenen verlassen das Land umgehend wieder, um einen neuen Asylantrag in einem anderen Land zu stellen.

Die Jusos RD-ECK fragen sich: Sind diese Zustände mit der deutschen und der europäischen Verfassung konform? Definitiv Nein!


Felix Deutschmann
Jusos Rendsburg-Eckernförde


Anmerkung:
(*)Quelle: Hubert Heinhold, Abschiebehaft in Deutschland,
Herausgegeben von ProAsyl, Loeper Literaturverlag 2004, Seite 135


"Die europäische Solidarität ist gering!"

"Wir haben gute Gründe, aufgrund unserer Geschichte aktiv zu werden!"

Martin Link
(Geschäftsführer des Flüchtlingsrates SH)


"Der Zustand ist unerträglich"

Serpil Midyatli, Landtagsabgeordnete der SPD


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Quelle:
Gegenwind Nr. 262 - Juli 2010, Seite 18
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veröffentlicht im Schattenblick zum 10. Juli 2010