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GEHEIM/269: Ungarische Garde - Follow the Nazis


GEHEIM Nr. 1/2010 - 7. April 2010

UNGARISCHE GARDE
Follow the Nazis
Wie ein gescheitertes Attentat in Bolivien an die NATO-Geheimarmee Gladio erinnert

Von Ingo Niebel und Michael Opperskalski


Gemeinhin rechnet man den Slogan 'Global denken, lokal handeln" der globalisierungskritischen Bewegung zu. Er beschreibt aber auch recht treffend das Agieren des US-amerikanischen Auslandsgeheimdienstes, der Central Intelligence Agency (CIA). Ein Beleg für diese Behauptung findet sich in Bolivien, von wo aus die Spur über Ungarn zur Reaktivierung der NATO-Geheimarmee Gladio bis hin ins krisengeschüttelte Griechenland führt.


Ein gescheiterter Anschlag in Bolivien

Am 16. April 2009 stürmte ein Sonderkommando der bolivianischen Polizei das Hotel Las Américas in Santa Cruz Paz. Bei dem Schusswechsel starben der Kroate Eduardo Rózsa Flores, der Ungar Árpád Magyarosi und der Ire Michael Dwyer. Zwei Söldner überlebten und wurden verhaftet: der Ungar Elod Tóásó und der Kroate mit bolivianischem Pass Francisco Tadic Astorga. Das neutralisierte Kommando war schwer bewaffnet und hatte den Auftrag, Attentate gegen den bolivianischen Präsidenten Evo Morales und weitere führende Regierungsmitglieder zu verüben. Der Oligarchie und ausländischen Unternehmern ist der sozialistische Kurs des Staatsoberhauptes ein Dorn im Auge. Mitte Februar 2010 überraschte die bolivianische Staatsanwaltschaft die interessierte Öffentlichkeit mit neuen Einzelheiten, die eine Verbindung zwischen dem Mordkomplott und der CIA nahelegen.

Auf dem Rechner von Rózsa fanden sich Dateien, die den kroatischen Söldner mit dem ungarischen CIA-Spion István Belovai verbinden.

Letzterer war Oberstleutnant, als er in den 1980er Jahren sein Land verriet, indem er sensible Informationen an die CIA verkaufte. Daraufhin konnte die US-Spionageabwehr verschiedene sowjetische Kundschafter, die innerhalb der US Army für den sowjetischen Geheimdienst KGB arbeiteten, festnehmen. In der Folge flog auch Belovai auf und wurde wegen Spionage und Landesverrats zu einer Gefängnisstrafe verurteilt. Erst durch den Zusammenbruch der sozialistischen Staaten erlangte er seine Freiheit wieder. Aber keine der Nachfolgeregierungen wollte ihn rehabilitieren und ihm seinen alten militärischen Rang wiedergeben. Belovai zog daraufhin in die USA, wo er im November 2009 im Alter von 71 Jahren 'nach schwerer Krankheit" verstarb. Der Tod ereilte ihn sechs Monate, nachdem die Bolivianer Rózsas Killerkommando ausgeschaltet hatten. Ein Schelm, wer dabei Böses denkt.


Zwei Schlüsselfiguren

Nach den vorliegenden Informationen war Belovai eine von zwei Schlüsselfiguren, die die Söldner in Bolivien mit der CIA verband. Rózsa war die zweite. Der Kroate wurde in Bolivien geboren, wanderte aber später nach Ungarn aus, wo er eine militärische Ausbildung erhielt, schreibt der kanadische Journalist Jean-Guy Allard in seinem Artikel "Armando Valladares' CIA organization linked to plot against Evo Morales" (Granma, 15. Mai 2009). In den 1990er Jahren verdingte sich Rózsa als Söldner im Kroatien-Krieg und bewegt sich dabei in neofaschistischen Organisationen, die im Schatten der CIA operierten. Dazu zählt auch die Ungarische Garde. Auf seiner Seite im sozialen Network Ning zählt Rózsa einen gewissen László Braczi zu seinen Freunden, der die Uniform dieser neofaschistischen Formation trägt. Dort findet sich auch ein Link zu dem kroatischstämmigen Unternehmer aus Santa Cruz, Branko Marinkovic. Dieser flüchtete im Juni 2009 nach Miami, nachdem die bolivianische Staatsanwaltschaft herausfand, dass er Rózsas Gruppe mit 200.000 US-Dollar finanziert hatte.

In Santa Cruz führte Marinkovic die "zivilgesellschaftliche" Opposition, die vorwiegend aus der reichen Oberschicht besteht, gegen Morales an. Dazu unterhielt er einerseits Kontakte zum US-Botschafter Philip Goldberg, andererseits zum Netz liberaler Parteien in Lateinamerika, Relial, das auch die FDP von Guido Westerwelle maßgeblich unterstützt. An zweiter Stelle hinter Marinkovic agierte Rózsa, der unter anderem per verschlüsselter Emails mit dem General a.D. Gary Prado in Kontakt stand. Der Ex-Militär war 1967 maßgeblich an der Festnahme von Che Guevara in Bolivien beteiligt. Wegen seiner Kontakte zu Rósza musste er am 19. März 2010 vor der Staatsanwaltschaft erscheinen. Allards Recherchen zufolge, waren auch die Ungarn Magyarosi und Tóásó in die Nazi-Szene Osteuropas eingebunden.

Im Mittelpunkt steht dabei die ungarische Sékely Légió (Legión Siculus), die Gewalttaten in Rumänien verübte. Verfolgt man die Nazi-Connection in die eine Richtung, so landet man über bekannte antikubanische und antivenezolanischen Akteure früher oder später bei der CIA. Das geschieht auch, wenn man die Spur nach Europa zur Ungarischen Garde verfolgt.


Magyar Garda

Diese paramilitärische Organisation entstand 2007 unter dem Namen "Magyar Garda". Sie steht der faschistischen Partei Jobbik nahe, die bei den EU-Wahlen 2009 15 Prozent der Stimmen erhielt. Sie ist die drittstärkste politische Kraft in Ungarn. Die Gardisten tragen Uniformen, die an die ungarischen Faschisten der 1940er Jahre erinnern. Ihre rassistischen Angriffe richten sich in erster Linie gegen Angehörige der Roma und politisch Andersdenkende. Das führte im Juli 2009 zum Verbot der Garde. Der Jobbik-Vorsitzende Gabor Vona verurteilte die Illegalisierung. Kurz darauf gründeten sich die neofaschistischen Paramilitärs unter dem Namen "Magyar Garda Fundación" neu.

Die Organisation kann auf die Unterstützung aus den extrem rechten Kreisen der ungarischen Politik und der protestantischen Kirche zählen. Diese werden vertreten durch den calvinistischen Pastor Lorant Hegedus und den ehemaligen Verteidigungsminister Lajos Fur. Im Sommer 2009 berichteten verschiedene deutsche Medien über die paramilitärischen Manöver, die die Garda ganz offen landesweit abhielt. Bis dato erschien es, als sei die ungarische Garde lediglich ein Neonazi-Problem in Osteuropa, aber mit den Verbindungen über Belovai und Rózsa nach Bolivien und zur CIA bekommt ihre Existenz eine sehr viel größere Dimension.


Gladio II

Die Zusammenarbeit der CIA mit einem Neofaschistischen wie Rózsa erinnert an die NATO-Geheimarmee Gladio. Deren Existenz wurde erst 1990 öffentlich bekannt. Nach offizieller Lesart aller beteiligter Regierungen wurde Gladio aufgelöst. Hier dürfte der Wunsch Vater des Gedankens gewesen sein. Die Regierungen der NATO-Staaten verteidigten die Existenz von Gladio mit der Behauptung, die Organisation hätte im Fall einer sowjetischen Invasion in den betroffenen Ländern Widerstand leisten sollen. In den meisten westeuropäischen Ländern rekrutierten sich die Gladio-Kader größtenteils aus Nazis, Faschisten und rechten Hardliner, die in Militär, Politik und Wirtschaft verankert waren.

Da die sowjetische Invasion ausblieb, kamen sie - wie das Beispiel Italien zeigt - zum Einsatz, um eine Regierungsbeteiligung der Kommunisten zu verhindern. Die italienischen "Gladiatoren", die aus dem faschistischen Milieu stammten, verdingten sich auch als Söldner an das Franco-Regime in Spanien. Dort verübten sie Mordanschläge gegen den linken baskischen und spanischen Widerstand.

Angesichts der Krise des Kapitalismus eignet sich die ungarische Garde besonders gut, um unter den Bedingungen des 21. Jahrhundert eine neue Gladio-Struktur hervorzubringen. Damals wie heute geht es der CIA darum, die Oberkontrolle über die Geheimorganisation zu behalten, damit sie die US-Interessen in Europa gegenüber ihren Konkurrenten in Berlin, Paris und Moskau wahren kann.

Die gescheiterte Aktion in Bolivien stellt dabei lediglich einen Testfall dar, aus dem sich wichtige Erfahrungen für zukünftige Einsatzszenarien ziehen lassen. Eines davon liegt in Griechenland.


Vorrevolutionäres Griechenland

Die Wirtschafts- und Finanzkrise in Athen hat mittlerweile eine politische Dimension angenommen, die, wenn man sie von der marxistischen Revolutionstheorie betrachtet, eine vorrevolutionäre Lage produziert hat: die bürgerliche Elite kann und will nicht mehr regieren, die organisierte Arbeiterschaft ist in der Lage nicht nur zu mobilisieren, sondern auch das Finanzministerium zu besetzen. Dass der Internationale Währungsfonds (IWF) mit seinem Spardiktat die Situation noch weiter verschärfen wird, haben vergleichbare Maßnahmen - zum Beispiel 1989 in Venezuela - gezeigt. Folglich ist es eine Frage der Zeit und der Umstände, ob und wie sich die Lage in Griechenland weiter entwickeln wird. Werden die Griechen unter Führung der Kommunistischen Partei KKE und der revolutionären Gewerkschaft PAME die Kontrolle übernehmen? Oder kommt es zu einem rechten Staatsstreich, der eben das verhindern soll?

Wie GEHEIM aus gut informierten Quellen erfahren hat, existieren umfangreiche Todeslisten von linken Aktivisten, die am Tag X liquidiert werden sollen. Ganz weit oben stehen die Namen der KKE-Vorsitzenden Aleka Papariga und die der PAME-Führungsriege. Bei der Ausschaltung der linken Gegenmacht geht es nicht nur um den Machterhalt im Ostflügel des EU- und NATO-Hauses, sondern geostrategische Überlegungen spielen eine wichtige Rolle: Wenn Griechenland außer Kontrolle gerät, dann kann das derartige wirtschaftliche und politische Auswirkungen auf die Region [haben], die Washington und Brüssel, Berlin und Paris kaum noch mit friedlichen Mitteln werden bremsen können.


NATO, EU vs. Hellas

Dass dieses Gewaltszenario nicht aus der Luft gegriffen ist, zeigt eine Analyse der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP). Im Februar 2010 veröffentlichte sie den Bericht "Die Zuckerbrotkrise der EU auf dem Westbalkan" ihres außenpolitischen Mitarbeiters Dusan Relji. Die bundesdeutsche Denkfabrik, die die Berliner Regierung in Fragen von Krieg und Frieden berät, stellt fest: "Die brüchige Staatlichkeit Bosnien-Herzegowinas und Kosovos ist ebenso wie die ethnischen Gegensätze in der Republik Makedonien eine Quelle ständig neuer Sicherheitsbedrohungen für die Region und Europa. Zudem belasten die Streitigkeiten über Grenzverläufe und andere offene Fragen das Verhältnis zwischen den einzelnen Nachfolgestaaten des ehemaligen Jugoslawiens."

Zwei weitere Faktoren erhöhen das Sicherheitsrisiko für Griechenland: erstens die katastrophale Wirtschaftslage seiner Nachbarstaaten. Dort stagniert oder sinkt das Bruttoinlandsprodukt bei gleichzeitigem Anstieg von Auslandsverschuldung und Arbeitslosigkeit.

Zweitens, die USA und die EU messen den Ereignissen auf dem Balkan eine besondere Bedeutung zu. Am 2. Februar 2010 präsentierte der Direktor aller US-Nachrichtendienste, Dennis C. Blair, dem Geheimdienst-Komitee des US-Senats seine jährliche Bedrohungsanalyse. Darin heißt es: "Die Ereignisse auf dem Balkan werden wieder die wichtigsten Herausforderungen für die Stabilität Europas darstellen". Weiter riet Blair, dass "Washington, Brüssel und einige EU-Schlüsselstaaten" zusammenarbeiten sollen, da ihr Engagement "den zukünftigen Kurs der Region weitgehend beeinflussen wird". Mit seinem Anliegen rennt der Chef aller US-Geheimdienste zumindest in Brüssel und Berlin offene Türen ein.

In seiner SWP-Analyse unterstreicht Relji, dass die EU "die Lage in der Region zu ihren 'bedeutenden außenpolitischen Prioritäten' zählt". Bereits der Untertitel seines Artikels zeigt das Spektrum möglicher Handlungsoptionen auf: "'Mit Augenmaß' oder mit neuem Nachdruck?"

Griechenland kommt neben Österreich, Ungarn und Italien eine spezielle Rolle zu, da die Banken der vier EU-Staaten auf dem Westbalkan weit aus präsenter sind als die der anderen EU-Mitgliedsstaaten. Ein Finanzkollaps oder eine revolutionäre Entwicklung in Athen hätte folglich nicht nur einen Dominoeffekt auf wirtschaftlicher Ebene in Richtung der europäischen Großbanken, die in Griechenland investiert haben, sondern auch auf jene Balkanstaaten, deren Eliten hoffen, bald Teil der EU werden zu dürfen.

Die Geschichte hat gezeigt, dass die CIA zusammen mit ihren "Partnerdiensten" immer dann auf die Gladio-Struktur und die "besonderen Verbindungen" zur Nazi-Szene zurückgriff, wenn es darum ging, in Europa kommunistische Bewegungen niederzukämpfen, um das kapitalistische System zu schützen und zu stärken. Das geschah in der Vergangenheit allzeit verdeckt niemals offen, wie das Standardwerk von Daniele Ganser zur NATO-Geheimarmee Gladio treffend belegt. Ergo wird die Intervention in Hellas unter einem wie auch immer gearteten Vorwand geschehen.

Griechenlands außenpolitische Achillesferse heißt Makedonien. Die Balkanrepublik grenzt an die gleichnamige griechische Region. Seit der Unabhängigkeitserklärung ehemaligen jugoslawischen Teilrepublik 1991 existiert reichlich Konfliktstoff zwischen Skopje und Athen. Makedonien beansprucht unter anderem Teile des griechischen Territoriums.

Grenzkonflikte waren immer schon ein von Geheimdiensten geschätzter Anlass, um eine Aggression zu rechtfertigen. Daher ist es kein Zufall, dass die US-Geheimdienste in Makedonien besonders präsent sind. Deshalb veröffentlicht GEHEIM in dieser Ausgabe die Namen jener CIA-Agenten, die in Skopje unter diplomatischer Tarnung arbeiten. Vielleicht lässt sich so eine "covert action" (verdeckte Aktion) vereiteln, damit die Griechen wie die Bolivianer in freier Selbstbestimmung über ihre Zukunft entscheiden können.


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Quelle:
GEHEIM Nr. 1/2010 - 7. April 2010, Seite 14-16
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veröffentlicht im Schattenblick zum 29. April 2010