Schattenblick →INFOPOOL →MEDIEN → ALTERNATIV-PRESSE

GLEICHHEIT/3046: Über 200.000 protestieren gegen Sparmaßnahmen in Athen


World Socialist Web Site
Herausgegeben vom Internationalen Komitee der Vierten Internationale

Generalstreik in Griechenland
Über 200.000 protestieren gegen Sparmaßnahmen in Athen

Von Johannes Stern
6. Mai 2010


Ein Generalstreik, an dem sich über drei Millionen Arbeiter beteiligten, legte am gestrigen Mittwoch Griechenland nahezu komplett lahm. Flüge wurden gestrichen, der öffentliche Nahverkehr kam größtenteils zum Erliegen und in Krankenhäusern wurden lediglich Notfälle behandelt. Schulen blieben geschlossen und Journalisten stellten für 24 Stunden ihre Arbeit ein und beteiligten sich an den Protestaktionen. Weltberühmte Kulturstätten wie die Akropolis waren nicht geöffnet.

Zu dem Streik hatten die beiden größten Gewerkschaften des Landes, GSEE (Gewerkschaft der privaten Wirtschaft) und ADEDY (Gewerkschaft für den öffentlichen Dienst), aufgerufen. Es war bereits der dritte Generalstreik in den letzten Monaten. An den Protesten beteiligten sich ebenfalls die Eigentümer kleinerer Geschäfte, die von neun bis 15 Uhr ihre Läden geschlossen hielten. Auch der Seeverkehr kam zum Erliegen, da die Panhellenische Seemannsunion (PNO) ebenfalls zum Streik aufgerufen hatte.

Allein in Athen protestierten nach Gewerkschaftsangaben mehr als 200.000 Arbeiter und Jugendliche gegen das massive Sparprogramm der Regierung. Nach Angaben von politischen Beobachtern handelte es sich um eine der größten Demonstrationen der letzten zwanzig Jahre.

Im Zentrum von Athen kam es nach der Großdemonstration gegen die Sparmaßnahmen der sozialdemokratischen PASOK-Regierung zu heftigen Auseinandersetzungen zwischen aufgebrachten Protestierenden und dem Staatsapparat. Etwa 400 Demonstranten wurden bei einem Versuch, das Parlamentsgebäude zu stürmen, von der Polizei mit Tränengas und Schockgranaten zurückgedrängt. Eine Gruppe schaffte es, einige Stufen des Parlamentsgebäudes zu erklimmen, und beschimpfte die Parlamentarier als "Diebe".

Im Parlament sollen am Donnerstag die vom IWF und den Euro-Staaten diktierten Sparmaßnahmen beschlossen werden, die Einsparungen von dreißig Milliarden Euro allein in nächsten drei Jahren vorsehen. Ziel ist es, das Defizit von im Moment 13,6 Prozent des Bruttosozialprodukts bis 2014 unter drei Prozent zu senken.

"Der Zorn der griechischen Protestierenden richtet sich gegen die Symbole des Kapitalismus", sagte Malcom Brabant, der für die BBC in Athen berichtet. "Ich habe seit langer Zeit nicht mehr solche Wut erlebt, aber die angekündigten Kürzungen sind dieses Mal viel heftiger, und die Menschen haben realisiert, wie hart sie die Maßnahmen treffen werden."

Bei einem Brandanschlag auf eine Filiale der Marfin-Bank mit Molotowcocktails kamen bei einem tragischen Ereignis drei Menschen ums Leben. Etwa zwanzig Menschen mussten nach Polizeiangaben aus dem brennenden Gebäude gerettet werden. Auch eine Finanzbehörde direkt neben der Bank stand in Flammen.

Die Polizei in Athen erklärte einen "allgemeinen Alarmzustand". Nach Informationen von Nachrichtenagenturen flogen unzählige Brandflaschen, und es waren immer wieder Explosionen von Tränengasgranaten zu hören. Über dem Syntagma-Platz hingen dichte Tränengasschwaden. Die Polizei ging massiv gegen Demonstranten vor, die sich teilweise mit Pflastersteinen verteidigten. Vor dem Grab des Unbekannten Soldaten wurde die Ehrenwache vertrieben.

Auch in anderen großen Städten des Landes gingen Zehntausende Menschen auf die Straße, um ihrem Unmut über die Kürzungspolitik Ausdruck zu verleihen. In der Innenstadt von Thessaloniki griffen Demonstranten ebenfalls mit Molotowcocktails Banken und Geschäfte an. Auch dort ging die Polizei mit Tränengas vehement gegen Demonstranten vor.

Bereits am Montag hatten Lehrer einen griechischen Fernsehsender gestürmt und vor laufenden Kameras eine Erklärung verlesen. Nach dem Ende der Besetzung sagte Zoe M., eine auf Vertragsbasis angestellte Lehrerin, die monatlich 350 Euro verdient: "Es gibt ein starkes Gefühl der Ungerechtigkeit. Keiner von den Räubern, die uns in diese Lage gebracht haben, ist je ins Gefängnis gegangen. Keiner von denen hat je etwas zurückgezahlt. Und nun sollen die Armen noch ärmer werden." Kollegen von Zoe hatten am Montagabend das Studio des staatlichen Fernsehsenders ERT besetzt.

Während die griechischen Arbeiter nach Mitteln und Wegen suchen, sich gegen die Sparmaßnahmen zur Wehr zu setzen, verfolgten die Regierungen und Investoren besorgt die Ereignisse in Griechenland.

Chris Low, der Chefökonom von FTN Financial in New York, sagte gegenüber der BBC, dass die amerikanische Finanzwelt von den gewalttätigen Protesten geschockt sei: "Die Sorge ist, dass die griechische Bevölkerung den heftigen Sparkurs einfach nicht akzeptiert. Und wenn die Griechen so aufgebracht sind, dann werden wir uns über die Portugiesen, Spanier und Italiener und die Kürzungen, die sie zu machen haben, ebenfalls Sorgen machen müssen."


*


Bitte senden Sie Ihren Kommentar an: wsws@gleichheit.de!.

Copyright 1998-2010 World Socialist Web Site - Alle Rechte vorbehalten


*


Quelle:
World Socialist Web Site, 06.05.2010
Generalstreik in Griechenland
Über 200.000 protestieren gegen Sparmaßnahmen in Athen
http://wsws.org/de/2010/mai2010/gri1-m06.shtml
Deutschland: Partei für Soziale Gleichheit
Postfach 040144, 10061 Berlin
Tel.: (030) 30 87 24 40, Fax: (030) 30 87 26 20
E-Mail: info@gleichheit.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 7. Mai 2010