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GEHEIM/263: Italienische Justiz verurteilt US-Agenten


GEHEIM Nr. 4/2009 - 4. Dezember 2009

CIA IN ITALIEN

Mutige Richter
Italienische Justiz verurteilt US-Agenten


In Nr. 1/2007 von "Geheim" berichtete unser Autor Gerhard Feldbauer über eine der bekannt-berüchtigten völkerrechtswidrigen Geheimoperationen der CIA in Italien, an der sich der italienische Militärgeheimdienst Servizio Informazione e Sicurezza Militare (SISMI) mit seinem Chef an der Spitze beteiligte. Im Februar 2003 hatten die Agenten in Mailand auf offener Strasse den ägyptischen Geistlichen Osama Mustafa Hassan, Iman der Stadt, auch unter dem Namen Abu Omar bekannt, überfallen. Er wurde nach dem USA-Stützpunkt Aviano in Venetien gebracht, von da aus über die US-amerikanische Luftwaffenbasis Ramstein in der BRD nach Kairo geschafft und dort im Hochsicherheitsgefängnis inhaftiert, wo er grausamen Folterungen ausgesetzt war. Nach Enthüllungen des Geheimdienstskandals musste der Iman Anfang 2007 aus dem Gefängnis entlassen werden. In der Haft hatte er einen Selbstmordversuch unternommen. Er sagte aus, er sei in einer unterirdischen Zelle eingesperrt gewesen, in der "man nicht zwischen Tag und Nacht unterscheiden" konnte und Kakerlaken, Ratten und Insekten über meinen Körper krabbelten". Zwischendurch sei er "wie Schlachtvieh" mit dem Kopf nach unten aufgehängt und mit Elektroschocks misshandelt worden.

Die Ermittlungen führte die Mailänder Staatsanwaltschaft unter Leitung des Untersuchungsrichters Armando Spatoro. Er ist als ein verfassungstreuer Mann bekannt, der mutig gegen alle reaktionären und faschistoiden Machenschaften vorgeht und sich von der Hetze des rechtsextremen Regierungschefs Berlusconi, alle auf solchen Positionen stehenden Juristen seien "Rote", die ein kommunistisches Regime errichten wollten, nicht einschüchtern lässt. Seine Ermittlungen ergaben, dass 26 CIA-Agenten und weitere 13 Italiener an dem Piratenakt beteiligt waren. Gegen alle 26 Amerikaner, die sich rechtzeitig aus Italien absetzten, ergingen internationale Haftbefehle. Als von 2006 bis 2008 ein Mitte-Links-Kabinett unter dem Christdemokraten Romano Prodi regierte, löste dieser den Chef des SISMI, General Nicolo Pollari, und seinen Stellvertreter, den Leiter der operativen Einsätze, Marco Mancini. ab.

Gegen den Widerstand der seit April 2008 wieder amtierenden Regierung Berlusconi verfolgte die Staatsanwaltschaft den Fall weiter. Es kam zur Sprache, dass die CIA auch auf italienischem Territorium Terrorverdächtige kidnappte, in Drittstaaten transportierte, wo diese ohne rechtsstaatlichen Schutz verhört und dabei gefoltert wurden. Die CIA-Agenten gingen vor, als wäre Italien immer noch wie zu Kalten Kriegszeiten ein USA-Protektorat, in dem sie schalten und walten könnten, wie sie wollten. Auch weil sie davon ausgingen, in Berlusconi einen zuverlässigen Vasallen hinter sich zu haben. Der stellvertretende Chefredakteur der rechten Tageszeitung "Libero", Renato Farina, den der SISMI unter dem Decknamen "Betulla" (Birke) auf seiner Gehaltsliste führte, hatte eine üble Verleumdungskampagne gegen Journalisten gestartet, welche die CIA-Entführung in der Presse enthüllten. Unter ihnen befand sich die angesehene "Repubblica", allgemein als Sprachrohr der Opposition gegen Berlusconi bekannt.

Das Mailänder Tribunal unter dem Vorsitz von Richter Oscar Maggi hat Anfang November 2009 die meisten der CIA-Agenten größtenteils zu fünf Jahren Haft verurteilt, den früheren Chef der CIA-Station in Mailand, Robert Seldon Lady, zu acht Jahren. Zwei Agenten des Sismi Luciano Seno und Pio Pompa erhielten wegen Begünstigung drei Jahre Gefängnis. Pollari und seine Vize Mancini konnten nicht belangt werden, da die sie belastenden Beweise auf Betreiben Berlusconis zu "Staatsgeheimnissen" erklärt und zur Beweisführung so nicht herangezogen werden durften. Dem Iman wurde eine Entschädigung von einer Million Euro zuerkannt.

Es sind Urteile, die man sich in Deutschland (derzeit) nicht vorstellen kann. Der Iman Abu Oman wurde über Ramstein nach Kairo entführt. Unvorstellbar, dass hier staatsanwaltliche Ermittlungen geführt, gar CIA-Agenten vor Gericht angeklagt und verurteilt würden.

DIE GEHEIM-REDAKTION


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Quelle:
GEHEIM Nr. 4/2009 - 4. Dezember 2009, Seite 26
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veröffentlicht im Schattenblick zum 9. Januar 2010