Schattenblick →INFOPOOL →MEDIEN → ALTERNATIV-PRESSE

GLEICHHEIT/2964: Griechenland - Millionen beteiligen sich an Generalstreik gegen Sparprogramm


World Socialist Web Site
Herausgegeben vom Internationalen Komitee der Vierten Internationale

Griechenland:
Millionen beteiligen sich an Generalstreik gegen Sparprogramm

Von Robert Stevens
13. März 2010
aus dem Englischen (12. März 2010)


Arbeiter in ganz Griechenland beteiligten sich am Donnerstag am zweiten Generalstreik innerhalb eines Monats, um gegen die Kürzungspolitik der sozialdemokratischen PASOK-Regierung von Ministerpräsident Giorgos Papandreou zu protestieren.

Wenige Tage vorher hatte das griechische Parlament das neuste Sparprogramm verabschiedet, das Steuererhöhungen und Ausgabenkürzungen im Umfang von 4,8 Mrd. Euro umfasst. Beschäftigte des öffentlichen Dienstes sind besonders stark betroffen. Sie sollen dieses Jahr eine generelle Lohnkürzung von sieben Prozent hinnehmen, die auch eine dreißigprozentige Kürzung ihrer Zulagen beinhaltet, die an Ostern, im Sommer und Weihnachten ausgezahlt werden.

Schon vorher hatte die Regierung einen Sparhaushalt verabschiedet, mit dem das Defizit des griechischen Staatshaushalts um vier Prozent des Bruttoinlandsprodukts verringert werden sollte. Das sollte durch eine Anhebung des Renteneintrittsalters um zwei Jahre, das Einfrieren der Löhne im öffentlichen Sektor und die Entlassung von Beschäftigten privater Firmen erreicht werden, die für die Regierung arbeiten.

Am Streik beteiligten sich etwa drei Millionen Arbeiter, von denen die meisten in Gewerkschaften organisiert sind, die den Dachverbänden der Privatwirtschaft (GSEE) und des öffentlichen Dienstes (ADEDY) angeschlossen sind. Die GSEE hat ungefähr zwei Millionen Mitglieder und die ADEDY 800.000. Damit repräsentieren sie etwa die Hälfte der griechischen Arbeiter und Angestellten.

Der Streik wurde durchgängig befolgt und führte zum Stillstand der gesamten Verkehrsinfrastruktur und praktisch der ganzen Staatsverwaltung Griechenlands. Alle Flüge von und nach Griechenland wurden wegen des Ausstands der Fluglotsen gestrichen. Der Zugverkehr wurde eingestellt und Busse und U-Bahnen blieben in den Depots.

Die meisten Schulen und Krankenhäuser waren geschlossen. In den Krankenhäusern wurden lediglich Notfallmaßnahmen getroffen. Auch die Seeleute der Fähren traten in den Streik und ihre Schiffe blieben in den Häfen liegen. Die Finanzämter, Gerichte und andere kommunale Gebäude blieben geschlossen. Alle Postämter und Banken waren in Athen und im ganzen Land an diesem Tag ebenfalls dicht. Die Beschäftigten der staatlichen Elektrizitätswerke, der Wasserversorgung und der nationalen Telecomfirma unterstützten den Streik.

Die Müllabfuhr streikte den sechsten Tag. Sie verlängerte ihren Ausstand, damit er auch noch mit dem Generalstreik zusammenfiel. Nachrichtensendungen im Fernsehen und Zeitungen fielen aus, weil neben den Journalisten auch die Techniker des staatlichen Fernsehsenders ANA streikten.

Als einziges fuhren die Straßenbahnen in Athen für ein paar Stunden, damit die Demonstranten zu der Hauptkundgebung gelangen konnten. Obwohl sie kein Streikrecht haben, nahm eine Delegation von 200 Polizisten, Feuerwehrleuten und Zollinspektoren an der Demonstration teil.

Zur Kundgebung in Athen kamen 30.000 Demonstranten. Die Demonstration von GSEE und ADEDY begann auf dem Pediou tou Areos Platz und endete vor dem Parlamentsgebäude auf dem Syntagma Platz. Die Teilnehmer riefen Parolen wie "Keine Opfer für die Plutokratie" und "Richtige Arbeitsplätze, höhere Löhne". Transparente an Wohnblocks lauteten "keine Opfer mehr, Krieg dem Krieg".

Reuters zitierte den Arbeiter Odysseas Panagopoulos, einen 60-jährigen Beschäftigten im Gesundheitswesen, mit den Worten: "Die Maßnahmen sind unfair... Wir kommen nicht mehr zurecht, wir haben Kinder, Familien. Wir brauchen das Geld, um sie durchzubringen. Die Banken und die Reichen sollten für die Krise bezahlen."

Ein anderer Demonstrant sagte: "Mir ist es egal, wenn Griechenland zusammenbricht, denn ich bin persönlich schon am Ende. Ich habe nichts mehr abzugeben."

Neueste Umfragen zeigen, dass die Mehrheit der Griechen inzwischen gegen das Programm der PASOK-Regierung ist, die Arbeitsplätze vernichten, die Rechte der Arbeiter angreifen und ihren Lebensstandard absenken will.

Eine gesonderte Demonstration wurde von dem Gewerkschaftsverband PAME organisiert, der der stalinistischen Kommunistischen Partei Griechenlands angeschlossen ist.

In Thessaloniki, der zweitgrößten Stadt Griechenlands im Norden des Landes, demonstrierten 14.000 Menschen in der Innenstadt gegen die Kürzungen. Auch in anderen Städten kam es zu Demonstrationen, so in Ioannina, Sitia, Naxos, Veroia, sowie in der großen Hafenstadt Patras. Einem Bericht zufolge wurden "Läden in Heraklion auf Kreta blockiert, die ihren Beschäftigten nicht erlaubten, sich an dem Streik zu beteiligen. Mehrere Banken wurden angegriffen.

Hunderte schwer bewaffnete Bereitschaftspolizisten waren im gesamten Stadtzentrum von Athen postiert und griffen Teile der Demonstration an. Sie setzten unterschiedslos Tränengas ein, um die erregte Menge zu zerstreuen. In Athen nahm die Polizei sechzehn Festnahmen vor. Mehrere Personen wurden bei Schlagstockeinsätzen erheblich verletzt. Auch aus anderen Städten wurden Zusammenstöße zwischen Polizisten und Demonstranten gemeldet.

Am Vortag hatte ein Athener Staatsanwalt die Polizei angewiesen, 150 entlassene Olympic Airways Arbeiter zu entfernen und festzunehmen, die die ganze Woche vor dem Rechnungshof protestiert hatten.

GSEE und ADEDY rufen nicht zu Generalstreiks auf, um dem Zorn der Arbeiterklasse Ausdruck zu geben, sondern um ihn für die Regierung und die herrschende Elite Griechenlands in ungefährliche Kanäle zu lenken. Die Gewerkschaften nutzen die eintägigen Streiks, um die massenhafte Opposition zu verzetteln und die Bewegung gegen die Kürzungen nicht außer Kontrolle geraten zu lassen. Mit dieser Zielsetzung haben die Gewerkschaften für den 16. März schon wieder einen Generalstreik ausgerufen.

Im vergangenen Herbst hatten die Gewerkschaften die Wahl von PASOK enthusiastisch unterstützt. Jetzt vertritt die Partei die Interessen der griechischen Konzerne und des internationalen Finanzkapitals und setzt die Kürzungen der Sozialausgaben durch.

Diese Woche beendete Papandreou eine Reise durch vier Länder, die ihren Höhepunkt in einem dreitägigen Besuch in den Vereinigten Staaten und einem Treffen mit Präsident Barack Obama fand. Er sicherte sich in Gesprächen mit Obama dessen Unterstützung für die Sparmaßnahmen seiner Regierung. Vorher hatte er schon die Unterstützung von Kanzlerin Merkel und vom französischen Präsidenten Nicolas Sarkozy erhalten. Seine Reise wurde von den griechischen und den internationalen Medien als Erfolg gefeiert.

Das Lob wurde allerdings durch den Hinweis gedämpft, dass die Sparmaßnahmen noch durchgesetzt werden müssten. Die Financial Times kommentierte am Mittwoch: "Ein erfolgreicher Auftritt auf der internationalen Bühne - seine sechstägige Reise führte ihn in vier Hauptstädte - kann aber die Tatsache nicht verbergen, dass Papandreou zu Hause noch großer Ärger ins Haus steht.

Der Kurs der Klassenzusammenarbeit der Gewerkschaften, mit dem sie PASOK verteidigen, wurde diese Woche von Jannis Grivas, dem Präsidenten der Gewerkschaft der Steuerbeamten, auf den Punkt gebracht. Er sagte über die letzten Streiks: "Sie sind nur ein symbolischer Protest. Wir wissen, dass die Sparpolitik notwendig ist."

Im Gegensatz zur Feigheit und Doppelbödigkeit der Gewerkschaftsführung stellte sich Dimitris Daskalopoulos vom griechischen Arbeitgeberverband am Donnerstag unmissverständlich hinter PASOK und verurteilte die breite Opposition gegen die Sparpolitik. "Zwischen Bankrott und Rezession, zwischen dem Teufel und dem tiefen blauen Meer gibt es keine Alternative außer dem Abgrund", warnte er. "Wir müssen einen Neuanfang machen und das Land reformieren."

Was er im Kontext der globalen Wirtschaftskrise mit "Reform" meint, wurde von Teilen der Medien erläutert. Die Web Site Libcom berichtete gestern, dass die konservative Zeitung Kathimerini die Regierung aufgefordert habe, die Proteste gegen die Sparpolitik niederzuschlagen, "auch wenn dabei einige Demonstranten ums Leben kommen". Die herrschende Elite bereitet die rücksichtsloseste Unterdrückung der Arbeiterklasse vor, um ihren Reichtum zu verteidigen. Die bisherige Polizeigewalt war dabei erst ein schwacher Vorgeschmack.

Für diese Krise gibt es keine nationale Lösung. Hinter PASOK stehen der griechische Staatsapparat, die herrschenden Klassen Amerikas und Europas und die Banken und großen Konzerne. Auch in Spanien, Portugal, Frankreich, Deutschland, Großbritannien und Irland haben sich Arbeiter gegen die Sparpolitik gewehrt, die ihre jeweilige Regierung im Interesse der Banken durchsetzt. Der Kampf der Arbeiter in Griechenland ist nur eine Front im Kampf der Arbeiter in ganz Europa. Er muss europaweit und international zu einem bewussten, organisierten und programmatischen Kampf für eine sozialistische Alternative werden.

Siehe auch:
Die Medienhetze gegen Griechenland
(10. März 2010)

Finanzkapital und griechische Schuldenkrise
(9. März 2010)


*


Bitte senden Sie Ihren Kommentar an: wsws@gleichheit.de!.

Copyright 1998-2010 World Socialist Web Site - Alle Rechte vorbehalten


*


Quelle:
World Socialist Web Site, 13.03.2010
Griechenland:
Millionen beteiligen sich an Generalstreik gegen Sparprogramm
http://wsws.org/de/2010/mar2010/grie-m13.shtml
Deutschland: Partei für Soziale Gleichheit
Postfach 040144, 10061 Berlin
Tel.: (030) 30 87 24 40, Fax: (030) 30 87 26 20
E-Mail: info@gleichheit.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 16. März 2010