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GLEICHHEIT/2839: Die Großmächte opfern das Klima dem Profit


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Herausgegeben vom Internationalen Komitee der Vierten Internationale

Die Großmächte opfern das Klima dem Profit

Von Dietmar Henning
19. Dezember 2009


Unter Wissenschaftlern aller Welt ist unbestritten, dass dem von Menschen verursachten Klimawandel so schnell wie möglich Einhalt geboten werden muss, um eine Katastrophe zu verhindern. Die Lebensbedingungen von Milliarden Menschen sind durch den steigenden Meeresspiegel, durch Stürme, Dürren und Ernteausfälle bedroht.

Dennoch konnten sich die Vertreter von 193 Staaten auf der gestern zu Ende gegangenen Welt-Klimakonferenz in Kopenhagen nicht auf angemessene und effektive Schritte zur globalen Reduzierung des Treibhausgases Kohlendioxid (CO2) einigen. Die Anwesenheit von rund hundert Regierungschefs während der letzten zwei Tage - darunter US-Präsident Barack Obama, der chinesische Regierungschef Wen Jiabao, die deutsche Kanzlerin Angela Merkel, der britische Premier Gordon Brown sowie der französische Präsident Nikolas Sarkozy - half da wenig. Die gegensätzlichen Interessen der größten Wirtschaftsblöcke - USA, China, EU - haben eine Einigung, die so auch genannt werden darf, verhindert.

Als dieser Artikel geschrieben wurde, feilschten die Gipfelteilnehmer immer noch um ein Abschlussdokument. Das Treffen war zu diesem Zweck in die Nacht hinein verlängert worden. Dem Spiegel lag der Entwurf eines Zwölf-Punkte-Papiers vor, auf dessen Grundlage ein Minimalkonsens möglich erschien, das aber noch nicht beschlossen war.

Es enthält Verpflichtungserklärungen, die keine rechtliche Bindung haben und zu denen sich die meisten Konferenzteilnehmer auch schon zu früheren Zeitpunkten bekannt hatten, ohne dass dies praktische Folgen hatte. So bekennt sich das Papier dazu, die Erderwärmung unter zwei Grad zu halten. Für das Jahr wird eine Senkung des weltweiten CO2-Austosses um 50 Prozent angepeilt. Für das Jahr 2020, das vom Standpunkt des praktischen Handelns sehr viel wichtiger wäre, enthielt der dem Spiegel vorliegende Entwurf dagegen keine Zahl.

Auch zu den von den Entwicklungsländern geforderten Hilfszahlungen legte das Papier zwar ein allgemeines Bekenntnis ab, nannte aber keine konkreten Zahlen und schon gar keinen Schlüssel, wie diese Zahlungen unter den Geberländern aufgeteilt werden. Juristisch bindend sind solche Absichtserklärungen ohnehin nicht. Ein juristisch bindender Vertrag soll frühestens in sechs Monaten, wahrscheinlicher aber erst bis zum nächsten Gipfel in einem Jahr in Mexiko ausgehandelt werden. Dass er je zustande kommt, darf nach den heftigen Meinungsverschiedenheiten in Kopenhagen mehr als bezweifelt werden.

Dies ist das absolut unzureichende Ergebnis von zwei Wochen heftiger Auseinandersetzungen in Kopenhagen, in denen weniger über das Weltklima und die Umwelt als über strategische Interessen, Handelskonflikte, Wettbewerbsbedingungen und Wirtschaftssanktionen gestritten wurde.

Während einige Inselstaaten an die führenden Industrienationen appellierten, die durch den Treibhaus-Effekt hervorgerufene Erderwärmung zu stoppen, da ihre Länder ansonsten unter dem ansteigenden Meeresspiegel versinken, sehen diese die Reduzierung des CO2-Austoßes ausschließlich vom Standpunkt ihrer Wirtschafts- und Machtinteressen. In der dänischen Hauptstadt ging es um dieselben geopolitischen Fragen, die auch hinter den Kriegen in Irak und Afghanistan und zahlreichen anderen internationalen Konflikten stehen.

Nach Berechnungen der Internationalen Energieagentur (IEA) wird die weltweite Energienachfrage in den nächsten zwanzig Jahren um mehr als 50 Prozent steigen. Die wirtschaftliche Stärke und die Macht eines Landes werden maßgeblich von seinem Zugang zu Energie abhängen.

Aus diesem Grund haben die USA in jüngster Zeit rund eine Billion Dollar in Kriege investiert, die ihre Vorherrschaft über die weltweit ergiebigsten Öl- und Gasvorkommen absichern. Mit ihrer militärischen Präsenz am Golf und in Afghanistan, dem Tor zu Zentralasien, stellen die USA nicht nur die eigene Energiezufuhr sicher, sie haben auch ein Druckmittel gegen ihre europäischen und asiatischen Rivalen in der Hand, die auf Energieimporte aus dem Mittleren Osten angewiesen sind. Die Entwicklung alternativer Technologien würde deren Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen mindern, auf denen derzeit noch fast 80 Prozent des Weltenergieverbrauchs beruht. Die USA haben daher wenig Interesse, Milliarden für umweltfreundlichere Technologien auszugeben, die ihre Rivalen unabhängiger machen würden.

Hinzu kommt die Lobby der Energiekonzerne, der Schwerindustrie und anderer Branchen mit hohem Verbrauch fossiler Brennstoffe. Sie betrachten die Reduzierung des CO2-Ausstoßes ausschließlich als Kostentreiber und Wettbewerbshindernis, das ihre Profite schmälert, und boykottieren systematisch entsprechende Initiativen im US-Kongress.

Schließlich nutzen die führenden Industrieländern, die derzeit mit einem Sechstel der Weltbevölkerung die Hälfte der gesamten Energie verbrauchen, die Klimafrage als Waffe gegen aufsteigende Länder, deren Energieverbrauch mit zunehmender Industrialisierung steigt. Die USA forderten in Kopenhagen von den Schwellen- und Entwicklungsländern, insbesondere aber von China, dass sie sich ebenfalls verbindlich auf eine Reduzierung des CO2-Ausstoßes und deren Überprüfung festlegen. Vertreter der 77 ärmsten Nationen protestierten vehement gegen diesen Erpressungsversuch.

China, dessen industrielle Expansion vor allem von der Schwerindustrie getragen wird, hat eine solche Überprüfung als Eingriff in die nationale Souveränität immer strikt ablehnt. Es argumentiert, für die Erderwärmung seien die alten Industrie-Nationen zuständig, nicht die Entwicklungs- und Schwellenländer, zu denen neben China auch Indien und Brasilien zählen. China forderte deshalb eine finanzielle Unterstützung der Entwicklungs- und Schwellenländer bei der Reduzierung des CO2-Ausstoßes.

Viele Menschen und Umweltorganisationen hatten gehofft, die US-Umweltpolitik würde sich ändern, als US-Präsident Barack Obama ankündigte, er werde selbst an der Konferenz teilnehmen. Doch er bot lediglich eine Reduzierung des CO2-Ausstoßes der USA um 17 Prozent bis 2020 gegenüber 2005 an. Gemessen am Jahr 1990, das dem von den USA nie ratifizierten Kyoto-Protokoll zugrunde liegt, bedeutet dies eine Reduzierung um weniger als 4 Prozent. Wie schon in der Kriegsfrage und im sozialen Bereich unterscheidet sich die Regierungspolitik Obamas im Endeffekt auch in der Klimafrage nicht von der seines Vorgängers George W. Bush. Die Wall Street, nicht der Präsident, regiert Amerika.

Die europäischen Länder, insbesondere Deutschland und Frankreich, waren in Kopenhagen bemüht, sich im Gegensatz zu den USA und China als verantwortungsvolle und umweltbewusste Nationen darzustellen. Die EU erklärte sich bereit, den CO2-Ausstoß bis 2020 um 30 Prozent statt wie bisher zugesagt um 20 Prozent zu senken. Außerdem versprachen sie schon in der ersten Woche des Gipfels, in den nächsten drei Jahren 7,2 Milliarden Euro an Entwicklungsländer zu zahlen.

Doch die EU-Staaten vertreten nicht weniger als die USA und China ihre eigenen imperialistischen Interessen. Selbst wenn man davon absieht, dass eine Reduzierung um 30 Prozent nach Ansicht von Wissenschaftlern zu wenig ist, um die Erderwärmung auf zwei Grad Celsius zu beschränken, haben die EU-Staaten ihr Angebot stets an eine vergleichbare Reduzierung in den USA und China gekoppelt.

"Es gibt zwei Länder, die für die Hälfte der weltweiten Emissionen stehen", sagte dazu der schwedische Umweltminister Andreas Carlgren im Namen der EU-Ratspräsidentschaft, "die USA und China." Sie müssten daher mehr tun. Auch Bundeskanzlerin Merkel sagte am Donnerstag in Kopenhagen, sie hoffe, "dass einige zu ihren jetzigen Angeboten noch etwas hinzufügen. Die Industrieländer allein können diese Aufgabe nicht schultern."

Der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Industrie- und Handelskammertags (DIHK), Martin Wansleben, warnte die EU vor Alleingängen. Eine einseitige Verpflichtung würde erhebliche Zusatzkosten bedeuten und die Wettbewerbsposition international tätiger Unternehmen massiv schwächen, sagte er

Auch die Gelder, die die EU den Entwicklungsländern zusagte, sind eine Mogelpackung. Die 7,2 Milliarden Euro verteilen sich auf drei Jahre und alte Zusagen sind mit eingerechnet. EU-Ratspräsident Frederik Reinfeldt aus Schweden räumte ein, dass die Milliarden teilweise nur umgeschichtet werden: "Man kann sagen, dass es eine Kombination ist aus alten und neuen Ressourcen."

Deutschland und Frankreich, die kaum über fossile Energiereserven verfügen und stark von Importen abhängig sind, hoffen, durch die Entwicklung alternativer Technologien ihre Abhängigkeit zu mindern. Daher stehen sie ihnen offener gegenüber als die USA. Gleichzeitig rechnen sie mit neuen Absatzmärkten für ihre Technologie-Produkte. Erneuerbare Energien sind zu einem großen Geschäft geworden. Im vergangenen Jahr wurden weltweit 30 Milliarden Dollar in sie investiert.

Die Klimakonferenz in Kopenhagen beweist, dass es unmöglich ist, im Rahmen des Kapitalismus eine international koordinierte, an wissenschaftlichen Erkenntnissen ausgerichtete Politik zur Rettung der Erde vor dem Treibhausgas-Effekt und seinen tödlichen Folgen umzusetzen. Das Privateigentum an den Produktionsmitteln und das System rivalisierender Nationalstaaten, auf denen der Kapitalismus beruht, lassen eine solche, an gesellschaftlichem Interesse ausgerichtete Politik nicht zu. Die imperialistischen Mächte USA und Europa nutzen den Klimawandel, um ihre eigenen wirtschaftlichen und politischen Interessen durchzusetzen.

Gegen diese selbstzerstörerische Politik, die geradeaus in Krieg, Elend und Umweltzerstörung führt, helfen keine noch so radikalen Proteste und Demonstrationen. Notwendig ist der Zusammenschluss der internationalen Arbeiterklasse unter einem sozialistischen Programm, das die Gesellschaft und die Industrieproduktion weltweit und rational nach den Bedürfnissen der Menschheit organisiert. Zu diesen Bedürfnissen zählt auch der Schutz der Umwelt vor der Klimakatastrophe.


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Quelle:
World Socialist Web Site, 19.12.2009
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veröffentlicht im Schattenblick zum 22. Dezember 2009