Gegenwind Nr. 343 - April 2017
Politik und Kultur in Schleswig-Holstein
Parteien zu Flucht & Asyl
von Reinhard Pohl
2015 kamen so viele Flüchtlinge wie nie nach Schleswig-Holstein: Mehr als 35.000 Flüchtlinge fanden hier Sicherheit, die meisten von ihnen auch eine neue Heimat. 2016 kamen noch einmal fast 10.000 Flüchtlinge dazu. Alle Parteien im Landtag sprachen sich grundsätzlich für die humanitäre Aufnahme und die Integration aus, unterschiedliche Meinungen gab es bei konkreten Einzelheiten und der Strenge bei Abschiebungen nach Ablehnung eines Asylantrags, wenn die Betroffenen trotz Aufforderung nicht ausreisen. Und das schreiben die Parteien zur Landtagswahl in ihren Programmen:
CDU
Die CDU bekennt sich zur Aufnahme von Flüchtlingen, will aber nicht
Flüchtlinge aus "sicheren Herkunftsstaaten" aufnehmen, die sich hier
eine bessere Lebensperspektive erhoffen. Die Ankunftszentren sollen zu
"Landeskompetenzzentren" weiterentwickelt werden. Flüchtlinge mit
guter Bleibeperspektive sollen hier sechs Wochen bleiben, hier sollen
auch ihre Ausbildungen und Kompetenzen festgestellt und anerkannt
werden.
Flüchtlinge ohne Bleibeperspektive sollen bis zur Ausreise in der Landesunterbringung bleiben. Es soll ein "zentrales Management Rückführungen" geben, außerdem Abschiebungshaft und keine (Winter-)Abschiebungsstopps. Kriminelle Ausländer sollen in Zukunft direkt nach der Verurteilung abgeschoben werden. Bisher müssen sie zunächst mindestens die Hälfte der Freiheitsstrafe verbüßen.
Asylverfahren sollen beschleunigt werden, auch durch mehr Richter am Verwaltungsgericht. Es soll ein Landesintegrationsgesetz geben, das Fördermaßnahmen und Sanktionen regelt. Sprachkurse soll es für alle ab dem ersten Tag geben. Der DaZ-Unterricht soll verbessert werden, Religionskunde soll auch im Gemeinschaftsunterricht vorkommen.
Junge Flüchtlinge sollen in die Berufsschule gehen dürfen, bis sie 27 Jahre alt sind. Die Berufsaussichten für alle sollen vor der Verteilung in die Kommunen geklärt werden. Im Ausland begonnene Ausbildungen oder Studien sollen hier anerkannt werden, damit sie hier fortgesetzt werden können.
SPD
Die SPD verzichtet auf ein eigenes Kapitel zu Flucht oder Integration
im Programm, behandelt das Thema aber bei anderen Punkten mit. Der
Flüchtlingspakt soll fortgesetzt werden, insbesondere sollen die
Kommunen bei Unterbringung und Integration unterstützt werden.
Asylverfahren sollen beschleunigt werden, auch durch mehr Richter am
Verwaltungsgericht. Zusätzlich soll das Thema Asyl und Integration im
juristischen Studium vorkommen.
Der Wohnungsbau in den Kommunen soll gefördert werden, damit Flüchtlinge und alle anderen bezahlbaren Wohnraum finden. Aus den Koordinierungsstellen für die Flüchtlingsaufnahme sollen Integrationsbeauftragte werden. Sprachkurse sollen unabhängig von der Bleibeperspektive angeboten werden.
Das Wahlrecht für Beiräte soll nicht mehr an die Staatsangehörigkeit gebunden sein. Die Beratung soll ausgebaut werden, es sollen mehr Einwanderer in den öffentlichen Dienst.
Der DaZ-Unterricht soll stärker gefördert werden, auch durch den Ausbau der Ausbildung von Lehrerinnen und Lehrern auf der Uni. Bei der Gewaltprävention und Frauenhäusern will die SPD für geflüchtete Frauen Dolmetscherinnen bezahlen.
Grüne
Bei den Grünen ist der Programmabschnitt über Flucht und Integration
mehr als drei Seiten lang. Sie wollen die Fluchtursachen bekämpfen,
Flüchtlinge aufnehmen und den tausendfachen Tod an der Grenze
bekämpfen. Asylanträge sollen fair geprüft werden, ohne eine vorherige
Festlegung im Sinne von "sicheren Herkunftsländern". Es soll eine
Beschwerdemöglichkeit für Flüchtlinge geben, die in Flüchtlingsheimen
leben.
Auf Bundesebene wird ein Einwanderungsgesetz verlangt. Nächtliche Abschiebungen werden genauso abgelehnt wir Abschiebungshaft und Abschiebungen im Winter. Die Grünen fordern eine unabhängige Rückkehrberatung und wollen keine Ausreisezentren.
Für die Integration wollen sie flächendeckende Sprachkurse und Integrationskurse für alle von Anfang an. für die Organisation all dieser Maßnahmen soll es ein Integrationsministerium geben.
FDP
Die FDP setzt sich für einen schnelleren und besseren Zugang von
Flüchtlinge zu Sprache, Ausbildung und Arbeit ein und will die
Unabhängigkeit von staatlicher Hilfe fördern. Alle Zuwanderer, auch
Flüchtlinge, sollen zum Besuch von Sprachkursen verpflichtet sein. Wer
unregelmäßig hingeht, soll für den Kurs bezahlen.
Es soll auch eine verpflichtete Bildung für Eltern geben, damit sie das Schulsystem und das vorschulische System kennen. Die FDP wendet sich gegen die Isolation von Frauen und Mädchen in der Familie und gegen Parallelstrukturen.
Wer ausreisepflichtig ist, soll konsequent abgeschoben werden. Das soll das Innenministerium organisieren, nicht die einzelne Ausländerbehörde.
Die FDP will ein modernes Einwanderungsgesetz nach kanadischen Vorbild, im Ausland Talente anwerben und ausländische Ausbildungen und Abschlüsse schneller anerkennen.
SSW
Der SSW fordert ein Landesintegrationsministerium. Ausländische
Abschlüsse sollen schneller anerkannt werden. Die Arbeitsvermittlung
soll schneller werden, ebenso der Zugang zu Bildungsangeboten und zum
DaZ-Unterricht Flächendeckend sollen kommunale Ausländerbeiräte
eingerichtet werden.
Es soll eine großzügigere Bleiberechtsregelung aus humanitären Gründen geben, ebenso mehr Deutschkurse für Flüchtlinge.
Ein runder Tisch soll für den kulturellen Austausch sorgen. Außerdem will der SSW eine Islamkonferenz auf Landesebene.
Die Linke
Generell fordert die Linke die Wiederherstellung des Grundrechtes auf
Asyl und die Rücknahme aller Verschärfungen. Geflüchtete sollen nicht
in Flüchtlingsheimen, sondern in Wohnungen wohnen. In den
Landesunterkünften soll es eine Verfahrensberatung von externen
BeraterInnen geben.
Die Versorgung von Geflüchteten soll auch in den Psychiatrieplan des Landes aufgenommen werden. Bei der Diagnose einer "posttraumatischen Belastungsstörung" soll es eine Aufenthaltszusicherung von mindestens sechs Monaten für die Behandlung geben.
Alle Geflüchteten sollen nicht nur Zugang zu Sprach- und Integrationskursen, sondern auch zu Berufsausbildungen und Arbeitsplätzen erhalten. Für alle Kinder von Geflüchteten soll es Kitaplätze geben. Abschiebungen lehnt die Linke ab.
Gefordert wird ein Landesintegrationsbeirat, der von allen Einwohnerinnen und Einwohnern ohne deutsche Staatsangehörigkeit gewählt wird. Außerdem soll das Wahlrecht für alle eingeführt werden (durch Grundgesetz-Änderung).
Die Fluchtursachen sollen unter anderem durch einen Stopp der Rüstungsexporte und durch ein Ende der Auslandseinsätze der Bundeswehr beseitigt werden.
Piratenpartei
Die Piraten treten für ein weltoffenes Schleswig-Holstein ein, in der
allen Flüchtlingen geholfen wird, die Hilfe brauchen. Außerdem fordern
sie Grenzen ohne Kontrollen.
AfD
Die AfD tritt für "unsere Art zu leben" ein. Nur politische Verfolgte
und Kriegsflüchtlinge sollen nach Deutschland gelassen werden, aber
sie sollen sich hier nur auf Zeit aufhalten und nicht einwandern.
Asylberechtigte sollen außerdem auf ganz Europa verteilt werden.
Kriminelle und extremistische Asylbewerber sollen schnell abgeschoben
werden. Wer über einen anderen Staat der EU einreist, soll schon an
der Grenze zurückgeschickt werden.
Asylanträge sollen in Zukunft ausschließlich in der deutschen Botschaft oder in einem Auffangzentrum außerhalb der EU gestellt werden dürfen. Alle Asylanträge, die gestellt werden, ohne einen Pass vorzulegen, sollen innerhalb von 48 Stunden abgelehnt werden, ebenso alle Asylanträge aus "sicheren Herkunftsländern".
Flüchtlinge halten sich fast nie an deutsche Gesetze und reisen fast nie aus, wenn der Asylantrag abgelehnt wird. Deshalb sollen sie umgehend abgeschoben werden, die Landesregierung soll die zuständigen Behörden dabei unterstützen, was bisher nicht geschieht. Außerdem sollen sich Behörden nicht mehr erpressen lassen, sondern geltendes Recht umsetzen. Kirchenasyl soll nicht weiter geduldet werden.
Die Landesregierung soll regelmäßig die Kosten der Integration, der Abschiebungen, der Ausländerkriminalität und der Integrationserfolge veröffentlichen, außerdem alle Zahlungen an Hilfsorganisationen. Außerdem sollen die hohen Sozialleistungen, die medizinische Spitzenversorgung, die kostenlosen Sprach- und Integrationskurse, die Bewegungsfreiheit und die Arbeitsmöglichkeiten für Flüchtlinge abgeschafft werden.
Ob ein Flüchtlingsheim eingerichtet wird, soll von der Zustimmung der Anwohnerinnen und Anwohner abhängen. Die Einbürgerung durch Geburt oder nach einigen Jahren Aufenthalt soll abgeschafft werden, ebenso die Möglichkeit der doppelten Staatsangehörigkeit. Außerdem soll die Verhüllung verboten werden. Der Regierung soll verboten werden, zur Unterbringung von Flüchtlingen private Immobilien zu beschlagnahmen oder Flüchtlinge zwangsweise in Wohnung einzuquartieren.
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Quelle:
Gegenwind Nr. 343 - April 2017, Seite 16 - 17
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veröffentlicht im Schattenblick zum 31. Mai 2017
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