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GEGENWIND/829: Eckernförde - zweitgrößter Marinestandpunkt nach Wilhelmshaven


Gegenwind Nr. 373 - Oktober 2019
Politik und Kultur in Schleswig-Holstein & Hamburg

KRIEG & FRIEDEN
Eckernförde - zweitgrößter Marinestandort nach Wilhelmshaven

von Georg Fr. Gerchen


AKK, die Ministerin für Krieg, Aufrüstung und Militärpropaganda forderte im Bundestag weitere Milliarden Euro für das Militär, zusätzlich zu den Steigerungen im aktuellen Haushaltsentwurf. Die Bundeswehr wächst und an den Wachstums-Schwerpunkten kann man leicht die Planungen für die künftigen Kriege ablesen. Dieser Standort hier in Jagel ist in den letzten Jahren stark gewachsen. Mehr als 1400 Militärbedienstete und zivile Arbeitskräfte sind jetzt hier und Jagel ist unter anderem Schwerpunkt der Drohnen-Kriegsführung, der Ausbildung von Wohnen-Piloten, der Ausspähung aus der Luft und der Ausbildung am Atomwaffenträger Tornado.


Nur 22,5 km Luftlinie von hier - dort hinter den Hüttener Bergen - liegt ein anderer Schwerpunkt der Aufrüstung, der Marinestützpunkt Eckernförde Eckernförde soll in den nächsten Jahren zum größten Marinestandort in Schleswig-Holstein (und zum zweitgrößten in Deutschland) ausgebaut werden. Der Inspekteur der Marine, Vizeadmiral Andreas Krause stellte am 25. Juni 2019 in einer Rede beim Kieler Seapower Symposium fest, dass kein Gebiet Europas so stark militarisiert sei wie der Ostseeraum, und dass die immer schneller voranschreitende technologische Entwicklung Reaktionen erfordert. In der schrägen Logik der Militärs sind passende Reaktionen eine verstärkte Aufrüstung, und dieses ist auch am Beispiel Eckernförde ablesbar.

In Eckernförde stationiert sind das 1. U-Boot Geschwader, das Seebataillion, das Kommando Spezialkräfte Marine, und die Wehrtechnische Dienststelle 71. Mehr als 300 Millionen EUR werden in den kommenden fünf Jahren investiert, in Hafenanlagen, Gebäude und Übungsstätten. Mehr als 4000 Kriegerinnen und Krieger sind dann da stationiert.

Vor allem durch die Vergrößerung des Seebataillons wächst der Stützpunkt kontinuierlich. "Bei der Aufstellung vor fünf Jahren hatten wir knapp 800 Soldaten. Bald werden es mehr als 1.400 sein. (...) Das Seebataillon ist eigentlich in allen Einsätzen der Bundeswehr vertreten, auch in Afghanistan, in Mali, im Libanon", sagt Fregattenkapitän Axel Meißel, Kommandeur des Verbandes. Die Einheit vereint Minentaucher, Boardingsoldaten, Marineinfanteristen und Aufklärer.

Bordeinsatzkompanien bestehen aus spezialisierten Marineinfanterist/Innen, die sich aus Hubschraubern abseilen, Kampfboote fahren und Handelsschiffe taktisch durchsuchen. Auf den neuen Fregatten der Klasse 125 werden sie ständig mitfahren.

Die Küsteneinsatzkompanien sind mit gepanzerten Fahrzeugen und schwerer Bewaffnung, mit Flugkörpern und Mörsern ausgerüstet, sie sollen Hafenanlagen, Schiffe, Boote und Transporte von Land aus absichern.

Die Minentaucher sind mit hightech-Material ausgerüstet. Sie bedienen auch Unterwasserdrohnen und üben permanent offensive Einsätze zur Unterstützung von amphibischen Militäraktionen.

Vielen nicht bekannt ist die mit Flugdrohnen, Unterwasserdrohnen und mit moderner Elektronik ausgestattete Aufklärungskompanie. Sie ist Teil der elektronischen Kriegsführung. Zu dieser Einheit gehören auch die Scharfschützen, die in allen Marineeinheiten eingesetzt werden, aber auch in Afghanistan und anderen Landeinsätzen der Bundeswehr mit dabei sind.

Das Seebataillon ist mehr als andere Einheiten in Ausbildungs- und Einsatzmöglichkeiten international vernetzt. Besonders schwerwiegend für die Militarisierung des Ostseeraumes ist die enge Kooperation mit den nicht-NATO-Staaten Schweden und Finnland, z. B. bei der intensiven Ausbildung an den zukünftig in Eckernförde stationierten neuen schnellen Kampfbooten des Seebataillons. Dieses geschieht auch dicht an der russischen Grenze. Zusammen mit der niederländischen Marine nutzt das in die niederländischen Marine voll integrierte deutsche Seebataillon das große amphibische Transport- und Landungsschiff "Karel Doormann", und ist so in der Lage, auch außerhalb Europas militärische Landungen mit schwerem Material von See aus durchzuführen.

Dann ist in Eckernförde das Kommando Spezialkräfte Marine stationiert, das sich mit derzeit über 500 Dienstposten innerhalb weniger Jahre verdoppelt hat. Diese Einheit wird auch weiter wachsen. Über die Einsätze dieser Truppe wird (wie beim KSK) in der Öffentlichkeit wenig bekannt. Ausgebildet für den Kampf als Fallschirmspringer, Kampfschwimmer, Einzelkämpfer wird diese Eliteeinheit direkt durch das Einsatzführungskommando der Bundeswehr geführt. Auch diese Einheit ist an den meisten internationalen Militäreinsätzen beteiligt.

Von der militärkritischen Öffentlichkeit meist unterschätzt wird die Tätigkeit einer Einheit unter dem verharmlosenden Namen "Wehrtechnische Dienststelle für Schiffe und Marinewaffen, maritime Technologie und Forschung (WTD 71)" in Eckernförde Die WTD 71 ist die zentrale wissenschaftlich-technische Institution für die Ausstattung der Marine mit neuartigen Waffensystemen für den Kriegsgebrauch unter, auf und über dem Wasser. Hier sind besonders die aktuellen Erprobungen zur Unterwasserortung von Drohnen und U-Booten und Fernlenkwaffen zu nennen: die Erprobungen von Laser-Waffen auf deutschen Kriegsschiffen, im Bereich Sensortechnik werden die Stealth-Eigenschaften der Kriegsschiffe entwickelt, in Schwedeneck wird das neue TRS 4D - Radar erprobt. Das Forschungsschiff "Planet" ist in Eckernförde stationiert. Die WTD 71 ist eine Schnittstelle von Rüstungsindustrie, dem Excellenz-Center COE CSW in Kiel, dem Bundeswehrplanungsamt und der praktischen Anwendung in der Marine. Noch in diesem Jahr sollen die Dienstposten auf ca. 700 aufwachsen, gleichzeitig wird in die Infrastruktur investiert, in Messplätze, den Schiffspark und Forschungsprojekte an zivilen Universitäten. Durch die sehr intensive internationale Vernetzung wird die deutsche Position in der NATO-Marinetechnologie gestärkt. Das gilt besonders für die Ostsee als dem maritimen Aufmarschgebiet gegen Russland, die kleineren Anrainerstaaten können einen solchen Aufwand aus finanziellen Gründen nicht betreiben.

So, nun zuletzt kommen wir zu eher traditionellen Einheiten der Marine in Eckernförde. Das 1. U-Boot Geschwader ist mit sechs hochmodernen Booten der Klasse 212 ausgerüstet. Eine teure Weiterentwicklung 212 CD wird zusammen mit Norwegen in Auftrag gegeben, zwei Boote davon sind für die deutsche Marine. Ich will euch nicht mit technischen Details langweilen, doch gegen wen richtet sich eine Möglichkeit der Landziel-Angriffe im getauchten Zustand? Auch mit Norwegen zusammen wird der dafür notwendige neue, mit heutigen Mitteln kaum zu ortende See-Landzielflugkörper NSM entwickelt. Dann gehören zum 1. U-Bootgeschwader auch die drei Spezialschiffe für elektronische Spionage, verharmlosend als "Flottendienstboote" bezeichnet. Vollgestopft mit Elektronik sind sie Teil einer aggressiven Variante der elektronischen Kriegsführung.

Es ist leicht zu erkennen, dass eine solche Aufrüstung genau wie hier in Jagel zur ernsthaften Bedrohung für das friedliche Zusammenleben der Menschen rund um die Ostsee darstellt, genau wie bei der Luftwaffe hier in Jagel wird in Eckernförde an der Vorbereitung eines Krieges gearbeitet. Jagel wie auch Eckernförde sind Beispiele der gefährlichen Aufrüstung in Europa. Wir wollen: Frieden schaffen ohne Waffen!

Georg Fr. Gerchen DFG-VK Gruppe Husum/Westküste

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Quelle:
Gegenwind Nr. 373 - Oktober 2019, Seite 5 - 6
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veröffentlicht im Schattenblick zum 22. Oktober 2019

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