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GLEICHHEIT/2500: Massaker in Afghanistan - Washington kündigt weitere Luftangriffe an


World Socialist Web Site
Herausgegeben vom Internationalen Komitee der Vierten Internationale

Massaker in Afghanistan
Washington kündigt weitere Luftangriffe an

Von Bill Van Auken
14. Mai 2009
aus dem Englischen (12. Mai 2009)


Vor seiner Abreise aus Washington verlangte Präsident Hamid Karzai ein Ende der amerikanischen Luftschläge gegen Afghanistan. Der amerikanische nationale Sicherheitsberater, General James Jones, beteuerte dagegen, Bombenangriffe auf afghanische Dörfer würden weitergehen, ob das der angeblich souveränen Regierung des Landes nun gefalle oder nicht.

Die gegensätzlichen Standpunkte von Karzai und Jones sprechen Bände darüber, was für eine Art Krieg Amerika in Afghanistan führt. Es ist eine schmutzige Intervention, ähnlich einem Kolonialkrieg. Washington diktiert seiner Marionettenregierung die Politik und geht mit militärischer Gewalt gegen die zunehmend feindselige Bevölkerung vor.

Karzai, der im August eine Wahl bestehen muss, reagiert offensichtlich auf die breite Empörung, die ein Massaker in Westafghanistan in der vergangenen Woche auslöste. Im ganzen Land kam es zu Demonstrationen und Zornausbrüchen.

Tatsache ist, dass Karzais eigenes korruptes und unpopuläres Regime ohne die militärische Unterstützung der USA keinen Tag überleben würde.

Auf die Frage von ABC News Sunday, ob Washington Karzais Forderung nachkommen werde, antwortete Jones: "Es wäre nicht klug, unseren Kommandeuren die Hände zu binden und zu sagen, wir würden keine Luftschläge mehr ausführen."

Auf die Nachfrage, ob der afghanische Präsident die amerikanische Politik verstehe, sagte Jones: "Ich denke, er versteht, dass wir unsere gesamte militärische Kampfkraft für den Notfall in Bereitschaft haben müssen ...Wir können nicht kämpfen, wenn eine Hand auf dem Rücken festgebunden ist."

Die "gesamte Kampfkraft" des amerikanischen Militärs wurde vergangene Woche gegen zwei Dörfer im Distrikt Bala Baluk in der westafghanischen Provinz Farah entfesselt. Dorfbewohner, lokale Beamte und Hilfsorganisationen sagen, dass die amerikanischen Bombenangriffe auf diese Dörfer die höchsten zivilen Opferzahlen seit dem Überfall der USA auf das Land vor acht Jahren gefordert haben.

Dorfbewohner haben Namenslisten on 147 Zivilisten erstellt, die beim Abwurf amerikanischer Bomben starben. Es wurden Häuser getroffen, die von verängstigten Frauen, Kindern und Alten überfüllt waren, da sie Schutz vor den Gefechten suchten. In der Nähe lieferten sich Aufständische und von den USA unterstützte afghanische Regierungstruppen Gefechte. Später transportierten empörte Dorfbewohner Pritschenwagen voller verstümmelter Leichen und Leichenteile in die Stadt und kippten sie vor die Tür der Provinzregierung, um der Welt das Ausmaß des Blutbads vor Augen zu führen.

Das Internationale Komitee des Roten Kreuzes, das den Ort der Bombenabwürfe besuchte, bestätigte die Berichte über massenhafte zivile Opfer.

Am Montag zitierte der britische Guardian einen Sprecher der Mission der Vereinten Nationen in Kabul. Er sagte, er habe "entsetzliche" Berichte vom Ort des Geschehens gehört. Der UN-Vertreter, der nur anonym mit der Zeitung sprechen wollte, berichtete, die Bombardierung habe noch angedauert, als die Kämpfe zwischen Aufständischen und Regierungstruppen schon seit Stunden vorbei waren.

"Dorfbewohner gingen in die Moschee, um für Frieden zu beten", sagte er. "Kurz nach den Abendgebeten wurden die Luftangriffe angeordnet, und sie dauerten mehrere Stunden an. Währenddessen versuchten die Einwohner verzweifelt, den örtlichen Gouverneur telefonisch zu erreichen, damit er die Einstellung der Luftangriffe veranlasse."

Die amerikanische Reaktion auf dieses Massaker ist so verabscheuungswürdig wie das Verbrechen selbst. Wie immer nach solchen Gräueltaten trafen aus dem Pentagon die üblichen Lügen und Verdrehungen ein. Zuerst wurde abgestritten, dass amerikanische Kräfte für die Schlächterei verantwortlich waren, und dann wurde die hanebüchene Geschichte aufgetischt, Taliban hätten die Dorfbewohner mit Granaten getötet, damit es wie ein Luftangriff aussähe.

Angesichts unwiderlegbarer Beweise, dass Häuser von äußerst starken Explosivkörpern bis auf die Grundmauern zerstört wurden, machte das US-Militär seine eigene "Untersuchung" und kam zum Schluss, dass es unmöglich sei, festzustellen, wie viele Opfer Taliban und wie viele Zivilisten seien. Aber die Zahlen seien sowieso "übertrieben". Das Pentagon behauptete auch, die Verantwortung für den Tod von Zivilisten liege bei den Taliban, weil sie die Dorfbewohner angeblich als "menschliche Schutzschilde" missbraucht hätten.

Die Bombardierung von Zivilwohnungen durch eine Besatzungsmacht ist nach internationalem Recht verboten und ein Kriegsverbrechen, und zwar auch dann, wenn sich Aufständische in der Nachbarschaft aufhalten.

Afghanistans größte Menschenrechtsorganisation prüft außerdem Berichte, dass US-Truppen beim Angriff auf das Dorf, aber auch bei früheren Schlägen gegen zivile Ziele, Granaten mit weißem Phosphor eingesetzt hätten.

Diese selbstentzündliche Munition kann benutzt werden, um Rauchvorhänge zu legen, oder sie dient als Leuchtmunition. Als Waffe, die gegen Personen eingesetzt wird, verursacht sie jedoch Tod und schreckliche Verletzungen. Sie setzt sich auf der Haut fest und verbrennt das Fleisch bis auf die Knochen.

Der Einsatz solcher Waffen gegen zivile Ziele ist ein Kriegsverbrechen.

Der Guardian zitierte Dr. Mohammad Aref Jalali, der das Zentrum für Brandverletzungen in Herat leitet, wohin die Opfer gebracht werden. "Eine Frau, die hierher kam, berichtete, dass 22 Mitglieder ihrer Familie völlig verbrannt seien", sagte er. "Sie sagte, eine Bombe habe weißes Pulver freigesetzt, das Feuer gefangen und dann die Kleidung von Leuten in Brand gesteckt habe."

Für diese Kriegsverbrechen ist die Obama-Regierung verantwortlich. Sie schickt jetzt weitere 21.000 Soldaten nach Afghanistan und plant bis 2010 die Verdoppelung der amerikanischen Besatzungsmacht auf 68.000 Soldaten. Die zusätzlichen Truppen bedeuten, dass noch mehr und noch größere Verbrechen verübt werden.

Bezeichnenderweise gab Ex-Vizepräsident Dick Cheney in der CBS-Sendung "Face the Nation" Obama Rückendeckung für den Krieg in Afghanistan. Er sagte voraus, das amerikanische Militär werde "lange dort bleiben müssen".

"Ich begrüße es, dass Präsident Obama zusätzliche Truppen nach Afghanistan schickt", sagte Cheney. "Ich glaube, wir müssen tun, was nötig ist, um dort die Oberhand zu behalten. Luftschläge sind dabei ein wichtiges Element. Und Luftschläge führen häufig zu Kontroversen."

Trotz der erbitterten parteipolitischen Kampagne, die Cheney gegen die Demokraten führt, sah er sich veranlasst, diese Worte der Solidarität zu äußern - sozusagen von einem Kriegsverbrecher zum anderen.

Obamas Versprechen eines "Wandels" und seine Anpassung im Wahlkampf an die Antikriegsstimmung im Land können nicht verdecken, dass seine Regierung die unter Bush begonnen Aggressionskriege fortführt. Er weitet die Kriege, die um die Vorherrschaft in den ölreichen und strategisch wichtigen Regionen Zentralasiens und am Persischen Golf geführt werden, sogar noch aus.

Der Kongress bereitet derweil seine Zustimmung zu einem weiteren Nachtragshaushalt über 96 Mrd. Dollar zur Finanzierung der beiden Kriege bis September vor. Die Massenmedien passen sich an die Regierungslinie an: Es fällt auf, dass sie kaum auf die jüngsten Gräueltaten eingehen.

Die allgemeine Zustimmung des politischen Establishments zum Krieg in Afghanistan steht in scharfem Kontrast zur Ablehnung breiter Schichten der arbeitenden Bevölkerung gegen den Krieg. Der "Surge" (Truppenaufbau) der Obama-Regierung ist das klarste Anzeichen, dass der Kampf gegen Krieg nicht durch die Wahl der Demokraten oder dadurch geführt werden kann, dass Druck auf sie ausgeübt wird. Nur die Mobilisierung der Arbeiterklasse gegen das kapitalistische System, das den Militarismus hervorbringt, kann den Krieg stoppen.

Siehe auch:
Die Bundeswehr führt in Afghanistan Krieg
(5. September 2008)

Krieg in Pakistan verschärft internationale Spannungen
(12. Mai 2009)


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Quelle:
World Socialist Web Site, 14.05.2009
Massaker in Afghanistan
Washington kündigt weitere Luftangriffe an
http://wsws.org/de/2009/mai2009/afgh-m14.shtml
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veröffentlicht im Schattenblick zum 15. Mai 2009