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GLEICHHEIT/2386: Die Tragödie der Chinesischen Revolution von 1925 - 1927, Teil 3


World Socialist Web Site
Herausgegeben vom Internationalen Kommitee der Vierten Internationale (IKVI)

Die Tragödie der Chinesischen Revolution von 1925 - 1927
Teil 3

Von John Chan
20. Februar 2009
aus dem Englischen (7. Januar 2009)


Dies ist der letzte von drei Teilen einer Vorlesung, die während der Sommerschule der Socialist Equality Party in Ann Arbor, Michigan, im August 2007 gehalten wurde.

Der "Links"-Schwenk der Kuomintang

Trotz Chiangs brutaler Schlächtereien hatte die KPCh sowohl im großen Industriezentrum von Wuhan als auch in der Millionen zählenden Bauernbewegung am Yangtse noch beträchtliche Reserven. Mit der richtigen Politik wäre es möglich gewesen, Chiangs Konterrevolution zu besiegen. Stalin jedoch zog keine Konsequenzen aus den blutigen Lehren von Shanghai. In seiner am 21. April 1927 erschienenen Schrift Fragen der Chinesischen Revolution verkündete er, seine Politik wäre der "einzig richtige Kurs" gewesen und sei es auch weiterhin. Chiangs Massaker zeige lediglich, dass die Großbourgeoisie die Revolution im Stich gelassen habe.

Die "linke" Kuomintang, erklärte Stalin, repräsentiere weiterhin die revolutionäre Kleinbourgeoisie, die in der "Zweiten Stufe" der Revolution die Agrarrevolution anführen werde. "Das heißt, die Kuomintang in Wuhan entwickelt sich tatsächlich zu einem Organ der revolutionär-demokratischen Diktatur des Proletariats und der Bauernschaft, indem ein entschlossener Kampf gegen Militarismus und Imperialismus geführt wird..." Stalin bestand deshalb darauf, dass die KPCh ihre enge Verbindung mit der "linken" Kuomintang beibehielt und die Forderungen der Linken Opposition und Trotzkis zurückwies, Sowjets zu bilden und die politische Unabhängigkeit der KPCh herzustellen. (On the Opposition, J. V. Stalin, Foreign Language Press, Peking, 1974, pp. 663-664)

Trotzki antwortete auf Stalins Thesen und unterzog dabei dessen Theorie des "Blocks der vier Klassen" einer vernichtenden Kritik. "Es ist ein schwerwiegender Fehler anzunehmen, der Imperialismus schweiße von außen alle Klassen in China zusammen ... Der revolutionäre Kampf gegen den Imperialismus verstärkt eher die politische Differenzierung der Klassen, statt sie zu mildern", erklärte Trotzki. "Alles, was die unterdrückten und ausgebeuteten Arbeitermassen auf die Beine bringt, treibt die nationale Bourgeoisie in ein offenes Bündnis mit dem Imperialismus. Der Klassenkampf zwischen der Bourgeoisie und den Massen der Arbeiter und Bauern wird durch die imperialistische Unterdrückung nicht milder, sondern im Gegenteil schärfer, bis hin zu jenem Punkt, an dem aus jedem ernsten Konflikt ein blutiger Bürgerkrieg werden könnte." (Problems of the Chinese Revolution, Leon Trotsky, New Park Publications, London, 1969, p. 5).

Trotzki bestand auf der Dringlichkeit der Aufgabe, die politische Unabhängigkeit der KPCh von der "linken" Kuomintang herzustellen. In der fehlenden Unabhängigkeit liege die "Quelle aller Übel und Fehler", schrieb Trotzki. "In dieser grundlegenden Frage beabsichtigen die Thesen 'mehr denn je' alles beim Alten zu lassen, anstatt ein für alle Mal mit den Praktiken von gestern zu brechen. Das bedeutet, sie wollen die ideologische, politische und organisatorische Abhängigkeit der proletarischen Partei von der kleinbürgerlichen Partei beibehalten, welche somit unvermeidlich zu einem Instrument der Großbourgeoisie wird." (ibid., p. 18).

Stalin rechtfertigte am 13. Mai 1927 seinen "Block der vier Klassen" vor Studenten der Moskauer Sun Yat-sen-Universität mit einer Parodie auf den Marxismus. "Die Kuomintang ist keine 'gewöhnliche' kleinbürgerliche Partei. Es gibt unterschiedliche Arten kleinbürgerlicher Parteien. Die Menschewiki und die Sozialrevolutionäre Russlands waren auch kleinbürgerliche Parteien, zugleich waren sie imperialistische Parteien, weil sie in einem kämpferischen Bündnis mit den französischen und britischen Imperialisten standen ... kann man also sagen die Kuomintang wäre eine imperialistische Partei? Offensichtlich nicht. Die Kuomintang ist eine anti-imperialistische Partei, wie auch die Revolution in China antiimperialistisch ist. Der Unterschied ist fundamental." (On the Opposition, J. V. Stalin, Foreign Language Press, Peking, 1974, p. 671)

Der absurde Gedanke, Chiang Kai-shek sei "antiimperialistisch", weil die Chinesische Revolution antiimperialistisch sei, wurde von Trotzki und der Geschichte selbst widerlegt. Der Widerstand der KMT gegen die eine oder andere Großmacht bedeutete nicht Opposition gegen den Imperialismus selbst. Die KMT-Führer manövrierten lediglich zwischen den verschiedenen imperialistischen Mächten, wobei sie mit "antiimperialistischen" Schlagworten um sich warfen, mit denen sie die Massen verwirrten. Angesichts der japanischen Invasion in den 1930er und 1940er Jahren hatte Chiang beispielsweise keine Bedenken sich England und den USA zuzuwenden. Der "linke" KMT-Führer Wang Ching-wei ging sogar einen Schritt weiter und wurde das Oberhaupt des japanischen Marionettenregimes in China. Es sollte in jedermanns Gedächtnis eingebrannt werden, das Chiang Kai-shek, der als Führer der verachteten, antikommunistischen Militärdiktatur Taiwans starb, einst an der Seite der stalinistischen Führung Moskaus Trinksprüche auf die sozialistische Weltrevolution ausbrachte.


Die Niederlage in Wuhan

Während Stalin auf dem VIII. Plenum des Exekutivkomitees der Kommunistischen Internationale (EKKI) das "revolutionäre Zentrum" Wuhan bejubelte, führte eine Reihe "linker" KMT-Kommandeure unter Verletzung der offiziellen Politik ihrer Partei, der KMT, bereits Schläge gegen Kommunisten, Gewerkschaften und die Bauernvereinigungen in dieser Region. Kurz vor diesem Plenum, am 17. Mai 1927, kam es in Changsha zu einem der blutigsten Terrorakte. Auf dem Plenum selbst wurde dies nicht einmal erwähnt. Stattdessen verurteilte Stalin die Forderung der Linken Opposition, Sowjets zu bilden, als schädlich für die Fortführung des Bündnisses der KPCh mit der "linken" Kuomintang. Stalin donnerte: "Versteht die Opposition, dass die Bildung von Sowjets der Arbeiter und Bauern auf die Bildung einer Doppelregierung zwischen den Sowjets und der Regierung in Hankow und damit zwangsläufig und unvermeidlich auf die Parole des Sturzes der Regierung hinausläuft?" (The Tragedy of the Chinese Revolution, Harold R. Isaacs, Stanford University Press, 1961, p. 241)

Trotzkis Antwort blieb ein Jahr lang unveröffentlicht. Mit einer entschiedenen Warnung vor dem, was kommen würde, wies er Stalins Politik zurück und rief auch die Komintern dazu auf. "Wir erklären den chinesischen Bauern unumwunden: Die Führer des Typs Wang Ching-wei in der linken Kuomintang werden Euch unvermeidlich verraten, wenn ihr der Wuhan-Führung folgt, statt eure eigenen, unabhängigen Sowjets zu bilden ... Politiker wie Wang Ching-wei werden sich in schwierigen Situationen zehnfach mit Chiang Kai-shek gegen die Arbeiter und Bauern verbünden. Unter solchen Bedingungen werden zwei Kommunisten in einer bürgerlichen Regierung ohnmächtige Geiseln, wenn nicht gar ein direkter Deckmantel zur Vorbereitung eines neuen Schlages gegen die Arbeitermassen ... Die Chinesische bürgerlich-demokratische Revolution wird entweder unter den Sowjets voranschreiten und siegen, oder überhaupt nicht. " (Leon Trotsky on China, Monad Press, New York, 1978, p234-235, Hervorhebung im Original)

Trotzkis Warnung erwies sich erneut als zutreffend. Nach dem Blutbad in Shanghai suchten die Grundeigentümer und Kapitalisten Wuhans eilig Schutz beim Regime Chiang Kai-sheks. Sie antworteten auf Arbeiterstreiks mit Fabrik- und Geschäftsschließungen. Sie riefen bewusst Anstürme auf ihre Banken hervor und verschifften ihre Anteile nach Shanghai. Auf dem Lande verweigerten Händler und Wucherer den Bauern Kredite, wodurch es ihnen unmöglich wurde, Saatgut für das Frühjahr zu kaufen. Die imperialistischen Mächte unterstützten diese Sabotage, indem sie ihre Firmen schlossen, während gleichzeitig Spekulanten die Preise in unerträgliche Höhen trieben. Die Wirtschaft brach zusammen und die anschwellende Massenbewegung erschreckte Wang Ching-wei, der die beiden kommunistischen Minister seines Kabinetts - den Minister für Landwirtschaft und den Arbeitsminister - dazu aufforderte, ihren Einfluss zu nutzen, um die "exzessiven" Aktionen der Arbeiter und Bauern im Zaum zu halten.

Die offizielle Politik der KPCh geriet in direkten Konflikt zur Massenbewegung. Auf dem Land waren häufig die Grundeigentümer von Bauernvereinigungen verjagt worden, die jetzt die lokalen Behörden bildeten. In den zwei großen Städten Wuhan und Changsha litten die Arbeiter schwer unter den Werksschließungen und dem Preisanstieg, wodurch sie zu revolutionären Forderungen nach Übernahme der Fabriken und Geschäfte getrieben wurden. Trotzkis Aufruf Sowjets zu bilden, entsprach dieser Situation gänzlich. Die Aufgabe der Sowjets bestand nicht, wie Stalin behauptete, lediglich darin den bewaffneten Aufstand zu leiten. Sie waren vielmehr demokratisch gewählte Organe, mittels derer es den Arbeitern mitten im revolutionären Umbruch möglich wurde, die Wirtschaft und das öffentliche Leben zu reorganisieren und ihre Interessen gegen die Konterrevolution zu verteidigen.

Peng Shuzi erklärte später einmal, die Gewerkschaften und Bauernorganisationen in Hunan und Hubei hätten eine mehrere Millionen zählende Mitgliedschaft gehabt. "Es war eine große organisierte Massenkraft. Wenn die KPCh zu dieser Zeit Trotzkis Ratschlag gefolgt wäre, sich auf diese große Masse organisierter Macht verlassen und zur Bildung von Arbeiter-Bauern- und Soldatensowjets als zentraler revolutionärer Organisationen aufgerufen hätte, sowie mittels dieser bewaffneten Organisationen die Agrarrevolution durchgeführt und Land an die Bauern und Soldaten gegeben worden wäre, hätten sie die verarmten Massen von Hunan und Hupeh nicht nur in Sowjets sammeln, sondern auch die Grundlagen der reaktionären Militärs unmittelbar zerstören und somit indirekt die der Armee Chiangs destabilisieren können. So hätte sich die Revolution von der Zerstörung der Grundlagen der Konterrevolution bis zur proletarischen Diktatur entwickeln können." (Leon Trotsky on China, Monad Press, New York, 1978, p. 66, Hervorhebung im Original)

Trotz seiner stupiden Verherrlichung der "linken" Kuomintang, erkannte Stalin, dass seine Politik ins Wanken geriet. Am 1. Juni 1927 erhielt die KPCh von ihm die Anweisung zum Aufbau einer eigenen Armee aus 20.000 Kommunisten und 50.000 Arbeitern und Bauern. Revolutionen jedoch sind für bürokratische Anweisungen nicht empfänglich. Wie Trotzki betonte, waren die Vorbedingungen zur Schaffung einer revolutionären Armee die Festigung der Autorität der Partei bei den Massen und die Schaffung eines Mittels zum Zusammenschweißen der Arbeiterklasse und der Bauernschaft. Indem Stalin die Bildung von Sowjets zurückwies, hielt er die KPCh davon ab, die unabdingbare Grundlage für eine eigene Armee zu schaffen.

Als der bevorstehende Verrat Wang Ching-weis sich deutlich abzeichnete, forderte der KPCh-Führer Chen Duxiu nochmals, das Bündnis mit der KMT zu verlassen. Wiederum wies die Komintern die Forderung zurück. Anfang Juli trat Chen als Generalsekretär zurück. Sein Nachfolger, Chu Quibai, zeigte Stalin sofort seine Ergebenheit, indem er in diesem über Leben und Tod entscheidenden Augenblick erklärte, die KMT sei "selbstverständlich in der führenden Position der nationalen Revolution."

Am 15. Juli gab Wang Ching-wei eine förmliche Erklärung heraus, die alle Kommunisten unter Androhung ernster Bestrafung bei Zuwiderhandlung aufforderte, die KMT zu verlassen. Wie Chiang presste auch Wang die KPCh "wie eine Zitrone" aus, um sie dann beiseite zu werfen, indem er noch brutalere Repressionen gegen die Kommunisten und die aufständischen Massen entfaltete.

In einem zeitgenössischen Bericht heißt es: "In den vergangenen drei Monaten breitete sich die Reaktion vom unteren Yangtse über das gesamte Territorium unter so genannter nationalistischer Kontrolle aus. Tang Sheng-chih erwies sich beim Kommandieren von Hinrichtungskommandos effektiver als beim Führen von Truppen im Kampfeinsatz. In Hunan haben seine ihm unterstellten Generale eine Säuberung von 'Kommunisten' durchgeführt, an der Chiang Kai-shek sich kaum messen kann. Die gewöhnlichen Methoden des Erschießens und Enthauptens wurden durch Methoden der Folter und Verstümmelung, die an die Gräuel des Mittelalters und der Inquisition heranreichen, ergänzt. Die Ergebnisse sind beeindruckend. Die Bauern- und Arbeitergewerkschaften von Hunan, vermutlich die bestorganisierten des ganzen Landes, sind vollständig vernichtet. Die Führer, die dem Bad in heißem Öl, dem Lebend-Begraben-Werden, der Folter durch langsames Erwürgen und anderen unaussprechlichen Formen des Mordens entkommen konnten, sind außer Landes oder in unauffindbaren Verstecken..." (The Tragedy of the Chinese Revolution, Harold R. Isaacs, Stanford University Press, 1961, p. 272)

Und wieder bestand Stalin auf der Korrektheit seiner Politik und machte die KPCh, besonders Chen, für die Niederlagen verantwortlich. Da aber die Linke Opposition in der sowjetischen Arbeiterklasse zunehmend Gehör fand, versuchte Stalin sein Ansehen zu retten, indem er von seiner bisherigen opportunistischen Politik ins direkte Gegenteil, das Abenteurertum schwenkte. Stalin, vor den chinesischen Massen und der KPCh verantwortlich für zwei vernichtende Niederlagen, befahl der angeschlagenen Partei bewaffnete Aufstände, die von vornherein zum Scheitern verurteilt waren. Es war eine Vorwegnahme dessen, was in den frühen Dreißiger Jahren als die ultralinke Politik der "Dritten Periode" bekannt wurde, als Stalin dem Proletariat genau zu dem Zeitpunkt die Aufgabe der Machtergreifung stellte, da die Revolution zurückwich. Trotzki erklärte, dass stattdessen defensive Parolen mit demokratischem Inhalt und die Reorganisation der Partei notwendig seien. Vor allem gehe es darum, die notwendigen Lehren aus allem zu ziehen - was Stalin allerdings am meisten zu unterbinden suchte.


Die Lehre des "Sowjet" von Guangzhou

Das letzte Aufbäumen der Chinesischen Revolution - der Aufstand von Guangzhou im Dezember 1927 - war nicht weniger kriminell. Seine zeitliche Festlegung orientierte sich nicht etwa an einer Massenbewegung in Guangzhou, sondern an der Eröffnung des Fünfzehnten Parteikongresses der KPdSU. Sein Hauptzweck war, das Ansehen der stalinistischen Führung in Moskau aufzuwerten und die Kritik der Linken Opposition abzuwehren. Ohne Massenunterstützung scheiterte zwangsläufig der Versuch, mit einigen tausend Parteikadern eine Sowjetregierung zu errichten. Etwa 5.700 Menschen, darunter viele der besten noch lebenden revolutionären Parteikader, kamen in den Kämpfen für den kurzlebigen "Sowjet" von Guangzhou ums Leben.

Stalins Sowjet-Theorie wurde somit einer Prüfung unterworfen. Während der ganzen Revolution erklärte er, Sowjets müssten lediglich im letzten Moment als Mittel zur Organisierung des Aufstandes geschaffen werden und wichtig sei es dabei, dass sie keinesfalls vor Abschluss der "demokratischen Stufe" gegründet würden. Trotzki dagegen beharrte darauf, dass die Sowjets in Wirklichkeit das Mittel seien, die Arbeiterschaft massenhaft in den politischen Kampf einzubinden. Sowjets könnten nicht von oben errichtet werden, sie erwüchsen aus der Basisbewegung, einschließlich der Fabrikkomitees und Streikkomitees. Wenn sich die revolutionäre Krise entwickelt, würden sich die Sowjets zu den neuen Machtorganen der Arbeiterklasse entfalten.

In Guangzhou schuf die KPCh auf bürokratische Weise ein Gebilde zur Durchführung eines Aufstandes und nannte es "Sowjet". Aber die "gewaltige Reaktion" darauf blieb aus, denn die gewöhnlichen Arbeiter und Bauern kannten nicht einmal ihre "Delegierten" in diesen so genannten Sowjets. Nur sehr wenige Arbeiter unterstützten die "Sowjetregierung" Guangzhous, die dann schnell zerschlagen wurde.

Stalin behauptete, der Aufstand in Guangzhou hätte bürgerlich-demokratische Aufgaben. Trotzki wies darauf hin, dass selbst bei diesem misslungenen Abenteuer die Arbeiterklasse gezwungen gewesen wäre, weiterzugehen. Während ihrer kurzen Existenz musste die KPCh gezwungenermaßen die Übernahme der Macht anstreben und radikale soziale Umwälzungen umsetzen, einschließlich der Nationalisierung der großen Industrien und Banken. Trotzki bemerkte, dass eine proletarische Revolution in China schwer vorstellbar sei, wenn sogar solche Maßnahmen noch "bürgerlich" wären. Mit anderen Worten wäre selbst beim Aufstand in Guangzhou die Führung der KPCh gezwungen gewesen, der Logik der "Permanenten Revolution" Trotzkis und nicht Stalins "Zwei-Stufen-Theorie" zu folgen.

Die Niederlage von Guangzhou kennzeichnete das Ende der Revolution in den städtischen Zentren. Diejenigen Führer der KPCh, die nicht zur Linken Opposition übergingen, flohen auf das Land - wie beispielsweise Mao Zedong. Unter dem Druck der stalinistischen Bürokratie, die Kominternlinie der "Dritten Periode" und die Gründung von "Sowjets" durchzusetzen, kam eine neue Strömung in der KPCh auf. Vertreten durch Mao stützte sich diese Tendenz auf die Bauernschaft und kappte ihre Verbindungen zum Proletariat. Um den "bewaffneten Kampf" fortzusetzen, gründete die KPCh eine "Rote Armee", die hauptsächlich aus Bauern bestand und errichtete "Sowjets" in Chinas ländlichen Provinzen. Zu Beginn der Dreißiger Jahre hatte die Kommunistische Partei ihre Arbeit im städtischen Proletariat faktisch eingestellt.

Maos Perspektive hatte mehr mit bäuerlichem Populismus als mit Marxismus zu tun und daher stieg er, gewissermaßen naturgemäß, zum Führer dieser Tendenz auf. Bevor er der Kommunistischen Partei Chinas beitrat, war er tief beeindruckt von einer Schule japanischer Utopischer Sozialisten, "Neues Dorf", die sich auf die Vorstellungen der russischen Narodniki stützte. Der Weg zum "Sozialismus" bestand für "Neues Dorf" in kollektiver Bodenbewirtschaftung, gemeinschaftlichem Verbrauch und gegenseitiger Hilfe autonomer Dörfer. Dieser "bäuerliche Sozialismus" widerspiegelte nicht die Interessen des revolutionären Proletariats, sondern die Feindschaft der bedrängten Bauernschaft gegen die Zerstörung von Kleinbauernbetrieben unter kapitalistischen Bedingungen.

Selbst nachdem er Mitglied der Kommunistischen Partei geworden war, legte Mao nie seine Orientierung auf die Bauernschaft ab und stand daher während der Unruhen von 1925-1927 unfehlbar auf dem rechten Parteiflügel. Selbst auf dem Höhepunkt der Arbeiterbewegung im Jahr 1927 behauptete Mao weiterhin, die Arbeiterklasse sei ein unbedeutender Faktor in der Chinesischen Revolution. "Wenn wir für die Vollendung der demokratischen Revolution zehn Punkte vergeben, so ... entfallen auf die Bewohner der Städte und das Militär drei Punkte, während die verbliebenen sieben Punkte auf die Bauern entfallen..." (Stalin's Failure in China 1924-1927, Conrad Brandt, The Norton Library, New York, 1966, p. 109)


Die Konsequenzen der Niederlage

Kurz nach der Niederlage der Chinesischen Revolution wurde Trotzki aus der Kommunistischen Partei der Sowjetunion ausgeschlossen, verbannt und aus der UdSSR ausgewiesen. Die Bilanz der Jahre 1925-27 machte deutlich, dass die Linke Opposition und Trotzki sich sehr klar darüber waren, was mit der Chinesischen Revolution für die internationale Arbeiterklasse auf dem Spiel stand. Trotzki stand in einem gigantischen politischen Kampf, die Politik der Komintern umzuorientieren und die besten Bedingungen für den revolutionären Sieg zu schaffen. Am allerwenigsten ging es darum, formal Recht zu bekommen.

In seiner Autobiographie "Mein Leben", die Trotzki 1928 in der Verbannung schrieb, erinnerte er daran, was in der Sowjetunion geschah, nachdem Chiang Kai-shek die Arbeiter Shanghais in Blut ertränkt hatte. "Eine Welle der Erregung ging durch die Partei. Die Opposition erhob den Kopf. ... Viele junge Genossen glaubten, dass ein so offensichtlicher Bankrott der Stalinschen Politik den Sieg der Opposition näher bringen müsste. In den ersten Tagen nach dem Staatsstreich Chiang Kai-sheks habe ich viele Eimer kalten Wassers über die heißen Köpfe meiner jungen und auch nicht so jungen Freunde gießen müssen. Ich versuchte zu beweisen, dass die Opposition sich nicht auf der Niederlage der Chinesischen Revolution aufrichten dürfe. Die Bestätigung unserer Prognose werde uns zwar tausend, fünftausend oder sogar zehntausend neue Anhänger bringen. Für die Millionen aber sei nicht die Prognose, sondern die Tatsache der Niederschlagung des chinesischen Proletariats von entscheidender Bedeutung. Nach der Niederlage der Deutschen Revolution im Jahre 1923, nach dem Zusammenbruch des englischen Generalstreiks von 1926 werde diese neue Niederlage in China die Enttäuschung der Massen in Bezug auf die internationale Revolution nur verstärken. Und gerade diese Enttäuschung bilde die psychologische Quelle für die Stalinsche Politik des Nationalreformismus." ("Mein Leben: Versuch einer Autobiographie", Leo Trotzki, Fischer Taschenbuch Verlag, 1974, S. 456).

Stalin versuchte Trotzki von der Komintern und der KPCh fernzuhalten, aber seine Bemühungen waren nur zum Teil erfolgreich. Eine Gruppe chinesischer, in Moskau immatrikulierter Studenten kam mit der Linken Opposition in Verbindung und nahm an ihrem Protest zu den am 7. November 1927 auf dem Roten Platz stattfindenden, von der Stalinschen Bürokratie organisierten Feierlichkeiten zum zehnten Jahrestag der Oktoberrevolution teil. Ende 1928 hatten 145 chinesische Studenten trotzkistische Organisationen in Moskau und Leningrad gegründet.

Zur selben Zeit, während des Sechsten Kongresses der Komintern, schrieb Trotzki seine berühmte Kritik des Komintern-Programmentwurfes, Die Dritte Internationale nach Lenin. Einige Delegierte der Kommunistischen Partei Chinas, unter ihnen Wang Fanxi, konnten Trotzkis Schrift lesen und übernahmen Trotzkis Analyse. Nachdem einige dieser Studenten 1929 nach China zurückkehrten, wandte sich ein Teil der KPCh-Führung - darunter Chen Duxiu und Peng Shuzi - dem Trotzkismus zu und gründete die Linke Opposition Chinas.

In China erwies sich die Kuomintang, die unter Ausnutzung der revolutionären Massenunruhen ihren Einfluss ausgeweitet hatte, als gänzlich unfähig, das Land zusammen zu halten oder "demokratisch" zu herrschen. Ihr "Weißer Terror" währte Jahre. Vom April bis zum Dezember 1927 wurden etwa 38.000 Menschen hingerichtet und 32.000 als politische Gefangene inhaftiert. Vom Januar bis August des Jahres 1928 wurden 27.000 zum Tode verurteilt. 1930 schätzte die KPCh die Zahl der ermordeten oder in Haft gestorbenen Menschen auf 140.000. 1931 wurden 38.000 Menschen aus politischen Gründen hingerichtet. Die chinesische Linke Opposition wurde aber nicht nur von der KMT gejagt, sondern auch von der stalinistischen Führung der KPCh verraten.

Die gescheiterte Revolution hatte weit über Chinas Grenzen hinaus politische Konsequenzen. Ein Sieg hätte gleichermaßen große Bedeutung in ganz Asien, wie auch für Kolonialländer außerhalb des Kontinents gehabt. Unter anderem hätte die japanische Arbeiterklasse gewaltigen Auftrieb im Kampf gegen den aufkommenden japanischen Militarismus in den 1930er Jahren und im Kampf gegen den drohenden Weltkrieg erhalten.

Der Weltkapitalismus tritt neuerlich in die Krise ein und wendet sich erneut Militarismus und Krieg zu. Die chinesische und internationale Arbeiterklasse kann sich nur auf die vor ihr liegenden Umbrüche vorbereiten, indem sie sich gründlich die politischen Lehren aus der Niederlage der Chinesischen Revolution aneignet.

Ende

Siehe auch:
Kein großes Aufhebens zum dreißigsten Jahrestag
der kapitalistischen Marktreformen in China
(31. Januar 2009)


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Quelle:
World Socialist Web Site, 20.02.2009
Die Tragödie der Chinesischen Revolution von 1925 - 1927
Teil 3
http://wsws.org/de/2009/feb2009/chi3-f20.shtml
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veröffentlicht im Schattenblick zum 23. Februar 2009